Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (7. Senat) - 7 B 10843/21
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 14. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20.000,00 € festgesetzt.
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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1. Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung, das der Senat allein berücksichtigen kann (§ 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung oder Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, die Antragsteller vorläufig in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen, vielmehr zu Recht abgelehnt. Denn die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch auf sofortige Rückgängigmachung der Abschiebung nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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Als Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch kommt allein ein Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Dieser setzt voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff – hier die Abschiebungsmaßnahme – ein subjektives Recht der Betroffenen verletzt worden und dadurch für diese ein andauernder rechtswidriger Zustand entstanden ist, dessen Beseitigung tatsächlich und rechtlich möglich ist. Der Folgenbeseitigungsanspruch knüpft damit nicht allein an die Rechtswidrigkeit des Eingriffsaktes an, sondern auch an die des geschaffenen Zustandes (vgl. OVG RP, Beschluss vom 23. Juli 2018 – 7 B 10768/18.OVG –, juris, Rn. 26; OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 18 B 104/14 –, juris, Rn. 6 ff. m.w.N.).
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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die von der Antragsgegnerin durchgeführte Abschiebung der Antragsteller war nicht rechtswidrig.
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a) Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint.
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Diese Abschiebungsvoraussetzungen waren im Zeitpunkt der Abschiebung der Antragsteller am 30./31. März 2021 erfüllt. Die Antragsteller waren vollziehbar ausreisepflichtig (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), nachdem ihr Asylverfahren mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. August 2020 rechtskräftig (vgl. § 78 Abs. 5 Satz 2 Asylgesetz – AsylG –) ohne Erfolg abgeschlossen und damit der ihre Asylanträge ablehnende Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Juli 2017 einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung unanfechtbar geworden ist, so dass auch die Aufenthaltsgestattung der Antragsteller (vgl. § 55 Abs. 1 AsylG) erloschen ist (vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylG). Die im Bescheid des Bundesamtes festgesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen war abgelaufen und die Überwachung der Ausreise war erforderlich, weil die Antragsteller innerhalb der ihnen gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist waren (vgl. § 58 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG).
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Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ist auch nicht durch die am 8. September 2020 gestellten Aufenthaltserlaubnisanträge der Antragsteller und ihren Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 7. Januar 2021 entfallen, wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, auf den insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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b) Die Abschiebung der Antragsteller war auch nicht nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen, weil sich ihr ebenfalls vollziehbar ausreisepflichtiger, 16-jähriger Sohn während der laufenden Abschiebungsmaßnahme der Abschiebung durch Flucht entzogen hat. Dadurch ist die Fortsetzung der Abschiebung der Antragsteller – ohne den geflüchteten Sohn – nicht rechtlich unmöglich geworden, sondern war mit dem verfassungsrechtlich durch Art. 6 GG sowie durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutz der Familie vereinbar.
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aa) Die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2006 – 2 BvR 1935/05 –, juris, Rn. 16 m.w.N.).
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Der Schutz der Familie, in den durch die Abschiebung einzelner Familienmitglieder eingegriffen wird, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein von der Ausländerbehörde zu beachtendes Vollstreckungshindernis (§ 60a Abs. 2 AufenthG) begründen. Wie gewichtig der aus Art. 6 GG folgende Schutz der Familie jeweils ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere vom Alter der Kinder, von der Intensität der familiären Beziehungen oder auch der Betreuungsbedürftigkeit einzelner Familienmitglieder. Hierbei errichtet Art. 6 GG keine absolute Sperre gegen die alleinige Abschiebung von Kindern in ihr Heimatland, wird jedoch bei minderjährigen Kindern regelmäßig einer Trennung von ihren im Bundesgebiet bleibeberechtigten Eltern entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 – 9 C 12.99 –, BVerwGE 109, 305 = juris, Rn. 16 m.w.N.).
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Dementsprechend gebietet Art. 6 GG nicht in jedem Fall die gemeinsame Abschiebung sämtlicher Familienmitglieder. Vielmehr kann die getrennte Abschiebung von Familienmitgliedern je nach den Umständen des Einzelfalles rechtlich zulässig sein (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Februar 1994 – 18 B 1127/93 –, juris; HessVGH, Beschluss vom 30. April 2001 – 3 TZ 757/01.A –, juris, Rn. 5 ff.; SächsOVG, Beschluss vom 26. November 2018 – 3 B 381/18 –, juris, Rn. 9).
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bb) Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles war die Ausländerbehörde nicht mit Blick auf den Schutz der Familie nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verpflichtet, die Abschiebung der Antragsteller abzubrechen, nachdem sich der 16-jährige Sohn der Abschiebung zu Beginn der laufenden Abschiebungsmaßnahme durch Flucht entzogen hatte.
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Die Antragsgegnerin durfte bei ihrer Entscheidung zur Fortsetzung der Abschiebung der Antragsteller auch ohne den geflüchteten Sohn davon ausgehen, dass dies nur zu einer vorübergehenden Trennung des minderjährigen Sohnes von seinen Eltern und Geschwistern für einen überschaubaren Zeitraum führen wird, weil auch er in absehbarer Zeit in das gemeinsame Heimatland Armenien zurückkehren und dort die Familieneinheit wiederhergestellt werden wird. Denn der Sohn ist – ebenso wie es die abgeschobenen Antragsteller waren – nach dem unanfechtbaren negativen Abschluss des Asylverfahrens vollziehbar ausreisepflichtig. Soweit die Antragsteller mit der Beschwerde hiergegen einwenden, es sei nicht mit einer kurzfristigen Abschiebung zu rechnen, weil der 16-jährige Sohn nach der Abschiebung der Antragsteller in Deutschland ein unbegleiteter minderjähriger Ausländer sei, der nur unter den strengen Voraussetzungen des § 58 Abs. 1a AufenthG abgeschoben werden dürfe, so ist weder dargetan noch ersichtlich, weshalb diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein sollten. Nach § 58 Abs. 1a AufenthG hat sich die Ausländerbehörde vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer sorgeberechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. Da die Eltern des minderjährigen Sohnes – die Antragsteller zu 1) und 2) – sich in Armenien unter bekannter Anschrift aufhalten, erscheint eine Vergewisserung über die Übergabe an seine Eltern vielmehr unschwer möglich.
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Bei der Gewichtung der Schutzwirkungen aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass hierbei der Umstand zu berücksichtigen ist, dass die primäre Ursache für die Aufhebung der Familieneinheit durch die Entscheidung des 16-jährigen Sohnes gesetzt wurde, sich der gemeinsamen Abschiebung mit den Eltern und Geschwistern durch Flucht während der laufenden Abschiebungsmaßnahme zu entziehen. Dies bedeutet entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht die Annahme einer „Verwirkung“ der staatlichen Schutzpflicht, der die Schutzwirkungen aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK völlig entfallen ließe. Dieser Umstand mindert jedoch die Schutzwürdigkeit der Familieneinheit der Antragsteller mit ihrem 16-jährigen Sohn und damit das Gewicht des aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK folgenden Schutzes der Familie.
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Dem steht nicht entgegen, dass dieser Sohn minderjährig ist. Es handelt sich bei ihm entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht um ein minderjähriges Kind, das nicht als eigenverantwortlich handelnde Person rechtlich behandelt werden könne. Der Gesetzgeber behandelt Minderjährige auch außerhalb des Aufenthaltsrechts in gewissem Umfang ab einem bestimmten Alter als rechtlich eigenverantwortliche Personen. So sind minderjährige Jugendliche ab einem Alter von 14 Jahren im Strafrecht für ihre Taten grundsätzlich verantwortlich (vgl. § 19 StGB, § 1 JGG). In manchen Bundesländern sind minderjährige Jugendliche ab einem Alter von 16 Jahren überdies bei Kommunal- und Landtagswahlen aktiv wahlberechtigt. Dementsprechend teilt der Senat auch insoweit die Auffassung der Vorinstanz, dass es sich bei dem minderjährigen Sohn um einen Jugendlichen im Alter von 16 Jahren handelt, der in der Lage war, die Folgen seiner Trennung von den übrigen Familienmitgliedern altersentsprechend zu überblicken.
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Der Sohn konnte auch zumutbarerweise vorübergehend in Deutschland ohne seine Eltern verbleiben, weil er mit 16 Jahren in einem Alter ist, in dem er nicht mehr der ständigen Betreuung und Fürsorge durch die Eltern bedarf, wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Weshalb diese Annahme im Gegensatz „zu dem gesamten rechtsstaatlichen Konzept des Schutzes minderjähriger Flüchtlinge sowie der UN Konvention zum Schutz des Kindes“ stehen soll, wie von den Antragstellern geltend gemacht, wird mit der Beschwerdebegründung nicht dargelegt. Dies ist auch nicht ersichtlich.
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Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von den Antragstellern vorgelegten „Pädagogischen Stellungnahme“ vom 8. Juli 2021 zur Entwicklung des 16-jährigen Sohnes in der Wohngruppe, in der er derzeit untergebracht ist. Denn diese erst nach Durchführung der Abschiebung der Antragsteller abgefasste Stellungnahme über die seitdem eingetretene Entwicklung des Sohnes konnte die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung über die Fortsetzung der Abschiebung der Antragsteller ohne ihren zu Beginn der Maßnahme geflüchteten Sohn nicht berücksichtigen. Unabhängig davon wird die Annahme, der Sohn sei mit 16 Jahren in einem Alter, in dem er nicht mehr der ständigen Betreuung und Fürsorge durch die Eltern bedarf, durch diese Stellungnahme nicht widerlegt. Soweit es darin heißt, er habe einen sehr hohen Bedarf an Unterstützung, etwa bei dem Zubereiten von Mahlzeiten, dem Hausputz, dem Wäschewaschen, dem Einteilen von Geldern, dem Verständnis des Inhalts von Korrespondenz u.a.m., so vermag die Hilfsbedürftigkeit insbesondere bei Haushaltstätigkeiten und Korrespondenz diese Annahme nicht in Frage zu stellen. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass ein Jugendlicher im Alter von 16 Jahren zwar durchaus noch einer Unterstützung bei verschiedenen Tätigkeiten bedarf, aber in deutlich geringerem Umfang als ein Kind unter 14 Jahren oder gar ein kleines Kind. Im Übrigen war der 16-jährige Sohn nach seiner Flucht während der laufenden Abschiebungsmaßnahme Ende März 2021 mehrere Wochen unbekannten Aufenthalts, bis er sich Mitte Mai bei den Behörden meldete, und daher offenbar durchaus in der Lage, vorübergehend ohne seine Eltern in Deutschland zurechtzukommen. Gleiches gilt für die weitere Aussage in der vorgelegten „Pädagogischen Stellungnahme“, wonach der 16-jährige Sohn glaubhaft psychische Probleme geäußert habe und unter der Unsicherheit seiner aktuellen Situation leide. Dies vermag die genannte Annahme der altersentsprechenden größeren Selbständigkeit eines 16-jährigen Jugendlichen im Vergleich zu jüngeren Minderjährigen ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Im Übrigen weist die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung diesbezüglich darauf hin, dass der vollziehbar ausreisepflichtige Sohn mehrfach das Angebot, mit ihrer finanziellen Unterstützung zu seinen Eltern nach Armenien zurückzukehren, abgelehnt habe und nicht freiwillig ausreisen wolle. Dieses Verhalten ist nicht nur geeignet, Fragen zur Glaubhaftigkeit der von dem Sohn geltend gemachten trennungsbedingten psychischen Probleme aufzuwerfen. Es folgt daraus auch, dass der 16-jährige Sohn es selbst in der Hand hatte und hat, die durch die Trennung von seiner Familie als belastend empfundene Situation zeitnah zu beenden.
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Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls bereits zutreffend ausgeführt hat, spricht im vorliegenden Fall für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des vorübergehenden Verbleibs des Sohnes ohne seine Eltern in Deutschland zusätzlich der Umstand, dass die im selben Anwesen wohnenden Großeltern für ihn als Anlaufstelle zur Versorgung und Unterbringung zur Verfügung standen, so dass auch keine Notwendigkeit bestand, zumindest einen Elternteil in Deutschland zu belassen.
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Die Antragsgegnerin hat sich entgegen der Ansicht der Antragsteller bei ihrer Entscheidung, die Abschiebung trotz der Flucht des Sohnes zu Beginn der laufenden Maßnahme fortzusetzen, nicht über einen Erlass des Integrationsministeriums Rheinland-Pfalz vom 14. Juni 2018 hinweggesetzt. Danach sind zeitweise Familientrennungen aufgrund von Abschiebungen nach Maßgabe von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nur ausnahmsweise zulässig. Würden Minderjährige durch eine Abschiebung von ihren Eltern getrennt, ist die Maßnahme regelmäßig auszusetzen und die Abschiebung abzubrechen. Wie sich aus der verwendeten Wortwahl „regelmäßig“ ergibt, ist die Abschiebung zwar im Regelfall bei einer Trennung von Minderjährigen und ihren Eltern abzubrechen, bleibt aber im Ausnahmefall zulässig. Ein solcher Ausnahmefall der zulässigen Trennung des 16-jährigen Sohnes der Antragsteller von seinen Eltern, der sich der gemeinsamen Abschiebung aller vollziehbar ausreisepflichtigen Familienmitglieder durch seine Flucht zu Beginn der Abschiebungsmaßnahme entzogen hat und dessen Großeltern im selben Anwesen in Deutschland wohnen, ist aufgrund der genannten besonderen Umstände des vorliegenden Falles zu bejahen. Im Übrigen ist das Gericht an die rechtliche Bewertung der sich aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ergebenden Schutzwirkungen bei der Abschiebung von Familien durch den Erlass des rheinland-pfälzischen Integrationsministeriums nicht gebunden.
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c) Aus den unter 1 b) genannten Gründen war die Antragsgegnerin auch nicht nach § 43 Abs. 3 AsylG verpflichtet, die Abschiebung der Antragsteller vorübergehend auszusetzen, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen. Es kann daher mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob der Anwendungsbereich der Regelung des § 43 Abs. 3 AsylG überhaupt eröffnet ist, wenn die Asylverfahren aller Familienmitglieder unanfechtbar abgeschlossen sind und alle Familienmitglieder vollziehbar ausreisepflichtig sind, wie dies hier der Fall war (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 26. November 2018 – 3 B 381/18 –, juris, Rn. 10; BayVGH, Beschluss vom 3. April 2019 – 8 ZB 18.32442 –, juris, Rn. 9).
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d) Der Abschiebung standen auch keine gesundheitlichen Gründe entgegen. Insbesondere waren die Antragsteller reisefähig. Dies hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend in seinem angegriffenen Beschluss im Einzelnen ausgeführt, auf den insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist lediglich noch zu ergänzen, dass der Senat die Einschätzung der Vorinstanz teilt, dass die von den Antragstellern vorgelegten ärztlichen Atteste den gesetzlichen Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung nach § 60 Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG nicht genügen. Es entspricht auch der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, dass die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 60 Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG, wonach der Nachweis einer relevanten Erkrankung grundsätzlich vollständig dem Ausländer obliegt, als Reflex eine Verminderung der behördlichen und gerichtlichen Aufklärungspflicht zur Folge hat. Allenfalls im Ausnahmefall, etwa wenn es dem Ausländer ohne Verschulden unmöglich war, eine entsprechende ärztliche Bescheinigung einzuholen, ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG zu erwägen, ob eine ergänzende ärztliche Untersuchung des Betroffenen zu erfolgen hat (vgl. OVG RP, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – 6 A 11330/18.OVG –, juris, Rn. 18 f.). Für eine ergänzende amtsärztliche Untersuchung bestand daher hier entgegen der Ansicht der Antragsteller kein Anlass für die Antragsgegnerin. Unabhängig davon hat sie einen Arzt bei der Abschiebungsmaßnahme hinzugezogen, der die Reisefähigkeit der Antragsteller bescheinigt hat. Gründe, an der hierfür erforderlichen Qualifikation des hinzugezogenen Arztes, einem Arzt für Allgemeinmedizin, zu zweifeln, sind nicht ersichtlich.
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e) Soweit die Antragsteller mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. August 2021 unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. August 2021 geltend machen, der im Widerspruchsverfahren anhängige „Antrag auf humanitären Aufenthalt der Beschwerdeführer sei nicht offensichtlich zu verneinen“, insbesondere bezüglich des 16-jährigen Sohnes, weswegen dieser einen Anspruch auf eine Verfahrensduldung und die Antragsteller selbst einen Duldungsanspruch gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG gehabt hätten, so ist dieser Vortrag erstmalig im Beschwerdeverfahren nach Abschluss der Beschwerdebegründungsfrist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) erfolgt. Es kann dahinstehen, ob er deswegen im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen ist. Denn jedenfalls ist mit dem bloßen Verweis auf die genannte Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts nicht hinreichend dargelegt, weshalb den Antragstellern oder ihrem Sohn ein Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis zugestanden haben könnte, so dass auch der behauptete Duldungsanspruch nicht hinreichend dargelegt worden ist.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG. Dabei legt der Senat ebenso wie die Vorinstanz den Regelstreitwert von 5.000,00 € pro Antragsteller zugrunde, von dem wegen der faktisch vollständigen Vorwegnahme der Hauptsache im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kein Abzug zu machen ist (vgl. OVG RP, Beschluss vom 23. Juli 2018 – 7 B 10768/18.OVG –, juris, Rn. 41).
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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