Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (6. Senat) - 6 A 10942/19

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. März 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die vom Beklagten versagte Bewilligung längerer Arbeitszeiten aus Anlass von drei Veranstaltungen rechtswidrig gewesen ist.

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Die Klägerin betreibt ein Veranstaltungsunternehmen. Sie hat 37 Arbeitnehmer fest angestellt. Geschäftszweck ist die Planung, Organisation und Durchführung musikalischer Großveranstaltungen von 5.000 bis 65.000 Besuchern, wobei auch die Schankgastronomie bei den Veranstaltungen mit eigenem Personal durchgeführt wird.

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Unter dem 16. Februar 2017 beantragte die Klägerin die Bewilligung der Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf zwölf Stunden zuzüglich mindestens 45 Minuten Pause für einen Teil ihrer Beschäftigten bei drei Großveranstaltungen. Dabei handelte es sich um die Veranstaltung MAYDAY (27. April bis 2. Mai 2017), Ruhr-in-Love (28. Juni bis 3. Juli 2017) und NATURE ONE (4. August bis 6. August 2017). Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12. April 2017 im Wesentlichen mit der Begründung ab, bei der Klägerin handele es sich um keinen Saisonbetrieb. Den hiergegen mit Schreiben vom 13. April 2017 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2017 zurück.

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Mit Urteil vom 9. März 2018 hat das Verwaltungsgericht Koblenz die von der Klägerin erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage als zulässig, aber unbegründet abgewiesen. Der Klägerin habe im Zeitpunkt der Erledigung kein Anspruch auf die von ihr begehrte Arbeitszeitverlängerung aufgrund der Besonderheiten ihres Betriebes zugestanden, da sie weder ein Saisonbetrieb noch ein Kampagnebetrieb im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sei. Der Begriff des Saisonbetriebes setze voraus, dass die zu einer verstärkten Tätigkeit führenden Umstände von außen in Gestalt der Kundennachfrage auf den Betrieb zukämen und diese Kundennachfrage der jeweiligen Jahresperiode geschuldet sei, nicht jedoch auf unternehmerischen Entscheidungen und Angeboten bzw. deren bewussten Ausgestaltung beruhe. Zudem gehe das Leitbild des Gesetzgebers im hier vorliegenden Regelungskontext von Betrieben aus, in denen Arbeitnehmer längerfristig beschäftigt seien. Diese Anforderungen erfülle der Veranstaltungsbetrieb der Klägerin nicht. Das erhöhte Arbeitsaufkommen bei den Veranstaltungen NATURE ONE, Ruhr-in-Love und MAYDAY sei nicht das Ergebnis jahreszeitlich bedingter Umstände. Es ergebe sich vielmehr aus der konkreten unternehmerischen Planung, Organisation und Konzeption dieser Festivals als Großveranstaltungen durch die Klägerin. Eine Sichtweise, die von einer Betrachtung des Gesamtbetriebes Abstand nehme und isoliert auf einzelne Veranstaltungen abstelle, werde dem Ausnahmecharakter einer Arbeitszeitverlängerung für Saisonbetriebe nicht gerecht. Zudem stelle die Klägerin den weitaus größten Teil der Mitarbeiter lediglich für die Dauer der einzelnen Veranstaltungen und damit nur sehr kurzfristig ein. Insoweit fehle es außerdem an der tatbestandlichen Voraussetzung, dass die Verlängerung der Arbeitszeit über acht Stunden werktäglich durch eine entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit zu anderen Zeiten ausgeglichen werde. Die Klägerin sei auch kein Kampagnebetrieb, da sie ihre Veranstaltungen das ganze Jahr hindurch plane, organisiere und durchführe.

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Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Senat mit Beschluss vom 24. Juni 2019 zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht schließe einen Saisonbetrieb rechtswidrig dann aus, wenn die zu einer verstärkten Tätigkeit führenden Umstände auf unternehmerischen Entscheidungen und Angeboten bzw. deren bewussten Ausgestaltung beruhten. Diese negative Definitionsabgrenzung sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Zum einen sei jedes Unternehmen frei in der Entscheidung, seine betriebliche Tätigkeit an der Kundennachfrage auszurichten. Zum anderen seien die Kriterien ungeeignet, einen Saisonbetrieb, etwa einen Fremdenverkehrsbetrieb, von anderen Formen betrieblichen bzw. unternehmerischen Tätigwerdens abzugrenzen. Der Begriff des Saisonbetriebs erfasse auch sogenannte Hilfsindustrien und sei innovationsoffen. Die Ursache für einen erhöhten Arbeitsanfall könne sich aus der Art des Produkts oder durch Verbrauchsgewohnheiten ergeben. Ein Saisonbetrieb sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Betrieb ganzjährig tätig sei. Der Begriff des Saisonbetriebes verlange eine funktionale, tätigkeitsbezogene Betrachtung. Hiernach sei der Umfang der spezifischen Tätigkeit im Rahmen der in Rede stehenden Veranstaltungen aufgrund äußerer Umstände erhöht. Hiervon ausgehend habe der Beklagte den Saisonbezug der Veranstaltungen in der Vergangenheit erkannt und eine entsprechende Arbeitszeitverlängerung mit Bescheiden vom 9. Juli 2015 und 26. April 2016 bewilligt. Die Art bzw. Besonderheiten der Veranstaltungen und der jeweilige Termin stünden in einer – witterungsbedingten – Wechselbeziehung und seien in zeitlicher Hinsicht alternativlos. Dies gelte insbesondere für die beiden Open-Air-Festivals Ruhr-in-Love und NATURE ONE. Die in Rede stehenden Großveranstaltungen könnten nur zu bestimmten Jahreszeiten bzw. an bestimmten Tagen stattfinden. Die Veranstaltungsdauer sei an der Nachfrage ausgerichtet. Es handle sich um sogenannte Raves mit einer Mindestdauer von zehn Stunden und großem Besucherzuspruch, die sich zu Marken entwickelt hätten und einmal jährlich zum gleichen Termin stattfänden. Das Veranstaltungskonzept entspreche insoweit dem eines Biergartens, der ebenfalls eine Kundennachfrage während der warmen Jahreszeit bediene. Außerdem sei der Saisonbezug nicht allein mit der Wetterlage gleichzusetzen. Ein Saisonbetrieb werde auch nicht durch die nur kurzfriste Aufstockung des Personal bei erhöhtem Arbeitsaufkommen während der Dauer einer Veranstaltung ausgeschlossen. Dies sei vielmehr der Normalfall. Gegenstand des Bewilligungsantrags seien zudem 37 unbefristet festangestellte Arbeitnehmer. Dem Arbeitszeitgesetz lasse sich im vorliegenden Zusammenhang ohnehin keine bestimmte Mindestdauer eines Arbeitsverhältnisses entnehmen. Außerdem werde hier ein Zeitausgleich durch Freizeit unmittelbar im Anschluss an die Tätigkeit oder durch eine entsprechende arbeitsvertragliche Klausel gewährt. Dies könne zudem durch Nebenbestimmungen im Bewilligungsbescheid sichergestellt werden. Ihr Betrieb lasse sich ferner als Kampagnebetrieb qualifizieren. Dem stehe eine Betriebstätigkeit außerhalb der Veranstaltungszeiten nicht entgegen. Von daher sei ihr Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Bewilligungsantrag nicht erfüllt worden.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. März 2018 festzustellen, dass die Ablehnung ihres Antrags vom 16. Februar 2017, die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf 12 Stunden für die Veranstaltungen MAYDAY (17. April bis 2. Mai 2017), Ruhr-in-Love (28. Juni bis 3. Juli 2017) und NATURE ONE (4. bis 6. August 2017) zu bewilligen, durch den Bescheid des Beklagten vom 12. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2017 rechtswidrig war.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angegriffene Urteil und betont, das erhöhte Arbeitsaufkommen entstehe über die Konzeption und das Format der Veranstaltungen als Großveranstaltungen mit mehrtätigen bzw. zeitlich umfangreichen Musikdarbietungen und nicht aufgrund saisonal bedingter Umstände. Das Konzept der Großveranstaltung sei zwar auf die Bedürfnisse des Marktes im Sommer zugeschnitten. Dies schließe eine Durchführung zu einer anderen Jahreszeit jedoch nicht denknotwendig aus. So biete die Klägerin auch zu anderen Jahreszeiten Großveranstaltungen an, wie etwa SYNDICATE (7. Oktober) oder TOXICATOR (2. Dezember). Die Kundennachfrage werde jedenfalls über die Konzeption als Großveranstaltung generiert, nicht über die Saisonalität.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

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I. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

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Sie ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, wie in dem angegriffenen Urteil zutreffend ausgefü;hrt ist, auf welches insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (vgl. § 130b Satz 2 VwGO).

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Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin kann die Feststellung, dass die Ablehnung ihres Antrags vom 16. Februar 2017, die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf zwölf Stunden für die Veranstaltungen MAYDAY, Ruhr-in-Love und NATURE ONE zu bewilligen, durch den Bescheid vom 12. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2017 rechtswidrig war, nicht beanspruchen. Denn dieser Bescheid war rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog, § 113 Abs. 5 VwGO).

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Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) kann die Aufsichtsbehörde eine von den §§ 3, 6 Abs. 2 und 11 Abs. 2 ArbZG abweichende längere tägliche Arbeitszeit für Saison- und Kampagnebetriebe für die Zeit der Saison oder Kampagne bewilligen, wenn die Verlängerung der Arbeitszeit über acht Stunden werktäglich durch eine entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit zu anderen Zeiten ausgeglichen wird. Nach § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten und längstens auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

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Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Klägerin nicht vor. Die Klägerin ist weder Saisonbetrieb (1.) noch Kampagnebetrieb (2.) im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG.

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1. Der Begriff des Saisonbetriebes wird im Arbeitszeitrecht nicht näher bestimmt. Er hat auch in der Rechtsterminologie keinen festen Inhalt und bedarf daher der Auslegung. Das Verwaltungsgericht ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass eine Arbeitszeitverlängerung nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG nur dann in Betracht kommt, wenn das erhöhte Arbeitsaufkommen aufgrund des Jahreslaufs eintritt und nicht lediglich das Ergebnis unternehmerischer Entscheidungen darstellt. Bei saisonalen Dienstleistungen muss daher die Kundennachfrage zwingend der jeweiligen Jahresperiode geschuldet sei. Sie darf hingegen nicht allein auf unternehmerischen Entscheidungen und Angeboten bzw. deren bewusster Konzeption beruhen. Dieses Auslegungsergebnis ergibt sich anhand der anerkannten Auslegungskriterien.

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a) Die Koppelung des erhöhten betrieblichen Arbeitsanfalls an eine jahreszeitlich bedingte Kundennachfrage ist bereits im Gesetzeswortlaut angelegt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter Saison ein jahreszeitlicher Abschnitt zu verstehen, in dem etwas Bestimmtes gehäuft auftritt, vorzugsweise stattfindet, am meisten vorhanden ist bzw. angeboten wird, gleichsam eine Periode des Hochbetriebes, Hauptbetriebes- oder Hauptgeschäftszeit (vgl. BAG, Urteil vom 10. Juni 1987 – 4 AZR 60/87 –, juris, Rn. 20 zu § 1 Abs. 4 der Anlage 5 [Arbeitszeitregelung] zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes). Hiervon ausgehend beschreibt das Kompositum „Saisonbetrieb“ daher Unternehmen, die regelmäßig in einer bestimmten Jahreszeit verstärkt arbeiten, sei es, dass sie vom Wetter abhängig sind, insbesondere im Winter Einschränkungen vornehmen oder die Arbeit ganz aussetzen müssen, sei es, dass das Schwanken der Beschäftigung auf sonstige Gründe zurückzuführen ist, sofern es nur regelmäßig in einer bestimmten Jahreszeit wiederkehrt (vgl. auch BSG, Urteil vom 20. Oktober 1960 – 7 RAr 98/56 211;, juris, Rn. 21 zu § 20 Abs. 1 KSchG a.F.). Diese dem Begriff „Saisonbetrieb“ eigene Abhängigkeit beruht auf äußeren Umständen, nicht allein auf der unternehmerischen Entscheidung, eine bestimmte Dienstleistung gerade zu einem bestimmten Zeitpunkt oder -raum, gleichsam während einer „selbstgewählten Saison“ anzubieten.

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b) Die Entstehungsgeschichte der Norm streitet ebenfalls gegen einen Saisonbetrieb, wenn ein erh46;htes Arbeitsaufkommen lediglich das Ergebnis unternehmerischer Entscheidungen und nicht äußerer Umstände darstellt. Die durch das Arbeitszeitrechtsgesetz vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170) eingeführte Befugnis in § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG zur Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit für Saisonbetriebe ist aus § 4 Abs. 3 Satz 2 und § 8 Abs. 2 sowie § 15 Abs. 1 der im Jahr 1938 erlassenen Arbeitszeitverordnung (AZO) übernommen worden (BT-Drs. 12/5888, S. 24, 31). Dabei bot § 15 Abs. 3 AZO Ansätze für die nähere Begriffsbestimmung eines Saisonbetriebes (so auch BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1987 – 5 C 42.86 –⁠, juris, Rn. 10). Nach dieser Regelung konnte der Reichsarbeitsminister bestimmen, dass die Vorschriften der Absätze 1 und 2 – betreffend einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung – keine Anwendung finden, wenn in Gewerben, die ihrer Art nach in gewissen Zeiten des Jahres regelmäßig zu erheblich verstärkter Tätigkeit genötigt waren, in diesen Zeiten über die Grenze des § 3 AZO hinaus gearbeitet wurde, soweit die Mehrarbeit durch Verkürzung der Arbeitszeit in den übrigen Zeiten des Jahres ausgeglichen wurde. Diese Formulierung kann als Umschreibung des Begriffs „Saisonbetrieb“ auf das Arbeitszeitgesetz übertragen werden. Denn durch das Arbeitszeitgesetz sollte die überholte Arbeitszeitordnung vollständig ersetzt und zugleich das gesamte gesetzliche Arbeitszeitrecht von NS-Terminologie befreit werden (BT-Drs. 12/5888, S. 20). Ausreichend, aber auch erforderlich war insoweit, dass das Gewerbe seiner Art nach zu gewissen Zeiten des Jahres regelmäßig erheblich verstärkt arbeiten muss (Meisel/Hiersemann, AZO, 2. Aufl. 1977, § 15 Rn. 46). Ein Saisonbetrieb erfordert somit, dass ein Unternehmen seiner Art nach in gewissen Zeiten des Jahres regelmäßig zu einer außergewöhnlich verstärkten Tätigkeit genötigt sein und insoweit starken saisonalen Schwankungen unterfallen muss (Denecke/Neumann/Biebl, AZO, Kommentar, 11. Aufl. 1991, § 15 Rn. 35). Dabei hat eine solche ̶2;Nötigung“ zur Mehrarbeit fremdbestimmt zu erfolgen. Die Jahreszeit muss – nach der Eigenart des Betriebes – für den vermehrten Arbeitsanfall ursächlich sein (vgl. BAG, Urteil vom 15. Oktober 1987 – 6 AZR 530/85 –, Rn. 22, juris zu § 15 Abs. 4 BAT a.F.). Ein Veranstaltungsunternehmen ist daher nicht Saisonbetrieb, wenn die zu verstärkter Tätigkeit führenden Umstände zwar von außen in Gestalt der Kundennachfrage auf das Unternehmen zukommen, diese Kundennachfrage in Bezug auf die angebotenen Dienstleistungen jedoch nicht allein der jeweiligen Jahresperiode geschuldet ist.

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c) Für das Begriffsverständnis, wonach ein saisonaler Dienstleistungsbetrieb die Koppelung des erhöhten betrieblichen Arbeitsanfalls an eine jahreszeitlich bedingte Kundennachfrage verlangt, spricht ferner der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Das Arbeitszeitgesetz hat die Aufgabe, Arbeitnehmer u.a. vor gesundheitlichen Gefahren aus der Überschreitung der zeitlichen Leistungsgrenzen zu schützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 – 1 C 17.99 –, juris, Rn. 16). Hiervon ausgehend hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG eine Ausnahmebewilligung für Saison- und Kampagnebetriebe im Hinblick auf eine von §§ 3, 6 Abs. 2 und § 11 Abs. 2 ArbZG abweichende Arbeitszeit vorgesehen, um auch den betrieblichen Interessen eines Arbeitgebers in besonderen Konstellationen Rechnung zu tragen. Dieses Interesse liegt darin, dem infolge einer Kundennachfrage erhöhten Arbeitsanfall nachzukommen. Dabei erweist sich dieses Arbeitgeberinteresse allerdings nicht als schutzwürdig, wenn er die erhebliche Kundennachfrage durch das Ergebnis unternehmerischer Entscheidungen im Wesentlichen selbst herbeigeführt hat. Denn die Zulässigkeit einer Überschreitung der zeitlichen Leistungsgrenzen soll gerade nicht nur von Unternehmensentscheidungen des Arbeitgebers abhängen. Dies widerspräche auch dem Ausnahmecharakter des § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG, der nach dem schon in der Überschrift zum 4. Abschnitt des Gesetzes zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers eine Ausnahme in besonderen Fällen darstellen soll. § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG knüpft eine Überschreitung der zeitlichen Leistungsgrenzen vielmehr an saisonale, d.h. außerhalb der Sphäre des Arbeitgebers liegende Umstände für eine erhöhte Kundennachfrage.

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d) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Betrieb der Klägerin nicht um einen Saisonbetrieb. Ihr Unternehmenszweck besteht nach eigenen Angaben in der Planung, Organisation und Durchführung von musikalischen Großveranstaltungen. Als Größenordnung dieser Veranstaltungen wird ein Rahmen von 5.000 bis 65.000 Besuchern genannt. Inhalt der Großveranstaltungen sind Darbietungen elektronischer Musik in Form von sogenannten Raves mit einer Dauer von mindestens 10 Stunden.

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Nach der Eigenart dieses Betriebes ist die bei der Klägerin zu einem verstärkten Arbeitsanfall führende Kundennachfrage in Bezug auf die geplanten und durchgeführten Großveranstaltungen nicht entscheidend der jeweiligen Jahresperiode geschuldet. Dies gilt zunächst für sogenannte Indoor-Raves. So findet etwa die Veranstaltung MAYDAY mit bis zu 27.000 Besuchern derzeit in den Westfalenhallen in Dortmund, d.h. wetterunabhängig statt. Einen saisonalen Bezug der Veranstaltung zum 1. Mai vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Dieser Feiertag erzeugt aus sich heraus keine Kundennachfrage im Hinblick auf Großveranstaltungen für elektronische Musik. Soweit der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Mehrarbeit bei der genannten Veranstaltung mit deren – wegen des Veranstaltungsortes in einer Halle – längeren Dauer von ca. 14 Stunden begründet hat, stellt dies lediglich eine unternehmerische Entscheidung zur Erfüllung der Kundennachfrage nach langandauernden „Raves“ ohne saisonalen Bezug dar.

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Nach den obigen Maßstäben handelt es sich bei dem Betrieb der Klägerin seiner Natur nach auch in Bezug auf die geplanten und durchgeführten Open-Air-Festivals nicht um einen Saisonbetrieb.

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Zum einen führt die Konzeption, Organisation und Durchführung einer Open-Air-Veranstaltung in der genannten Größenordnung im Erfolgsfall schon aus sich heraus zu einer erheblichen Kundennachfrage, welche nach der Historie der von der Klägerin durchgeführten Großveranstaltungen sogar noch erheblich gestiegen ist (z.B. Ruhr-in-Love von 17.000 [2003] auf 37.000 [2018] Besucher oder NATURE ONE von 13.000 [1995] auf 65.000 [2019] Besucher, vgl. www.wikipedia.de). Dieser unternehmerische Erfolg findet seine Ursache wesentlich im Konzept dieser Veranstaltungen als Großveranstaltungen für elektronische Musik, nicht in der jeweiligen Jahresperiode, in der sie stattfinden. Mit den einzelnen Events ist zwar ein erhö;htes Arbeitsaufkommen infolge der speziellen Kundennachfrage verbunden. Die erhöhte Kundennachfrage ist jedoch bereits durch die einzelne Großveranstaltung als solche bedingt. Daher vermag auch der von der Klägerin gezogene Vergleich ihres Unternehmens mit einem Schaustellerbetrieb nicht zu überzeugen. Schausteller bieten saisonbedingt Jahrmarkts-, Volksfest- und Varieté-Attraktionen an. Die erhöhte Kundennachfrage ergibt sich insoweit nicht lediglich aus der Konzeption und Durchführung der Attraktionen, sondern beruht wesentlich auf in einer bestimmten Jahreszeit wiederkehrenden Umständen. Denn Schausteller arbeiten typischerweise auf im Brauchtum verankerten, ggf. regional typischen Festen mit ggf. langer Tradition sowie auf saison- oder produktbedingten (Jahr-)Märkten. Den Open-Air-Raves der Klägerin kann eine solche Qualitä;t als für die Allgemeinheit anerkannte Traditionsveranstaltungen indes nicht beigemessen werden.

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Zum anderen ist die Eigenart des Betriebes der Klägerin bei typisierender Betrachtung nicht auf die Planung, Organisation und Durchführung von Open-Air-Festivals beschränkt. Der Unternehmenszweck umfasst vielmehr auch sonstige Großveranstaltungen für elektronische Musik. Die Klägerin führt ganzjährig Großveranstaltungen durch. Ihr Veranstaltungsbetrieb ist daher seiner Natur nach – anders als etwa der Betrieb eines Biergartens – nicht vom Wetter oder sonstigen, regelmäßig in einer bestimmten Jahreszeit wiederkehrenden Umständen abhängig. Es ist außerdem weder dargelegt noch ersichtlich, dass gerade die Open-Air-Festivals einen eigenen, abgrenzbaren Betriebsteil der Klägerin darstellen (vgl. BAG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – 8 AZR 1019/08 –, juris, Rn. 17 zum Begriff „Betriebsteil“ i.S.v. § 613a BGB), welcher einer isolierten Würdigung zugänglich wäre. Dies gilt insbesondere – unbeschadet des wirtschaftlichen Erfolges – für die Festivals NATURE ONE und Ruhr-in-Love. Insoweit lässt die Eigenart des Betriebes der Klägerin sowie dessen Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, deren (Teil-)Zweck allein in der Konzeption, Planung und Durchführung von Open-Air-Festivals besteht, nicht erkennen. Vor diesem Hintergrund kommt es auf den Einwand der Klägerin, dass mit den Open-Air-Festivals aufgrund des Veranstaltungsortes im Freien sowie deren längerer Dauer ein höherer Betriebsaufwand verbunden sei, nicht entscheidungserheblich an.

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2. Die Klägerin ist auch kein Kampagnebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG.

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Der Begriff des Kampagnebetriebs wird – wie der des Saisonbetriebes – im Arbeitszeitrecht nicht näher bestimmt und bedarf daher ebenfalls der Auslegung. Ansätze für eine nähere Begriffsbestimmung bietet hier § 105d Abs. 1 der Gewerbeordnung a.F., welcher mit dem Arbeitszeitrechtsgesetz vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170) in das Recht des Arbeitszeitschutzes einbezogen wurde (BT-Drs. 12/5888, S. 21, 34). In der Vorschrift wurden für Betriebe, welche „ihrer Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt“ waren, bestimmte Sonderregelungen getroffen. Der Begriff „Kampagnebetrieb“ wurde dabei im Gesetz zwar nicht verwendet, jedoch damit umschrieben (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1990 – 1 C 21.88 –, juris, Rn. 19). Hiervon ausgehend sind Kampagnebetriebe Unternehmen, deren Arbeitsanfall ihrer Natur nach regelmäßig auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist (vgl. Neumann, in: Landmann/Rohmer, GewO, 81. EL, März 2019, ArbZG § 15 Rn. 5).

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Gemessen hieran weist die Klägerin nicht die Eigenschaft eines Kampagnebetriebes auf. Dabei bedarf es keiner abschließenden Erörterung, ob ein Kampagnebetrieb auch dann vorliegen kann, wenn außerhalb der Kampagne Stammarbeiter weiterbeschäftigt werden. Denn nach den obigen Ausführungen ist bereits nicht ersichtlich, dass die Durchführung von Großveranstaltungen durch die Klägerin nach der Natur ihres Betriebsgegenstandes auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist. Die Konzeptionierung und Terminierung der Veranstaltungen ergibt sich für sie nicht aus zwingenden Gründen der jeweiligen Jahresperiode, sondern beruht auf einer unternehmerischen Entscheidung.

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Nach allem war die Berufung zurückzuweisen, ohne dass es noch auf die weitere vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage eines Arbeitszeitausgleiches i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG entscheidungserheblich ankam.

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III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO.

33

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf den Begriff des Saison- und Kampagnebetriebes im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Beschluss

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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG).

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