Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 LA 20/15

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 5. Kammer, Einzelrichter - vom 28. November 2014 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Gründe

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Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

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Der Kläger macht geltend, entgegen § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG sei nicht ihm, sondern seinem Bevollmächtigten der Bescheid der Beklagten zugestellt worden. Hierzu hat das Verwaltungsgericht im Urteil vom 28. November 2014 ausgeführt, dass es dem Kläger in der mündlichen Verhandlung den streitgegenständlichen Bescheid vorgelegt habe und ihn habe übersetzen lassen, so dass spätestens hierdurch eine Heilung eingetreten sei, wenn man eine solche nicht bereits infolge rügeloser Klageerhebung annehmen wolle.

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Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG folgende Fragen auf:

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ob der Mangel einer fehlenden Zustellung dadurch, dass der Bevollmächtigte des Antragstellers zunächst rügelos Rechtsbehelfe einlegt, auch dann geheilt wird, wenn , wie in § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG, eine Zustellung an den Antragsteller persönlich ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist, diese aber nicht erfolgt ist,

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ob der Mangel einer fehlenden Zustellung dadurch, dass das Gericht eine Dolmetscherin in der mündlichen Verhandlung veranlasst, die aus der Akte entnommene Abschrift oder Kopie des Bescheides vorliegend dem Antragsteller zu übersetzen, geheilt wird,

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Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung, da sie sich anhand des Gesetzestextes beantworten lassen bzw. bereits höchstrichterlich geklärt sind.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat ein Betroffener dann, wenn er gegen einen ihm nicht ordnungsgemäß bekannt gegebenen Bescheid mit einem Rechtsmittel vorgeht, ohne sich gegen die ihm gegenüber unterlassene Zustellung zu wenden, zwar nicht für die Vergangenheit auf das Recht, die fehlerhafte Bekanntgabe zu rügen, verzichtet. Er hat damit aber die ihn betreffende Regelungswirkung anerkannt, so dass der Verwaltungsakt ihm gegenüber, allerdings frühestens ab dem Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels als wirksam angesehen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2013 - 3 C 19.12 - juris Rn. 17, ebenso VGH Kassel, Urteil vom 27. März 2014 - 8 A 1251/12 - juris Rn. 27; OVG Koblenz, Beschluss vom 2. Juli 2013 - 6 A 10016/13 - juris Rn. 21 mwN).

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Soweit der Kläger einwendet, er habe weder die Klage noch den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO rügelos erhoben, sondern beide zunächst gar nicht begründet, und - nach Ablehnung dieses Eilantrages durch das Verwaltungsgericht - sodann sowohl einen Antrag nach § 123 VwGO gestellt als auch im Klageverfahren geltend gemacht, dass der Bescheid nicht wirksam zugestellt worden sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Hätte der Kläger von vornherein den Zustellungsmangel rügen wollen, hätte er sowohl einen anderen Klagantrag gestellt als auch keinen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen dürfen, sondern um Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO nachsuchen müssen. Mit dem Hinweis auf abweichende Entscheidungen einzelner erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte wird kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A - juris Rn. 21).

9

Vor diesem Hintergrund ist die zweite Frage zwar nicht mehr entscheidungserheblich, aber hierzu ist gleichwohl Folgendes anzumerken:

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Nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG war der Bescheid dem Kläger persönlich zuzustellen; die Bekanntgabe allein an den Prozessbevollmächtigten genügte nicht. Der Mangel der förmlichen Zustellung wurde aber vorliegend - zusätzlich - gemäß § 8 VwZG durch Bekanntgabe in der mündlichen Verhandlung geheilt. Nach dieser Vorschrift gilt ein Schriftstück, das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Empfangsberechtigter ist dabei derjenige, an den die Zustellung nach dem Gesetz zu richten war (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 -, BVerwGE 104, 301 und = juris, Rn. 27; Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Oktober 1986 - VII R 58/83 -, juris, Rn. 24), hier also der Kläger selbst, der im Übrigen auch als Adressat in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes benannt ist. Zwar reicht die bloße (mündliche) Übermittlung des Inhalts des Bescheides an den Empfangsberechtigten durch eine Ersatzperson nicht aus, um dem Empfangsberechtigten die nach § 8 VwZG erforderliche zuverlässige Kenntnis des zuzustellenden Schriftstücks zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 -, a.a.O. und juris, Rn. 27), so dass der Umstand, dass die Dolmetscherin dem Kläger den Bescheid übersetzt hat, unerheblich ist. Der Empfangsberechtigte hat das Schriftstück im Sinne von § 8 VwZG erhalten, wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen; dass er es auch in Besitz genommen hat, ist nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 a.a.O. m.w.N.). Das hat das Verwaltungsgericht veranlasst, in dem es dem Kläger eine Bescheidkopie vorgelegt hat. Die Vorlage einer Kopie war ausreichend, da sie das Original nach Inhalt und Fassung wiedergibt. Darüber hinaus setzt die Heilung von Zustellungsmängeln voraus, dass die Behörde den Willen hatte, den Bescheid bekannt zu geben (BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 -, a.a.O. und juris, Rn. 29 und Beschluss vom 31. Mai 2006 - 6 B 65.05 -, NVwZ 2006, 943 = juris, Rn. 7, m.w.N.). Letzteres steht hier nicht im Zweifel, da der Bescheid mit Wissen und Wollen der Beklagten und in der Absicht, Rechtsfolgen gegenüber dem Kläger auszulösen, aus dem internen behördlichen Bereich herausgegeben worden war. Nicht erforderlich ist, dass gerade auch die nachträgliche Kenntniserlangung durch den Adressaten vom Willen der Behörde umfasst ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 -, a.a.O. und juris, Rn. 29).

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Die Rüge des Klägers, er sei verfahrensfehlerhaft nicht auf die entscheidungserhebliche Bedeutung der Übersetzung des Bescheides durch die Dolmetscherin hingewiesen worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG iVm § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), geht danach ins Leere. Die Übersetzung durch die Dolmetscherin war entbehrlich, sie hatte keine Rechtswirkungen, sondern war eine bloße „Serviceleistung“ des Gerichts.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung (§ 30 Abs. 2 RVG) sind nicht vorgetragen oder sonst erkennbar.

13

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


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