Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Landesdisziplinarsenat) - 3 A 11075/19

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

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Der ... Beklagte bestand ... die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern Chemie und Mathematik mit der Note 1,9 („gut bestanden“). Im Anschluss an sein Referendariat legte er am 28. März 2001 erfolgreich die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien in diesen Fächern ab; hierbei erreichte er erneut die Gesamtbewertung „gut bestanden“ (Note 2,35).

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Am 13. August 2001 trat der Beklagte als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis an der Integrierten Gesamtschule H. – IGS H. – in den Schuldienst ein, nachdem er zuvor im Zeitraum vom 1. Mai bis zum 20. Juni 2001 kurzzeitig am Gymnasium E. beschäftigt gewesen war. Unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe wurde er mit Wirkung vom 1. August 2002 zum Studienrat zur Anstellung im Dienst des Klägers ernannt. Die Ernennung zum Studienrat im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgte zum 1. August 2003. Mit Wirkung vom 18. Mai 2007 wurde der Beklagte zum Oberstudienrat befördert. Am 20. Mai 2011 wurde ihm kommissarisch die Funktionsstelle eines Studiendirektors zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben (Organisationsleitung) an der IGS H. übertragen. Nach erfolgreicher Erprobungszeit wurde er dort mit Wirkung vom 8. Juli 2012 zum Studiendirektor ernannt. Mit Schreiben vom 15. August 2014 wurde ihm kommissarisch die Funktion des Stellvertretenden Schulleiters an der IGS H. übertragen. Die anlässlich dieser Bewerbung erstellte letzte dienstliche Beurteilung schloss mit dem Gesamturteil „A“ und 300 von 300 möglichen Punkten („Eignung, Befähigung und fachliche Leistung übertreffen die Anforderungen erheblich“).

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Im Zeitraum vom 4. Februar 2015 – zwei Tage nachdem ihm die dem hiesigen Disziplinarverfahren zugrunde liegende Aussage des ihn eines sexuellen Missbrauchs bezichtigenden Schülers bekannt gegeben worden war – bis Dezember 2016 war der Beklagte dienstunfähig erkrankt. Am 5. Januar 2017 wurde er an die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (im Folgenden: ADD), abgeordnet, wobei der Abordnungszeitraum mehrfach – zuletzt bis zum 31. Juli 2019 – verlängert wurde.

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Der Beklagte ist ledig und hat keine Kinder. Straf- und disziplinarrechtlich ist er bis zu dem den Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens bildenden Vorfall nicht in Erscheinung getreten.

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Dem Disziplinarverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

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Am 2. Februar 2015 informierte der zweite stellvertretende Schulleiter der IGS H. die ADD als Schulaufsichtsbehörde und auch den Beklagten selbst darüber, am 29. Januar 2015 mit den Eltern eines Schülers ein vertrauliches Gespräch geführt zu haben, in dem diese den Beklagten beschuldigten, ihren Sohn sexuell missbraucht zu haben.

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Nach eigener Anhörung der Eltern des Schülers und einem persönlichen Gespräch mit dem Beklagten, in welchem dieser die gegen ihn erhobene Anschuldigung – wie auch nachfolgend durchgehend – bestritten hatte, leitete die ADD am 11. Februar 2015 gegen den Beklagten das vorliegende Disziplinarverfahren ein. Mit diesem wird dem Beklagten zur Last gelegt, gegenüber dem 2002 geborenen Schüler F. am 10. Dezember 2014 in den Räumlichkeiten der IGS H. sexuell übergriffig geworden zu sein. Nach dem auf die Angaben des Schülers zurückzuführenden Tatvorwurf soll der Beklagte eine Situation ausgenutzt haben, bei der er sich als Ersthelfer wegen eines Notfalls zum Nachteil des Schülers allein mit diesem in einem Klassenraum aufhielt. Bei dieser Gelegenheit soll er den Reißverschluss an der Hose des Schülers geöffnet und über der Unterhose mehrfach an dessen Penis manipuliert haben.

9

Am 26. Februar 2015 hörte die ADD einen Psychologen der Lebenshilfe B. an, der bereits wenige Tage nach dem 10. Dezember 2014 ein persönliches Gespräch mit dem Schüler geführt hatte und dessen Schilderungen als glaubhaft erachtete.

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Das Disziplinarverfahren wurde am 16. März 2015 wegen des sachgleichen Strafverfahrens ausgesetzt, das zwischenzeitlich – ebenfalls im Februar 2015 – aufgrund der Strafanzeige der Mutter des Schülers und nach polizeilicher Anhörung des Schülers wegen des Tatvorwurfs des sexuellen Missbrauchs eines Kindes gegen den Beklagten eingeleitet worden war.

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Im Strafverfahren wurde der Beklagte zunächst durch Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Altenkirchen vom 21. Dezember 2016 aus tatsächlichen Gründen von diesem Tatvorwurf freigesprochen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft verurteilte ihn das Landgericht – 7. kleine Strafkammer – Koblenz am 24. April 2017 unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung. Die vom Beklagten hiergegen eingelegte und allein auf die Sachrüge gestützte Revision verwarf das Oberlandesgericht Koblenz durch Beschluss vom 1. August 2017 als offensichtlich unbegründet.

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Am 21. August 2017 setzte der Kläger das Disziplinarverfahren fort und erhob am 28. Dezember 2018 nach vorheriger Zustimmung des Bezirkspersonalrats wegen des im Strafverfahren rechtskräftig festgestellten sexuellen Missbrauchs des Schülers F. die vorliegende Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Beamten aus dem Dienst zu entfernen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat zur Begründung vorgetragen, sich der rechtskräftigen Verurteilung bewusst zu sein, wenngleich das Amtsgericht ihn erstinstanzlich noch freigesprochen habe. Die Verurteilung sei zu Unrecht erfolgt. Er bitte um „wohlwollende Prüfung“, ob er nicht weiterhin im Innendienst der ADD eingesetzt werden könne.

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Das Verwaltungsgericht hat der Disziplinarklage mit Urteil vom 24. Mai 2019 entsprochen und den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Zur Begründung hat die Vorinstanz im Wesentlichen ausgeführt, eine erneute gerichtliche Prüfung der vom Landgericht bereits im Strafverfahren rechtskräftig getroffenen tatsächlichen Feststellungen sei nicht angezeigt gewesen. Eine solche sei nur möglich, wenn sich Zweifel an der ergangenen strafrechtlichen Entscheidung zu der konkreten Annahme verdichtet hätten, dass die betreffenden Feststellungen offenkundig unrichtig seien, was vorliegend nicht der Fall sei. Es fehle bereits an einem Fehler innerhalb der entscheidungserheblichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils. Dass der Beklagte seine Tat bis zuletzt bestritten habe, vermöge die Annahme solch eines Fehlers nicht zu begründen. Das Strafurteil beruhe auch nicht auf einem Verfahrensfehler. Es sei insbesondere nicht zu beanstanden, dass sich die kleine Strafkammer des Landgerichts für die Bewertung der Aussage des im strafgerichtlichen Verfahren als Nebenkläger auftretenden Schülers F. nicht eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bedient habe. Insofern sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Würdigung von Aussagen nicht nur erwachsener, sondern auch kindlicher oder jugendlicher Zeugen zum Wesen richterlicher Rechtsfindung gehöre und daher grundsätzlich dem Tatrichter anvertraut sei. Dass die kleine Strafkammer in der Person des Schülers, im Aussageverhalten und im Sachverhalt insgesamt keine solchen Besonderheiten erkannt habe, dass Zweifel daran hätten aufkommen können, ob die Sachkunde des Gerichts auch unter den gegebenen Umständen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des dortigen Nebenklägers ausreiche, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Gegen die Existenz eines für einen Lösungsbeschluss geforderten (evidenten) Fehlers spreche zudem die Tatsache, dass das Oberlandesgericht Koblenz die Revision des Beklagten, in welcher dieser insbesondere den Beweiswert der Aussage des Schülers in Zweifel gezogen und die Beweiswürdigung der kleinen Strafkammer beanstandet gehabt habe, als unbegründet verworfen habe.

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Der Beklagte habe durch sein Verhalten tatbestandlich ein sehr schweres innerdienstliches Dienstvergehen verwirklicht und im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt. Außergewöhnliche Milderungsgründe, die ausnahmsweise zu einem Absehen der regelmäßig beim sexuellen Missbrauch eines minderjährigen Schülers durch einen Lehrer indizierten Entfernung aus dem Schuldienst führen könnten, seien nicht zu erkennen. Die lange unbeanstandete Dienstzeit, die erbrachten überdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen während der gesamten Laufbahn, die zu einem hervorstechenden Aufstieg zum Studiendirektor geführt hätten, sowie die im Übrigen strafrechtliche Unbescholtenheit gehörten dem Grunde nach zum Selbstverständnis der den Beamten obliegenden Dienstpflichten. Diese Umstände seien nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens so zu relativieren, dass deshalb bei einem Beamten, der sich untragbar gemacht habe, von einer Dienstentfernung abgesehen werden könne. Insofern überwögen die Erschwerungsgründe, vor allem das hohe Eigengewicht der Tat, die für den Beklagten sprechenden Umstände bei weitem. Vor diesem Hintergrund könne auch nicht von einer Nachbewährung in der Funktion des Beklagten als Mitarbeiter der Schulaufsicht gesprochen werden. Eine solche scheide zudem bereits deshalb aus, weil der Beklagte nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen keine außenwirksamen Tätigkeiten verrichtet habe. Der Entfernung aus dem Dienst stehe auch nicht der Zeitablauf seit Begehung der Tat entgegen. Es könne offenbleiben, ob die seit Einleitung des Disziplinarverfahrens am 11. Februar 2015 verstrichene Zeit eine überlange Verfahrensdauer darstelle, wofür letztlich bereits wenig spreche. Ergebe die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme erforderliche Gesamtwürdigung, dass die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis geboten sei, könne nicht davon abgesehen werden, nur, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert habe. Der Umstand, dass der Kläger von einer vorläufigen Dienstenthebung des Beklagten abgesehen habe, könne die Disziplinarmaßnahme nicht als treuwidrig bzw. verwirkt erscheinen lassen. Schließlich sei es dem Kläger wegen des endgültigen Vertrauensverlusts auch nicht zuzumuten, dem Beklagten eine andere Verwendung innerhalb des Beamtenverhältnisses, insbesondere im Bereich der Schulaufsicht, zu ermöglichen.

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Gegen dieses Urteil hat der Beklagte innerhalb eines Monats nach Zustellung die vorliegende Berufung eingelegt. Er macht weiterhin geltend, im Strafverfahren zu Unrecht verurteilt worden zu sein. Das rechtskräftige Strafurteil dürfe dem Disziplinarverfahren nicht zugrunde gelegt werden. Zum einen sei dies entgegen der Wertung des Verwaltungsgerichts nicht frei von Verstößen gegen die allgemeinen Denkgesetze und Erfahrungswerte. In diesem Zusammenhang müsse nochmals darauf hingewiesen werden, dass er in dem Strafverfahren zunächst vom Amtsgericht aufgrund widersprüchlicher Aussagen des Schülers F. freigesprochen worden sei und weitere dort angehörte Schüler zu seinen Gunsten ausgesagt hätten. Zum anderen sei es als grober Verfahrensverstoß zu werten, dass das Landgericht den bestehenden Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Schülers nicht mit einem Sachverständigengutachten nachgegangen sei, zumal andere Kinder die Aussage des Schülers relativiert hätten. Nicht nachvollziehbar sei, dass der Kläger einen endgültigen Vertrauensverlust behaupte. Seiner Erinnerung nach sei ihm von der Vertreterin der ADD bestätigt worden, sich in den letzten Jahren bei seiner Arbeit dort in jeder Hinsicht korrekt verhalten zu haben. Ihm sei wiederholt – zuletzt im Dezember 2018 – im Rahmen eines persönlichen Gesprächs eine weitere Verwendung im Bereich der Schulaufsicht in Aussicht gestellt worden. Auch er selbst sei deswegen immer davon ausgegangen, dass ihm eine Bewährungschance eingeräumt werde. Diese könne nicht mit der Begründung eines nicht ausreichenden Stellenplans zurückgewiesen werden, weil durch die lange Weiterbeschäftigung ein Vertrauenstatbestand begründet worden sei und es die Fürsorgepflicht gebiete, eine tragbare Lösung für ihn zu suchen und zu finden. Das Vertrauen seiner ehemaligen Lehrerkollegen der IGS H. genieße er ebenfalls weiterhin, da niemand aus dem Kollegenkreis ihm solch eine Straftat zutraue.

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Der Beklagte beantragt,

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das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier abzuändern und die Disziplinarklage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil, das er auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens für zutreffend hält. Es sei sämtlichen Beteiligten von Beginn an klar gewesen, dass es sich bei der Abordnung des Beklagten zur Schulaufsicht lediglich um eine vorübergehende Maßnahme gehandelt habe. Zwar treffe es zu, dass er seine Arbeit dort gut verrichtet habe, allerdings sei ihm zu keinem Zeitpunkt eine – zudem schriftliche – Zusage erteilt worden, dass er dort auf Dauer eingesetzt werde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten, die Disziplinarakte (ein Hefter) und die Personalakten (zwei Hefter) verwiesen. Diese lagen dem Gericht ebenso vor wie die Strafakten in dem Strafverfahren 2070 Js 14095/15 (drei Bände) und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

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Das Verwaltungsgericht hat der in formeller Hinsicht vom Beklagten nicht weiter angefochtenen Disziplinarklage des Klägers zu Recht entsprochen und den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Dieser hat durch seine Handlung ein schweres Dienstvergehen begangen (1.), welches unter Berücksichtigung der gesamten Tatumstände wie auch seines Persönlichkeitsbildes seine Entfernung aus dem Dienst erfordert (2.). Eine mildere Maßnahme kam wegen des endgültigen irreparablen Vertrauensverlustes und der nicht wiedergutzumachenden Ansehensschädigung nicht in Betracht (3.).

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1. Der Beklagte hat sich als im Landesdienst stehender Lehrer durch den sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB zum Nachteil des zum Tatzeitpunkt 12-jährigen Schülers F. eines schweren, innerdienstlich begangenen Dienstvergehens im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Landesbeamtengesetz – LBG – i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Landesdisziplinargesetz – LDG – schuldig gemacht. In tatsächlicher Hinsicht legt der Senat wie schon die Vorinstanz die nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LDG bindenden Feststellungen im rechtskräftigen Strafurteil des Landgerichts Koblenz vom 24. April 2017 zugrunde, das den Beklagten wegen dieser Straftat zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilte. Im Einzelnen heißt es hierzu in den Urteilsfeststellungen:

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„Am 10. Dezember 2014 kam es nach der fünften Unterrichtsstunde gegen 12:35 Uhr zwischen dem damals 12 Jahre alten Schüler der 5. Klasse der IGS H., F., und einem mit ihm befreundeten Mitschüler, R., in einem Klassenraum der IGS H. zu einer kleinen „Kabbelei“, in deren Verlauf der Schüler F. vom Stuhl fiel und mit dem Rücken auf dem Boden liegen blieb. Der Mitschüler P. kam hinzu und wollte dem regungslos am Boden liegenden F., von dem er wusste, dass dieser unter Asthma litt, helfen und drückte ihm in der Annahme der Erforderlichkeit einer Herzmassage mehrfach kräftig und mit Schwung gegen den Brustkorb, was bei F. zu Schmerzen und Atemnot führte, weswegen er anfing, zu weinen. Daraufhin beauftragte die zu diesem Zeitpunkt in der Klasse unterrichtende Lehrkraft L. zwei Schüler damit, den Beklagten in seiner Eigenschaft als Schulersthelfer herbeizuholen. Kurz darauf erschien dieser auch. Nachdem ihm F. berichtet hatte, dass er Atemprobleme und Schmerzen im Brustbereich habe, fragte ihn der Beklagte, ob er seinen Oberkörper abtasten und zu diesem Zweck sein T-Shirt hochheben dürfe, was der Schüler bejahte. Nachdem dies geschehen war und der Beklagte eine Rippenfraktur bei F. nicht sicher ausschließen konnte, entschloss er sich dazu, vorsorglich einen Krankenwagen zu rufen. Er ging ins Sekretariat und setzte einen Notruf ab. Der Sekretärin erteilte er den Auftrag, die Eltern von F. zu verständigen. Anschließend kehrte er zum Schüler zurück, der nach wie vor umringt von den Schülern seiner Klasse auf dem Boden lag. Mitschüler deckten ihn mit Jacken zu. Zwei von ihnen erteilte der Beklagte den Auftrag, sich zum Eingang der Schule zu begeben und dort auf das Eintreffen des Krankenwagens zu warten. Zudem bat er L., mit der Klasse in einen anderen Raum zu gehen, was auch geschah.

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Der Beklagte war nun allein mit F. in dem Klassenzimmer. In dieser Situation beschloss der Beklagte, an dem Schüler, von dem er wusste, dass er erst 12 Jahre alt war, sexuelle Handlungen vorzunehmen. Der Beklagte legte sich neben den Schüler auf die rechte Seite, wobei er sich mit dem linken Ellenbogen auf dem Boden abstützte. Anschließend führte er seine rechte Hand unter die Jacken, mit denen F. zugedeckt war, an den Reißverschluss der Hose des Kindes und strich zunächst mehrmals mit der Hand darüber. Sodann öffnete der Beklagte den Reißverschluss, ohne auch den Hosenknopf zu öffnen, und fasste durch den Hosenschlitz über der Unterhose mehrfach an den Penis des Kindes, wobei er jeweils mit den Kuppen des Daumens und des Zeige- und Mittelfingers daran manipulierte und Auf- und Abbewegungen vollzog. Zwischendurch zog er immer wieder die Hand bis zum Hosenschlitz zurück und berührte dann erneut den Penis des Kindes. Als der Beklagte die Rettungssanitäter kommen hörte, ließ er von F. ab.“

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An diese tatsächlichen Feststellungen zum äußeren und inneren Tatbestand des in Rede stehenden Straftatbestandes, einschließlich derjenigen zur Schuldfähigkeit, zur Schuldform sowie zu den Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen, ist der Senat nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LDG gebunden, weil die Voraussetzungen, unter denen sich das Disziplinargericht gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 LDG von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln hat, nicht vorliegen.

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Die Bindungswirkung dient der Rechtssicherheit. Sie soll verhindern, dass zu ein- und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen durch staatliche Gerichte getroffen werden. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Aufklärung eines sowohl straf- als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts vorrangig den Strafgerichten zu übertragen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass tatsächliche Feststellungen, die ein Gericht auf der Grundlage eines Strafprozesses mit seinen besonderen Ermittlungsmöglichkeiten und Erfahrungen einerseits sowie den hierfür geltenden rechtsstaatlichen Sicherungen andererseits trifft, eine erhöhte Gewähr der Richtigkeit bieten (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2004 – 1 D 15.03 –, juris Rn. 15; OVG RP, Beschluss vom 29. November 2019 – 3 B 11532/19 –, juris Rn. 15). Damit wird zugleich die Beschleunigung des während des strafgerichtlichen Verfahrens gemäß § 15 Abs. 1 LDG regelmäßig ausgesetzten Disziplinarverfahrens ermöglicht und eine wiederholte Inanspruchnahme und Belastung etwaiger Opferzeugen vermieden. Daher haben die Verwaltungsgerichte die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils ihrer Entscheidung regelmäßig ungeprüft zugrunde zu legen. Sie sind insoweit weder berechtigt noch verpflichtet, eigene Feststellungen zu treffen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3.12 –, BVerwGE 146, 98 Rn. 13; Beschlüsse vom 7. November 2014 – 2 B 45.14 –, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 91 und juris, dort Rn. 13, vom 25. Februar 2016 – 2 B 1.15 –, juris Rn. 7, vom 30. August 2017 – 2 B 34.17 –, Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 51 und juris, dort Rn. 10 f. sowie vom 8. März 2019 – 2 B 45.18 –, juris Rn. 8).

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Die Bindungswirkung für das Disziplinarverfahren entfällt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 LDG nur, wenn und soweit die Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen von den Mitgliedern des Disziplinargerichts mit Stimmenmehrheit bezweifelt werden. Die Verwaltungsgerichte sollen nicht gezwungen werden, gleichsam „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden zu müssen. Sie sind daher berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen in sich widersprüchlich oder sonst unschlüssig sind, im Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder aus sonstigen vergleichbar gewichtigen Gründen offenkundig unzureichend sind (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2003 – 2 WD 8.02 –, BVerwGE 117, 371 Rn. 4). Aus sonstigen vergleichbar gewichtigen Gründen können die Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils offenkundig unzureichend sein, wenn sie in einem entscheidungserheblichen Punkt unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind oder wenn Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen (BVerwG, Urteil vom 29. November 2000 – 1 D 13.99 –, BVerwGE 112, 243 [245]; Beschlüsse vom 7. November 2014 – 2 B 45.14 –, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 91 und juris, dort Rn. 13 sowie vom 30. August 2017 – 2 B 34.17 –, Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 51 und juris, dort Rn. 13). Liegt eine dieser Situationen vor, hat das Verwaltungsgericht eine erneute Prüfung der im Strafverfahren getroffenen Feststellungen zu beschließen. Die bloße Möglichkeit, dass sich das in dem vorangegangenen Verfahren festgestellte Geschehen auch anders ereignet haben könnte, reicht für einen Lösungsbeschluss hingegen nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1991 - 1 D 19.91 -, juris Rn. 11; stRspr).

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Die nach Maßgabe dieser Grundsätze zu prüfenden äußeren Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss liegen hier, was das Verwaltungsgericht in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil zutreffend herausgearbeitet hat, nicht vor. Beweismittel, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen, hat der Beklagte nicht eingeführt. Auch verstößt weder die Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungswerte (a) noch sind die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen (b).

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(a) Der vom Beklagten im Berufungsverfahren geforderten Lösung von den rechtskräftigen Feststellungen im Strafverfahren mit der Begründung, die Beweiswürdigung sei nicht frei von Verstößen gegen die allgemeinen Denkgesetze und Erfahrungswerte, steht schon entgegen, dass die Beweiswürdigung des landgerichtlichen Strafurteils im Revisionsverfahren auf die vom Beklagten erhobene allgemeine Sachrüge insgesamt zu überprüfen war und der hierfür zuständige Revisionssenat des Oberlandesgerichts Koblenz solch einen Fehler vorliegend einstimmig verneint hat. Schon auf die allgemeine Sachrüge hin prüft das Revisionsgericht im Strafverfahren von Amts wegen, ob die tatrichterliche Beweiswürdigung, so wie sie sich aus den Urteilsgründen ergibt, gegen die Regeln der Logik (Denkgesetze) verstößt, unklar oder widersprüchlich ist oder gegen Erfahrungssätze verstößt (vgl. Ott, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, § 261 Rn. 204 und 212). Anhaltspunkte dafür, dass der Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz dies entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht oder unzureichend geprüft haben könnte, liegen nicht vor und werden vom Beklagten auch nicht aufgezeigt. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Denn der Beklagte hat seine Sachrüge im Revisionsverfahren ausschließlich mit einer angeblich fehlerhaften, weil widersprüchlichen, Beweiswürdigung begründet und hierbei ausdrücklich auf mehrere, seiner Meinung nach bestehende Auffälligkeiten in der Aussage des Schülers abgestellt. In seinem Beschluss vom 1. August 2017 weist das Oberlandesgericht Koblenz gerade diese Einwände als unbegründet zurück und führt hierzu im Wesentlichen aus, dass auch eine ansonsten detailreiche Aussage natürlich Lücken enthalten könne, etwa, weil ein Zeuge einen bestimmten Teilaspekt des Geschehens nicht wahrgenommen oder im Zeitpunkt der Aussage nicht präsent gehabt habe. Entscheidend sei, dass der Tatrichter diesen „Widerspruch“ gesehen und sich lege artis damit auseinandergesetzt habe.

37

Abgesehen davon ergibt auch die hiervon losgelöste Überprüfung des Senats keine Anhaltspunkte für solch einen Fehler in der Beweiswürdigung des landgerichtlichen Urteils.

38

Der vom Beklagten zunächst genannte Umstand, dass er in erster Instanz vom Amtsgericht unter abweichender Würdigung der Aussage des Schülers freigesprochen wurde, besitzt keine Aussagekraft für einen Beweiswürdigungsfehler. Es liegt in der Natur des für das Strafverfahren in § 261 StPO niedergelegten Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung, dass durch verschiedene Spruchkörper unterschiedliche Beweisergebnisse gefunden werden können, ohne dass dies rechtlich angreifbar ist. Nach § 261 StPO entscheidet das (Straf-)Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Die durch die Beweiswürdigung gewonnene, von Zweifeln freie Gewissheit des Tatrichters von einem bestimmten Geschehensverlauf ist höchstpersönlich. Eine übereinstimmende Überzeugung bei einem Kollegialgericht – hier der 7. kleinen Strafkammer in der Besetzung mit einer Berufsrichterin und zwei Schöffen als Berufungsinstanz im Strafverfahren – wird häufig durch das gemeinsame Erleben in der Hauptverhandlung und durch den Meinungsbildungsprozess in der Beratung entstehen (vgl. Sander, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2012, § 261 Rn. 12 m.w.N.). Die tatrichterliche Überzeugung, die subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts als solche, muss das Revisionsgericht ebenso hinnehmen wie das aus konkreten Umständen abgeleitete Unvermögen des Tatgerichts, verbliebene Zweifel zu überwinden. Es darf und kann, schon weil ihm die aus dem Inbegriff der gesamten Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse fehlen, seine eigene Überzeugung nicht an die Stelle der tatgerichtlichen setzen (vgl. Sander, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2012, § 261 Rn. 177 m.w.N.).

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Beruht die Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des Angeklagten – so wie hier – allein auf der Aussage eines Belastungszeugen, ohne dass weitere belastende Indizien vorliegen, so sind an die Überzeugungsbildung des Tatrichters strenge Anforderungen zu stellen. Die Urteilsgründe müssen in Fallkonstellationen der genannten Art erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, welche seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Insbesondere die Aussage des Zeugen selbst ist einer sorgfältigen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98 –, juris Rn. 14). Hat die in den Urteilsgründen zu dokumentierende Beweiswürdigung alle festgestellten Tatsachen ausgeschöpft und sind die tatgerichtlichen Schlüsse möglich sowie mit den getroffenen Feststellungen vereinbar, dann kann das Revisionsgericht das Ergebnis nicht deshalb in Zweifel ziehen, weil es selbst davon nicht überzeugt ist und anders entschieden hätte. Dies gilt – unabhängig von der Bedeutung und dem Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs – nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs selbst dann, wenn die nach Ansicht des Revisionsgerichts mögliche andere Beurteilung sogar näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre oder die vom Tatgericht getroffenen Feststellungen gar „lebensfremd“ erscheinen (vgl. erneut Sander, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2012, § 261 Rn. 182 m.w.N.).

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Unabhängig von der im Fall des Beklagten unzureichenden Konkretisierung des hierauf bezogenen Vorbringens, dass „weitere“ angehörte Schüler zu seinen „Gunsten“ ausgesagt hätten – ohne Benennung der hiermit gemeinten Zeugen, des Aussageinhalts oder des Verfahrensabschnitts, in dem die Aussage getroffen worden sein soll – (vgl. zur Darlegungslast im gerichtlichen Disziplinarverfahren bei Geltendmachung der offenkundigen Unrichtigkeit der im Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen: BVerwG, Beschlüsse vom 30. August 2017 – 2 B 34.17 –, vom 18. Juni 2014 – 2 B 55.13 – und vom 26. August 2010 – 2 B 43.10 –, jeweils juris), fehlt jeglicher Anhaltspunkt für einen nach den oben dargestellten und auch hier zugrunde zu legenden Maßstäben relevanten Verstoß bei der Beweiswürdigung im landgerichtlichen Strafurteil.

41

Das Landgericht hat in zwei Hauptverhandlungsterminen eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt, bei der zusätzlich zu den schon im erstinstanzlichen Verfahren vernommenen Zeugen – soweit sie dort überhaupt ergiebig waren – die erstinstanzliche Strafrichterin und der Vater des geschädigten Schülers insbesondere zu der Aussagekonstanz und -genese sowie möglichen, hier als ausgeschlossen erachteten, Falschbelastungsmotiven angehört wurden. Die auf diese Beweisaufnahme in den Gründen des landgerichtlichen Strafurteils gestützte Beweiswürdigung setzt sich ausführlich mit den entscheidenden Argumenten auseinander, die die Amtsrichterin dazu veranlasst hatten, den Beklagten aufgrund der bei ihr verbliebenen Restzweifel freizusprechen.

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Im erstinstanzlichen Strafverfahren vermochte sich die freisprechende Amtsrichterin bei im Übrigen schon dort festgestellten gewichtigen Hinweisen für den Wahrheitsgehalt der Aussage des Schülers nicht zweifelsfrei von der Zuverlässigkeit der den Beklagten belastenden Angaben überzeugen. Trotz der schon erstinstanzlichen Annahme der uneingeschränkten Aussagetüchtigkeit des Schülers, dem bereits dort festgestellten Fehlen von Belastungsmotiven und jeglichen Anhaltspunkten für eine Beeinflussung der Aussage durch Außenstehende, insbesondere der Eltern, sowie der – zu Recht – bereits von der Amtsrichterin als wesentliches Glaubhaftigkeitsindiz gewerteten Beschreibung des Schülers von während und nach der Tatausführung durchlebten Gedanken und Gefühlen waren ausweislich der amtsgerichtlichen Urteilsgründe zwei Umstände für den Freispruch der Amtsrichterin leitend:

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Zum einen ging die Vorderrichterin im Strafverfahren davon aus, dass der Schüler in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht bezüglich des der eigentlichen Tat vorangegangenen Geschehens bewusst falsche Angaben gemacht habe. Seine Schilderung im erstinstanzlichen Verfahren, dass er lachend auf dem Boden gelegen und sich den Bauch gehalten habe, nachdem er infolge der „Kabbelei“ mit seinem besten Freund R. auf den Boden gefallen sei, woraufhin der Zeuge P. auf ihn drauf gedrückt habe, um ihn zu reanimieren, hat das Amtsgericht als durch die Aussagen der Zeugen P. und R. widerlegt erachtet. Zum anderen – so der zweite als wesentlich gegen die Glaubhaftigkeit sprechend erachtete Grund im amtsgerichtlichen Strafurteil – sei es nicht erklärlich und mit dem normalen Vergessensprozess nicht zu vereinbaren, warum der geschädigte Schüler sich bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht nicht mehr daran habe erinnern können, ob der Beklagte während der behaupteten Tat neben ihm gesessen, gehockt oder gelegen habe, obwohl er sich bei der polizeilichen Vernehmung selbst noch auf den Boden gelegt habe, um der Vernehmungsbeamtin zu zeigen, welche Position der Beklagte während der Tatausführung eingenommen hatte.

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Diese Überlegungen hat das Landgericht in seine Beweiswürdigung ausdrücklich einbezogen und mit nachvollziehbaren und insgesamt schlüssigen Argumenten einer abweichenden Bewertung zugeführt.

45

So führt das landgerichtliche Urteil zu dem oben dargestellten ersten Glaubhaftigkeitszweifel des Amtsgerichts – der Annahme bewusster Falschangaben zu dem Vortatgeschehen – aus, die subjektive Einschätzung des Zeugen R., wonach sich der geschädigte Schüler totgestellt habe, stelle keinen Widerspruch zu der Aussage des Nebenklägers dar. Denn dieser habe bestätigt, dass nach außen hin der Eindruck entstanden sein könnte, dass er bewusstlos gewesen sei, weswegen der Zeuge P. ihn schließlich habe reanimieren wollen. Auch die Tatsache, dass der Zeuge R. angegeben habe, der Nebenkläger habe nicht gelacht, vermöge noch keine Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit zu begründen. Denn daraus folge keineswegs, dass der Nebenkläger in diesem Punkt die Unwahrheit – geschweige denn bewusst – gesagt habe. Es könne durchaus sein und sei auch im vorliegenden Fall nicht fernliegend, dass der Zeuge R. den Moment, in dem der Nebenkläger gelacht habe, entweder gar nicht wahrgenommen oder aber das Lachen – weil völlig unbedeutend und eine Nebensächlichkeit – vergessen habe. Aus der Tatsache, dass der Zeuge P. ebenfalls nichts davon berichtet habe, dass der Nebenkläger anfangs gelacht habe, könne ebenfalls nicht geschlossen werden, dass die Aussage des Nebenklägers in diesem Punkt zumindest objektiv unwahr sei. Denn der Zeuge P. sei erst während des Geschehens hinzugekommen, sodass nicht ausgeschlossen werden könne, dass er das Lachen des Nebenklägers gar nicht wahrgenommen habe. Abgesehen davon besäßen auch hier die obigen Ausführungen in Bezug auf den Zeugen R. Gültigkeit.

46

Zu dem zweiten oben dargestellten Grund, der das Amtsgericht dazu veranlasste, den Beklagten freizusprechen – der fehlenden Erinnerung zu der Körperhaltung des Beklagten bei der Tatausführung – stellt das Landgericht fest, bei der Position des Beklagten während des Tatgeschehens sei zu berücksichtigen, dass für den geschädigten Schüler entscheidend sei, dass der Beklagte an ihm sexuelle Handlungen vorgenommen habe, als er alleine mit ihm im Klassenzimmer gewesen sei. Insofern sei es verständlich und logisch ohne weiteres nachvollziehbar, dass er insoweit Gedächtnisunsicherheiten offenbart habe. Zudem hätten seine Eltern in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht übereinstimmend und glaubhaft bekundet, dass das Verfahren, insbesondere die Hauptverhandlung erster Instanz, den Schüler erheblich belastet habe und er mit der Sache abschließen wolle. Auf die Hauptverhandlung vor dem Landgericht habe die Mutter ihren Sohn vorbereiten und beruhigend auf ihn einwirken müssen. Sie habe festgestellt, dass er in letzter Zeit sehr traurig gewesen sei. Sie habe geglaubt, dass diese Traurigkeit zumindest auch mit dem vorliegenden Verfahren zu tun gehabt habe. Die Erinnerungslücken des geschädigten Schülers seien also auch unter diesem Aspekt verständlich.

47

Damit hat das Landgericht nicht nur seine Überzeugungsbildung und die als Grundlage festgestellten Tatsachen in den Urteilsgründen dokumentiert, sondern auch unter Einbeziehung derjenigen Umstände, die die gewonnene Überzeugung in Frage stellen könnten, rechtsfehlerfrei alle festgestellten Tatsachen ausgeschöpft und eine Abwägung und Gewichtung der einzelnen Beweise vorgenommen. Hierbei hat es die Aussage des einzigen unmittelbaren Belastungszeugen einer sorgfältigen Prüfung unterzogen und die Glaubhaftigkeit der auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen von der so genannten Nullhypothese ausgehend – also dem (methodischen) und in der Aussagepsychologie angewandten Grundprinzip, die Glaubhaftigkeit der Aussage solange zu negieren, bis diese Negation mit den gesammelten Fakten nicht mehr vereinbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98 –, BGHSt 45, 164 = juris Rn. 12 ff.) – anhand der maßgeblichen Glaubhaftigkeitskriterien, nämlich der (inneren und äußeren) Aussagequalität, Aussagekonstanz und -genese, bewertet. Die tatgerichtlichen Schlüsse sind möglich und mit den getroffenen Feststellungen vereinbar.

48

Soweit im amtsgerichtlichen Urteil noch zusätzliche Glaubhaftigkeitszweifel auslösende Begleitumstände genannt worden sind, die aber selbst von der erkennenden Strafrichterin bereits offenkundig als weit weniger relevant erachtet wurden, lassen sich auch aus diesen keine Hinweise auf einen Beweiswürdigungsfehler im landgerichtlichen Urteil ableiten.

49

Die im freisprechenden Urteil des Amtsgerichts als mit bloßen Erinnerungslücken nicht erklärbar bezeichneten Angaben des Schülers – auf der einen Seite die fehlende Erinnerung in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht dazu, wegen der durch die Herzmassage ausgelösten Schmerzen geweint zu haben und auf der anderen Seite die sichere Erinnerung daran, dass die Tür zum Klassenzimmer geschlossen gewesen sei, ohne aber sagen zu können, ob die Augen auf dem Boden liegend offen oder geschlossen gehalten worden seien – hat das Landgericht gesehen und mit schlüssiger Begründung abweichend bewertet. Dem gefunden Ergebnis stehe nicht entgegen – so die entsprechenden Urteilsausführungen im landgerichtlichen Strafurteil –, dass der Nebenkläger in der Hauptverhandlung Erinnerungslücken gezeigt habe, dass er sich zum Beispiel nicht mehr daran habe erinnern können, ob ihm der Angeklagte den Puls gefühlt habe und auch nicht mehr gewusst habe, ob die Klassenzimmertür offen oder geschlossen gewesen sei. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Gedächtnisleistung des Menschen eingeschränkt sei und insbesondere nachlasse, je mehr Zeit vergangen sei. Zudem sei zu bedenken, dass die Frage, ob der Angeklagte dem Nebenkläger den Puls gefühlt habe und ob die Klassenzimmertür seinerzeit offen gestanden oder geschlossen gewesen sei, sowohl objektiv als auch aus Sicht des Nebenklägers keinerlei Bedeutung gehabt habe. Dieser landgerichtlichen Bewertung ist ohne Einschränkungen zuzustimmen. Sie lässt sich ohne weiteres auf das in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht von dem geschädigten Schüler zunächst nicht mehr erinnerte Weinen übertragen, was dieser in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht ohnehin ausweislich seiner in den Urteilsgründen wiedergegebenen Aussage – ggf. nach entsprechendem Vorhalt – bestätigte.

50

Die weiteren im amtsgerichtlichen Urteil als nicht nachvollziehbar bzw. nicht erklärbar bezeichneten Umstände – die (angeblich) im Widerspruch zu der Aussage seiner Mutter stehende Verneinung des Schülers, wegen dieses Vorfalls bei einem Psychologen gewesen zu sein und schließlich das anschauliche Vorführen der vollzogenen Manipulationshandlungen bei der polizeilichen Anhörung trotz des bloßen „Fühlens“ dieser Situation – lassen sich zum Teil so schon nicht feststellen und sind im Übrigen ungeeignet, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Es ist daher vorliegend auch unschädlich, dass das landgerichtliche Urteil diese Überlegungen nicht erneut aufgreift. Denn das Gericht ist nicht gehalten, auf jedes Vorbringen einzugehen, jede Würdigungsvariante ausdrücklich zu erwägen und jeden erhobenen Beweis im Urteil zu behandeln. Nur die Umstände, die auch geeignet sind, die Entscheidung wesentlich zu beeinflussen, dürfen nicht stillschweigend übergangen werden (vgl. Sander in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2012, § 261 Rn. 59 m.w.N.).

51

Nach dem Protokoll über die erstinstanzliche Hauptverhandlung im Strafverfahren vom 21. Dezember 2016 lässt sich schon kein Widerspruch zwischen Angaben des geschädigten Schülers und seiner Mutter zu der Frage des Aufsuchens eines Psychologen feststellen. Vielmehr hat der geschädigte Schüler auf die an ihn gerichtete Frage des Verteidigers des Beklagten geantwortet, er wisse nicht, was sein Vater unternommen habe, nachdem er ihm von dem Geschehen erzählt habe. Er sei deshalb bei keinem Arzt gewesen. Seine Mutter hat in ihrer amtsgerichtlichen Vernehmung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls ausgesagt, ihr Sohn sei einmal bei einem Psychologen gewesen, womit sie offensichtlich den Psychologen der Lebenshilfe B. meinte, der unmittelbar nach dem Vorfall ein Gespräch mit dem Geschädigten geführt hatte. Ein Widerspruch, der zudem geeignet sein könnte, die Angaben des Geschädigten insgesamt in Zweifel zu ziehen, besteht zwischen diesen beiden Aussagen nicht. Wenn die erstinstanzlich erkennende Strafrichterin dieser Passage in der Aussage des Schülers eine entscheidungserhebliche Bedeutung hätte beimessen wollen, so wäre es auch nicht nur naheliegend, sondern unerlässlich gewesen, diesen hierzu ergänzend zu befragen und ihm die Angaben seiner Mutter vorzuhalten, nachdem er ohnehin nach seiner ersten Entlassung aus dem Zeugenstand unmittelbar vor Schließung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme erneut und ergänzend befragt worden war. Dies ist indes nicht geschehen.

52

Soweit das Amtsgericht schließlich mit der Begründung, es sei nicht nachvollziehbar, wie der Geschädigte bei seiner polizeilichen Vernehmung anhand eines Stiftes genau zeigen konnte, wie und mit welchen Fingern der Beklagte seinen Penis berührt habe, dem Grunde nach anzweifelt, dass Hand- bzw. Fingerberührungen taktil wahrnehmbar sind, bedurfte auch dies keiner weiteren Erwähnung im Berufungsurteil des Landgerichts. Auch hier liegt auf der Hand, dass dieser Umstand ungeeignet ist, die Entscheidung wesentlich zu beeinflussen. Es ist offenkundig, dass diese Überlegung in ihrer Absolutheit so nicht zutreffen kann. Dementsprechend hat auch die im Berufungsverfahren (erneut) vernommene kriminalpolizeiliche Vernehmungsbeamtin des Fachkommissariats zur Bearbeitung von Sexualdelikten dieser Situation bei der polizeilichen Vernehmung des Geschädigten erkennbar und zu Recht keine den Beweiswert in Frage stellende Bedeutung beigemessen. Dass – auch deswegen – die im Berufungsverfahren erkennende 7. kleine Strafkammer des Landgerichts die Darstellung des Tatgeschehens gestützt durch den von ihr gewonnenen persönlichen Eindruck von dem Schüler als insgesamt glaubhaft bewertet hat, ist beweisrechtlich nicht zu beanstanden.

53

(b) Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht festgestellt, dass die landgerichtlichen Urteilsfeststellungen nicht in einem entscheidungserheblichen Punkt unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind, weil keine aussagepsychologische Begutachtung des Geschädigten erfolgte.

54

Abweichend zu der zuvor unter a) dargestellten Situation, der im Revisionsverfahren erfolgten Kontrolle des landgerichtlichen Urteils im Hinblick auf Fehler in der Beweiswürdigung, konnte und musste der Strafsenat des Oberlandesgerichts einen Verfahrensfehler, der die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens entgegen der sich aus § 244 Abs. 2 StPO ergebenden Amtsaufklärungspflicht dem Grunde nach darstellen könnte, im Revisionsverfahren nicht in den Blick nehmen. Der Beklagte hat die hierzu im strafrechtlichen Revisionsverfahren erforderliche Aufklärungsrüge nicht erhoben (vgl. zum Inhalt und Begründungserfordernis dieser Rüge: Krehl, in: Karlsruher-Kommentar, StPO, 8. Auflage 2019, § 244 Rn. 216-219). Ein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, der vom Landgericht zu Unrecht hätte abgelehnt werden können, wurde von ihm ohnehin zu keinem Zeitpunkt gestellt (vgl. zu der von der Aufklärungsrüge zu unterscheidenden Rüge gesetzwidriger Behandlung von Beweisanträgen: Krehl, in: Karlsruher-Kommentar, StPO, 8. Auflage 2019, § 244 Rn. 223 ff.).

55

Der damit hierauf erstmals im verwaltungsgerichtlichen Berufungsverfahren gestützte Einwand, dass das Landgericht „den bestehenden“ Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Kindes nicht mit einem Sachverständigengutachten nachgegangen sei, ist aber schon deswegen nicht von Bedeutung, weil er von einer falschen Prämisse ausgeht. Die nach den oben dargestellten Maßstäben nicht zu beanstandende tatrichterliche Würdigung der Strafkammer des Landgerichts ergab gerade keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Schülers und der Glaubhaftigkeit seiner Darstellungen, denen aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Landgerichts durch eine aussagepsychologische Begutachtung weiter nachzugehen gewesen sein könnte. Deswegen kann auch schon unter dem Blickwinkel des § 261 StPO – demzufolge auch nicht hier über den Umweg eines Verfahrensfehlers – gerügt werden, dass das Tatgericht hätte zweifeln und deswegen ein Sachverständigengutachten beiziehen müssen (vgl. Sander, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2012, § 261 Rn. 180).

56

Es liegt aber auch kein – zudem wesentlicher – Verfahrensfehler in der Sachbehandlung durch das Landgericht, welches in der hier vorliegenden Situation davon abgesehen hat, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten zur Bewertung der Aussage des Schülers einzuholen. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit vernommener Zeugen sowie der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen unter Berücksichtigung der von den Prozessbeteiligten hierzu erhobenen Einwände ist grundsätzlich Sache des Gerichts und ureigene (originäre) tatrichterliche Aufgabe. Ausnahmen können dann gerechtfertigt sein, wenn besondere, in erheblicher Weise von den Normalfällen abweichende Umstände vorliegen, deren Würdigung eine spezielle Sachkunde erfordert, die dem Gericht nicht zur Verfügung steht. Dies kommt bei Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung oder einer anderen, die Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigenden Erkrankung in Betracht, deren mögliche Auswirkungen auf die Aussagetüchtigkeit eines Zeugen spezifisches Fachwissen erfordert, das nicht Allgemeingut von Richtern ist (stRspr, vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 419/09 –, juris Rn. 8 und Urteil vom 18. August 2009 – 1 StR 155/09 –, juris Rn. 7). Besondere Umstände im genannten Sinn sind nicht schon allein deshalb anzunehmen, weil Gegenstand der Aussage eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist oder weil eine Beweisperson zur Zeit des geschilderten Vorfalls im kindlichen oder jugendlichen Alter war oder dies zum Zeitpunkt ihrer Aussage ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2006 – 2 StR 445/05 –, juris Rn. 3; Krehl, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, § 244 Rn. 51 m.w.N.).

57

Es ist nicht ersichtlich – und wurde vom Beklagten mit seinem bloßen Einwand, dass „andere“ Mitschüler die Aussage des Geschädigten „relativiert“ hätten, auch nicht im Ansatz dargetan –, dass das Landgericht zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Zeugenangaben und seiner persönlichen Glaubwürdigkeit besonderes, über seine forensische Erfahrung hinausreichendes Fachwissen bedurft hätte, um die Aussage des zum Vernehmungszeitpunkt zwischenzeitlich 14-jährigen und damit jugendlichen Zeugen zuverlässig zu bewerten. Zudem zeigen auch die detaillierten Ausführungen des Landgerichts zur Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage im Rahmen der Beweiswürdigung, dass es zu einer solchen Beurteilung in der Lage war.

58

2. Mit dem vorstehend dargestellten Verhalten hat der Beklagte in gravierender Weise die ihm als Lehrer obliegenden Kernpflichten vorsätzlich verletzt und sich damit für einen Verbleib im öffentlichen Schuldienst untragbar gemacht. Durch den sexuellen Missbrauch eines Schülers im Kindesalter in den Räumlichkeiten der Schule und unter Ausnutzung seiner Stellung als Ersthelfer hat er das Vertrauen des Dienstherrn und insbesondere der Allgemeinheit, zu der auch die Elternschaft gehört, in seine Amtsführung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 LDG endgültig verloren. Wegen dieses endgültigen und nicht mehr umkehrbaren Vertrauensverlustes ist die Dienstentfernung auch unter der Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten und bei der gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LDG erforderlichen Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Gesichtspunkte geboten. Durchgreifende Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

59

Dies hat bereits das Verwaltungsgericht im Einzelnen und mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung dargelegt. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen sich der Senat inhaltlich vollumfänglich anschließt, wird deshalb gemäß § 21 LDG i.V.m. § 130b Satz 2 VwGO verwiesen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich ergänzend auszuführen:

60

Bei bestimmten Straftaten folgt bereits aus der Art ihres Unrechtsgehalts generell ein Vertrauensschaden, der eine weitere Tätigkeit als Beamter ausschließt. So verhält es sich bei einem vorsätzlich begangenen (außerdienstlichen) Sexualdelikt gegen ein Kind im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB, das mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden ist. Eine solche Straftat ist – unabhängig vom Statusamt, das der Beamte innehat – geeignet, das Ansehen des Berufsbeamtentums derart schwerwiegend zu beeinträchtigen, dass als Orientierung für die disziplinare Maßnahmebemessung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zugrunde gelegt werden kann (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3.18 –, juris Rn. 23 und 25 f.).

61

Bei einem beamteten Lehrer führt der sexuelle Missbrauch eines Kindes – hier gar in Form eines innerdienstlichen Pflichtenverstoßes – aufgrund des damit verbundenen Vertrauensverlusts beim Dienstherrn und der Allgemeinheit nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LDG in aller Regel zur disziplinaren Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das gilt im Hinblick auf das Schuldprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur dann nicht, wenn außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls die Annahme eines vollständigen Vertrauensverlusts in die Person des Beamten ausnahmsweise widerlegen (vgl. erneut BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3.18 –, juris Rn. 31 ff., schon zum außerdienstlichen Besitz von kinderpornographischen Schriften, selbst bei geringer Anzahl oder niedrigschwelligem Inhalt).

62

Solch außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls liegen nicht vor. Die für den Beklagten sprechenden Aspekte erreichen kein ausreichendes Gewicht, um bei der Gesamtabwägung noch vom Fortbestehen eines Restes an Vertrauen in den Beamten sprechen zu können.

63

Dass der Beklagte während des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens sowie des Verfahrens vor der Vorinstanz nicht vorläufig des Dienstes enthoben, sondern zunächst nur an eine andere Dienststelle abgeordnet wurde, wo ihm mehrfach eine weitere – angeblich gar dauerhafte – Verwendung in Aussicht gestellt worden sein soll, steht dem vollständigen Vertrauensverlust nicht entgegen. Die Beantwortung der Frage nach der erforderlichen fortbestehenden Vertrauenswürdigkeit eines Beamten hängt nicht entscheidend von den Erwägungen und Entscheidungen der jeweiligen Einleitungsbehörde oder der Einschätzung der unmittelbaren Vorgesetzten ab. Ob das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und persönliche Integrität des betroffenen Beamten erschüttert oder gar zerstört ist, ist nach einem objektiven Maßstab, also aus der Perspektive eines objektiv und vorurteilsfrei den Sachverhalt betrachtenden Dritten zu prüfen und zu bewerten (BVerwG, Urteile vom 28. April 2005 – 2 WD 25.04 –, juris Rn. 20 und vom 16. Dezember 2010 – 2 WD 43.09 –, juris Rn. 48). Die Verwaltungsgerichte erkennen aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 und 2 LDG auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme, wenn sie zu der Überzeugung gelangen, dass der Beamte die ihm in der Disziplinarklageschrift zur Last gelegten dienstpflichtwidrigen Handlungen begangen hat, und dem Ausspruch der Disziplinarmaßnahme kein rechtliches Hindernis entgegensteht (§ 69 Abs. 3 LDG). Dementsprechend kommt selbst dem Entschluss des Dienstherrn, den Beamten nach dem Aufdecken eines Fehlverhaltens unverändert zu beschäftigen, für die von den Verwaltungsgerichten zu treffende Entscheidung grundsätzlich keine Bedeutung zu. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann allenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls in Betracht kommen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2015 – 2 B 16.15 –, juris Rn. 8). Solche Umstände sind hier nicht gegeben.

64

Da hier aus den genannten Gründen objektiv die Vertrauensgrundlage zerstört wurde, kommt es ungeachtet des Umstands, dass nach Darstellung des Klägervertreters die Vorläufigkeit des Einsatzes im Bereich der Schulaufsicht von vornherein für beide Seiten klar gewesen sei, nicht darauf an, ob und warum konkrete Vorgesetzte ggf. zunächst eine Grundlage für einen weiteren Einsatz des Beklagten sahen. Die Weiterbeschäftigung auf einer anderen Dienststelle im Bereich der Schulaufsicht ohne außenwirksame Tätigkeiten rechtfertigt vorliegend nicht die Annahme, allein deshalb habe der Beklagte das Vertrauen seines Dienstherrn zurückgewinnen können, unabhängig davon, dass in der Allgemeinheit ohnehin kein Verständnis für den dauerhaften Verbleib eines Lehrers im Beamtenverhältnis trotz rechtskräftiger Verurteilung zu einer Straftat des sexuellen Missbrauchs eines Kindes besteht. Schließlich ist auch für eine Nachbewährung, die ohnehin eine Steigerung der Leistungen in fachlicher Hinsicht und eine in jeder Hinsicht beanstandungsfreie Führung voraussetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 2 WD 10.12 – juris Rn. 49), kein Raum mehr, wenn das Vertrauensverhältnis – so wie hier – endgültig zerstört ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 WD 33.11 – juris Rn. 71).

65

Aus demselben Grund führen zuletzt die vom Beklagten erbrachten Spitzenleistungen, die sich jedenfalls für den vor dem Dienstvergehen liegenden Zeitraum feststellen lassen, nicht dazu, dass von einer Entfernung aus dem Dienst abgesehen werden könnte. Die persönliche Integrität eines Beamten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, so dass gravierende Defizite an der persönlichen Integrität, die bei objektiver Betrachtung zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen, auch nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2011 – 2 WD 11.10 –, juris Rn. 40).

66

3. Hat sich der Beklagte somit eines Dienstvergehens schuldig gemacht, welches zum vollständigen Vertrauensverlust führt, so begegnet die Entfernung aus dem Dienst auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken. Insoweit sind auf der einen Seite die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und andererseits die verhängte Disziplinarmaßnahme in Beziehung zu setzen. Der Senat hat die vom Beklagten geschilderten Folgen in persönlicher Hinsicht in seine Maßnahmeerwägungen einbezogen. Einer disziplinarrechtlichen Dienstentfernung stehen diese Umstände aber nicht entgegen. Die darin liegende Härte ist für den Betroffenen nicht unzumutbar, weil sie auf zurechenbarem Verhalten beruht und einem anerkannten Ziel des Disziplinarrechts, nämlich der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit im Interesse der Allgemeinheit, dient. Wegen des endgültigen Vertrauensverlusts ist es dem Kläger schließlich nicht zuzumuten, dem Beklagten eine andere Verwendung innerhalb des Beamtenverhältnisses zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2001 – 2 BvR 2138/00 – juris Rn. 5; OVG RP, Urteil vom 8. März 2016 – 3 A 10862/15.OVG – juris Rn. 83).

67

II. Anhaltspunkte, den gesetzlich vorgesehenen Unterhaltsbeitrag gemäß § 8 Abs. 2 i.V.m. § 70 LDG zu erhöhen oder zu reduzieren, bestehen nicht. Von seiner ihm zustehenden Änderungsbefugnis macht der Senat deshalb weder in der einen noch in der anderen Weise Gebrauch.

68

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 1 LDG; Verfahren nach dem Landesdisziplinargesetz sind gebührenfrei (§ 109 Abs. 1 LDG).

69

IV. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 53 Satz 4 LDG).

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