Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 MB 48/16

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 7. Kammer – vom 5. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

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Die Beschwerde bleibt erfolglos. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

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1. Der für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ist nicht gegeben. Es fehlt an einer Rechtsgrundlage für die von der Antragstellerin begehrte allgemeine Gestattung der Jagdausübung, selbst wenn diese – gemäß den Hilfsanträgen – befristet oder auf bestimmte Wildarten beschränkt würde.

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a) Das Gesetz sieht eine allgemeine Gestattung der Jagdausübung nicht vor. Nach § 29 Abs. 5 Nr. 5 Fall 2 LJagdG ist es verboten, in Jagdgattern die Jagd auszuüben oder die Jagdausübung zuzulassen. Nach § 29 Abs. 8 Satz 1 LJagdG kann die Jagdbehörde lediglich Ausnahmen von dem Jagdverbot in Jagdgattern zulassen, wenn dies erforderlich ist, um bestehende Jagdgatter aufzulösen. Das Begehren der Antragstellerin wird von dieser Norm nicht erfasst. § 29 Abs. 8 LJagdG kann – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – analog auf Fälle angewandt werden, in denen – wie hier – die Pflicht zur Auflösung des Jagdgatters zwischen den Beteiligten streitig ist. Die Antragstellerin erstrebt aber ungeachtet der Wortwahl („ausnahmsweise Gestattung der Jagdausübung“) nicht lediglich eine Ausnahme vom Jagdverbot in dem für die Auflösung des Jagdgatters erforderlichen Umfang. „Erforderlich“ im Sinne von § 29 Abs. 8 Satz 1 LJagdG ist die Jagd nur dann, wenn sie dazu dient, überhöhte Wildbestände zur Vermeidung von Wildschäden oder im Interesse des Artenschutzes oder der Verkehrssicherung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren (LT-Drs. 18/5716, S. 11). Die Antragstellerin macht zwar eine drohende Überpopulation des Wildbestandes und damit einen Grund für die Zulassung einer Ausnahme geltend. Dieser Vortrag ist jedoch in Bezug auf den gestellten Antrag, die Jagdausübung allgemein zu gestatten, nicht erheblich. Die Antragstellerin will „nach eigenem Ermessen“ die Jagd im Jagdgatter ausüben. Eine so weitgehende Gestattung ist nicht von § 29 Abs. 8 Satz 1 LJagdG gedeckt.

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b) An der mangelnden Rechtsgrundlage für die allgemeine Gestattung der Jagd würde sich auch dann nichts ändern, wenn das in § 29 Abs. 5 Nr. 5 Fall 2 LJagdG normierte Verbot der Jagdausübung in Jagdgattern gegen höherrangiges Recht verstieße. In einem solchen Fall wäre das Gesetz zwar im Hauptsacherfahren vom Bundes- oder Landesverfassungsgericht für nichtig zu erklären (§§ 78, 82 Abs. 1, 95 Abs. 3 BVerfGG, §§ 42, 46 Satz 2 LVerfGG). Dies hätte jedoch nicht zur Folge, dass der Antragsgegner die Jagd nunmehr dem Grunde nach gestatten müsste. Vielmehr wäre die Jagd mangels wirksamer Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) schon ohne behördliche Gestattung grundsätzlich erlaubt. Will die Antragstellerin dieses Recht im Vorgriff auf das Hauptsacheverfahren bereits jetzt im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig durchsetzen, so muss sie vorbeugenden Rechtsschutz gegen drohende Verbotsmaßnahmen des Antragsgegners geltend machen. Das ist jedoch nicht Inhalt des gestellten Antrags.

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Es besteht kein Anlass, der Antragstellerin durch Erteilung eines rechtlichen Hinweises die Gelegenheit zu einer zweckmäßigen Antragsänderung zu geben. Für eine Antragsänderung ist im Rahmen des § 146 Abs. 4 VwGO kein Raum, da die Beschwerde nur zulässig ist, soweit sie der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung dient (OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 8 ME 110/13 –, juris Rn. 10; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch u.a., VwGO, Stand 2016, § 146 Rn. 13c; jeweils m.w.N.). Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes kann ausnahmsweise etwas anderes gelten. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Die Antragstellerin ist nicht gehindert, den in erster Instanz nicht gestellten, nicht fristgebundenen Antrag auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht zu stellen.

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2. Zur Vermeidung unnötigen weiteren Streits weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass vorbeugender Rechtsschutz auch bei entsprechender Antragstellung nicht hätte gewährt werden können. Es fehlt jedenfalls ein Anordnungsgrund.

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Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, eine Eilbedürftigkeit sei wegen der vorläufigen Regelungsmöglichkeit nach § 29 Abs. 5 und 8 LJagdG i.V.m. § 27 BJagdG, die sowohl die öffentlichen als auch die privaten Interessen hinreichend berücksichtige, nicht ersichtlich. Die von der Antragstellerin genannten Populationszahlen legten es nahe, dass nicht für die gesamte Dauer bis zur Klärung der streitigen Rechtsfragen von einer Bejagung abgesehen werden dürfe. Indes sei dies eine Frage der Kooperation der Antragstellerin mit den zuständigen Behörden. Eine Anordnung nach § 27 BJagdG erfordere eine Ermessensentscheidung der Behörde zur Verhinderung von übermäßigen Wildschäden, wobei das Ausmaß der Wildschäden eine notstandsähnliche Situation begründen müsse. Die dafür notwendigen Feststellungen bedürften einer Abwägung im Einzelfall und das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen könne nicht mit der bloßen Nennung von Bestandszahlen belegt werden. Der pauschale Verweis auf eine drohende Überpopulation reiche ohne Nennung konkreter Fakten und Daten nicht aus, um eine Grundlage für eine adäquate Entscheidung zu bieten.

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Die hiergegen mit der Beschwerdebegründung vom 12. Oktober 2016 nebst Ergänzung vom 29. November 2016 vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. Die Antragstellerin hat zwar ihr Vorbringen hinsichtlich der drohenden Überpopulation insbesondere durch Vorlage der gutachterlichen Stellungnahme von Frau Dr. Christine Miller substantiiert und geltend gemacht, eine Kooperation mit der zuständigen Behörde sei nicht möglich, da die Behörde nicht tätig werde, keine Sachverhaltsaufklärung betreibe und den Vortrag der Antragstellerin nicht inhaltlich würdige. Damit ist jedoch eine Eilbedürftigkeit nicht dargetan. Für diese kommt es nicht allein auf das Verhalten der Behörde, sondern ebenso auf die Handlungsmöglichkeiten der Antragstellerin an. Die Antragstellerin muss gegenüber der Behörde konkret vortragen, welche Ausnahmen vom Jagdverbot zur Vermeidung einer Überpopulation geboten sind. Dass dies geschehen wäre, wird mit der Beschwerde nicht dargelegt. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Behörde unter dieser Voraussetzung nicht dazu bereit wäre, eine erforderliche Ausnahme vom Jagdverbot zuzulassen oder eine entsprechende Anordnung nach § 27 BJagdG zu treffen. Unter Würdigung der Angaben in der Beschwerdebegründung zum Wildbestand im Forstort Wiedenbor-stel hat der Antragsgegner mit Verfügung vom 9. November 2016 den Abschuss von 40 Stück Schwarzwild, 70 Stück Damwild und 20 Stück Muffelwild angeordnet. Dies zeigt, dass einer Kooperation mit dem Antragsgegner keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen. Bei dieser Sachlage vermag weder der Hinweis der Antragstellerin auf ihre Pflichten als Tierhalterin noch auf die – nicht näher substantiierten – Folgen des Jagdverbots für ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einen Anordnungsgrund zu begründen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

10

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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