Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (2. Senat) - 2 A 10405/15


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Tenor

Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung der Beihilfebescheide vom 23. Januar 2014, 13. Februar 2014, 13. März 2014 und 15. April 2014 sowie des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2014 verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 2.024,66 € zu den von ihm geltend gemachten Pflege-, Unterbringungs- und Investitionskosten gemäß den Rechnungen des Landesvereins Innere Mission für die Monate August, September, Oktober, Dezember 2013 sowie Januar bis April 2014 zu gewähren; im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. Februar 2015 wird aufgehoben, soweit es dieser Entscheidung widerspricht. In diesem Umfang werden auch die Berufungen des Klägers und des Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen der Kläger zu 85 v.H. und der Beklagte zu 15 v.H.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung des Urteils wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, falls nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der 1944 geborene Kläger, der bis zu einer Zurruhesetzung als Lehrer im Dienst des beklagten Landes stand, begehrt mit seiner Klage die Gewährung von Beihilfeleistungen zu den ihm im Zeitraum von 2. August 2013 bis April 2014 entstandenen monatlichen Heimunterbringungskosten im Bürgerhospital Altenhilfezentrum W.

2

Durch Einstufungsbescheid der privaten Pflegepflichtversicherung wurde aufgrund des Gutachtens des „Medizinischen Dienstes der Privaten (MEDICPROOF)“ vom 6. September 2013 festgestellt, dass beim Kläger der notwendige zeitliche Hilfebedarf für die Pflegestufe I (erhebliche Pflegebedürftigkeit) mit den seinerzeit erforderlichen Grundpflege- und Hauswirtschaftszeiten von täglich lediglich 82 Minuten nicht erreicht sei. Das medizinische Gutachten sah allerdings eine vollstationäre Unterbringung in einem Pflegeheim aus Krankheitsgründen als erforderlich an. Auch wurde ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung anerkannt.

3

Mit mehreren Anfang 2014 gestellten Beihilfeanträgen reichte der Kläger, vertreten durch seine Betreuerin, die für stationäre Pflege erstellten monatlichen Rechnungen des Trägers des Pflegeheimes, des „Landesvereins Innere Mission“ der Monate August bis Oktober 2013, Dezember 2013 sowie Januar bis April 2014 beim Beklagten ein. Die Rechnungen umfassten jeweils die täglichen Pflegesätze nach der von der Einrichtung so bezeichneten „Pflegestufe 0“, Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung, anteilige Investitionskosten- und Ausbildungsrefinanzierungsbeträge sowie einmalig (im Monat August 2013) Wäschekennzeichnungskosten und einen Einzelzimmeraufschlag. Schließlich wurden von Oktober 2013 bis April 2014 auch Barbeträge (Taschengeld) in Höhe von monatlich 100,- € abgerechnet, die zuvor an den Kläger ausgezahlt worden waren.

4

Daneben stellte das Pflegeheim Zusatzbeträge für die Beaufsichtigung und Betreuung in Rechnung, die der Beklagte in Höhe von monatlich 77,37 € (70 % von 111,95 €) erstattete. Darüber hinaus gewährte er dem Kläger nach Abzug eines Pflegeversicherungsanteils von monatlich 36,00 € die bei häuslicher Pflege vorgesehene Pflegepauschalbeihilfe von 98,00 € je Monat.

5

Mit Bescheiden vom 23. Januar 2014, 13. Februar 2014, 13. März 2014 und 14. April 2014 lehnte der Beklagte dagegen die Bewilligung von Beihilfeleistungen zu den Aufwendungen für Pflege, Unterkunft und Verpflegung, Investitions- und Ausbildungskosten ab. Die gegen diese Bescheide vom Kläger jeweils separat eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2014 zurück.

6

Mit seiner daraufhin innerhalb eines Monats erhobenen Klage machte der Kläger geltend, er habe unmittelbar aus dem Fürsorgegrundsatz und den gesetzlichen Vorschriften einen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe zu allen in den Rechnungen enthaltenen Positionen der Heimunterbringungskosten von August 2013 bis April 2014 (insgesamt 21.465,70 €). Bei einem Beihilfebemessungssatz von 70 % belaufe sich die Klagesumme somit auf insgesamt 15.025,99 €, bzw. – nachdem ein Rechenfehler von 99,04 € eingeräumt werde – auf 14.926,95 €. Unerheblich sei, dass die Beihilfenverordnung ohne die Zuordnung zu einer Pflegestufe keine Beihilfeleistungen zu diesen Kosten vorsehe. Seine Pension reiche für die Begleichung der Heimunterbringungskosten nicht aus, er brauche derzeit sein Sparvermögen auf und es drohe ihm die Sozialhilfebedürftigkeit. Ein Anspruch auf ergänzende Beihilfeleistungen sei nach der Rechtsprechung anzuerkennen in begründeten Ausnahmefällen bei außergewöhnlich hohen Belastungen, in denen die Alimentation des Beamten gefährdet sei. Dies träfe bei ihm zu. Die Beihilfenverordnung weise insoweit eine Regelungslücke auf, die verfassungskonform zu schließen sei.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

den Beklagten unter Aufhebung der Beihilfebescheide vom 23. Januar 2014, 13. Februar 2014, 13. März 2014 und 15. April 2014 und des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2014 zu verpflichten, ihm eine weitere Beihilfe in Höhe von 14.926,95 € zu gewähren.

9

Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verwies auf die seiner Meinung nach zwingenden Vorgaben der Beihilfenverordnung. Danach seien Pflegeaufwendungen bei vollstationärer Pflege nur dann beihilfefähig, wenn eine Pflegestufe vorliege. Maßgeblich sei insofern das Gutachten der privaten Pflegeversicherung. Die Gutachten von MEDICPROOF vom 13. September 2013 und 20. März 2014 sähen jedoch keine Einstufung des Klägers in eine Pflegestufe vor.

12

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 25. Februar 2015 zum überwiegenden Teil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf ergänzende Beihilfeleistungen zu seinen Aufwendungen für die stationäre Pflege im Altenhilfezentrum W. habe, dies allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe. Seine Aufwendungen wären nur beihilfefähig, wenn er einer Pflegestufe zugeordnet wäre, was ausweislich der Gutachten von MEDICPROOF nicht zuträfe. In diesem Fall sei ihm aber als Härteregelung 30 v. H. seiner Versorgungsbezüge zu belassen. Eine solche Härteregelung enthalte die Beihilfenverordnung für die vorliegende Fallkonstellation einer Heimunterbringung ohne Pflegestufe nicht. Sie sei aber in solchen Fällen zwingend erforderlich, da die erheblichen monatlichen Kosten für eine notwendige Heimunterbringung gerade im Fall niedriger Besoldungsgruppen und/oder vorzeitiger Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit die naheliegende Gefahr berge, dass die amtsangemessene Alimentation nicht mehr gewährleistet sei.

13

Gegen diese Entscheidung haben sowohl der Kläger als auch der Beklagte innerhalb eines Monats nach Zustellung die vom Verwaltungsgericht in dem Urteil zugelassene Berufung eingelegt.

14

Zur Begründung seines Rechtsmittels hält der Kläger daran fest, dass ihm eine Beihilfe für sämtliche der von ihm geltend gemachten Aufwendungen zustehe. Er hält die Rechtsausführungen der Vorinstanz für nicht überzeugend, soweit diese dem entgegenstünden. Durch die Höhe der Heimunterbringungskosten sei seine laufende Alimentation gefährdet. In diesem Ausnahmefall bestehe nach der Rechtsprechung ein Anspruch unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Seine Pension betrage netto 2.309,37 €, hinzu kämen 500,-- € Miete, die er von seiner getrennt lebenden Ehefrau erhalte, die in der gemeinsamen Immobilie wohne. Dem stünden Heimkosten in Höhe von rund 2.500,-- €, zuzüglich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 191,74 € und Tilgungsraten für das Hauseigentum in Höhe von 153,73 € gegenüber. Hinzu kämen unregelmäßige Kosten für Haftpflicht, Rechtsschutz, Grundsteuern und Sonstiges. Seine Ausgaben überstiegen damit seine Einnahmen. Das Sparvermögen sei zwischenzeitlich aufgezehrt, so dass nur noch die Immobilie als einziges Vermögen bleibe. Diese werfe aber durch die Mieteinnahmen mehr ab, als er für die Tilgungsleistungen aufbringen müsse. Für die rechtliche Beurteilung dürfe jedenfalls nicht ausschlaggebend sein, dass er keiner Pflegestufe zugeordnet sei.

15

Der Kläger beantragt,

16

das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. Februar 2015 insoweit abzuändern, dass die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 23. Januar 2014, 13. Februar 2014, 13. März 2014 und 15. April 2014 sowie des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2014 verpflichtet wird, ihm – dem Kläger – Beihilfe zu den Aufwendungen für Pflegesatz, Unterkunft, Verpflegung, Investitionskosten, Ausbildungszuschlag gemäß den Rechnungen des Landesvereins Innere Mission für die Monate August, September, Oktober, Dezember 2013 sowie Januar bis April 2014 zu bewilligen, und zwar für den Pflegesatz in voller Höhe und zu den weiteren Aufwendungen, soweit sein Eigenanteil in Höhe von jeweils 40 % seiner monatlichen Gesamtbruttoversorgungsbezüge überschritten wird, sowie

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hilfsweise,

18

festzustellen, dass seine Versorgung verfassungswidrig zu niedrig bemessen sei.

19

Der Beklagte beantragt,

20

die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

21

sowie

22

das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. Februar 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt insofern,

24

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

25

Der Beklagte hat seine eingelegte Berufung auf denjenigen Teil beschränkt, in dem das Verwaltungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfeleistungen wegen eines besonderen Härtefalls zugesprochen hat. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit durch die seiner Auffassung nach stets notwendige Zuordnung des Betreffenden zu einer Pflegestufe sei vielmehr rechtmäßig. Wenn nur ein Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung bestehe, so stelle dies eine altersbedingte Verteuerung der Lebenshaltungskosten dar, die aus der allgemeinen Alimentation zu bestreiten sei. Nach den hier maßgeblichen Gutachten liege beim Kläger keine Pflegebedürftigkeit vor, die eine vollstationäre Unterbringung rechtfertigen könnte. Die entstehenden Kosten seien damit durch das allgemeine Lebensrisiko bedingt. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung beträfe demgegenüber Fälle einer Pflegebedürftigkeit mit Pflegestufe. Der Kläger hätte gegen das Gutachten zur Einstufung in eine Pflegestufe vorgehen müssen. Der von ihm erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Feststellungsantrag sei als Klageänderung nicht sachdienlich und unzulässig.

26

Dem tritt der Kläger entgegen und verteidigt insoweit das Urteil der Vorinstanz, das er auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten für zutreffend hält. Sein Feststellungsantrag sei als Klageänderung sachdienlich, da er verfahrensökonomisch weitere Streitigkeiten verhindere.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Verwaltungsakten (1 Hefter) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

28

Die vom Kläger mit dem Ziel einer über den Ausspruch der Vorinstanz hinausgehenden Gewährung von Beihilfeleistungen eingelegte Berufung ist in diesem Umfang zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Die vom Beklagten mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegte Berufung ist gleichfalls zulässig, jedoch nur insoweit begründet, als – insofern abweichend vom Ausspruch der Vorinstanz – über die im Tenor aufgeführten Beihilfeleistungen hinaus keine weitere Beihilfe zu gewähren ist.

29

Die Klage auf Gewährung von weiteren Beihilfeleistungen zu den dem Kläger im Zeitraum von 2. August 2013 bis 30. April 2014 entstandenen Kosten für Pflege und Unterbringung im Bürgerhospital Altenhilfezentrum W. entsprechend den von ihm monatlich vorgelegten Rechnungen des Trägers dieses Pflegeheims (des „Landesvereins Innere Mission“) hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie nicht begründet (I.). Der vom Kläger hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit seiner Versorgung ist unzulässig (II.).

30

I. Die Klage ist hinsichtlich der vom Kläger – gemäß §§ 1896, 1902 BGB zulässigerweise vertreten durch seine Betreuerin – für den Monat November 2013 geltend gemachten Aufwendungen in Bezug auf die Rechnung des „Landesvereins Innere Mission“ vom 4. November 2013 bereits unzulässig (1.). Im Hinblick auf die übrigen Kosten ist die Klage zwar zulässig, jedoch überwiegend unbegründet (2.).

31

1. Soweit die Unterbringungs- und Pflegeaufwendungen für den Monat November 2013 betroffen sind, hat der Kläger bis zur Klageerhebung weder die entsprechende Rechnung eingereicht noch einen Antrag gestellt noch das gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG - in beamtenrechtlichen Streitverfahren stets erforderliche Vorverfahren durchgeführt. Seine Klage ist deshalb nicht zulässig. Hierzu hat bereits das Verwaltungsgericht das Erforderliche ausgeführt. Hierauf wird gemäß § 130 b Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - verwiesen, zumal der Kläger diesen Abrechnungsmonat in seinem Berufungsantrag nicht aufgeführt hat und das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit im Sinne von § 121 VwGO teilrechtskräftig geworden ist.

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2. Im Hinblick auf die weiteren vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen ist zunächst zu unterscheiden: Für einen Teil der beanspruchten Kostenerstattung fehlt es unter jedem denkbaren Gesichtspunkt an einer gesetzlichen Erstattungsregelung (a). Was die übrigen Aufwendungen betrifft, so steht dem Kläger zwar keine Beihilfe für die vom „Landesverein Innere Mission“ in Rechnung gestellten Pflegekosten und Ausbildungsrefinanzierungskosten zu (b). Die im Zusammenhang mit der Unterbringung und Verpflegung des Klägers im Pflegeheim stehenden Aufwendungen sind allerdings in dem seinen Eigenanteil übersteigenden Umfang vom Beklagten zu erstatten (c). Einer Härtefallregelung durch eine unmittelbare Heranziehung des Fürsorgeprinzips bedarf es bei dieser Sach- und Rechtslage nicht (d).

33

a) Soweit der Kläger nicht schon in der Vorinstanz seinen Klageantrag „wegen eines Rechenfehlers“ korrigiert hat, steht ihm – neben der bereits dargestellten Unzulässigkeit der Klage für die Aufwendungen des Monats November 2013 (2.357,20 €) – für einen Teil der Klageforderung, nämlich hinsichtlich 821,72 €, schon deshalb keine Beihilfe zu, weil es hierfür ersichtlich keine Anspruchsgrundlage gibt. Dies betrifft die ihm im Monat August 2013 vom Träger des Pflegeheims in Rechnung gestellten Kosten für die Kennzeichnung seiner Wäsche, einen einmalig erhobenen Einzelzimmerzuschlag sowie – in Anlehnung an die Sätze der gesetzlichen Pflege- und Sozialversicherung für Heimbewohner – an ihn selbst ausgezahlte Barbeträge („Taschengeld“). Sämtliche dieser Kosten sind von ihm auch unter Beachtung des beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatzes als allgemeine Lebenshaltungskosten bzw. – hinsichtlich der an ihn selbst ausgezahlten Barbeträge – weil es schon keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen sind, selbst zu tragen. Daneben hat der Kläger in seiner (auch sonst nicht schlüssigen) Aufstellung von seiner Ansicht nach beihilfefähigen Aufwendungen übersehen, dass ihm im Monat Februar 2014 ein Betrag von insgesamt 141,48 € wegen einer 14tägigen Abwesenheit im Vormonat gutgeschrieben wurde. Auch für die insofern ohne die erforderliche Korrektur vorgelegte Rechnung des Trägers des Pflegeheims steht dem Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Beihilfe zu.

34

b) Für die verbleibenden Aufwendungen in Höhe von insgesamt 18.145,50 € (vgl. im Einzelnen die Auflistung in der Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 15. Dezember 2015) ist zu unterscheiden: Hinsichtlich der Pflegekosten einschließlich der Ausbildungsrefinanzierung scheitert der Anspruch an der fehlenden Pflegebedürftigkeit des Klägers. In Bezug auf die Unterbringungskosten einschließlich der Verpflegung und der Investitionskosten steht dem Kläger dagegen für die seinen Eigenanteil übersteigenden Aufwendungen eine Beihilfe zu (c).

35

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung einer Beihilfe für die dem Kläger in Rechnung gestellten Pflegekosten ist § 66 Abs. 1 und 2 Landesbeamtengesetz - LBG - in der Fassung vom 20. Oktober 2010 (GVBl. 2010, S. 319, mit späteren Änderungen). Danach haben Ruhestandsbeamte wie der Kläger Anspruch auf Beihilfen unter anderem für die notwendigen und angemessenen Aufwendungen bei dauernder Pflegebedürftigkeit, wobei gemäß Absatz 5 der Vorschrift das für das finanzielle öffentliche Dienstrecht zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für das allgemeine öffentliche Dienstrecht zuständigen Ministerium durch Rechtsverordnung das Nähere regelt. Durch diese Rechtsverordnung kann insbesondere die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen auf bestimmte Indikationen beschränkt werden (§ 66 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a LBG).

36

Für die im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheidende Frage, ob beim Kläger eine dauernde Pflegebedürftigkeit vorliegt, ist die aufgrund dieser Ermächtigung vom Ministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem für das allgemeine öffentliche Dienstrecht zuständigen Ministerium des Innern und für Sport erlassene Beihilfenverordnung - BVO - vom 22. Juni 2011 (GVBl. S. 199), und zwar in der Fassung vom 23. Juli 2014 (GVBl. S. 147), maßgeblich. Diese Fassung der Beihilfenverordnung trat mit ihren, im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246 - Pflegeneuausrichtungsgesetz -) in den §§ 35 ff. BVO enthaltenen Vorgaben zwar erst am 1. Oktober 2014 in Kraft. Trotz des beihilferechtlichen Grundsatzes, nach dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage das Entstehen der die Beihilfe begründenden Leistung maßgeblich ist (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 2 BVO sowie BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 2 C 78.08 -, NVwZ-RR 2010, 693) können die neuen Regelungen, die sich ersichtlich an den Vorgaben des Pflegeneuausrichtungsgesetzes orientieren, bereits zur rechtlichen Beurteilung der ab dem 1. August 2013 entstandenen Aufwendungen des Klägers zugrunde gelegt werden. Denn durch das Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 14. Dezember 2012 (veröffentlicht am 28. Dezember 2012, MinBl. 2012 S. 450) ist die Gültigkeit der Vorschriften der Rechtsverordnung bereits im Vorgriff auf die künftigen Regelungen der Beihilfenverordnung auf den 1. Januar 2013 vorverlegt worden (vgl. auch Bl. 120 der Gerichtsakte).

37

Die gesetzliche Definition des unbestimmten Rechtsbegriffs der „dauernden Pflegebedürftigkeit“ im Sinne von § 66 Abs. 2 LBG findet sich in § 35 Abs. 2 BVO. Danach ist pflegebedürftig, wer wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf. Erforderlich ist danach mindestens, dass die pflegebedürftige Person bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind Aufwendungen nach den §§ 36 bis 42 BVO (wozu auch die hier geltend gemachten Kosten gehören) nur beihilfefähig, wenn die pflegebedürftige Person einer Pflegestufe zugeordnet ist.

38

Bereits diese Begriffsbestimmung zeigt, dass der Verordnungsgeber Beihilfeleistungen nicht bei jeder Hilfeleistung zur Pflege eines Beihilfeberechtigten erbringen will. Die Regelung, die als „Indikation“ im Sinne vom § 66 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a LBG zu verstehen ist und deshalb dem Grundsatz des Parlamentsvorbehalts genügt, steht vielmehr im Zusammenhang mit den seit mehreren Jahren in Deutschland für gesetzlich wie privat Versicherte geltenden allgemeinen gesetzlichen Definitionen und Maßgaben der Pflegeversicherung (niedergelegt im Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI -). Die Regelungen der Beihilfe weichen hiervon nicht nur nicht ab, sie knüpfen sogar – wie die mehrfachen Erwähnungen und Bezugnahmen auf die Vorschriften des SGB XI in den §§ 35 bis 42a BVO deutlich machen – erkennbar an die Begrifflichkeiten und Vorgaben des sozialen Pflegeversicherungsrechts an. Für die rechtliche Beurteilung der Angemessenheit und Notwendigkeit (§ 66 Abs. 2 LBG) von Pflegeaufwendungen ist somit sowohl eine erhebliche als auch eine dauerhafte Hilfsbedürftigkeit der beihilfeberechtigten Person maßgebend. Beide Aspekte sind für gesetzlich wie für privat Versicherte und so auch für Beihilfeberechtigte in den sog. Pflegestufen nach abstrakten Merkmalen zusammengefasst. Gemäß § 14 SGB XI in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI ist eine „erhebliche Pflegebedürftigkeit“ damit erst ab dem Vorliegen der niedrigsten Pflegestufe („Pflegestufe I“) gegeben.

39

Diese Pflegestufe erhält der Versicherte (und damit auch der Beihilfeberechtigte) zuerkannt, wenn er bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss beim Beihilfeberechtigten gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 BVO in Verbindung mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. Diesen Grad an Pflegebedürftigkeit erreicht der Kläger für den hier in Rede stehenden Zeitraum indes ausweislich der Ausführungen des nach § 62 Abs. 2 BVO allein maßgeblichen Pflegegutachtens des „Medizinischen Dienstes der Privaten (MEDICPROOF)“ nicht. Nach den – von keinem Beteiligten in Zweifel gezogenen – Gutachten des Medizinaldirektors B. vom 6. September 2013 und 20. März 2014 war von August 2013 bis einschließlich April 2014 der nach § 35 Abs. 2 Satz 2 BVO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 SGB XI ermittelte zeitliche Hilfebedarf für die Zuerkennung der Pflegestufe I beim Kläger mit den seinerzeit als ausreichend angesehenen Grundpflege- und Hauswirtschaftszeiten von täglich lediglich 82 Minuten nicht erreicht. Der vom Kläger mit seinem Hauptantrag beanspruchten Beihilfe zu den vom Träger des Pflegeheims in Rechnung gestellten Pflegekosten steht aus diesen Gründen mangels einer erheblichen Pflegebedürftigkeit schon das Fehlen einer Pflegestufe entgegen.

40

Die vom Heimträger in seiner Berechnung ausgezeichnete „Pflegestufe 0“ ist für diese Einschätzung unmaßgeblich. Rechtlich gesehen handelt es sich bei dieser Bezeichnung nicht um eine Pflegestufe im Sinne von § 35 Abs. 2 Satz 2 BVO in Verbindung mit §§ 14, 15 SGB XI. Es ist nur als Pauschalentgelt für die „Grundversorgung“ von sog. Selbstzahlern im Pflegeheim zu bewerten. Ein solcher „Pflegesatz“ ist für die beihilferechtliche Bewertung der Angemessenheit von Pflegekosten jedoch irrelevant. Hiernach scheitert der vom Kläger geltend gemachte Beihilfeanspruch für die Pflegekosten (in Höhe von insgesamt 8.581,74 €) an der gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 BVO erforderlichen, bei ihm aber nicht gegebenen Pflegestufe.

41

Anders als der Kläger meint liegt bei dieser Sachlage keine durch eine verfassungskonforme Auslegung oder Analogie zu schließende Regelungslücke vor. Denn auch der für seine Rechtsauffassung herangezogene § 66 Abs. 2 LBG setzt – ebenso die die beihilferechtlichen Vorschriften – eine erhebliche Pflegebedürftigkeit voraus. Da die Beihilfe hier (wie auch sonst) regelmäßig nur ergänzenden Charakter hat, kann die Frage, wann eine in erheblichem oder höherem Maße bestehende dauernde Pflegebedürftigkeit vorliegt, nicht anders beurteilt werden als im Pflegeversicherungsrecht. Da das Beihilferecht, wie § 66 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a LBG i. V. m. § 35 Abs. 2 Satz 3 BVO belegt, keinen vom Pflegeversicherungsrecht (§ 15 SGB XI) abweichenden Begriff der Pflegebedürftigkeit kennt, kann der Kläger nur dann eine Beihilfe zu seinen Pflegekosten nach § 39 BVO verlangen, wenn er einer Pflegestufe zugeordnet ist, was aber, wie dargelegt, nicht der Fall ist.

42

An diesem Zwischenergebnis ändert das vom Kläger und der Vorinstanz für eine verfassungskonforme Bewertung der Angemessenheit von Pflegekosten bei einer stationären Unterbringung herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Januar 2012 (2 C 24.10, NVwZ-RR 2012, 899) nichts. In dem dort entschiedenen Fall war die Klägerin nämlich der Pflegestufe II zugeordnet. Das trifft beim Kläger jedoch, wie dargelegt, nicht zu.

43

In der genannten Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht weiterhin aus, dass der in den dort maßgeblichen Beihilfevorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff des „besonderen Ausnahmefalls“ (§ 12 BVO NRW) verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass den Anforderungen des durch Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz - GG - gewährleisteten Alimentationsgrundsatzes Rechnung getragen wird. Das Bundesverwaltungsgericht weist allerdings zugleich darauf hin, dass die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts sich auf den in derart besonderen Lebenslagen erhöhten Besoldungs- und Versorgungsbedarf sowie auf die notwendigen und angemessenen Maßnahmen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod beschränke. Diese sollen nicht aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben, weil sie der Beamte mit der Regelalimentation nicht bewältigen könne (BVerwG, Urteil 24. Januar 2012, a. a. O.). Wie im Weiteren noch aufgezeigt wird, bedarf der Kläger für den fraglichen Zeitraum nicht einer solchen erhöhten Alimentation. Denn er wird durch die im Tenor zuerkannte weitere Beihilfe zusammen mit den ihm bereits gewährten Beihilfen in die Lage versetzt, seinen Aufenthalt im Pflegeheim „Bürgerhospital Altenhilfezentrum W.“ auch ohne eine Gefährdung seines amtsangemessenen Lebensunterhalts zu finanzieren.

44

So erhält der Kläger trotz seiner nicht erheblichen Pflegebedürftigkeit im Sinne von § 15 SGB XI zunächst die im Beihilferecht nach § 36 Abs. 5 BVO bei einer häuslichen Pflege auch ohne eine Einstufung in eine Pflegestufe vorgesehene „Pauschalbeihilfe“ für sog. selbst beschaffte Pflegehilfen in Höhe von 98,00 € (unter Anrechnung der Leistungen aus der Pflegeversicherung, § 36 Abs. 5 Satz 5 BVO). Diese, an sich in der für die häusliche Pflege vorgesehene, Leistung wird vom Beklagten, wie die Sitzungsvertreter dem Senat in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2015 auf Nachfrage bestätigten, auch bei einer stationären Unterbringung gezahlt.

45

Grund hierfür ist der beim Kläger gegebene erhebliche Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung im Sinne von § 35 Abs. 3 BVO. Ein derartiger Bedarf liegt auch ohne Zuordnung zu einer Pflegestufe vor, wenn aufgrund einer dauerhaft erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung zusätzlich demenzbedingte Fähigkeitsstörungen, geistige Behinderungen oder psychische Erkrankungen bestehen, bei denen die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter als Folge der Krankheit oder Behinderung des Beihilfeberechtigten Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens feststellen, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz führen (§ 45a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI). Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nach allen vorliegenden Pflegegutachten – wiederum unstreitig – erfüllt, weshalb er gemäß § 42 Satz 1 BVO neben der monatlichen Pauschalbeihilfe zusammen mit den Leistungen aus der Pflegeversicherung auch zusätzlich den dann vorgesehenen Betreuungsaufwand in Höhe von 111,95 € (davon 78,37 € Beihilfe) ersetzt erhält. Weitere Ansprüche hat er in Bezug auf die reinen Pflegekosten dagegen nicht.

46

c) Auch wenn dem Kläger aus diesen Gründen über die beiden vorgenannten Pauschalbeträge hinaus keine weiteren Beihilfeleistungen für die Pflegekosten zustehen, so gilt dies nicht für die vom Kostenträger des Bürgerhospitals Altenhilfezentrum W. in Rechnung gestellten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Unterbringung des Klägers im Pflegeheim. Diese sind vielmehr in dem seinen Eigenanteil übersteigenden Umfang vom Beklagten zu erstatten. Die Unterbringungskosten sind notwendig im Sinne von § 66 Abs. 2 LBG, weil in den beiden hierfür maßgeblichen Pflegegutachten vom 6. September 2013 und 20. März 2014 vom Gutachter die Erforderlichkeit einer Beaufsichtigung und Betreuung zur Vermeidung einer Verwahrlosung und wegen der nicht gegebenen Rückkehr in die häusliche Umgebung des allein stehenden Klägers attestiert worden ist. Anhaltspunkte für die Annahme, diese ärztlichen Bewertungen seien erkennbar unzutreffend, bestehen nicht; sie werden insofern auch von den Beteiligten nicht vorgebracht. Die Erforderlichkeit und Angemessenheit dieser Aufwendungen ist nach den ärztlichen Stellungnahmen mithin gegeben.

47

Was die Höhe der Beihilfe betrifft, so gilt Folgendes: Anspruchsgrundlage für die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen ist § 39 Abs. 1 Satz 2 und 3 BVO. Danach sind Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung einschließlich der Investitionskosten und Zusatzleistungen nach § 88 SGB XI zwar zunächst nicht beihilfefähig. Dies gilt aber nicht für Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung einschließlich der Investitionskosten, die bei einem Beihilfeberechtigten mit einem der in § 4 Abs. 1 BVO genannten Personen den Eigenanteil in Höhe von 40 v. H. der um 360 € geminderten Versorgungsbezügen übersteigen. Nach der den Beteiligten vorliegenden Berechnung (vgl. auch die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 15. Dezember 2015) ergibt dies eine weitere Beihilfe in der im Tenor genannten Höhe. Für die Berechnung gilt im Einzelnen:

48

In den Monaten August 2013 erhielt der Kläger monatliche Versorgungsbezüge in Höhe von 2.702,45 (August bis Dezember 2013) bzw. 2.729,49 € (Januar bis April 2014). Abzüglich eines Pauschalbetrages von 360 € je Monat ergeben sich für die acht streitgegenständlichen Monate Bruttoversorgungsbezüge in Höhe von insgesamt 18.847,76 €. Der Eigenanteil von 40 % dieser Bezüge beträgt mithin 7.539,10 €. Von den in dem fraglichen Zeitraum angefallenen Kosten der Unterbringung, der Verpflegung und der anteilig umgelegte Investitionskosten nach § 39 Abs. 1 BVO in Höhe von insgesamt 9.563,76 € verbleiben nach Abzug des vorstehend im Einzelnen aufgeschlüsselten Eigenanteils somit noch Aufwendungen in Höhe von insgesamt 2.024,66 €, für die ihm eine Beihilfe zusteht.

49

Der Zuerkennung einer Beihilfefähigkeit der Unterbringungs- und Verpflegungskosten sowie der dazu gehörenden Investitionskostenanteile lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Kläger nach den oben gemachten Ausführungen mangels Pflegestufe keine Beihilfe zu den Pflegekosten der vollstationären Unterbringung erhalten kann. Denn eine Abhängigkeit der Unterbringungskosten ergibt sich nicht zwingend aus der für eine vollstationäre Pflege maßgeblichen Regelung des § 39 Abs. 1 BVO. Diese Vorschrift ist vielmehr so auszulegen, dass sie jedenfalls in den Fällen gilt, in denen der Beihilfeberechtigte ohne Erreichen einer Pflegestufe betreut und beaufsichtigt werden muss und ihm hierfür eine Pauschalbeihilfe (entsprechend § 35 BVO) sowie der Betreuungszuschlag nach § 45a SGB XI gewährt wird. Die Bewilligung einer Pauschalbeihilfe zu den Kosten der Grundpflege sowie der besondere Zuschlag für eine Beaufsichtigung und Betreuung sind gleichsam Indizien für die damit in innerem Zusammenhang stehenden Unterbringungskosten. Hinzu kommt, dass die vollstationäre Unterbringung im Pflegeheim beim Kläger nach den bereits angesprochenen Pflegegutachten ärztlich ausdrücklich als erforderlich angesehen worden ist. Da der Kläger ausweislich dieser Gutachten auch nicht in sein häusliches Umfeld zurückkehren kann, handelt es sich schließlich auch um notwendige Aufwendungen im Sinne von § 66 Abs. 2 LBG und § 8 Abs. 1 BVO.

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d) Nachdem sich aus diesen Gründen ein Beihilfeanspruch bereits aus einer verfassungskonformen Auslegung der geltenden Vorschriften des Beihilferechts ergibt, bedarf es keiner „Härtefallentscheidung“ durch Heranziehung des Fürsorgegrundsatzes mehr. Der Kläger erhält vielmehr nach dieser Entscheidung zusammen mit den Pflegeversicherungsleistungen Zuzahlungen in Höhe von rund 500 € monatlich. Dieser Betrag setzt sich – zusammen mit den anteiligen Leistungen der Pflegeversicherung – aus 120 € Pauschalbeihilfe, ca. 112 € für erhöhten Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf sowie rund 270 € Beihilfe für Unterkunft und Verpflegung etc. (2.024,66 € : 7,5 Monate = 269,95 €) zusammen. Zusammen mit seiner zwischen August 2013 und April 2014 durchschnittlich erhaltenen Bruttoversorgung in Höhe von ca. 2.716 € je Monat standen ihm in dem in Rede stehenden Zeitraum von August 2014 bis April 2014 damit finanzielle Mittel in Höhe von monatlich knapp 3.220 € zur Verfügung.

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Diesen finanziellen Mittel stehen Kosten für die vollstationäre Pflege in Höhe von ca. 2.500 € je Monat gegenüber. Dabei kann unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei den darin enthaltenen Pflegekosten um nicht notwendige Aufwendungen handelt. Die amtsangemessene Alimentation ist damit nicht gefährdet, wobei die vom Kläger aufgeführten Steuern, Versicherungsprämien und Darlehensleistungen ebenso unberücksichtigt bleiben wie seine Mieteinnahmen. Damit verblieben ihm monatlich etwa 500 € für seine allgemeinen Lebenskosten. Hierbei darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese weder die Unterkunft noch Verpflegung und alle damit verbundenen Nebenkosten (Strom, Energiekosten, Müllabfuhrgebühren und sonstige öffentliche Abgaben und/oder Gebühren) mehr umfassten.

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Eine darüber hinausgehende Beihilfe bis zum Erreichen von 30 % seiner Bruttoversorgungsbezüge ist aus Gründen der Fürsorge bzw. der amtsangemessenen Alimentation nach alledem nicht erforderlich. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24. Januar 2012, a.a.O.) setzte dies nämlich eine erhebliche Pflegebedürftigkeit voraus, die hier aber gerade nicht vorliegt. Jede andere Sichtweise würde dazu führen, einem Beihilfeberechtigten selbst bei minimaler Pflegebedürftigkeit (im Extremfall mit nur einer Minute täglicher Hilfeleistung) die Unterbringung in einem Pflegeheim durch die Beihilfe zu finanzieren. Da die Pflegeversicherung ausschließlich bei Vorliegen einer Pflegestufe eintritt, käme dann hinzu, dass dies bis auf den Eigenanteil des Berechtigten vollständig aus den für Angehörige des öffentlichen Dienstes vorgesehenen Haushaltsmitteln zu finanzieren wäre. Dies würde nicht nur dem Grundsatz der Akzessorietät der Beihilfe im Pflegeversicherungsrecht widersprechen, sondern auch eine nicht gerechtfertigte Besserstellung von Beihilfeberechtigten gegenüber allen übrigen Pflegeversicherten darstellen.

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II. Der vom Kläger hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit seiner Besoldung ist bereits mangels durchgeführten Vorverfahrens (§ 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG) sowie als – nicht sachdienliche – Klageänderung (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO) unzulässig.

54

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Zivilprozessordnung.

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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bzw. § 127 Beamtenrechtsrahmengesetz bezeichneten Art nicht vorliegen.

Beschluss

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Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz für die erste Instanz auf 15.025,99 € und für die Berufungsinstanz auf 14.926,95 Euro festgesetzt.

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