Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 LB 18/15

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 6. Kammer – vom 16. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und zu 2. sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abzuwenden, wenn nicht das beklagte Landesamt zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage (WKA) auf dem … der Flur … der Gemarkung … . Die vorgesehene Anlage (Typ Enercon 82/E2) mit einer Nennleistung von 2,3 MW soll eine Nabenhöhe von 78,3 m, einen Rotordurchmesser von 82 m und eine maximale Höhe von 121,33 m über NN bzw. 119,33 m über Grund aufweisen.

2

Die geplante Windkraftanlage liegt im Planungsraum der Teilfortschreibung des Regionalplans für den Planungsraum IV des Landes Schleswig-Holstein. Die Landesplanungsbehörde wendet diese nicht mehr an (Erlass vom 23.06.2015, Amtsblatt Schl.-H. S. 772). Für den Standort der geplanten Anlage gilt der Bebauungsplan Nr. 2 (1. Änderung) der Gemeinde … für das Gebiet „nordwestlicher … zwischen … und … – Fläche für Windenergienutzung“ vom 31.05.2006.

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Der Bebauungsplan setzt „Flächen für die Landwirtschaft“ fest. Am Westrand seines Geltungsbereichs sind zwei (durch kreisrunde Baugrenzen markierte) „Baufenster“ innerhalb eines Bereichs mit dem besonderen Nutzungszweck „Windenergieanlagen“ ausgewiesen. Die Anlage der Klägerin soll im südlichen Baufenster entstehen.

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Der Flugplatz Heide-Büsum (Verkehrslandeplatz) ist für den Betrieb mit Flugzeugen und Hubschraubern bis 5,7 t Höchstabflugmasse (MTOW), Segelflugzeugen, Ultraleichtflugzeugen und Sprungfallschirmen bei Tag und Nacht genehmigt; er verfügt über eine 720 m lange Start- und Landebahn (Asphalt).

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Für die Regelung des Flugverkehrs ist der Beigeladene zu 2. als Landesluftfahrtbehörde zuständig (§ 21 a Abs. 1 S. 2 LuftVO a. F. = § 22 Abs. 1 S. 2 LuftVO n. F.), der insoweit eine gutachterliche Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation (DFS) zu berücksichtigen hat und sich an den „Grundsätzen des Bundes und der Länder für die Regelung des Flugverkehrs an Flugplätzen ohne Flugverkehrskontrollstelle“ vom 03. April 2000 (NfL II 37/00) orientiert. Die genannten Grund-sätze enthalten Regelungen zu Aufgaben, Kriterien und zur Festlegung von Platzrunden (Nr. 2.1).

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Nach Nr. 1.1 der Flugbetriebsregelung I-8/80 der Landesluftfahrtbehörde vom 13. Dezember 1979 darf der Flugbetrieb in Heide-Büsum nur nach Sichtflugregeln durchgeführt werden. Nach Nr. 1.2 a. a. O. sind die „Veröffentlichungen im Luftfahrthandbuch Band III … Bestandteil dieser Flugbetriebsregelung.“ Zur Zeit des Erlasses der Flugbetriebsregelung I-8/80 enthielt das (damals von der Bundesanstalt für Flugsicherung veröffentlichte) Luftfahrthandbuch eine Sichtanflugkarte mit Darstellung einer Start-/Landerichtung „29“ (Stand 21.10.1976; danach – ebenso – auch Stand 18.09.1980, 05.02.1981, 16.09.1982). Eine Platzrunde für den Verkehrslandeplatz Heide-Büsum wurde – erstmals – am 16.08.1984 im Luftfahrthandbuch (Aeronautical Information Publication [AIP]) veröffentlicht; diese zeigt folgendes Bild:

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Im Bereich des Gegenanflugs der Platzrunde sind in der Vergangenheit bereits mehrere 60 – 100 m hohe Windkraftanlagen errichtet worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin dazu in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgelegten Luftbilder sowie die zugehörige Tabelle, die die Höhe der Anlagen und die Höhe der Platzrunde ausweist, bzw. auf die vom beklagten Landesamt überreichten Karten verwiesen, in denen die Platzrunde und die in deren Umgebung errichteten und geplanten Windkraftanlagen dargestellt sind.

8

Am 07. Oktober 2009 beantragte die Klägerin die Genehmigung der streitbefangenen Windkraftanlage. Der Standort der geplanten Windkraftanlage liegt ca. 2000 m nordwestlich des Flugplatzes Heide-Büsum. Der Abstand zwischen der geplanten Anlage und der Nordwestkurve der Platzrunde beträgt ca. 100 m.

9

Der Beigeladene zu 2. wies im Genehmigungsverfahren auf einen zu geringen Abstand der Anlage zur Platzrunde des Verkehrslandeplatzes Heide-Büsum hin. In einer gutachterlichen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Flugsicherung GmbH (DFS) wurde ebenfalls die Versagung der Genehmigung empfohlen und ein Standort mit einem Abstand von mindestens 850 m zum Queranflug bzw. 400 m zum Gegenanflug der Platzrunde für erforderlich gehalten. Der Beigeladene zu 2. lehnte daraufhin gemäß § 14 LuftVG die Zustimmung zu dem Vorhaben gegenüber dem Beklagten ab.

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Der Beklagte lehnte den Genehmigungsantrag mit Bescheid vom 28. Juli 2010 ab, da dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegenstünden.

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Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das beklagte Landesamt durch Widerspruchsbescheid vom 08. November 2010 zurück.

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Zur Begründung ihrer am 30. November 2010 eingegangenen Klage hat die Klägerin auf das Gefährdungspotential („Vorbelastung“) durch bereits vorhandene Windkraftanlagen im exakt rechten Queranflug zur Landebahnrichtung 29 sowie – ferner - durch ein Tieffluggebiet der Bundeswehr verwiesen. Die Ablehnung des Genehmigungsantrages sei nur auf die Übernahme des Gutachtens der DFS gestützt. Eine konkrete Gefährdung des Luftverkehrs sei nicht ausreichend begründet worden; ein pauschaler Hinweis auf Abstandsregelungen sei unzureichend. Komplexe Hindernissituationen seien im Sichtflugverkehr eine fliegerische Normalität. Abstrakte Gefährdungen genügten insoweit nicht. Die geplante Windkraftanlage liege weder im Bauschutzbereich noch innerhalb der Platzrunde des Flugplatzes. Die geforderten Abstände seien lediglich Empfehlungen. Aus §§ 6, 12 LuftVO seien Abstandsregelungen nicht herleitbar. Da der Flugplatz Heide-Büsum ausschließlich nach Sichtflugregeln beflogen werden dürfe, müsse sich ein Pilot von den in Anflugkarten veröffentlichten Hindernissen fernhalten. Bei pflichtgemäßem Verhalten könne es überhaupt nicht zu einer Schädigung kommen. Die Platzrunde habe keinen rechtsverbindlichen Charakter. Weder wie sie angeflogen werde, noch welche Höhe einzuhalten sei bzw. wie wieder aus ihr herausgeflogen werde, sei verbindlich geregelt. Platzrundenregelungen seien für Landeplätze wie vorliegend zudem nicht erforderlich. Auch im Falle einer Durchdringung von Hindernisfreiflächen sei keine konkrete Gefährdung gegeben. Die Versagung der Zustimmung sei auch nicht erforderlich, da die Platzrunde verändert bzw. verlegt werden könne. Dies sei ohne weiteres möglich und an anderer Stelle bereits vorgenommen worden.

13

Die Klägerin hat beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Juli 2010 sowie des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2010 zur Erteilung der Genehmigung für die beantragte Windkraftanlage zu verpflichten.

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Das beklagte Landesamt hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Es hat die Ansicht vertreten, die erforderliche Zustimmung des Beigeladenen zu 2. könne durch die Genehmigungsbehörde nicht ersetzt werden. Die Zustimmung sei im Übrigen zu Recht verweigert worden.

18

Der Beigeladene zu 2. hat die Ansicht vertreten, wegen der wesentlichen Unterschreitung des von der DFS empfohlenen Mindestabstandes sei eine Kollision eines Luftfahrzeuges mit der Windkraftanlage hinreichend wahrscheinlich. Zudem könne bei Befolgung der verbindlichen Platzrunde die Mindestabstandsregelung des § 12 LuftVO nicht eingehalten werden. Die Platzrunde könne nicht verlegt werden, sie entspreche derzeit den Standardmaßen.

19

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 16. Februar 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Genehmigungsanspruch nach § 6 Abs. 1 BImSchG stehe § 14 Abs. 1 LuftVG entgegen. Die luftrechtliche Zustimmung sei zu Recht verweigert worden. Gemäß § 14 Abs. 1, § 12 Abs. 2 S. 2 u. 3 u. Abs. 4 LuftVG sei die Zustimmung zu versagen, wenn dies zur Wahrung der Sicherheit der Luftfahrt und der Allgemeinheit erforderlich sei und nachteilige Wirkungen nicht durch Auflagen ausgeschlossen werden könnten. Von der geplanten Windkraftanlage gingen wegen ihrer Nähe zur Platzrunde des Flugplatzes Heide-Büsum Gefährdungen für den Luftverkehr aus. Dies ergebe sich zunächst aus der Unterschreitung des Mindestabstandes gemäß § 12 LuftVO. Diese Vorschrift könne mittelbar auch einem Vorhaben entgegenstehen, wenn Flugzeugführer den dort geforderten Mindestabstand bei Abflug der Platzrunde nicht einhalten könnten. § 12 LuftVO sei auf das Abfliegen der Platzrunde anwendbar. Flugzeugführer seien zur Beachtung der nach § 21 a LuftVO getroffenen Regelungen verpflichtet; eine solche Regelung sei hier mit der Festlegung der Platzrunde getroffen worden. Ein Flugzeugführer, der die Platzrunde ordnungsgemäß abfliegen wolle, drohe regelmäßig gegen § 12 LuftVO zu verstoßen. Darüber hinaus ergäben sich Anhaltspunkte für eine Gefahr für den Luftverkehr bzw. für die Allgemeinheit aus der Unterschreitung der von der DFS und von dem Beigeladenen zu 2. empfohlenen Mindestabstände zur Platzrunde. Zwar stellten diese keine verbindliche Regelung dar, seien aber bei der Auslegung einer Gefahr heranzuziehen. Der Mindestabstand von Hindernissen zur Platzrunde markiere den Grad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Die Berufung der Klägerin auf eine Vorbelastung durch bestehende Windkraftanlagen greife nicht durch. Die bestehenden Anlagen seien von geringerer Höhe als die geplante Windkraftanlage. Zudem lasse sich eine Gefahrerhöhung durch die geplante Anlage begründen, die – allein – mehr als 100 m hoch sei. Bei einem Abstand von ca. 100 m zur Platzrunde sei kein ausreichender Handlungsspielraum für den Luftfahrzeugführer mehr gegeben. Soweit die Klägerin auf andere, mehr als 100 m hohe Windkraftanlagen verweise, stellten diese aufgrund ihrer Entfernung von über 400 m zur Platzrunde keine gefahrerhöhende Vorbelastung dar. Die Ablehnung der Zustimmung des Beigeladenen zu 2. sei auch nicht unverhältnismäßig. Eine Verlegung der Platzrunde könne die Klägerin nicht beanspruchen, sie erscheine auch nicht möglich. Die Platzrunde stelle einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung dar, an welchen die Beteiligten und das Gericht gebunden seien. Für das Begehren um eine Veränderung der Platzrunde müsse sich die Klägerin an den Beigeladenen zu 2. wenden. Eine Verlegung sei nach Süden, wo die Stadt Büsum liege, die vor Lärmbelästigungen geschützt werden müsse und nach Nordosten wegen der dort bereits bestehenden Windkraftanlagen nicht möglich. Auch eine größere Flughöhe scheide wegen des oberhalb der Platzrunde liegenden Tieffluggebietes der Bundeswehr aus. Eine Verkürzung der Platzrunde komme ebenfalls nicht in Betracht.

20

Gegen das ihr am 26. März 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. April 2012 die Zulassung der Berufung beantragt und diesen Antrag am 16. Mai 2012 begründet. Der Senat hat dem Zulassungsantrag mit Beschluss vom 18. Dezember 2015 stattgegeben.

21

Ein Antrag auf „Verlegung“ der Platzrunde ist vom Beigeladenen zu 2. am 15. September 2015 abgelehnt worden; nach erfolglosem Widerspruch ist dagegen am 04.01.2017 Klage erhoben worden. Nach Angaben der Klägerin ist das Tieffluggebiet der Bundeswehr nordöstlich der Platzrunde „ausgesetzt“ worden.

22

Die Klägerin ist der Ansicht, die Voraussetzungen für die Erteilung der – vorliegend – erstrebten Genehmigung seien gegeben.

23

Da nach § 12 Abs. 2 S. 2 LuftVG eine Zustimmungsfiktion eingetreten sei, bedürfe es keiner Zustimmung nach § 14 LuftVG mehr. Das Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 02.12.2009 enthalte keine formwirksame Zustimmungsverweigerung, da szt. noch keine gutachterliche Stellungnahme der DFS vorgelegen habe. Diese sei erst am 02.03.2010 – nach Ablauf der Zweimonatsfrist – erfolgt; die DFS sei auch erst nach Ablauf der Zweimonatsfrist beteiligt worden und die Zustimmungsversagung vom 15.03.2010 sei nach Fristablauf erfolgt.

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Das Verwaltungsgericht habe den für die Versagung der Zustimmung nach § 14 LuftVG relevanten Gefahrenmaßstab nicht richtig erkannt. Die Platzrunde falle als standardisiertes An- und Abflugverfahren nicht in den Anwendungsbereich des Sicherheitsmindestabstandes. Eine Zustimmungsversagung erfordere das Vorliegen einer konkreten - im Einzelfall zu prüfenden - Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs. Eine solche liege hier nicht vor. Soweit dazu erstinstanzlich auf § 12 LuftVO Bezug genommen worden sei, sei diese Vorschrift nunmehr außer Kraft getreten und durch die EU-Verordnung Nr. 923/2012 ersetzt worden. Danach lasse sich eine konkrete Gefahr nicht mehr begründen. Start und Landung würden von der Abstandsregelung nach dieser Verordnung ausgenommen. Im Sichtflugverfahren (VFR) umfasse der Landeanflug als Teil der Landung auch den vollständigen Abflug der Platzrunde. Eine konkrete Gefahr durch die Unterschreitung der erforderlichen Abstände sei folglich bei Realisierung des Vorhabens nicht zu befürchten. Auch eine Unterschreitung der pauschalen Abstandsempfehlungen der DFS bzw. der „Gemeinsamen Grundsätze des Bundes und der Länder für die Anlage und den Betrieb von Flugplätzen für Flugzeuge im Sichtflugbetrieb“ begründe keine konkrete Gefahr. Den Abstandsempfehlungen der DFS fehle mangels Rechtssatzqualität die Verbindlichkeit. Die Anwendung pauschaler Kriterien werde auch der erforderlichen Einzelfallprüfung nicht gerecht. Die Empfehlungen seien zudem sachlich nicht gerechtfertigt. Hier könne trotz Unterschreitens der Abstandsempfehlungen eine konkrete Gefahr faktisch ausgeschlossen werden, da der Flugplatz lediglich für kleinere Flugzeuge zugelassen worden sei und wenig genutzt werde. Es wäre zu prüfen gewesen, ob der Fall, dass zwei Flugzeuge zur gleichen Zeit die Platzrunde befliegen, überhaupt ein realistisches Szenario darstelle. Gemessen am gesamten tatsächlichen Flugaufkommen verringere sich die Wahrscheinlichkeit eines Gefahrenszenarios, wie es die DFS zugrunde lege, von vorn herein bereits um 80 %. Bloße „Anhaltspunkte“ für eine konkrete Gefahr genügten nicht. Erforderlich sei ein hinreichender Grad der Gefährdungswahrscheinlichkeit. Dieser sei nicht erreicht. Eine konkrete Gefahr sei auch aus den „Gemeinsamen Grundsätzen“ nicht abzuleiten. Diese Grundsätze seien immer anhand des konkreten Einzelfalles zu beurteilen.

25

Das beklagte Landesamt trage die Darlegungs- und Beweislast für die eine Zustimmungsversagung nach § 14 LuftVG rechtfertigenden Tatsachen. Ein Windenergieanlagenbetreiber könne den Nachweis, dass durch sein Vorhaben keine relevanten Auswirkungen auf den Luftverkehr zu erwarten sind, nicht führen. Von dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast dürfe auch vorliegend nicht abgewichen werden.

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Der Platzrundenbetrieb am Flugplatz Heide-Büsum stelle zudem keinen schutzwürdigen Belang dar, da unter Zugrundelegung der Auffassungen der DFS, der Beigeladenen zu 2. und des Verwaltungsgerichts ein gefahrloser Flugbetrieb bereits derzeit nicht mehr möglich sei. Die Platzrunde sei bereits durch eine Vielzahl von Windkraftanlagen mit unterschiedlicher Höhe belastet und geprägt. Mittlerweile seien fünf 125 m hohe Anlagen sowie eine 130 m hohe Anlage unter Verletzung der Mindestabstände nach Nr. 6 der „Gemeinsamen Grundsätze“ genehmigt worden. Zudem existierten bereits Windkraftanlagen innerhalb der Platzrunde. Die Platzrunde sei somit bereits erheblich vorbelastet; sie müsse geändert (verlegt) werden. Es sei auch ausreichend, auf etwaige Hindernisse im Bereich des Anflugs in Anflugkarten hinzuweisen bzw. eine durchgehende PPR1) Prior Permission Request', STICKY, true, WIDTH, 500, TITLE, 'Fußnote X ', CENTERMOUSE, true, ABOVE, true );false;">1 einzuführen.

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Die Versagung der luftrechtlichen Zustimmung gemäß § 14 LuftVG sei zudem unverhältnismäßig. Aus der besonderen Privilegierung der Windkraftnutzung ergebe sich zugleich das Erfordernis, vor der Zustimmungsversagung eine Platzrundenverlegung, die unproblematisch möglich sei, zu prüfen. Das sei unterblieben. Durch ein Gutachten werde belegt, dass eine Verlegung südlich des Landeplatzes möglich sei und zu einer Verbesserung der Flugsicherheit führe.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Abänderung des Urteils vom 16. Februar 2012 (6 A 295/10) das beklagte Landesamt unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2010 zu verpflichten, ihr die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage des Typs Enercon 82/E2 mit einer Nennleistung von 2,3 MW, einer Nabenhöhe von 78,3 m und einer Gesamthöhe von 121,33 m über NN auf dem Grundstück Flur 1 Flurstück 3/4 der Gemarkung O. zu erteilen

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hilfsweise,

31

unter Abänderung des Urteils vom 16.Februar 2012 (6 A 295/10) das beklagte Landesamt unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2010 zu verpflichten, über die von ihr beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage des Typs Enercon 82/E2 mit einer Nennleistung von 2,3 MW, einer Nabenhöhe von 78,3 m und einer Gesamthöhe von 121,33 m über NN auf dem Grundstück Flur 1 Flurstück 3/4 der Gemarkung O. unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

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Das beklagte Landesamt beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

34

Es erwidert: Abgesehen von dem Genehmigungshindernis nach § 14 LuftVG bestehe inzwischen ein weiteres – selbständiges - Hindernis, das eine Genehmigung vollumfänglich ausschließe. Nachdem der Senat die Regionalpläne zur Ausweisung von Windenergieeignungsgebieten durch Urteile vom 20. Januar 2015 für unwirksam erklärt habe, seien raumbedeutsame Windkraftanlagen gemäß § 18 a Abs. 1 S. 2 Landesplanungsgesetz vorläufig unzulässig. Das gelte auch für einen überplanten Bereich. Die streitgegenständliche Anlage sei deshalb aktuell nicht genehmigungsfähig. Eine Ausnahme nach § 18 a Abs. 2 Landesplanungsgesetz sei bislang nicht erteilt worden und stehe auch nicht in Aussicht. Eine spätere Ausweisung des Standortes als Vorranggebiet sei ausgeschlossen.

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Abgesehen davon stelle die fehlende Zustimmung nach § 14 LuftVG ein Genehmigungshindernis dar. Eine Zustimmungsfiktion nach § 12 Abs. 2 S. 2 LuftVG sei nicht eingetreten, da der Beigeladene zu 2. bereits mit Schreiben vom 02. Dezember 2009, also innerhalb der Zweimonatsfrist, mitgeteilt habe, dass eine Zustimmung nicht erteilt werden könne. Das spätere Schreiben vom 15. März 2010 bestätige dies lediglich.

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Die für eine Versagung der Zustimmung nach § 14 Abs. 1 LuftVG erforderliche konkrete Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die Allgemeinheit sei vorliegend gegeben, da das Abfliegen der Platzrunde um den Flugplatz Heide-Büsum nicht mehr unter Beachtung der geltenden und aus Sicherheitsgründen einzuhaltenden Mindestabstände möglich sei und auch weitere, spezielle Gründe des Einzelfalls für eine hinreichend konkrete Gefahr sprächen. Der Mindestabstand von 150 m von der verbindlich festgelegten Platzrunde habe bei Sichtflugregeln Gesetzescharakter und könne zu der geplanten Anlage nicht eingehalten werden. Einer „Landung“ im Sinne des Art. 2 Nr. 10 der VO-Nr. 923/2012 unterfalle nicht das Abfliegen der gesamten Platzrunde, sondern nur das Aufsetzen und allenfalls der diesem unmittelbar vorgeschaltete Endanflug in Ausrichtung zur Rollbahn. Nach dem Bau der WKA würde die Einhaltung der geforderten Mindestabstände unmöglich. Zur Bewertung der Gefahrenlage seien – weiterhin – auch die „Gemeinsamen Grundsätze“ des Bundes und der Länder vom 02. Mai 2013 heranzuziehen; die danach erforderlichen Mindestabstände würden hier um ein Vielfaches unterschritten. Die Unterschreitung dieser Mindestabstände indiziere eine konkrete Gefahr. Dies bestätige sich auch aus den Eigenheiten des Einzelfalles. Die geplante Anlage befinde sich von der Ideallinie der Platzrunde 100 m entfernt, nämlich außerhalb der nordwestlichen Kurve Gegenanflug / Queranflug. Anerkannt sei, dass von der Ideallinie Abweichungen von bis zu 250 m möglich und durchaus üblich sein könnten. Die Gefahr einer Kollision würde vorliegend auf ein nicht mehr hinnehmbares Maß erhöht. Durch die Rotoren verringere sich der Abstand zur Platzrunde zusätzlich. Soweit die Klägerin anführe, ein gefahrloser Flugplatzbetrieb sei bereits jetzt unmöglich, übersehe sie, dass die bestehenden Windkraftanlagen weniger als 100 m, überwiegend ca. 60 m hoch seien, so dass der vertikale Mindestabstand zur Platzrunde gewahrt werde. Die Versagung der luftrechtlichen Zustimmung sei auch nicht unverhältnismäßig. Eine Veränderung der Platzrundenführung sei nicht möglich. Die – auf der Grundlage des § 21a LuftVO a. F. (heute: § 22 LuftVO) in NfL I-8/80 geregelte - Platzrunde bleibe als Allgemeinverfügung verbindlich, bis sie zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben werde, was bislang nicht der Fall sei. Der Regelung NfL I-8/80 sei eine dynamische Verweisung auf das Luftfahrthandbuch zu entnehmen; die dortigen Veröffentlichungen seien Bestandteil dieser Regelung. Aus dem Luftfahrthandbuch ergebe sich die Streckenführung der Platzrunde und die zu fliegende Höhe von „800 MSL“, also 800 ft über NN.

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Die Beigeladenen zu 1. und 2. haben keinen Antrag gestellt.

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Die Beigeladene zu 1. hat sich nicht geäußert.

39

Der Beigeladene zu 2. hält an der Rechtmäßigkeit der versagten Zustimmung nach § 14 LuftVG fest. Eine Zustimmungsfiktion nach § 12 Abs. 2 LuftVG sei nicht eingetreten, da die Zustimmung bereits vor Ablauf der (verlängerbaren) Frist – mit Schreiben vom 02. Dezember 2009 – verweigert worden sei. Das Vorliegen einer konkreten Gefahr sei für die Versagung der Zustimmung nicht Voraussetzung. Bei Errichtung des Bauwerkes sei die Einhaltung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes von 150 m über dem höchsten Hindernis bzw. innerhalb eines Umkreises von 150 m um das Luftfahrzeug nicht gewährleistet. Das Abfliegen der Platzrunde sei nicht als Teil der Landung anzusehen. Entgegen der Annahme der Klägerin würden nicht 80 % der Starts in Richtung Westen durchgeführt, 2015 / 2016 seien 48,3 % der Starts in Richtung Osten erfolgt. Windkraftanlagen in Flugplatznähe stellten eine Gefährdung dar. Eine Platzrundenverlegung sei nicht möglich. Sie hätte lediglich die Betroffenheit anderer Grundeigentümer zur Folge, zudem sprächen Lärmschutzgründe dagegen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des beklagten Landesamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zugelassene Berufung hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat die Berufung – nach Zulassung – innerhalb der bis zum 29. Februar 2016 verlängerten Frist – begründet. Die am 10.01.2017 eingegangene (weitere) Begründung ergänzt die fristgerecht eingegangene Berufungsbegründung.

42

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

43

Der Ablehnungsbescheid des beklagten Landesamtes vom 28. Juli 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 08. November 2010 sind rechtmäßig. Über die Verpflichtungsklage der Klägerin ist nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abzustellen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 2016, § 113 Rn. 217). Die Klägerin kann danach eine Genehmigung der beantragten Windkraftanlage nicht beanspruchen (unten 1.); sie kann auch keine Neubescheidung ihres Genehmigungsantrages – im Sinne des in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellten Hilfsantrages – verlangen (unten 2.).

44

1. Die von der Klägerin geplante Windkraftanlage bedarf einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (§ 4 Abs. 1 BImSchG, § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV i. V. m. Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV ). Eine Genehmigung gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG kann nur beansprucht werden, wenn dem Vorhaben der Klägerin – Errichtung und Betrieb einer Windkraftanlage auf dem Flurstück … der Flur … in … – keine Rechtsgründe entgegenstehen.

45

Das ist – entgegen der Ansicht des beklagten Landesamtes – zwar in Bezug auf das Raumordnungsrecht nicht der Fall (unten 1.1), wohl aber in Bezug auf luftverkehrsrechtliche Vorschriften (unten 1.2).

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1.1 Das beklagte Landesamt sieht in der Regelung in § 18 a Abs. 1 S. 2 Landesplanungsgesetz, wonach raumbedeutsame Windkraftanlagen vorläufig unzulässig sind, ein – nachträglich eingetretenes – Genehmigungshindernis, nachdem der Senat durch Urteile vom 20. Januar 2015 (1 KN 6/13 u.a., NordÖR 2015, 261 ff) die regionalplanerische Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung für unwirksam erklärt habe.

47

Die Urteile des Senats vom 20. Januar 2015 betreffen allerdings nicht den hier betroffenen Bereich des Regionalplans IV (Planungsraum Schleswig-Holstein Süd-West). Insoweit hat die Landesplanungsbehörde durch Erlass vom 23. Juni 2015 (Amtsblatt SH S. 772 f.) bekannt gegeben, dass sie die im November 2012 in Kraft getretenen Teilfortschreibungen der Regionalpläne zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung nicht mehr anwendet. Es kann offen bleiben, ob dieser Erklärung verbindliche Rechtswirkung zukommt, da auch der Regionalplan IV aus den Gründen der Urteile des Senats vom 20. Januar 2015 (a.a.O.) als unwirksam anzusehen ist. Das – anschließend eingeleitete – Verfahren zur Neuaufstellung des Regionalplans in Bezug auf raumbedeutsame Windkraftanlagen (vgl. § 3 Nr. 6 ROG; vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2003, 4 C 4.02, NVwZ 2003, 738 [bei Juris Rn. 11]; OVG Magdeburg, Urt. v. 12.12.2002, 2 L 456/00, ZNER 2003, 51 f.) für den hier betroffenen Planungsraum soll durch die gemäß § 18 a Abs. 1 S. 2 Landesplanungsgesetz geltende vorläufige Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen gesichert werden. Eine – die Anlage der Klägerin betreffende – Ausnahme gemäß § 18 a Abs. 2 Landesplanungsgesetz ist nicht zugelassen worden. § 18 a Landesplanungsgesetz gilt noch bis zum 06. Juni 2017; die Vorschrift wäre damit auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

48

Demgegenüber ist – allerdings – zu beachten, dass die Klägerin die beantragte Windkraftanlage im Geltungsbereich der 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 2 der Gemeinde O. vom 31. Mai 2005 errichten will. Mit den Festsetzungen dieses Planes ist das Vorhaben der Klägerin – soweit ersichtlich – konform (vgl. Bl. 543 d. A.).

49

Entgegen der Ansicht des beklagten Landesamtes gilt § 18 a Abs. 1 S. 2 Landesplanungsgesetz nicht für Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Für Vorhaben in solchen Gebieten kann die Zulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen nach § 18 Abs. 2 S. 1 Landesplanungsgesetz allgemein untersagt werden. Eine solche allgemeine Untersagung nach § 18 Abs. 2 S. 1 Landesplanungsgesetz ist – soweit ersichtlich – nicht erfolgt.

50

1.2 Dem Genehmigungsanspruch der Klägerin steht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG aber die Vorschrift in § 14 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) entgegen. Danach bedarf die Errichtung einer Windkraftanlage mit einer Höhe von mehr als 100 m über der Erdoberfläche, die außerhalb eines Bauschutzbereichs errichtet werden soll, der Zustimmung der gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 9 LuftVG zuständigen Landesluftfahrtbehörde. Eine solche Zustimmung des Beigeladenen zu 2) liegt nicht vor. Die Zustimmung ist – im Gegenteil – verweigert worden, zunächst mit Schreiben vom 02. Dezember 2009 (Beiakte A, Bl. 39), sodann (nochmals) mit Schreiben vom 15. März 2010.

51

1.2.1 Soweit die Klägerin meint, die luftrechtliche Zustimmung gelte als erteilt, da sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der für die Genehmigungserteilung zuständigen Behörde verweigert worden sei, trifft dies nicht zu.

52

Zwar enthält § 14 Abs. 1 (2. Hs.) i.V.m. § 12 Abs. 2 S. 2 LuftVG die Möglichkeit einer Zustimmungsfiktion im genannten Sinne, doch fehlen die tatsächlichen Voraussetzungen für den Eintritt dieser Fiktion. Das Ersuchen der Genehmigungsbehörde vom 23. November 2009 ist von dem Beigeladenen zu 2. mit Schreiben vom 02. Dezember 2009 – klar - dahingehend beantwortet worden, dass die Zustimmung nicht erteilt werde. Diese Verweigerung liegt – eindeutig – innerhalb der Zweimonatsfrist gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 LuftVG. Auf die – spätere – nochmals erklärte Versagung der luftrechtlichen Zustimmung vom 15. März 2010 kommt es damit nicht an.

53

Der Ansicht der Klägerin, das Schreiben des Beigeladenen zu 2. vom 02. Dezember 2009 enthalte wegen einer – seinerzeit – noch nicht vorliegenden gutachtlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation (DFS) keine „formwirksame“ Zustimmungsverweigerung, ist nicht zu folgen. Für die „Form“ der Zustimmungsverweigerung kommt es auf die Beteiligung der Flugsicherungsorganisation nicht an. Für eine fiktive Zustimmung ist jedenfalls dann kein Raum, wenn – wie hier – die zuständige Landesluftfahrtbehörde ihre Zustimmung ausdrücklich und unmissverständlich verweigert.

54

Gegenüber der Klägerin ist die Zustimmungsversagung der Landesluftfahrtbehörde ein reines Verwaltungsinternum (BVerwG, Urt. v. 16.07.1965, IV C 30.65, BVerwGE 21, 354 ff.) anzusehen. Das beklagte Landesamt ist an die verweigerte Zustimmung der Landesluftfahrtbehörde gebunden; es kann diese Versagung selbst dann nicht „überwinden“, wenn es sie für rechtswidrig hält, da § 12 Abs. 2 S. 2 LuftVG (im Unterschied zu § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB) keine „Ersetzungsbefugnis“ der Genehmigungsbehörde vorsieht.

55

1.2.2 Die Klägerin kann – allerdings – beanspruchen, dass die Versagung der luftrechtlichen Zustimmung im Genehmigungsrechtsstreit gerichtlich (inzident) auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft wird (vgl. OVG Weimar, Urt. v. 30.09.2009, 1 KO 89/07, ZNER 2010, 92 ff. [Juris Rn. 44]; OVG Koblenz, Urt. v. 16.01.2006, 8 A 11271/05, NVwZ 2006, 844/845 [Juris Rn. 24]). Diese Überprüfung führt dazu, dass die luftrechtliche Zustimmung - vorliegend - zu Recht versagt worden ist.

56

Es kann offen bleiben, ob die Versagung der luftrechtlichen Zustimmung im Anschluss an oder auf der Grundlage einer vorherigen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation (§ 31 Abs. 3, § 9 Abs. 2 Nr. 9 LuftVG) ergangen ist. Die Einholung einer solchen Stellungnahme ist lediglich eine Verfahrensobliegenheit des Beigeladenen zu 2., deren Erfüllung im – öffentlichen – Interesse einer Verbesserung der Entscheidungsqualität liegt. Die Verfahrensobliegenheit als solche entfaltet keine Schutzfunktion zu Gunsten der Klägerin; allein aus deren Nichtbeachtung kann sie keine Rechte herleiten. Für den Genehmigungsanspruch kommt es allein darauf an, ob die Versagung der luftrechtlichen Zustimmung durch materielle Versagungsgründe gerechtfertigt ist.

57

Der luftrechtliche Zustimmungsvorbehalt gemäß §§ 14, 12 Abs. 2 LuftVG dient der Wahrung der Sicherheit der Luftfahrt und des Schutzes der Allgemeinheit zur Abwehr von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt. Die Zustimmung ist deshalb zu versagen, wenn eine „Gefahr“ vorliegt, die bei ungehindertem Ablauf des Geschehens zu einem Schaden führen wird; insoweit kommt den o. g. Vorschriften der Charakter einer ordnungsrechtlichen Generalklausel zu (vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.02.2015, 4 B 39.14, Juris, Rn. 6 m.w.N.).

58

Bei der Prüfung, ob ein Vorhaben eine Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die Allgemeinheit begründet oder verstärkt, kommt den Gesichtspunkten der Luftfahrtsicherheit und des Schutzes der Allgemeinheit das entscheidende Gewicht zu. Das gilt insbesondere für sicherheitsgefährdende Hindernisse, die vom Erdboden aufragen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 09.04.2014, 8 A 432/12, Juris, Rn. 78 ff).

59

1.2.3 Eine Gefahr im vorgenannten - luftrechtlichen - Sinne liegt hier vor, so dass die Genehmigung zu Recht versagt worden ist.

60

Ob sich eine solche Gefahr aus der „Festsetzung“ einer Platzrunde ableiten lässt, kann offen bleiben. Infolge der Errichtung der geplanten Windkraftanlage wird es aufgrund des zu erwartenden Verhaltens der Luftfahrzeugführer in jedem Fall zu konkreten Gefahren für die Luftsicherheit kommen.

61

1.2.3.1 Der Beigeladene zu 2. und – ihm folgend – das beklagte Landesamt haben darauf verwiesen, dass sich die zur Genehmigung beantragte Windkraftanlage zu nah an der Platzrunde für den Flugplatz Heide-Büsum befinde. Die Festsetzung der Platzrunde sei – so das beklagte Landesamt weiter – durch die Regelung vom 13. Dezember 1979 (veröffentlicht in: NfL I-8/80) auf der Grundlage des § 21 a Abs. 1 S. 2 LuftVO a.F. (heute: § 22 Abs. 1 S. 2 LuftVO n.F.) erfolgt.

62

Eine behördlich festgesetzte und gem. § 43 LuftVO in den Nachrichten für Luftfahrer (NfL) bekannt gemachte Platzrunde ist verbindlich und von den Luftfahrzeugführern zu beachten (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 LuftVO). Sie ist - ihrer Rechtsnatur nach - ein Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung (vgl. VGH München, Urt. v. 31.10.2006, 8 A 05.40029 u.a., NVwZ-RR 2007, 386 ff); Verstöße gegen eine behördlich festgesetzte Platzrunde sind bußgeldbewehrt (§ 58 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 LuftVG i. V. m. § 44 Abs. 1 Nr. 19 LuftVO).

63

Vorliegend ist die Platzrunde nicht – sogleich – mit der „Flugbetriebsregelung für den Verkehrslandeplatz Heide-Büsum“ vom 13. Dezember 1979 (NfL I-8/80) festgesetzt worden, die in Nr. 1.2 auf die „Veröffentlichungen im Luftfahrthandbuch Bd. III … Bestandteil dieser Flugbetriebsregelung“ verweist. Das szt. von der Bundesanstalt für Flugsicherung veröffentlichte Luftfahrthandbuch enthielt nur eine Sichtanflugkarte mit Darstellung einer Start-/Landerichtung „29“ (Stand 21.10.1976, 18.09.1980, 05.02.1981, 16.09.1982). Eine Platzrunde für den Verkehrslandeplatz Heide-Büsum wurde – erstmals – am 16.08.1984 im Luftfahrthandbuch (Aeronautical Information Publication [AIP]) veröffentlicht. Darin werden (durch eine Karte) die Streckenführung der Platzrunde sowie die zu fliegende Höhe angegeben. Eine (nochmalige) Bekanntmachung in den „Nachrichten für Luftfahrer“ ist – soweit ersichtlich – nicht erfolgt.

64

Der Beigeladene zu 2. sieht in dieser – nachträglichen – Veröffentlichung der Platzrunde eine der nach § 22 Abs. 1 S. 2 LuftVO zuständigen Landesluftfahrtbehörde (LBV) zurechenbare Regelung, weil Nr. 1.2 der Flugbetriebsregelung vom 13. Dezember 1979 eine „dynamische Verweisung“ auf die (spätere) Veröffentlichung im Luftfahrthandbuch zu entnehmen sei. Dazu müsste für die von der Regelung Betroffenen erkennbar sein, was für sie gelten soll. Allgemein geltende Grundsätze für die Festlegung von Platzrunden sind den Vorgaben der Konvention über die internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO, Annex 14, Doc. 8168 Chapter 7 „Visual Manoeuvring (Circling) Area“ [Fig. I-4-7-3]) zu entnehmen.

65

Letztlich kommt es hier allerdings nicht auf die amtliche Festlegung einer Platzrunde für den Flugplatz Heide-Büsum an, da eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die Allgemeinheit auch unabhängig von einer durch die nach § 22 Abs. 1 S. 2 LuftVO zuständige Landesluftfahrtbehörde durch Allgemeinverfügung bestimmten Platzrunde festzustellen ist.

66

1.2.3.2 Zur Beantwortung der Frage, ob - im Sinne der §§ 14, 12 Abs. 2 LuftVG - eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die Allgemeinheit vorliegt, ist eine Gefahrenprognose erforderlich. Dieser ist das übliche Verhalten der vom oder zum Flugplatz Heide-Büsum fliegenden Flugzeugführer zugrunde zu legen, das bei normalem Flugbetrieb zu erwarten ist. Das umfasst auch und gerade ortsunkundige Luftfahrzeugführer.

67

Die Flugzeugführer werden sich bei der Vorbereitung und Durchführung ihres Fluges über die für diesen Flugplatz geltenden Flugregeln informieren und sich dem entsprechend an die – geltenden – Sichtflugregeln halten. Weiter werden sie sich über die Wetterbedingungen und die örtlichen Verhältnisse (Lage, Verlauf und Richtung der Start-/Landebahn, Anflugrichtung, Beleuchtung etc.) informieren (vgl. Nr. 7.2 ICAO-Doc. 8168). Dafür steht als – maßgebliche und allgemein gebräuchliche – Informationsquelle das von der zuständigen Flugsicherungsorganisation (DFS) veröffentlichte Luftfahrthandbuch zur Verfügung, das Sichtflugkarten und Hinweise für den An- und Abflug in Heide-Büsum enthält. Dazu gehört – insbesondere – die kartographisch dargestellte Platzrunde, die deren Lage und Streckenführung sowie die einzuhaltende (Mindest-)Flughöhe darstellt.

68

Die Platzrunde ist den veröffentlichten Sichtflugkarten zwar ohne definierte Navigationspunkte zu entnehmen, doch gibt sie eine Ideallinie für ein standardisiertes An- und Abflugverfahren am betreffenden Flugplatz vor, an der sich die Luftfahrzeugführer orientieren können. Wird von der Ideallinie durch Wetter- und Windbedingungen, durch notwendige Ausweichmanöver oder auch durch eine ungenaue „Umsetzung“ des Kartenbildes durch den Piloten (z. B. bei der sog. „Karte-Knie“-Methode) abgewichen, dient sie zugleich als Grundlage für notwendige Kurskorrekturen.

69

Der Luftfahrzeugführer darf regelmäßig davon ausgehen, dass die in dem von der Flugsicherungsorganisation (DFS) herausgegebenen Luftfahrthandbuch veröffentlichte Platzrunde eine Flugstrecke beschreibt, die frei von Bauwerken ist, die die An- oder Abflugwege der startenden oder landenden Flugzeuge behindern, zu nicht vorhersehbaren Abweichungen von der Platzrunde nötigen oder die zu unfallträchtigen, den Luftverkehr oder die Allgemeinheit bedrohenden Ausweichmanövern Anlass geben können (vgl. OVG Münster, Urt. v. 09.04.2014, 8 A 432/12, Juris, Rn. 90).

70

Der Gefahrenbeurteilung ist zugrundezulegen, dass sich ein Luftfahrzeugführer in aller Regel an die veröffentlichte Platzrunde halten wird, um Gefahren des An- und Abflugs so weit wie möglich zu vermeiden. Das gilt insbesondere bei schwierigen äußeren Bedingungen des Ab- und Anflugs infolge meteorologischer Umstände ([Stark-] Wind, Nebel, Niederschläge, Gewitter) oder anderer Einschränkungen der Sichtflugbedingungen. Zugleich wird damit das Erfordernis von Ausweichmanövern, mit denen nach der veröffentlichten Platzrunde regelmäßig nicht zu rechnen ist, weitgehend minimiert.

71

Zu den An- und Abflugregeln unter Sichtflugbedingungen gehörte bisher § 12 LuftVO, der zur Vermeidung von Zusammenstößen „im Fluge, ausgenommen bei Start und Landung“, zu einzelnen Bauwerken einen Mindestabstand von 150 m vorsah. Diese Vorschrift ist am 05. November 2015 außer Kraft getreten. An ihre Stelle ist die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 zur Festlegung gemeinsamer Luftverkehrsregelungen getreten, die in ihrem Anhang „Luftverkehrsregeln“ (Standardised European Rules of the Air [SERA)) - enthält (Amtsblatt EU Nr. L 281/1 vom 13.10.2012). Für Start und Landung unter Sichtflugbedingungen ist in SERA.5005 Buchst. f – Nr. 2 – bestimmt:

72

Außer wenn dies für Start und Landung notwendig ist oder von der zuständigen Behörde genehmigt wurde, darf ein Flug nach Sichtflugregeln nicht durchgeführt werden

73

1. …. ;

74

2. … in einer Höhe von weniger als 150 m (500 ft) über dem Boden oder Wasser oder 150 m (500 ft) über dem höchsten Hindernis innerhalb eines Umkreises von 150 m (500 ft) um das Luftfahrzeug.“

75

Danach darf ein Flug nach Sichtflugregeln in einer Höhe von weniger als 150 m über dem Boden oder Wasser oder 150 m über dem höchsten Hindernis innerhalb eines Umkreises von 150 m um das Luftfahrzeug nicht durchgeführt werden. Ein Luftfahrzeugführer hätte somit auch von der zur Genehmigung gestellten Windkraftanlage der Klägerin einen (horizontalen oder vertikalen Mindest-) Abstand von mindestens 150 m zu seinem Luftfahrzeug einzuhalten.

76

Die genannte Regelung richtet sich zwar an den Luftfahrzeugführer, doch ist sie zugleich für die - hier vorzunehmende - Gefahrenbeurteilung relevant: Kann ein Pilot, der sich beim An- oder Abflug an die veröffentlichte Platzrunde hält, die Einhaltung der für ihn verbindlichen Abstandsvorschriften nach SERA.5005 Buchst. f – Nr. 2 – zu der von der Klägerin geplanten Windkraftanlage nicht oder nicht mehr sicher gewährleisten, entsteht daraus eine – konkrete – Gefahr i. S. d. §§ 14, 12 Abs. 2 LuftVG, die der luftrechtlichen Zustimmung und (damit zugleich) der begehrten Genehmigung entgegen steht. Darauf hat bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend hingewiesen.

77

Die Einhaltung des nach SERA.5005 Buchst. f – Nr. 2 – geforderten Abstandes muss misslingen, wenn sich der Flugzeugführer an der im Luftfahrthandbuch veröffentlichten Platzrunde orientiert, weil er dann in der Nordwestkurve bei nur 100 m Abstand zur geplanten Windkraftanlage den luftverkehrsrechtlichen Mindestabstand unterschreiten wird. Die Einhaltung des Abstandes ist auch dann nicht mehr verlässlich gewährleistet, wenn sich das Flugzeug (auch) in dieser Phase des Landeanflugs noch auf der Mindestflughöhe von 800 ft (= 243,84 m) befindet; in diesem Fall errechnet sich der („Quer“-)Abstand zwischen dem Flugzeug und der 119,33 m hohen Windkraftanlage der Klägerin, die nach den in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgelegten Karten weniger als 100 m – nach Angaben des beklagten Landesamtes nur 89,5 m [Bl. 606 d. A.]) - von der „Linie“ der Platzrunde entfernt liegt, auf Werte zwischen 149 m und 159 m. Die Einhaltung des nach SERA.5005 Buchst. f - Nr. 2 - geforderten Abstandes wird erst recht unsicher, wenn der Ab- oder Anflugweg im Einzelfall durch Windeinflüsse gestört oder durch Sichteinschränkungen (z. B. Nebel) behindert wird. Es kommt hinzu, dass der nach SERA.5005 Buchst. f - Nr. 2 - bestimmte Abstand von 150 m zwischen dem Luftfahrzeug und Hindernissen auch einen „Sicherheitspuffer“ einschließt, um evtl. noch erforderliche Kurskorrekturen vornehmen zu können. Dem entsprechend ist die Luftsicherheit bei Annäherung oder (gar) Unterschreitung des genannten Abstandes in besonderem Maße betroffen.

78

Der zur Genehmigung gestellte Standort der Windkraftanlage der Klägerin wird damit – unter Zugrundlegung des zu erwartenden Verhaltens eines „typischen“ (nicht notwendig ortskundigen) Flugzeugführers – zu einer Gefährdung des sicheren An- und Abflugweges führen. Daraus resultiert ein Flugsicherheitsrisiko (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 16.01.2006, 8 A 11271/05, NVwZ 2006, 844). Dies genügt für die Annahme einer konkreten Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs i. S. d. §§ 14, 12 Abs. 2 LuftVG in diesem Bereich, die abzuwehren die Versagung der luftrechtlichen Zustimmung rechtfertigt.

79

Auf die – weiteren – Fragen nach der Bedeutung der „Grundsätze des Bundes und der Länder für die Regelung des Flugverkehrs an Flugplätzen ohne Flugverkehrskontrollstelle“ vom 03. April 2000 (NfL II 37/00) und der daraus abgeleiteten „Hindernisfreiheit“ eines Platzrundenverlaufs kommt es danach nicht mehr an. Das Gleiche gilt auch für die von der Klägerin angesprochene Frage, in welcher Häufigkeit An- und Abflugbewegungen aus bzw. in westlicher oder östlicher Richtung stattfinden; für den – hier betroffenen – westlichen Übergang vom Gegenanflug zum Queranflug ist aus den o. g. Gründen von einer konkreten Gefahr i. S. d. §§ 14, 12 Abs. 2 LuftVG auszugehen.

80

Der Einwand der Klägerin, die Abstandsregelung in SERA.5005 Buchst. f Nr. 2 gelte nicht für den Bereich des „standardisierten An- und Abflugverfahrens“ im Bereich der Platzrunde, vermag nicht zu überzeugen.

81

Dem Wortlaut der genannten Regelung ist - klar - zu entnehmen, dass eine Unterschreitung der Sicherheitsabstände von 150 m „rund“ um das Luftfahrzeug (nur) zulässig ist, wenn dies von der zuständigen Behörde genehmigt wurde, was hier ausscheidet, oder wenn die Einhaltung der Abstände für Start und Landung „nicht notwendig ist“. Daraus folgt, dass in allen anderen Bereichen die Sicherheitsabstände einzuhalten sind.

82

Eine Unterschreitung der in SERA.5005 Buchst. f Nr. 2 vorgeschriebenen Sicherheitsabstände im Bereich von Start und Landung ist im Bereich des Gegenanflugs und auch im Bereich des Queranflugs jedenfalls (noch) nicht „notwendig“, folglich auch nicht im Bereich der Kurve zwischen Gegen- und Queranflug. Eine solche Notwendigkeit ergibt sich erst für die Endphase des Sinkfluges – kurz vor der Landung –. In diesem Bereich befindet sich die zur Genehmigung beantragte Windkraftanlage jedoch nicht.

83

Soweit die Begriffe „Landeanflug“ bzw. „Landung“ von einem Berufspiloten auch auf die Vorgänge des Einflugs in die Platzrunde bis zum Endanflug, des Aufsetzens und des Ausrollens ausgedehnt werden (s. Anlage K 28, Bl. 366 d. A.), mag dies einem fliegerischen Sprachgebrauch entsprechen. Eine abweichende Auslegung oder Anwendung der SERA.5005 Buchst. f Nr. 2 insbesondere zur Frage, inwieweit die Einhaltung der dort geregelten Abstände „notwendig“ ist, ist daraus nicht abzuleiten.

84

1.2.4 Der Hinweis der Klägerin auf andere, bereits vorhandene Windkraftanlagen im Bereich der Platzrunde bzw. in deren Nähe verhilft ihrem Genehmigungsanspruch nicht zum Erfolg.

85

Auch bei schon vorhandenen Gefahren ist grundsätzlich jeder weitere Genehmigungsantrag für ein noch nicht vorhandenes Bauwerk auf sein konkretes Gefahrenpotential in luftverkehrsrechtlicher Hinsicht hin zu überprüfen (OVG Münster, Urt. v. 09.04.2014, a.a.O., Rn. 88). Im vorliegenden Fall führt der unzureichende Abstand der von der Klägerin beantragten Windkraftanlage zur Platzrunde zu einer Erhöhung der konkreten luftverkehrsrechtlichen Gefahren. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass andere Windkraftanlagen (in anderen Bereichen des An- oder Abflugweges) - möglicherweise - ebenfalls solche Gefahren begründen.

86

Es kommt hinzu, dass die konkreten Gefahren, die durch die von der Klägerin geplante Anlage im Bereich der „Kurve“ zwischen Gegenanflug und Queranflug im nordwestlichen „Kurvenbereich“ der Platzrunde hervorgerufen werden, mit den Gefahren durch anderen Anlagen, die sich (noch) im Bereich des Gegenanflugs befinden, nicht vergleichbar sind: Die im „Korridor“ des Gegenanflugs vorhandenen Windkraftanlagen sind - ausnahmslos - maximal 100 m hoch, wie sich (auch) der von der Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung überreichten Tabelle entnehmen lässt. Sie können aufgrund ihrer Höhe und der im Gegenanflug einzuhaltenden Mindestflughöhe von 800 ft (= 244 m) von den Flugzeugführern in diesem Bereich der Platzrunde unproblematisch – bei Wahrung des nach SERA.5005 Buchst. f Nr. 2 einzuhaltenden Abstandes von 150 m - überflogen werden. Gerade dies kann für die hier streitige Anlage der Klägerin, die 119,3 m (ü. Gr.) hoch ist, nicht festgestellt werden (s. o.) Das gilt erst recht, wenn bei einem Landeanflug in der Kurve zum Queranflug bereits der Sinkflug eingeleitet und die Mindestflughöhe des Gegenanflugs von 800 ft verlassen wird. Die Anlage der Klägerin, die sich weniger als 100 m von der „Linie“ der veröffentlichten Platzrunde entfernt befindet, stellt unter diesen Umständen eine (konkrete) Gefahrenquelle dar.

87

1.2.5 Der Ansicht der Klägerin, eine Änderung oder Verlegung der Platzrunde sei gegenüber einer Versagung der luftverkehrsrechtlichen Zustimmung zur Errichtung der beantragten Windkraftanlage als „milderes“ Mittel anzusehen, kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden.

88

Der Genehmigungsanspruch für die beantragte Windkraftanlage ist anhand der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die gegenwärtig gilt. Die Klägerin verkennt insoweit, dass allein die Möglichkeit einer künftigen Verlegung oder Neufestsetzung der Platzrunde ihren Genehmigungsanspruch nicht zu begründen vermag.

89

Dem entsprechend ist der Beurteilung möglicher luftverkehrsrechtlicher Gefahren das gegenwärtig zu erwartende An- und Abflugverhalten der Luftfahrzeugführer zugrunde zu legen. Dieses wird durch die „Flugbetriebsregelung“ vom 13. Dezember 1979, die Sichtflugregeln und das typische Flugverhalten der Luftfahrzeugführer bestimmt, das sich an den Vorgaben für die Platzrunde nach der veröffentlichten Fassung des Luftfahrthandbuchs der DFS orientiert. Danach ist derzeit eine konkrete luftverkehrsrechtliche Gefahr gegeben, die die Zustimmungsversagung rechtfertigt. Diese Gefahr besteht fort, bis die veröffentlichte Platzrunde – durch eine geänderte „Empfehlung“ der Flugsicherungsorganisation oder durch eine anderweitige „amtliche“ Festlegung der Platzrunde durch die Landesluftfahrtbehörde – ersetzt wird. Das ist bis dato nicht der Fall.

90

Über eine Verlegung bzw. Neufestlegung der Platzrunde ist im vorliegenden Verfahren - auch inzident - nicht zu befinden.

91

Grundsätzlich müssen Bauvorhaben den vorgefundenen luftsicherheitsrechtlichen Erfordernissen folgen, nicht umgekehrt. Das gilt auch für die im Bereich einer Platzrunde liegenden An- und Abflugbereiche. Dort soll Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die insbesondere den Luftverkehr und deren unfallfreien Betrieb betreffen, entgegengewirkt werden. Das gilt gleichermaßen für die Sicherheit der an- und abfliegenden Luftfahrzeuge und ihrer Insassen wie auch für die Sicherheit anderer Luftfahrzeuge oder der von Unfallrisiken betroffenen Bevölkerung am Boden. Darüber hinaus sind auch potentiell beeinträchtigte Umweltgüter zu berücksichtigen, wozu auch Lärmschutzbelange gehören.

92

Der Annahme der Klägerin, dass (allein) ihr Vorhaben, auf dem Flurstück … der Flur … der Gemarkung … eine Windkraftanlage errichten zu wollen, einen Anspruch auf („Verlegung“ oder) Neufestsetzung der Platzrunde für den Flugplatz Heide-Büsum begründe, ist i. ü. nicht zu folgen. Das An- und Abflugverfahren einschließlich der Platzrunde (mit Verlauf, Ausrichtung und Höhenlage) muss vorrangig auf die Abwehr von Gefahren für die genannten Schutzbereiche ausgerichtet sein. Das schließt es in aller Regel aus, die Festlegung der Platzrunde an den Interessen einzelner Grundstückseigentümer und deren Bauabsichten auszurichten.

93

Der Umstand, dass die bestehende Platzrunde durch früher errichtete Windkraftanlagen „vorbelastet“ ist, mag einen Überprüfungsbedarf der Luftfahrtbehörde auslösen, doch folgt daraus kein Anspruch auf eine bestimmte – insbesondere dem Bauwunsch der Klägerin entsprechende - Neufestlegung der Platzrunde. Die zuständige Luftfahrtbehörde kann im Rahmen ihrer Gefahrenabwehraufgabe von sich aus prüfen, ob Gründe für eine solche Neufestlegung vorliegen; nimmt sie dies an, können bauinteressierte Grundstückseigentümer allenfalls beanspruchen, dass ihre Bauwünsche berücksichtigt werden, nicht aber eine bestimmte Neufestlegung fordern, die einseitig zu Gunsten bestimmter (weiterer) Bauvorhaben erfolgt. Das würde die – vorrangigen – Belange der öffentlichen (Luftverkehrs-) Sicherheit ebenso missachten wie die relevanten Umweltbelange einschließlich solcher des Lärmschutzes.

94

Auch die – in der mündlichen Berufungsverhandlung reklamierte – Baufreiheit der Klägerin (Art. 14 GG) führt nicht dazu, dass ihr Genehmigungsanspruch eine Veränderung der bestehenden Flugbetriebsregelung für den Flugplatz Heide-Büsum oder einer darauf (einseitig) „Rücksicht“ nehmenden Neubestimmung der Platzrunde begründet. Die Klägerin verkennt insoweit, dass das Gebot der Rücksichtnahme (auch) im Baurecht wechselseitig gilt, also sowohl für die Beigeladene zu 1. (…) bzw. den Beigeladenen zu 2. (Landesluftfahrtbehörde) als auch für die Klägerin, deren Bauabsicht auf den genehmigten Flugplatz und dessen Betrieb Rücksicht nehmen muss. Dieser Bauabsicht muss – ohne weiteres – weder der Flugplatz noch der diesem zugeordnete Flugbetrieb weichen. So lange der genehmigte Flugplatz besteht und rechtmäßig betrieben wird, muss die Klägerin – dem Prioritätsprinzip entsprechend – auf die ältere Nutzung (Flugplatz) Rücksicht nehmen, was auch einschließt, dass Bauvorhaben nicht zu unzumutbaren Einschränkungen des seit Jahrzehnten bestehenden Flugplatzes Heide-Büsum führen darf. Das ist bei einem Vorhaben, das – wie hier - den An- und Abflugweg behindert, der Fall.

95

1.2.6 Die luftverkehrsrechtliche Versagung der Zustimmung gemäß § 14 Abs. 1 LuftVG ist nach alledem rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin kann damit eine positive Bescheidung ihres Genehmigungsantrages nicht beanspruchen.

96

2. Die hilfsweise beantragte Neubescheidung ihres Genehmigungsantrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats kann die Klägerin ebenfalls nicht beanspruchen.

97

Ein Neubescheidungsanspruch der Klägerin käme in Betracht, wenn das beklagte Landesamt die Möglichkeit einer Genehmigungserteilung unter Auflagen (§ 12 Abs. 4 LuftVG) unzureichend geprüft hätte. Das schließt - im Rahmen der (gebotenen) Inzidentkontrolle der luftverkehrsrechtlichen Zustimmungsversagung - die Frage ein, ob zur „Vermeidung“ einer Ablehnung des Genehmigungsantrages auch Auflagen zur Beseitigung luftverkehrsrechtlicher Hindernisse in Betracht kommen. Wenn Auflagen in luftverkehrsrechtlicher Hinsicht in Betracht kommen, kann das beklagte Landesamt diese (nach Abschluss einer diesbezüglichen Prüfung durch den Beigeladenen zu 2. bei seiner Entscheidung über den Genehmigungsantrag berücksichtigen; insoweit ist dem beklagten Landesamt die (Beteiligung und) Entscheidung der beigeladenen Landesluftfahrtbehörde zuzurechnen.

98

Voraussetzung eines Neubescheidungsanspruchs ist in jedem Fall, dass eine Prüfung des § 12 Abs. 4 LuftVG, also eine Prüfung möglicher Auflagen zur Genehmigung, rechtswidrig unterblieben ist. Das ist nicht festzustellen.

99

Im Hinblick auf das – dem Genehmigungsanspruch entgegenstehende – Hindernis einer Gefahr im luftverkehrsrechtlichen Sinn (s. o. 1.2.3) wären für einen Neubescheidungsanspruch nur solche Auflagen relevant, die geeignet sind, die konkreten luftverkehrsrechtlichen Gefahren infolge der Errichtung der beantragten Windkraftanlage abzuwenden. Auflagen i. S. d. § 12 Abs. 4 LuftVG betreffen in erster Linie die zur Genehmigung gestellte Windkraftanlage und nicht Anlagen Dritter oder den (Bestand des) genehmigten Flugplatzes Heide-Büsum bzw. den diesem zuzurechnenden Flugbetrieb. Es ist nicht ersichtlich, welche Auflagen im vorliegenden Fall - bei der gegebenen Nähe zur Platzrunde - dafür geeignet sein könnten.

100

Die von der Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung angesprochenen Möglichkeiten, Hinweise (auf die Windkraftanlage[n]) in das Luftfahrthandbuch aufzunehmen oder Informationen dazu (auch) anderweitig zu veröffentlichen, wären nicht im Wege einer Auflage zur hier begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung umzusetzen. Im Rahmen des § 12 Abs. 4 LuftVG ist nicht über Änderungen oder Ergänzungen von Flugbetriebsregelungen zu entscheiden. Das Gleiche gilt auch für die (ebenfalls angesprochene) Möglichkeit, für den Flugplatz Heide-Büsum eine sog. PPR-Regelung zu erlassen.

101

Unabhängig davon wären die von der Klägerin angesprochenen (flugbetrieblichen) Maßnahmen nicht geeignet, die im – maßgeblichen – Zeitpunkt der Entscheidung des Senats begründete Prognose einer konkreten Gefahr für die Luftverkehrssicherheit bzw. für die Allgemeinheit zu beseitigen. Das Gleiche gilt auch für die Möglichkeit einer Veränderung bzw. Neubestimmung der im Bereich der Platzrunde einzuhaltenden (Mindest-) Flughöhe. Der Hilfsantrag der Klägerin ist daher unbegründet.

102

3. Die Berufung ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2. sind nicht erstattungsfähig, weil sie sich nicht durch die Stellung eigener Sachanträge am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt haben (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

103

Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

104

Beschluss

105

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf
250.000,00 EURO
festgesetzt.

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