Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 MB 5/14
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer - vom 7. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 9.250,-- Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. Januar 2014 bleibt ohne Erfolg.
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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht durch eine postulationsfähige Person eingelegt. Zwar hat sich der Antragsteller bei seiner Beschwerdeeinlegung am 13. Januar 2014 2002 zunächst nicht durch eine postulationsfähige Person vertreten lassen (§ 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO). Dieser Mangel wurde erst mit Eingang des Schriftsatzes seines jetzigen Prozessbevollmächtigten am 24. Januar 2014 behoben. Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerde auch noch nicht verfristet, obwohl die zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO bereits am 22. Januar 2014 verstrichen gewesen wäre, wenn sie durch die Zustellung des Beschlusses vom 7. Januar 2002 in Lauf gesetzt worden wäre. Das ist hier aber nicht der Fall, weil die Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts irreführend ist.
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Allerdings gilt die Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts als am 8. Januar 2014 bewirkt, obwohl sich eine solche nicht in den Gerichtsakten findet. Diese enthalten zwar einen Vermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, die die Zustellung des Beschlusses bewirken wollte (vgl. Bl. 204R der Gerichtsakte), jedoch im Anschluss nur noch eine Zustellungsurkunde des Oberverwaltungsgerichts. In einem solchen Fall gilt die Zustellung gemäß § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 189 ZPO in dem Zeitpunkt als bewirkt, in dem das Dokument dem Adressaten tatsächlich zugegangen ist. Ausweislich der Beschwerdeschrift des Antragstellers vom 11. Januar 2014 ist das hier der 8. Januar 2014 gewesen.
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Die Aussage in der Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts, dass die Beschwerde schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen sei, ist unrichtig und irreführend, so dass nach § 58 Abs. 1 VwGO die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht zu laufen begonnen hat und nach § 58 Abs. 2 VwGO die Einlegung des Rechtsmittels durch eine postulationsfähige Person noch innerhalb eines Jahres nach Zustellung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zulässig war.
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Eine Rechtsmittelbelehrung ist nicht nur dann unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist es vielmehr auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG, Urteil vom 21. März 2001 - BVerwG 4 C 2.01 - juris Rn. 12 m.w.N.). Unerheblich ist, ob der zu beanstandende Zusatz der Belehrung im konkreten Fall tatsächlich einen Irrtum hervorgerufen und dazu geführt hat, dass das Rechtsmittel nicht (rechtzeitig) eingelegt worden ist. Es genügt, dass die irreführende oder widersprüchliche Belehrung objektiv geeignet ist, die Rechtsmitteleinlegung zu erschweren.
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Der Hinweis auf das Erfordernis der Schriftlichkeit der Beschwerdeeinlegung nach Maßgabe von § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist zwar nicht zu beanstanden, eine Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift des Urkundsbeamten ist in Verfahren, in denen Vertretungszwang herrscht, aber trotz der Bestimmung des § 147 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwGO nicht möglich (vgl. hierzu OVG Greifswald, Beschluss vom 18. Mai 2006 - 1 M 45/06 - juris LS 1 bis 4 und Rn. 6 ff. m.w.N., auch zur Rspr. des BVerwG) . Enthält eine Rechtsmittelbelehrung einen derart unzutreffenden Zusatz, ist nicht auszuschließen, dass ihr entnommen wird, das Rechtsmittel dürfe ohne anwaltliche Vertretung zur Niederschrift eingelegt werden (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1997 - BVerwG 1 B 164/97 - juris Rn. 8).
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Der weitere Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung zum Vertretungszwang steht nicht nur im Widerspruch zum Hinweis auf die Möglichkeit der Beschwerdeerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern er ist auch gemeinsam mit diesem irreführend formuliert. Erst nachdem darüber belehrt wird, dass die Beschwerde wahlweise beim Verwaltungsgericht oder sogleich beim Oberverwaltungsgericht eingelegt werden kann und welchen Inhalt die Beschwerdebegründung haben muss, folgt der Hinweis, dass sich jeder Beteiligte vor dem Oberverwaltungsgericht durch einen Prozessbevollmächtigten im Sinne des § 67 VwGO vertreten lassen müsse. Aufgrund dieses - an sich nicht zu beanstandenden - Aufbaus kann der Eindruck entstehen, der Vertretungszwang gelte nur, wenn sich der Rechtsmittelführer sogleich an das Oberverwaltungsgericht wendet. Daran vermag auch der Zusatz, der Vertretungszwang gelte auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet werde, nichts mehr zu ändern. Dies gilt erst recht in Zusammenschau mit dem unzutreffenden Hinweis zu Beginn der Rechtsmittelbelehrung, die Beschwerde könne zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1997 a.a.O. m.w.N.).
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Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.
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Zu Recht hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den mit Bescheid des Antragsgegners vom 6. November 2013 ausgesprochenen und für sofort vollziehbar erklärten Widerruf der Waffenberechtigungskarte und gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom gleichen Tage ausgesprochenen und für sofort vollziehbar erklärten Einziehung des Jagdscheines wiederherzustellen. Soweit das Verwaltungsgericht ebenfalls die vorläufige Erteilung einer Erlaubnis nach § 27 SprengstoffG abgelehnt hat, wendet sich die Beschwerde hiergegen nicht.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ergeht die Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO aufgrund einer Interessenabwägung. In diese ist die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs dann maßgeblich einzustellen, wenn sie in der einen oder anderen Richtung offensichtlich ist. An der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kann kein besonderes öffentliches Interesse bestehen. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, ist ein Aussetzungsantrag regelmäßig abzulehnen. Lässt sich nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, so ergeht die Entscheidung aufgrund einer weiteren Interessenabwägung, in der gegenüberzustellen sind zum einen die Auswirkungen in Bezug auf das öffentliche Interesse in dem Fall, dass dem Antrag stattgegeben wird, die Klage im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall, dass er die Regelungen des behördlichen Bescheides hinnehmen muss, seine gegen die Verfügung erhobene Klage dann indes Erfolg hat.
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Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes ist der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden.
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Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sich der angefochtene Bescheid vom 22. November 2013 im Hauptsacheverfahren nach dem bisher möglichen Erkenntnisstand voraussichtlich als offensichtlich rechtmäßig erweisen wird. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis ohne Ermessensspielraum zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Dazu zählt insbesondere der Wegfall der erforderlichen Zuverlässigkeit oder persönlichen Eignung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2, §§ 5 und 6 WaffG). Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung gemäß § 6 Abs. 1 WaffG begründen, so hat die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 2 WaffG dem Betroffenen auf seine Kosten die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachfachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben. Bringt der Betroffene das geforderte Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht bei, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Allgemeine Waffengesetz-Verordnung – AWaffV). Hierauf ist der Betroffene gemäß § 4 Abs. 6 Satz 2 AWaffV bei der Anordnung hinzuweisen. Liegen die Voraussetzungen zum Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis wegen fehlender Zuverlässigkeit oder persönlicher Eignung vor, ist nach § 18 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG auch der Jagdschein einzuziehen.
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Es ist nicht zweifelhaft, dass diese Voraussetzungen im Fall des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorgelegen haben. Nach der Stellungnahme des Leiters des sozialpsychiatrischen Dienstes, dem Arzt für Psychiatrie, Psychologie und Sozialmedizin, ..., vom 26. Juni 2013 lässt sich zwar aus den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen keine psychische Erkrankung belegen, gleichwohl ist die Annahme gerechtfertigt, dass eine psychische Krankheit vorliegt. Die aufgrund dieser Stellungnahme begründeten Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers berechtigten den Antragsgegner zur Anforderung eines Gutachtens, das der Kläger bislang nicht vorgelegt hat.
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Das Beschwerdevorbringen vermag die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht zu erschüttern. Soweit die Beschwerde behauptet, die Antragsgegnerin habe nicht begründet, worauf sie ihre Zweifel an der psychischen Gesundheit des Antragsgegners stütze, enthält der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin u.a. einen Verweis auf die Fachärztliche Stellungnahme vom 26. Juni 2013. Im Hinblick auf diese Stellungnahme geht der Hinweis der Beschwerde auf eine ältere Stellungnahme des Facharztes von vornherein ins Leere. Dass der Antragsteller nun einen Gutachter beauftragt hat, vermag nach Vorliegen des Gutachtens allenfalls im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO Berücksichtigung finden.
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Wollte man die Erfolgsaussichten im mittlerweile eingeleiteten Klageverfahren trotzdem als noch offen bezeichnen, änderte dies nichts am Ergebnis, da dann die oben angesprochene Folgenabwägung ebenfalls zur Zurückweisung der Beschwerde führte. Angesichts des erheblichen Gefährdungspotentials, die im Umgang mit Waffen durch dafür unzuverlässige Personen liegt, können unsichere Zustände - auch für einen nur vorübergehenden Zeitraum - nicht hingenommen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- §§ 5 und 6 WaffG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 189 Heilung von Zustellungsmängeln 1x
- VwGO § 67 1x
- § 27 SprengstoffG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 147 4x
- VwGO § 56 1x
- VwGO § 58 4x
- VwGO § 146 1x
- VwGO § 80 4x
- § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 1 WaffG 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 2 WaffG 1x (nicht zugeordnet)
- AWaffV § 4 Gutachten über die persönliche Eignung 1x
- BJagdG § 17 Versagung des Jagdscheines 1x
- VwGO § 154 1x
- § 52 Abs. 1 und 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 M 45/06 1x (nicht zugeordnet)
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