Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (14. Senat) - 14 LA 2/15

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 17. Kammer, Einzelrichter – vom 9. September 2015 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Gründe

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Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen, soweit sie dargelegt sind, nicht vor (§ 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 64 Abs. 2 BDG und §§ 124 Abs. 2, 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).

2

Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) mit der Begründung geltend, sie habe sich zum Ermittlungsbericht vom 6. November 2014 nicht äußern können. Sie ist der Auffassung, dieser Bericht unterliege der Anhörungspflicht gemäß § 30 LDG und ein Verstoß dagegen sei nicht heilbar. Beides ist unzutreffend. § 30 LDG verlangt, dass der Beamtin oder dem Beamten nach der Beendigung der Ermittlungen Gelegenheit gegeben wird, sich abschließend mündlich oder schriftlich zum Ermittlungsbericht zu äußern. Die Worte „zum Ermittlungsbericht“ sind durch das Gesetz zur Änderung disziplinarrechtlicher Vorschriften vom 5. März 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 52) in § 30 LDG eingefügt worden. Die Kenntnisnahme von dem Ermittlungsbericht soll den Beamten in die Lage versetzen zu entscheiden, ob er von seinem Recht Gebrauch machen sollte, weitere Ermittlungen zu beantragen oder Beweisanträge zu stellen. Die Regelung will sicherstellen, dass dem Beamten das Untersuchungsergebnis nicht lediglich mündlich mitgeteilt wird, da dies den Anspruch auf rechtliches Gehör schwächt (Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drs. 18/1110 S. 25). Demnach ist der Beamte nicht zwingend zu jedem Schriftstück anzuhören, das mit „Ermittlungsbericht“ überschrieben ist. Es genügt, dass ihm nach Abschluss der Ermittlungen ein schriftlich verfasster Bericht übermittelt wird, der das Untersuchungsergebnis darstellt. Dies ist im Fall der Klägerin mit der Anhörung zum Ermittlungsbericht vom 21. Juli 2014 geschehen. Der Zulassungsantrag macht nicht geltend, dass in der darauffolgenden Zeit weitere Ermittlungen durchgeführt worden wären, die abermals eine Anhörungspflicht hätten auslösen können (vgl. Gansen, in: Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand 2015, BDG § 30 Rn. 6). Im Übrigen wäre ein Verstoß gegen § 30 LDG gemäß § 4 LDG i.V.m. § 114 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 LVwG heilbar und könnte gemäß § 115 LVwG nicht im Gerichtsverfahren geltend gemacht werden (ebenso OVG Lüneburg zu den entspr. Normen des niedersächsischen Landesrechts: Urteil vom 28. Januar 2014 - 20 LB 10/13 - juris LS 2 u. Rn 50). Die Zulassungsbegründung enthält keinen substantiellen Vortrag dazu, warum diese Normen hier nicht anwendbar sein sollte. Es reicht nicht aus, eine vom Gesetz abweichende Rechtsmeinung lediglich mit dem Zweck eines fairen Verfahrens zu begründen.

3

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus der Rüge eines Verstoßes gegen § 51 MBG. Die Klägerin nimmt dafür pauschal auf die Klagebegründung Bezug. Das genügt nicht den Darlegungsanforderungen. Abgesehen davon wird auch in dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 11. März 2015 ein Verstoß gegen § 51 MBG nicht schlüssig dargelegt, sondern lediglich die Frage aufgeworfen, ob der Personalrat beteiligt wurde. Es bleibt unklar, ob dies nach Auffassung der Klägerin ihrem Wunsch entsprechend geboten oder mangels wirksamer Zustimmung unzulässig gewesen wäre.

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Der gerügte Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 58 Abs. 1 BDG) durch unterbliebene Zeugenvernehmung führt weder unter dem Gesichtspunkt ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils noch unter dem Gesichtspunkt eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zur Zulassung der Berufung. Die Darlegungsanforderungen sind in beiden Fällen identisch. Werden die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung aus einem Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts hergeleitet, so kommt eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge über § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu einer Zulassung führen würde (VGH Kassel, Beschluss vom 1. November 2012 – 7 A 1256/11.Z –, juris Rn. 9). Für die Rüge eines Aufklärungsmangels ist die substantiierte Darlegung erforderlich, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung hätten führen können. Weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen zu kompensieren (BVerwG, Beschluss vom 18. April 2012 – 4 B 30.14 –, juris Rn. 5; Beschluss vom 5. Mai 2015 – 2 B 32.14 –, juris Rn. 19).

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Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts nach der Schwere des Dienstvergehens. Daran anknüpfend hält die Klägerin die Frage für aufklärungsbedürftig, in welchem Umfang tatsächlich Fehlzeiten angefallen sind. Das ist insofern nachvollziehbar, als die Täuschung der Vorgesetzten durch Abrechnung von tatsächlich nicht erbrachten Dienstzeiten ein Dienstvergehen darstellt und die Schwere dieses Vergehens u.a. durch das Ausmaß der Täuschung beeinflusst wird. Die Klägerin bezieht sich auf „benannte“ Zeugen. Den Umständen nach handelt es sich dabei um die Zeugen ..., ..., ..., ..., ... und ..., deren erneute Vernehmung die Klägerin im behördlichen Disziplinarverfahren beantragt hatte. Die Vernehmung der Zeugen kann – wie von der Kläger geltend gemacht – zu der Feststellung führen, dass sie das Amt regelmäßig nicht zu der auf der Zeitkarte gestempelten – ursprünglichen – Zeit, in der Zeit von 13.30 Uhr bis 16.00 Uhr und nicht häufiger vor Ende der Kernzeit verlassen hat. Die Feststellung, dass ein Ereignis „regelmäßig“ oder „nicht häufiger“ stattgefunden hat, setzt allerdings eine Wertung voraus, die nicht unmittelbar in das Wissen eines Zeugen gestellt werden. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass bestimmte Zeugenbeobachtungen eine richterliche Beweiswürdigung mit diesem Inhalt ermöglichen.

6

Die Zulassung der Berufung scheitert aber daran, dass die Klägerin mangels argumentativer Anknüpfung an die Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht dargelegt hat, inwiefern die weitergehenden Feststellungen zu einer für sie günstigeren Entscheidung hätten führen können. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass bei der Entscheidungsfindung nur solche die Klägerin belastenden Umstände zu berücksichtigen seien, an denen nach richterlicher Überzeugung kein vernünftiger Zweifel bestehe. Es stehe objektiv fest, dass die Klägerin handschriftliche Veränderungen an den Zeiterfassungskarten vorgenommen und damit die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit verletzt habe. Es könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die Klägerin auch nach dem Ausstempeln noch Dienst verrichtet habe. Damit bleibe der Umfang der durch die Klägerin „erwirtschaftete“ Vorteil nicht bis ins Letzte aufklärbar. Diese Ausführungen lassen es zumindest als naheliegend erscheinen, dass der Umfang der vorgetäuschten Anwesenheit aus der Sicht des Verwaltungsgerichts für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ohne Bedeutung war. Unter diesen Umständen hätte in der Antragsbegründung aufgezeigt werden müssen, inwiefern die von der Klägerin reklamierten, allerdings recht vagen Feststellungen in einem Bereich, in dem das Verwaltungsgericht nach dem Zweifelsgrundsatz ohnehin von einem für sie vorteilhaften Sachverhalt ausgegangen ist, zu einer (noch) günstigeren Entscheidung hätten führen können.

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Im Übrigen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls keinen Beweisantrag gestellt (vgl. § 105 VwGO i.V.m. §§ 160 Abs. 2, 165 ZPO). Dass sich die Vernehmung hätte aufdrängen müssen, ist nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, ein Strengbeweis lasse sich nicht führen, da die zu diesem Thema im behördlichen Disziplinarverfahren befragten Zeugen – was in der Natur der Sache liege – keine konkreten und belastbaren Aussagen hätten machen können. Dagegen bringt die Antragsbegründung nichts Überzeugendes vor.

8

Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Zulassungsantrag beruft sich in diesem Zusammenhang lediglich auf Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Solche liegen nicht vor.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO.

10

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG und § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

11

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 LDG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO).


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