Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 MB 4/16
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer - vom 06.06.2016 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Antragstellerin wendet sich im erstinstanzlichen Klageverfahren VG 6 A 149/15 gegen einen an die Beigeladene gerichteten, am 03.09.2015 ergangenen Planfeststellungsbeschluss gem. § 68 WHG zur Herstellung eines Oberflächengewässers infolge einer Nass-auskiesung auf den betriebseigenen Flurstücken … und … der Flur … der Gemarkung … . Vorliegend erstrebt sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
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Die Beigeladene hatte die Planfeststellung am 06.02.2012 beantragt; der Antrag wurde am 15.01.2105 in Bezug auf die Erschließung - Querung des N...er Weges - geändert. Gegen den Planfeststellungsbeschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15.09.2015 Klage erhoben. Auf den Antrag der Beigeladenen vom 17.11.2015 ordnete der Antragsgegner am 22.02.2016 die sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 03.09.2015 im überwiegenden Interesse der Beigeladenen an.
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Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hat die Antragstellerin damit begründet, dass eine Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausfallen müsse, da das planfestgestellte Vorhaben die gemeindliche Planungshoheit beeinträchtige. Es verletze den Landschaftsplan und lasse die 4. Änderung des Flächennutzungsplans mit einer kiesabbaubezogenen Konzentrationsflächenplanung unberücksichtigt. Der Umstand, dass die 4. Änderung des Flächennutzungsplans zur Zeit der Erteilung des Panfeststellungsbeschlusses noch keine Rechtswirksamkeit erlangt habe, ändere an deren Beachtlichkeit nichts; die Auslegung der Planänderung sei szt. bereits erfolgt und sie habe dem Innenministerium zur Genehmigung gem. § 6 BauGB vorgelegen, das die Planänderung - am 26.10.2015 - genehmigt habe. Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht werde auch durch die Verweigerung eines Beteiligungsrechts nach § 36 BauGB verletzt. Zudem werde das Selbstverwaltungsrecht in Bezug auf die gemeindliche Straßenbaulast für den N...er Weg verletzt. Die Nutzung dieses Weges für den Kreuzungsverkehr zum Abbaugebiet sei eine Sondernutzung, die einer - hier ausdrücklich verweigerten - gemeindlichen Erlaubnis bedürfe.
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Mit Beschluss vom 06.06.2016 hat das Verwaltungsgericht den Antrag wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt. Die 4. Änderung des gemeindlichen Flächennutzungsplans habe zur Zeit der Erteilung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses noch keine Rechtswirksamkeit erlangt. Die Änderung habe dem Innenministerium zwar zur Genehmigung vorgelegen, doch sei deren Begründung mangelhaft. Die Begründung leide hinsichtlich der Ausweisung der Kiesabbau-Konzentrationsfläche im südwestlichen Gemeindegebiet an einem beachtlichen Abwägungsmangel. Deshalb fehle die nötige „Planreife“. Zudem müsse die kommunale Bauleitplanung auf hinreichend konkretisierte und verfestigte Fachplanungen Rücksicht nehmen. Das gelte auch für das hier betroffene Planfeststellungsverfahren, das Anfang 2012 begonnen und mit der Auslegung und Erörterung des Plans Ende 2014 bereits eine gewisse Verfestigung erfahren habe, als die 4. Änderung des Flächennutzungsplans am 11.08.2015 beschlossen worden sei. Der Prioritätsgrundsatz sei ein wichtiges Abwägungskriterium und verpflichte zur Rücksichtnahme auf diejenige Planung, die den zeitlichen Vorsprung habe. Dem Landschaftsplan, der nicht frei von Fehlern sei, habe der Antragsgegner zu Recht ein nur geringes Gewicht beigemessen. Das Beteiligungsrecht der Antragstellerin gem. § 36 BauGB sei nicht verletzt worden, da das Vorhaben i. S. d. § 38 BauGB von überörtlicher Bedeutung sei. Das sei bei einer Nassauskiesung typischerweise der Fall. Ohne Erfolg berufe sich die Antragstellerin auf die Überquerung des N...er Weges, der für den Schwerlastverkehr ausgelegt sei.
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Gegen den am 09.06.2016 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 14.06.2016 Beschwerde erhoben und diese am 07.07.2016 begründet. Sie hält daran fest, dass ihre Planungshoheit unzureichend berücksichtigt worden sei. Der 4. Änderung des Flächennutzungsplans sei keinerlei Beachtung geschenkt worden. Die Auslegung der Planänderung sei szt. lange abgeschlossen und ihre Genehmigung sei beantragt gewesen und am 26.10.2015 mit einer „Auflage“ erteilt worden. Die Auflage sei danach erfüllt worden, was das Innenministerium am 02.03.2016 bestätigt habe. Die Änderung des Flächennutzungsplans sei ungeachtet ihrer szt. noch fehlenden Rechtswirksamkeit für die Planfeststellung relevant. Der Entwurf zur Änderung des Flächennutzungsplans enthalte eine „hinreichend konkretisierte (verfestigte) gemeindliche Planung“; daran ändere sich auch nichts, weil der Innenminister eine Ergänzung der Begründung der F-Plan-Änderung verlangt habe. Soweit das Verwaltungsgericht ausführe, die Gemeinde müsse auch auf die Planfeststellung Rücksicht nehmen, übersehe es, dass diese in der F-Plan-Begründung mehrfach erwähnt werde. Dem Landschaftsplan sei zu Unrecht ein nur geringes Gewicht beigemessen worden. Soweit insoweit Fehler gerügt worden seien, habe die Gemeinde darauf reagiert und entsprechende Planänderungen vorgenommen. Es sei ein Abwägungsfehler, dass der Landschaftsplan in seiner letztlich rechtsverbindlichen Form nicht in die Abwägung des Antragsgegners eingeflossen sei, sondern nur in seiner Entwurfsfassung. In Bezug auf die Kreuzung des N...er Weges liege eine - nicht erlaubte - Sondernutzung vor. Die Widmung gelte nur für die jeweilige Fahrtrichtung, nicht für die Kreuzung des Weges. Der Weg sei zur Aufnahme von Kreuzungs- bzw. Schwerlastverkehr nicht geeignet und werde erheblich mehr verkehrsbelastet. Im Planfeststellungsverfahren sei die Erschließung des Kiesabbauvorhabens grundlegend geändert worden. Dafür sei eine erneute Auslegung der veränderten Antragsunterlagen erforderlich gewesen, die nicht stattgefunden habe; § 140 Abs. 8 S. 1 LVwG greife nicht. Der Planfeststellungsbeschluss sei damit verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.
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Der Antragsgegner erwidert, eine Verletzung des Beteiligungsrechts werde erstmals im Beschwerdeverfahren gerügt; es sei i. Ü. nicht ersichtlich, was die Antragsgegnerin bei einem vollständigen Beteiligungsverfahren hätte neu vortragen wollen. Eine Identitätsänderung des Vorhabens werde durch die geänderte wegemäßige Erschließung nicht begründet. Der Entwurf der Änderung des Flächennutzungsplans habe z. Zt. des Planfeststellungsbeschlusses noch keine „Planreife“ gehabt; eine Genehmigung des Flächennutzungsplans habe das Innenministerium nur für der Fall der Behebung von Abwägungsmängeln in Aussicht gestellt. Die Gemeinde habe auf die zeitlich vorlaufende und hinreichend konkretisierte Fachplanung Rücksicht nehmen müssen. Die Begründung der 4. Änderung des Flächennutzungsplans und die planerische Abwägung übergehe die Fachplanung. Zwischen den Eigentümerinteressen und den Gründen für eine Herausnahme der Flächen werde nicht abgewogen; weitere Abwägungsmängel der Änderung des Flächennutzungsplans lägen in der Zuordnung von Planungskriterien zu „harten“ und „weichen“ Tabukriterien, der Erforderlichkeit und Geeignetheit der „weichen“ Tabukriterien und der Auswahl und Anwendung der Kriterien für den weiteren Abwägungsprozess, insbesondere für den An- und Abfahrtsverkehr und die Vorbelastungen durch Kiesabbau. Fragen der Emissionen und der Vorbelastung würden vermengt. Mit Schutzauflagen des - seinerzeit bereits erlassenen - Planfeststellungsbeschlusses habe sich die Gemeinde nicht auseinander gesetzt. Die „Akzeptanz“ sei kein taugliches Abwägungskriterium. Dem - fehlerhaften - Landschaftsplan sei zu Recht ein geringes Gewicht beigemessen worden. In der Sache habe die Gemeinde keine Landschaftsplanung, sondern eine vorweggenommene Flächennutzungsplanung betrieben; dies sei von den gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen nicht gedeckt. Die Herausnahme von Kiesabbauflächen werde nur teilweise naturschutzfachlich, im Schwerpunkt städtebaulich begründet. Die im Landschaftsplan entwickelten Kriterien und deren Anwendung seien fehlerhaft. Zudem missachte auch der Landschaftsplan die Priorität der zeitlich früheren Fachplanung. Kreuzende Verkehre am N...er Weg seien widmungskonform. Allein eine Verkehrsmengensteigerung führe nicht zu einer erlaubnispflichtigen Sondernutzung. Das sei im Planfeststellungsbeschluss zutreffend erkannt worden.
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Die Beigeladene hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend, da die Klage in der Hauptsache keine Erfolgsaussichten habe. Der Planfeststellungsbeschluss sei rechtmäßig. Die Landschaftsplanung sei ausreichend berücksichtigt worden; ihr komme als bloße Verhinderungsplanung nur ein geringes Gewicht zu. Sie sei zudem fehlerhaft: Dem hier in Rede stehenden Eignungsbereich 1 sei das größte Konfliktpotential zugeordnet worden, ohne dessen nur „randliche Betroffenheit“ zu berücksichtigen. Zudem habe die Gemeinde nicht auf die hinreichend konkretisierten und verfestigten Planungsabsichten des Antragsgegners Rücksicht genommen. Ein geänderter räumlicher Zuschnitt des Eignungsbereichs 1 sei nicht geprüft worden. Die Lage und Qualität der Kiesvorkommen und die Rohstoffhöffigkeit seien unrichtig in Ansatz gebracht worden. Ein diesbezüglicher Ermittlungsfehler führe zu einem (nur) geringen Gewicht der Landschaftsplanung in der Abwägung. Die 4. Änderung des Flächennutzungsplans sei z. Zt. des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht rechtswirksam gewesen; mangels Planreife komme ihr auch keine Vorwirkung zu. Zur Zeit des Planfeststellungsbeschlusses sei der Planentwurf mit einem beachtlichen Abwägungsmangel behaftet gewesen. Zudem habe die Flächennutzungsplanung auf das bereits weit fortgeschrittene Planfeststellungsverfahren Rücksicht nehmen müssen. Die Antragstellerin habe sich darauf beschränkt, das Planfeststellungsverfahren zu konterkarieren und die Potentialfläche 1 in Gänze abzulehnen. Eine derartige Verhinderungsplanung vermittle der Gemeinde keine wehrfähige Position. Die Mängel der Landschaftsplanung hätten sich im Verfahren zur Aufstellung der 4. Änderung des Flächennutzungsplans fortgesetzt. Mit der Frage, ob der befürchtete Eingriff in Natur und Landschaft auch durch einen anderen Zuschnitt des Eignungsbereichs hätte vermieden werden können, habe sich die Gemeinde überhaupt nicht befasst. Auch die Rohstoffhöf-figkeit sei nicht (nochmals) untersucht worden. Die Antragstellerin könne sich auch nicht auf eine Sondernutzung der Kreuzung zum N...er Weg berufen. Dieser Weg sei für einen Schwerlastverkehr ausreichend ausgebaut. Der Gemeingebrauch könne nicht in Bezug auf den Kreuzungsverkehr ausgeschlossen werden. Auf die Widmung sei dies nicht zu stützen. Infolge der geänderten Erschließung des Kiesabbauvorhabens sei eine erneute Planauslegung nicht erforderlich gewesen, da sich dadurch das Gesamtkonzept des Vorhabens in keiner Weise geändert habe. Die Antragstellerin habe – zudem – im ergänzenden Verfahren Gelegenheit erhalten, zu der geänderten Erschließung Stellung zu nehmen. Selbst wenn man für das Hauptsacheverfahren offene Erfolgsaussichten annehmen wolle, falle die Abwägung der widerstreitenden Interessen zu Gunsten der Beigeladenen aus, da die Betriebstätigkeit wegen nahezu erschöpfter Kiesvorkommen gefährdet sei. Neben dem damit betroffenen existenziellen Interesse bestehe ein ganz erhebliches öffentliches Interesse an einem weiteren Kiesabbau in …, da ein Transport von Betonzuschlagsstoffen aus weit entfernten Abbauflächen nicht vertretbar sei.
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Die Antragstellerin hat auf gerichtliche Anfrage mitgeteilt, dass eine förmliche Widmungsverfügung für den N...er Weg nicht existiere, dass es sich dabei aber um einen nach Maßgabe des § 57 Abs. 3 StrWG öffentlichen Weg handele.
II.
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Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 06.06.2016 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.
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1. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss (S. 6 - 7 des Beschl.-Abdr.) den für die Entscheidung über den Antrag gem. §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO anzuwendenden Entscheidungsmaßstab zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 31.07.2015, 1 MB 14/15, ZNER 2015, 613 ff. [bei Juris Rn. 8]) angegeben; darauf wird Bezug genommen. Die Beschwerde bleibt - dem entsprechend - erfolglos, wenn die Klage der Antragstellerin mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und eine Wiederherstellung ihrer aufschiebenden Wirkung gegenüber der begünstigten Beigeladenen unbillig wäre. Bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten ist – maßgeblich – auf Rechtsnormen abzustellen, die gerade dem Rechtsschutz der Antragstellerin dienen.
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2. Die Antragstellerin meint, Erfolgsaussichten ihrer Klage ergäben sich bereits aus einem Fehler des (Auslegungs-)Verfahrens, das zum Erlass des angefochtenen Planfeststellungsbeschluss geführt hat. Dem ist nicht zu folgen.
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Eine Schutzfunktion kommt Verfahrensvorschriften nur dann zu, wenn sie erkennbar davon ausgehen, dass ein am Verfahren zu beteiligender Dritter unter Berufung allein auf einen ihn betreffenden Verfahrensmangel, d.h. ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache, die Aufhebung einer behördlichen Entscheidung soll durchsetzen können (BVerwG, Urt. v. 20.10.1972, IV C 107.67, BVerwGE 41, 58 ff. [bei Juris Rn. 20]). Eine solche - formelle - Schutzfunktion kommt dem Erfordernis der Planauslegung gem. § 140 Abs. 3 LVwG SH ersichtlich nicht zu.
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Dem Antragsgegner ist - überdies – darin zu folgen, dass die Änderung der Zuwegung über die Kreuzung am N...er Weg keine (neue) Auslegungspflicht begründet. Nach § 140 Abs. 8 S. 1 LVwG wäre dies nur der Fall, soweit durch die geänderte Planung Aufgabenbereiche oder Belange erstmals oder stärker als bisher berührt werden. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die mit dem Auslegungserfordernis - allgemein - verbundene Anstoßwirkung ist vorhabenbezogen. Das Vorhaben der Beigeladenen - als solches - ist unverändert geblieben. Die Anstoßwirkung ist insoweit bereits mit der Auslegung der ursprünglichen Unterlagen erreicht worden (vgl. Steinberg/Müller, UPR 2007, 1 ff./4 [zu III.3]). Der N...er Weg war schon vor der Planänderung (auf ganzer Länge) als Zuwegung vorgesehen; infolge der Planänderung wird dies auf einen Kreuzungsbereich reduziert. Die Beigeladene weist zu Recht darauf hin, dass die Antragstellerin im „ergänzenden“ Verfahren Gelegenheit hatte, zu der mit der Planänderung verbundenen Zuwegung des Abbauvorhabens über die Kreuzung am N...er Weg Stellung zu nehmen. Auch eine vollständige Wiederholung des Auslegungsverfahrens hätte folglich zu keinen anderen oder weitergehenden Erkenntnissen der Antragstellerin, die evtl. Grundlage von Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss hätten sein können, geführt (vgl. Sachs, in: Stelkens u.a., VwVfG, 2014, § 46 Rn. 27). Eine (allein) durch einen (Auslegungs-)Verfahrensfehler begründete Rechtsverletzung der Antragstellerin scheidet damit aus.
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3. Das Verwaltungsgericht hat eine Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin - zutreffend - am Maßstab der Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 54 Abs. 1 LVerf SH) geprüft und festgestellt, dass weder die 4. Änderung des gemeindlichen Flächennutzungsplans (unten 3.1) noch die „Fortschreibung“ des Landschaftsplans vom 23.12.2014 (unten 3.2) Erfolgsaussichten im Klageverfahren der Antragstellerin begründen. Der rechtlichen Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen, die im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses bestand (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.06.2015, 4 B 61.14, Juris; Urt. v. 22.06.2015, 4 B 61.14, BVerwGE 80, 7 ff. [bei Juris Rn. 21]).
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3.1 Die 4. Änderung des Flächennutzungsplans begründet keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache.
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3.1.1 Die Planänderung war zu der Zeit, als der Planfeststellungsbeschluss vom 03.09.2015 erging, noch nicht rechtwirksam: Die nach § 6 Abs. 1 BauGB erforderliche Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde hatte das zuständige Innenministerium – erst danach – mit Schreiben vom 26.10.2015 erteilt. Es hat damit die „Auflage“ verbunden, dass in der Planbegründung die „Gründe … zur Ausweisung der Konzentrationsfläche für den Kiesabbau … vertiefter und konkreter darzulegen sind.“ Abschließend heißt es, dass die Erteilung der Genehmigung erst bekannt gemacht werden darf, wenn bestätigt worden ist, dass die „Auflage“ erfüllt ist. Die „Auflage“ entspricht damit der Sache nach eher einer aufschiebenden Bedingung, weil erst ihre Erfüllung die Voraussetzung für ein Wirksamwerden des Plans schafft. Dem entsprechend konnte noch keine Bekanntmachung der Genehmigung erfolgen, so dass die 4. Änderung des Flächennutzungsplans noch keine Wirksamkeit erlangt hat (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BauGB) und damit der angefochtenen Planfeststellung nicht entgegenstehen konnte. Der Umstand, dass das Innenministerium nachträglich – am 02.03.2016 – die Erfüllung seiner „Auflage“ bestätigt hat, ist vorliegend unerheblich, da auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses vom 03.09.2015 abzustellen ist (s.o.).
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3.1.2 Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss kann die Planungshoheit der Antragstellerin – im Grundsatz – auch dadurch beeinträchtigen, dass er eine – zwar noch nicht rechtswirksame, aber hinreichend bestimmte - gemeindliche Planung nachhaltig stört, indem er unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die Planung hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.05.1984, 4 C 83.80, NVwZ 1984, 584 [bei Juris Rn. 13, m. w. N.]). Davon ist hier nicht auszugehen.
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Das Verwaltungsgericht hat – zutreffend – darauf hingewiesen, dass die gemeindliche Bauleitplanung auf die konkurrierende Fachplanung, die einen zeitlichen Vorsprung hat, Rücksicht zu nehmen hat (sog. Prioritätsgrundsatz). Die Planung, die den Vorrang beansprucht, muss hinreichend verfestigt sein; bei einem Fachplanungsvorhaben – wie vorliegend – ist das in der Regel nach Auslegung der Planunterlagen der Fall (BVerwG, Beschl. v. 05.11.2002, 9 VR 14.02, NVwZ 2003, 207 ff.). Die Planfeststellungsbehörde braucht Belange der Gemeinde, die sich aus – noch – in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplänen ergeben, deren "Schicksal“ aber noch ungewiss ist und die "in der Zukunft liegen", bei ihrer Entscheidung noch nicht zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 18.01.2012, 4 BN 29.11, ZfBR 2012, 262 [bei Juris Rn. 4]).
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Vorliegend ist der Beschluss der Antragstellerin vom 11.08.2015 über die 4. Änderung ihres Flächennutzungsplans dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 03.09.2015 zeitlich - zwar - voraus gegangen, doch folgt daraus nicht, dass der Antragsgegner darauf (allein) deshalb Rücksicht zu nehmen hatte. Die Planung der Antragstellerin war nicht nur nicht rechtswirksam (s. o. 3.1.1), sie war seinerzeit auch inhaltlich noch nicht hinreichend „verfestigt“:
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Das Verfahren zur 4. Änderung ihres Flächennutzungsplans ist erst Ende 2014 eingeleitet worden. Nach Auslegung der Planentwürfe sind dagegen (u. a.) von der Beigeladenen ausführliche Einwendungen erhoben worden. Eine für die Planfeststellungsbehörde beachtliche „Planreife“ lag - ungeachtet dessen - auch nach Vorlage der beschlossenen Änderung des Flächennutzungsplans zur Genehmigung durch den Innenminister noch nicht vor. Das folgt aus dem – einer Konzentrationsflächenplanung für den Kiesabbau mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB dienenden – Planungsziel der Gemeinde, das eine das gesamte Gemeindegebiet umfassende Erfassung, Beurteilung und Abwägung möglicher Abbauflächen bzw. Ausschlussbereiche erfordert. In einem solchen Fall ist „Planreife“ erst erreicht, wenn die Abwägung für das gesamte Gemeindegebiet
– zumindest – so weit fortgeschritten ist, dass sich der Inhalt des (späteren) Plans mit hinreichender Sicherheit absehen lässt. Eine „Planreife“ nur für Teilbereiche eines solchen Plans ist wegen der angestrebten gemeindeweiten Ausschlusswirkung nicht möglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2003, 4 C 3.02, NVwZ 2003, 1261 [bei Juris Rn. 31]).
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Eine „Planreife“ hätte sich vor diesem Hintergrund – frühestens – nach einer erneuten Prüfung und Abwägung der in der „Auflage“ des Innenministeriums vom 26.10.2015 angesprochenen Fragen durch die Gemeinde ergeben können. Dabei wäre das – weit fortgeschrittene – Planfeststellungsverfahren zu berücksichtigen gewesen, das bereits Anfang 2012 eingeleitet worden war und die „Stationen“ der Planauslegung (Mitte April 2013) und der Erörterung der Stellungnahmen (u. a. der Antragstellerin vom 13.05.2013) im Dezember 2014 bereits absolviert hatte. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Antragstellerin die 4. Änderung des Flächennutzungsplans erst (lange) nach ihrer Stellungnahme im Planfeststellungsverfahren eingeleitet hat, was den von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen erhobenen Vorwurf einer „Verhinderungsplanung“ nährt. Jedenfalls hatte die Antragsstellerin im Rahmen ihrer Bauleitplanung auf das weit fortgeschrittene Planfeststellungsvorhaben Rücksicht zu nehmen, was auch die – in Erfüllung der „Auflage“ des Innenministeriums zu erarbeitende – „vertiefte und konkretere“ Darlegung der ortsplanerischen Gründe für die Darstellung einer Konzentrationsfläche für den Kiesabbau (nur) „im südwestlichen Gemeindegebiet und den damit verbundenen Ausschluss auf anderen Flächen im Planungsraum“ Bedeutung hat. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass im Planfeststellungsverfahren bereits die landes- und regionalplanerische Zulässigkeit des Vorhabens (s. Abwägungstabelle 3/-69 - ; Planfeststellungsbeschluss, S. 29) sowie eine – der Antragstellerin im Rahmen der Auslegung und Erörterung zugängliche – fachliche Prüfung der (Kies-)Lagerstätte, der Abbauqualitäten und des Abbauvolumens (s. S. 8, 11 des landschaftspflegerischen Begleitplans; S. 3/-81- der Abwägungstabelle) und der „Abbauwürdigkeit“ erfolgt war; die daraus entstandenen Erkenntnisse waren für eine „räumlich differenzierte“ Ortsplanung und die Erfüllung der „Auflage“ des Innenministers unmittelbar relevant. Unter diesen Umständen kann der Antragstellerin nicht darin gefolgt werden, ihrer – auch nach der insoweit überzeugenden Beurteilung des Innenministeriums – (abwägungs-)mangelhaft begründeten Planung und dem darin statuierten Ausschluss der Flächen der Beigeladenen vom Kiesabbau ein für die Abwägung der Planfeststellungsbehörde entscheidendes Gewicht zu geben.
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Die - unter Hinweis auf das Urteil des VGH München vom 30.07.2013 (15 B 12.147, BauR 2014, 68 ff.) vorgetragene – Ansicht der Antragstellerin, der Entwurf des Flächennutzungsplans dürfe nach Durchführung der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) von der Antragsgegnerin nicht (mehr) ignoriert werden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach der genannten Entscheidung kann dem Entwurf einer F-Plan-Änderung eine dem planfestgestellten Vorhaben entgegenstehende Wirkung nur zukommen, wenn er – absehbar – an keinem beachtlichen Abwägungsmangel leidet (a.a.O., [bei Juris] Rn. 34, 35). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, nachdem der Innenminister in seinem Bescheid vom 26.10.2015 einen „beachtlichen Abwägungsmangel“ ausdrücklich festgestellt und zum Anlass für seine „Auflage“ genommen hat. Dieser Beurteilung ist zuzustimmen: Die – auf der Ebene des Flächennutzungsplanung erfolgende – Darstellung von Konzentrationszonen für den Kiesabbau bzw. von Ausschlussbereichen muss auf einem schlüssigen gesamträumlichen Plankonzept beruhen, das offen legt, von welchen Erwägungen die positive Standortentscheidung und – daran anknüpfend – die negative Ausschlusswirkung getragen sind. Insbesondere die Auswahl der Ausschlussflächen (Tabuzonen) muss gem. § 1 Abs. 7 BauGB von einer Abwägung getragen sein, die den gesamten Planungsraum (Gemeindegebiet) in den Blick nimmt und - schrittweise - „harte“ oder „weiche“ Tabuzonen ermittelt, bewertet und lokalisiert (vgl. - zur Windkraft - BVerwG, Beschl. v. 09.02.2015, 4 BN 20.14, ZfBR 2015, 489; Beschl. v. 15.09.2009, 4 BN 25.09, BauR 2010, 82; vgl. Wegner, ZUR 2015, 468/469 f.). Es genügt nicht, insoweit nur Faktoren für eine Restriktion aufzuzählen; insbesondere zu den (häufigeren) „weichen“ Tabukriterien bedarf es eines nachvollziehbaren Abwägungsprozesses. Dieser erschöpft sich nicht in der bloßen Übernahme von Inhalten des Landschaftsplans in den Flächennutzungsplan, da Letzterer auch nicht-naturschutzrechtliche Belange einschließlich derjenigen der betroffenen Privateigentümer abzuwägen hat. Die Ablehnung der Potentialfläche 1 „in Gänze“ in der 4. Änderung des Flächennutzungsplans ist nicht überzeugend begründet worden; der Kritik der Beigeladenen (Schriftsatz vom 28.07.2016, S. 11) ist insoweit zu folgen. Die damit gegebenen – beachtlichen – Abwägungsmängel sind durch die Planerhaltungsvorschriften in §§ 214, 215 BauGB nicht überwindbar; diese Vorschriften gelten nicht für Planentwürfe; unabhängig davon sind die Abwägungsmängel auch offensichtlich und wegen des gemeindeweiten Planungsraums (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2003, a.a.O.) auch ergebnisrelevant.
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3.2 Die Beschwerde bleibt auch ohne Erfolg, soweit sie das „geringe Gewicht“ des Landschaftsplans der Antragstellerin im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses vom 03.09.2015 angreift. Das Beschwerdevorbringen übergeht insoweit bereits die (geringe) rechtliche Relevanz der Landschaftsplanung; unabhängig davon vermögen sich deren Inhalte, soweit sie Naturschutz und Landschaftspflege betreffen, nur im Wege einer Abwägung mit anderen – auch privaten – Belangen gegen das planfestgestellte Vorhaben durchzusetzen.
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3.2.1 Die Landschaftsplanung soll – sektoral – die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege konkretisieren (§ 9 BNatSchG); ihre Inhalte können (müssen nicht) in Bauleitpläne übernommen werden. Sie sind nach § 11 Abs. 3 BNatSchG, § 1 Abs. 6 Nr. 7 g BauGB bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zu berücksichtigen; die „Übernahme“ von „geeigneten“ Zielen, Erfordernissen oder Maßnahmen der Landschaftsplanung in Bauleitplänen erfolgt „abwägungsgesteuert“ (§ 7 Abs. 2 LNatSchG; vgl. Söfker, in: Ernst u. a., BauGB, 2016, § 1 BauGB Rn. 152; Appel, in: Frenz u. a., BNatSchG, 2016, § 11 Rn. 24-25). Dem entsprechend entfalten Landschaftspläne, soweit in ihnen Ziele, Erfordernisse oder Maßnahmen des Naturschutzes oder der Landschaftspflege konkretisiert worden sind, eine außenwirksame Verbindlichkeit gegenüber bestimmten – für die Bauleitplanung relevanten – Vorhaben nicht aus sich selbst heraus. Sie sind vielmehr davon abhängig, sich in der Abwägung gegen andere Belange durchzusetzen und (anschließend) in den Flächennutzungs- oder Bebauungsplan als Darstellung (vgl. § 5 Nr. 10 BauGB) bzw. als Festsetzung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB) übernommen zu werden. Dem Landschaftsplan der Antragstellerin i. d. F. der am 16.12.2014 beschlossenen 1. Änderung - als solchem - kann damit schon seiner Rechtsqualität nach keine unmittelbare Relevanz für die Entscheidung des Antragsgegners zukommen.
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3.2.2 Vor diesem Hintergrund war der 1. Änderung des Landschaftsplans in der (Abwägungs-) Entscheidung des Antragsgegners nur ein „geringes Gewicht“ einzuräumen. Ansatzpunkte dafür, dass Ziele, Erfordernisse oder Maßnahmen des Naturschutzes oder der Landschaftspflege in die 4. Änderung des Flächennutzungsplanes als „Darstellung“ übernommen worden sind, sind nicht vorgetragen worden. Selbst wenn dies der Fall wäre, würden die o. g. (3.1) Abwägungsmängel auch insoweit greifen, weil sich die Inhalte der Landschaftsplanung gegen andere, insbesondere nicht-naturschutzrechtliche oder landschaftsbezogene Belange, auch solche privater Art, in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung durchsetzen müssten.
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3.2.3 Soweit die Inhalte der Landschaftsplanung „isoliert“ im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zu berücksichtigen sind (§ 9 Abs. 5 BNatSchG), darf nicht außer Acht gelassen werden, dass dem Vorhaben der Beigeladenen zu Recht eine überörtliche Bedeutung i. S. d. § 38 S. 1 BauGB - u. a. zur Sicherstellung der Versorgung mit Baustoffen (vgl. PFB, S. 26) - zukommt. Die gemeindliche Landschaftsplanung muss dies berücksichtigen; ein (nur) aus örtlichen Verhältnissen abgeleiteter Ausschluss einer Abbaufläche steht deshalb unter dem Vorbehalt der Abwägung mit dem überörtlichen Bedarf für den Abbau.
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3.2.4 Unabhängig davon kommt der Landschaftsplanung vorliegend auch deshalb ein „geringes Gewicht“ zu, weil die gemeindliche Planung auch hier auf die zeitlich frühere Fachplanung der Antragsgegnerin Rücksicht zu nehmen hatte. Wenngleich die 1. Änderung des gemeindlichen Landschaftsplans (schon) am 16.12.2014 und damit mehr als acht Monate vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 03.09.2015 beschlossen worden ist, ist nicht zu übersehen, dass die Gemeinde ihre Planung bereits im Wissen um das seit 2012 laufende Planfeststellungsverfahren begonnen und durchgeführt hat. Sie hatte Kenntnis von dem Vorhaben und hat sich an diesem Verfahren beteiligt. Dem entsprechend hätte sie Erkenntnisse aus der vorgängigen Fachplanung in ihren Planungsprozess einbinden müssen. Dazu gehören nicht nur bereits bestehende „Überformungen“ des Landschaftsbildes (auch im Abbaubereich), sondern auch die mit dem Vorhaben der Beigeladenen verbundenen Regelungen zur Minderung der Eingriffe in das Landschaftsbild (s. „Landschaftspflegerischer Begleitplan“, S. 30: vorgezogene Anlage von Knicks, frühzeitige Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, landschaftsgerechte Gestaltung während/nach dem Eingriff). Darauf geht die 1. Änderung des Landschaftsplans nicht ein.
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Der Begründung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses (S. 30) ist auch darin zu folgen, dass die Landschaftsplanung der Antragstellerin mängelbehaftet ist. Der Kritik ist hinzuzufügen, dass die Antragstellerin in ihrem Landschaftsplan Ziele, Erfordernisse oder Maßnahmen des Naturschutzes oder der Landschaftspflege nur aus Gründen des Naturschutzrechts abzuleiten berechtigt ist, nicht jedoch aus (allgemeinen) Belangen der Ortsplanung. Die auf das Thema Kies- und Sandentnahme „konzentrierte“ 1. Änderung des Landschaftsplans ermittelt „Eignungsflächen“ u. a. unter Berücksichtigung der Kriterien Siedlungsnähe, Bauflächen und Flächenzuschnitt, die im Rahmen der allgemeinen Bauleitplanung sachgerecht sind, im Bereich der Landschaftsplanung aber nicht ohne Weiteres Bezug zu einer Konkretisierung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Planungsraum haben (§ 9 Abs. 1 BNatSchG). Die naturschutzbezogenen Kriterien (u. a. geologische Formen, besondere ökologische Funktionen, Feuchtgrünland, Biotope) werden undifferenziert auch in Fällen (nur) „randlicher“ Betroffenheit bewertet. Der Bezugspunkt für (künftige ?) „Eignungsflächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen“ ist unklar. Das (Gesamt-)Ergebnis der Flächenbewertung kann damit nur eingeschränkt berücksichtigt werden, weil es nur Teilaspekte des Naturschutzes und der Landschaftspflege erfasst.
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4. Dem Einwand der Antragstellerin, der Antragsgegner habe ihr Beteiligungsrecht gem. § 36 BauGB missachtet, ist das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss (S. 9 d. Abdr.) bereits mit überzeugenden Gründen entgegengetreten (vgl. dazu auch VGH München, Urt. v. 23.041085 8 B 83 A.3018, NVwZ 1986, 228/229). Im Beschwerdeverfahren wird dies nicht angegriffen, so dass sich weitere Ausführungen dazu erübrigen (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO).
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5. Die Beschwerde vermag – schließlich – auch mit dem Einwand einer Verletzung des Selbstverwaltungsrechts in Bezug auf die Straßenbaulast nicht durchzudringen.
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Zwar kann – im Grundsatz – auch eine Verletzung eigener Rechte der Gemeinde in Betracht kommen, wenn die Zulassung eines Vorhabens die gemeindliche Straßenbaulast missachtet. Dies wird vorliegend in Bezug auf den Schwerlastverkehr im Bereich der Kreuzung über den N...er Weg geltend gemacht.
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Der N...er Weg ist – unstreitig – ein öffentlicher Weg in der Baulast der Gemeinde (vgl. § 13 StrWG). Eine förmliche Widmungsverfügung existiert zwar nicht, jedoch hat die Antragstellerin auf die gerichtliche Anfrage hinreichend substantiiert belegt, dass die Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 StrWG erfüllt sind (Vermerk vom 21.07.2016). Ein öffentlicher Weg kann - anders ein Privatweg der Gemeinde (vgl. dazu Urt. des Senats v. 02.10.2008, 1 LB 8/08, BauR 2009, 952) - von Jedermann genutzt werden, es sei denn, die Grenzen des Gemeingebrauchs werden überschritten (§§ 20, 21 StrWG).
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Die Antragstellerin geht von einer solchen Überschreitung des Gemeingebrauchs aus; sie scheint auch anzunehmen, dass sie eine Sondernutzungserlaubnis nicht zu erteilen brauche. Sie übersieht dabei allerdings, dass sie darüber im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts nicht „frei“ zu entscheiden hat, sondern prüfen muss, ob eine solche Erlaubnis beansprucht werden kann. Das nach § 21 StrWG bestehende Entscheidungsermessen muss jedenfalls in einer Konstellation – wie vorliegend -, in der das Vorhaben der Beigeladenen nur „über“ die Kreuzung N...er Weg an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden werden kann, berücksichtigen, dass die Beigeladene auf eine „notwegeähnliche“ Nutzung dieser Wegefläche angewiesen ist (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 21.10.2009, 1 A 10481/09, Juris). Die daraus - und aus Art. 14 Abs. 1 GG - resultierende subjektive Rechtsstellung der Beigeladenen reduziert das Ermessen in dem Sinne, dass das „Ob“ der Nutzung nicht mehr in Frage stehen kann. Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde konzentriert sich infolgedessen - zum „Wie“ der Nutzung - nur noch darauf, eine Regelung zur ggf. erforderlichen Befestigung des Straßenkörpers im Bereich der Kreuzung und zur Tragung damit verbundener Kosten herbeizuführen (vgl. § 21 Abs. 2, § 23 Abs. 3, § 27 StrWG SH). Eine Entscheidung der Gemeinde, die ohne Prüfung dieser Fragen eine Sondernutzungserlaubnis „schlicht“ ablehnt, kann auch im vorliegenden Verfahren der Zulassung des Vorhabens nicht entgegengehalten werden, denn sie liegt außerhalb der Grenzen einer rechtmäßigen Ausübung des Selbstverwaltungsrechts.
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Unabhängig davon fehlen für die Annahme der Antragstellerin, der Schwerlastverkehr „über“ die Kreuzung des N...er Weges überschreite den Gemeingebrauch, tragfähige Grundlagen. Der Gemeingebrauch wird grds. durch die Widmung bestimmt; dies gilt – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – nicht nur für den Verkehr in „Fahrbahnrichtung“, sondern - im Bereich der gewidmeten Fläche - auch für kreuzenden Verkehr. Da vorliegend keine Widmungsverfügung vorhanden ist (s. o.), kann die gemeingebräuchliche Nutzung des Weges nur aus der Historie abgeleitet werden: Dem Vermerk der Antragstellerin vom 21.07.2016 zufolge diente der Weg der Erschließung angrenzender landwirtschaftlicher Flächen und der Verbindung zu „weiteren landwirtschaftlichen Feldwegen“. Damit war zumindest auch die Wegenutzung durch landwirtschaftliche (Schwerlast-)Fahrzeuge gemeingebräuchlich. Für die Nutzung der Wegefläche durch entsprechende (Schwerlast-)Fahrzeuge für Kiestransporte gilt dann Entsprechendes.
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Selbst wenn – im Hinblick auf die Häufigkeit der Verkehrsbewegungen, die dem Vorhaben der Beigeladenen zuzuordnen sind – von einer Überschreitung des Gemeingebrauchs ausgegangen würde, hätte die Antragstellerin darüber ggf. im Rahmen der §§ 21 Abs. 2, 23 Abs. 3, 27 StrWG SH zu entscheiden (s. o.). Eine „Missachtung“ ihres Selbstverwaltungsrechts ist insoweit nicht erkennbar.
- 36
6. Nach alledem bestehen für das Hauptsacheverfahren keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Selbst wenn insoweit noch (geringe Rest-)Zweifel bestünden, müsste die Antragstellerin bei Abwägung der widerstreitenden Interessen unterliegen. Insoweit hat die Beigeladene auf ihre eigenen Interessen (nahezu erschöpfte Kiesvorkommen, Fortexistenz des Betriebes) wie auch auf das – erhebliche – öffentliche Interesse (Rohstoffsicherung, Vermeidung von Transporten aus weit entfernten Abbauflächen) hingewiesen, die gegenüber den gegenläufigen Interessen der Antragstellerin überwiegen.
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7. Die Beschwerde ist nach alledem mit den Kostenfolgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG (vgl. Nr. 34.3 des Streitwertkatalogs 2013; im vorliegenden Verfahren gem. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs die Hälfte des dort angegebenen Wertes).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
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Referenzen
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- § 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80a 1x
- §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- 1 A 10481/09 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- 6 A 149/15 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 38 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
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