Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (15. Senat) - 15 P 1/15

Tenor

Der Antrag der Klägerin wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt Zugang zu allen beim Beklagten vorhandenen Informationen zum Atommoratorium und zum 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes (13. AtG-Novelle).

2

Mit Bescheid vom 22. Februar 2012 gewährte der Beklagte Einsicht in die Verwaltungsvorgänge betreffend das Atommoratorium, nahm jedoch näher bezeichnete Aktenbestandteile unter Berufung auf das Vorliegen von Ausschlussgründen aus. Den Antrag auf Informationszugang zu den Unterlagen betreffend die 13. AtG-Novelle lehnte der Beklagte unter Hinweis auf § 2 Abs. 4 Nr. 2 des Informationszugangsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (IZG-SH) mit der Begründung ab, die begehrten Informationen stünden im Zusammenhang mit einem Gesetzgebungsvorhaben, an dem er – der Beklagte – über den Bundesrat beteiligt gewesen sei, und seien deshalb vom Informationsanspruch ausgeschlossen.

3

Dem gegen die Teilablehnung eingelegten Widerspruch der Klägerin gab der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 2013 teilweise statt, indem er weitere im Einzelnen bezeichnete Dokumente zum Atommoratorium und einige Unterlagen zur 13. AtG-Novelle freigab. Darüber hinausgehenden Zugang zu Informationen lehnte er zum einen wegen fehlenden Sachzusammenhangs zum gestellten Antrag und zum anderen wegen bestehender Ausschlussgründe ab. Zu letzteren führte er aus, die Bekanntgabe der Informationen hätte nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IZG-SH) und es handele sich bei den Stellungnahmen um interne Mitteilungen im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH; in beiden Fällen stehe der Ablehnung des Informationszugangs kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe entgegen. Aus den Regelungen der Geschäftsordnungen des Bundestages, des Bundesrates, der Landesregierung Schleswig–Holstein und der Geschäftsanweisung der Ministerpräsidentenkonferenz folge die Vertraulichkeit von Niederschriften, Vermerken usw. Die Beratungen in den Ausschusssitzungen, den Besprechungen der Landesregierung und der Staatssekretäre seien als Vorgänge interner Meinungsäußerung geschützt. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Kommunikation innerhalb einer Behörde im Vorfeld der Beratungen im Kabinett. Ein besonderes – überwiegendes – öffentliches Interesse an der Bekanntgabe gebe es nicht. Vielmehr bestehe ein überwiegendes Interesse an der Geheimhaltung, weil bei Bekanntgabe nachteilige Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierungsberatungen des Landes und der Bundesratsausschusssitzungen zu befürchten seien. Demgegenüber verfolge die Klägerin private wirtschaftliche Interessen. Soweit sie außerdem die Öffentlichkeit über die energiepolitische Weichenstellung aufklären wolle, seien vor dem Hintergrund der weitgehenden Transparenz und Akzeptanz des Atomausstiegs in der Bevölkerung keine weitergehenden Informationen erforderlich. Auch stehe dem Zugang zu den begehrten Informationen der aus Art. 20 GG folgende verfassungsrechtliche Versagungsgrund des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung entgegen. Dieser gelte hier angesichts des relativ gering wiegenden Interesses der Klägerin an der Offenbarung auch noch trotz Endes des Atommoratoriums und Inkrafttretens der 13. AtG-Novelle fort, zumal der Gesamtkomplex der Energiewende noch nicht abgeschlossen sei.

4

Mit der dagegen beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel des Zugangs zu Informationen weiter. Sie ist der Auffassung, einen umfassenden Anspruch auf Zugang zu den von ihr näher bezeichneten Akten – sowohl das Atommoratorium als auch die 13. AtG-Novelle betreffend – zu haben.

5

Der Beklagte hat dem Verwaltungsgericht am 16. Juli 2013 die Verwaltungsakten ohne die bislang nicht zugänglich gemachten Aktenbestandteile vorgelegt. Insoweit hat er geltend gemacht, dass andernfalls die Entscheidung des Rechtsstreits wegen des Akteneinsichtsrechts der Klägerin nach § 100 VwGO vorweggenommen würde.

6

Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 hat er eine Sperrerklärung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO abgegeben. Dazu hat er ausgeführt, dass sich in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Aktenvorlage auch Gegenstand des Rechtsstreits selbst sei, die Entscheidung über die Aktenvorlage der Prüfung und Anwendung der Rechtsnormen, die für die Entscheidung des Gerichts über den Klageanspruch maßgeblich seien, faktisch weitgehend annähern könne. Bei der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO sei zu berücksichtigen, welche rechtsschutzverkürzende Wirkung die Verweigerung der Aktenvorlage im Prozess für die Betroffenen haben könne. Erforderlich sei eine Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Interesses an effektivem Rechtsschutz. Ausgangspunkt der Abwägung sei dabei die im Ausgangsrechtsstreit hervortretende Rechtsposition der Beteiligten. Unter Beachtung dieser Grundsätze sei die Verweigerung der Aktenvorlage rechtmäßig. Die Akte Az 391/11 sei geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH. Darüber hinaus werde auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Im Rahmen der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass die Akzeptanz der überwiegenden Bevölkerung für die beschlossene Energiewende gegeben sei und die ihr zugrundeliegenden Erwägungen sich detailliert aus den öffentlichen Drucksachen von Bundestag und Bundesrat ergäben. Die Herausgabe der streitgegenständlichen Dokumente wäre auch heute noch mit nachteiligen Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der zugrundeliegenden Beratungen auf Landes- und Bundesebene verbunden; denn die Beratungen lägen erst wenige Jahre zurück und seien auch heute noch für eine weitere Gestaltung der Energiewende von erheblicher Bedeutung. Ein öffentliches Interesse, über die dem Beratungsprozess zugrundeliegenden Sachverhalte hinaus auch die einzelnen Wertungen der beteiligten Ressorts und Gremienmitglieder zur Kenntnis zu nehmen, bestehe nicht. Die weiteren zum Gegenstand „Atommoratorium und 13. AtG-Novelle“ aufgelisteten gesperrten Akten stünden alle im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren. Die diesbezüglichen Unterlagen seien in entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IZG-SH geheimhaltungsbedürftig.

7

Die Klägerin hat geltend gemacht, es fehle an einer Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Interesses an effektivem Rechtsschutz, die zum Vorrang des Interesses an der Geheimhaltung führen könnte. Ihrer Auffassung nach seien diverse Dokumente schon nicht geheimhaltungsbedürftig; insbesondere enthielten § 6 RegGO SH, die Geschäftsordnung der Sonderkonferenz der Chefs der Staatskanzleien und die Geschäftsanweisung der Ministerpräsidentenkonferenz keine geeigneten gesetzlichen oder untergesetzlichen Be-stimmungen zur Geheimhaltung. Darüber hinaus beträfen alle Unterlagen abgeschlossene Vorgänge, da das Moratorium ausgelaufen und die Änderung des Atomgesetzes in Kraft getreten sei. Es werde keine ernsthafte, konkrete Gefährdung von geschützten Belangen dargelegt. Zudem fehle es an einer einzeldokumentenbezogenen und substantiierten Begründung einer konkreten Beeinträchtigung der künftigen Willensbildung durch die Herausgabe der betreffenden Dokumente. Die pauschal ablehnende Begründung ohne Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall sei nicht tragfähig. Soweit die Aktenvorlage auf Grundlage von § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH verweigert werde, geschehe dies zu Unrecht; denn es werde danach lediglich der interne Diskussionsprozess bis zur abschließenden Entscheidung geschützt. Mit Verabschiedung der 13. AtG-Novelle sei der Entscheidungsprozess abgeschlossen. Auch könne der Beklagte nicht unter Berufung auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung den Zugang zu den Informationen zur Gesetzesnovelle verweigern. Dafür hätte es einer einzeldokumentenbezogenen und substantiierten Darlegung einer konkreten Beeinträchtigung künftiger Willensbildung bedurft.

8

Die Klägerin hat am 12. Juni 2014 beantragt, die Frage der Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aktenherausgabe durch den Beklagten im Rahmen eines Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO entscheiden zu lassen.

9

Mit Beweisbeschluss vom 22. Juni 2015 hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen aufgelistet, welche Dokumente in Augenschein genommen werden sollen, um beurteilen zu können, ob die Bekanntgabe der Informationen nachteilige Auswirkungen auf den Schutz öffentlicher Belange im Sinne des § 9 IZG-SH hat, denen möglicherweise ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe gegenübersteht.

10

Nachdem der Beklagte daraufhin die Vorlage der im Beschluss genannten Dokumente verweigert hat, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Juli 2015 die Streitakten dem Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO vorgelegt.

11

Der Beklagte hat auf Anforderung des Senats die vollständigen – ungeschwärzten – Akten übersandt.

II.

12

Der Antrag der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Vorlage der gesperrten Unterlagen des Beklagten festzustellen, dringt nicht durch. Die erstrebte Feststellung ist dem Senat verwehrt. Der Antrag ist derzeit unzulässig.

13

Der Antrag eines Verfahrensbeteiligten gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO auf Entscheidung des Fachsenats im selbständigen Zwischenverfahren, ob die Verweigerung der Vorlage der in Rede stehenden Unterlagen rechtmäßig ist, setzt voraus, dass das Gericht der Hauptsache deren Entscheidungserheblichkeit ordnungsgemäß bejaht hat. Daran fehlt es hier.

14

Die für eine Entscheidung des Fachsenats erforderliche Bejahung der Entscheidungserheblichkeit der zurückgehaltenen Akten durch das Gericht der Hauptsache ist weder ausnahmsweise entbehrlich, noch ist diesem Erfordernis mit der Aktenanforderung durch Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2015 oder durch Vorlagebeschluss vom 25. Juli 2015 Genüge getan.

15

Aus der durch § 99 VwGO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen dem Fachsenat und dem Gericht der Hauptsache folgt, dass zunächst das zur Sachentscheidung berufene Gericht zu prüfen und förmlich darüber zu befinden hat, ob und gegebenenfalls welche Informationen aus den Akten für eine Sachentscheidung erforderlich sind, bevor die oberste Aufsichtsbehörde nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO über die Freigabe oder Verweigerung der in Rede stehenden Aktenteile befindet (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschl. v. 02.11.2010 – 20 F 4.10 –, Juris Rn. 16; Beschl. v. 21.01.2016 – 20 F 2.15 –, Juris Rn. 4).

16

Je nach den Umständen des Einzelfalles darf sich das Gericht der Hauptsache dabei jedoch nicht in formelhafter Weise allein auf die Angabe des Beweisthemas und der als entscheidungserheblich erachteten Aktenteile (Beweismittel) beschränken, sondern muss in den Gründen des Beschlusses zur Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall - sei es mit Blick auf die Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens, sei es unter Darlegung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs sowie der fachgesetzlichen Ablehnungsgründe - Stellung nehmen (so ausdrücklich BVerwG, Beschl. v. 15.03.2013 – 20 F 8.12 –, Juris Rn. 11 m.w.N.). Das geschieht regelmäßig in der Weise, in der das Gericht der Hauptsache auch sonst seiner Pflicht zur Erforschung des entscheidungserheblichen Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) nachkommt (BVerwG, Beschl. v. 31.08.2009 – 20 F 10.08 –, Juris Rn. 3).

17

Hat das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit in einem Beschluss geprüft und bejaht, ist der Fachsenat grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden. Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist. Eine Bindungswirkung entfällt auch dann, wenn das Gericht der Hauptsache seiner Verpflichtung nicht genügt, die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zu erschöpfen, um auf dieser Grundlage über die Erforderlichkeit der Aktenvorlage zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.07.2010 – 20 F 11.10 –, Juris Rn. 7; Beschl. v. 03.06.2013 – 20 F 9.13 – , Juris Rn. 8; Beschl. v. 21.01.2016 – 20 F 2.15 –, Juris Rn. 4).

18

Ein danach grundsätzlich erforderlicher Beweisbeschluss oder eine vergleichbare förmliche Äußerung des Gerichts der Hauptsache zur Klärung der rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn die zurückgehaltenen Akten zweifelsfrei rechtserheblich sind. Das ist immer dann der Fall, wenn die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten bereits Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache ist und die dortige Entscheidung von der – allein anhand des Inhalts der umstrittenen Akten zu beantwortenden – Frage abhängt, ob die Akten, wie von der Behörde geltend gemacht, geheimhaltungsbedürftig sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 19.04.2010 – 20 F 13.09 –, Juris Rn. 4). Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt jedoch nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte – wie im vorliegenden Fall, in dem Akteneinsicht auf Grundlage des Informationszugangsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein begehrt wird – führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das „in-camera“- Verfahren nach § 99 VwGO. Dies gilt zunächst mit Blick auf prozedurale Geheimhaltungsgründe, die sich aus dem jeweiligen den Informationszugang regelnden Fachgesetz ergeben und die – unabhängig vom Inhalt der Akten – darauf zielen, die Art und Weise des Zustandekommens behördlicher Akten und Unterlagen zu schützen, mithin dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses dienen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 25.06.2010 – 20 F 1.10 –, Juris Rn. 7; Beschl. v. 15.03.2013 – 20 F 8.12 –, Juris Rn. 12; Beschl. v. 21.01.2016 – 20 F 2.15 –, Juris Rn. 5). Zudem kann es Konstellationen geben, bei denen auch für die Feststellung materieller Geheimhaltungsgründe der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.11.2010 – 20 F 2.10 –, Juris Rn. 13).

19

Ob es zur Beurteilung des Geheimhaltungsbedarfs als Erkenntnishilfe der streitigen Akten bedarf, hängt mithin vom Zuschnitt der Geheimhaltungsgründe ab. Insofern ist zu differenzieren. Werden materiell-rechtliche Geheimhaltungsgründe geltend gemacht, also Gründe, die sich unmittelbar aus dem Inhalt der Akte ergeben, liegt es regelmäßig auf der Hand, dass sich nur durch Einsichtnahme in die Akten verlässlich klären lässt, ob der Geheimhaltungsgrund vorliegt. Eine solche Konstellation liegt insbesondere in den Fällen vor, in denen die Behörde die Akten etwa aus Gründen der Staatssicherheit – weil das Bekanntwerden dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde – oder zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder zum Schutz von personenbezogenen Daten – weil der Inhalt seinem Wesen nach geheim gehalten werden muss – zurückhält (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.08.2009 – 20 F 10.08 –, Juris Rn. 4).

20

Unter Anlegung dieses Maßstabs bedarf es im vorliegenden Fall einer den oben (siehe oben Seite 6) bereits dargelegten Anforderungen genügenden Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache zur Entscheidungserheblichkeit der Akten, weil keine materiell-rechtlichen Geheimhaltungsgründe im vorstehenden Sinne geltend gemacht werden. Eine diesen Anforderungen genügende Verlautbarung über die Entscheidungserheblichkeit ist hier auch nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil der Beklagte bereits eine Sperrerklärung abgegeben hat, in der er neben der Darlegung der fachgesetzlichen Geheimhaltungsgründe auch Gesichtspunkte einer Abwägung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO angeführt hat. Unabhängig davon, ob die Sperrerklärung den Anforderungen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO genügt, vermag eine vorgreifliche Ermessensentscheidung das Fehlen einer Verlautbarung zur Entscheidungserheblichkeit nicht zu kompensieren. Das Erfordernis der förmlichen Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit vor Abgabe an den Fachsenat gewährleistet, dass die oberste Aufsichtsbehörde auf dieser Grundlage in die gesetzlich geforderte Ermessensabwägung eintreten kann (BVerwG, Urt. v. 31.08.2009 – 20 F 10.08 –, Juris Rn. 5). An einer diesen Anforderungen genügenden Verlautbarung des Verwaltungsgerichts fehlt es hier.

21

Dem Beweis- und dem Vorlagebeschluss ist nicht zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht eine nach dem o.a. Maßstab ordnungsgemäße Prüfung der Entscheidungserheblichkeit der Aktenvorlage, die der Aufgabenverteilung zwischen dem Gericht der Hauptsache und dem Fachsenat Rechnung trägt, vorgenommen hat. Es ist nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht zur Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Ausschlussgründe des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und des § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH weitere spezifizierende Angaben des Beklagten mit zwar abstrakten, aber nachvollziehbaren, differenzierenden Umschreibungen der verweigerten Unterlagen angefordert hat, noch hat beispielsweise eine mündliche Verhandlung mit einer Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten stattgefunden (vgl. zum Erfordernis der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor Anrufung des Fachsenats: BVerwG, Beschl. v. 25.06.2010, – 20 F 1.10 –, Juris Rn. 13). Im Beweisbeschluss vom 22. Juni 2015 heißt es lediglich, dass die Inaugenscheinnahme unverzichtbar sei, um die streitige Tatsachenfrage, ob die Bekanntgabe der Informationen nachteilige Auswirkungen auf den Schutz öffentlicher Belange im Sinne des § 9 IZG-SH hat, denen möglicherweise ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe gegenüber steht, beurteilen zu können. Eine Spezifizierung, um welche Variante der Geheimhaltungsgründe im Sinne des § 9 IZG-SH es geht, fehlt ebenso wie eine Begründung der Entscheidungserheblichkeit und wird auch in dem Vorlagebeschluss an den Fachsenat vom 22. Juli 2015 nicht nachgeholt. Weder der Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts, noch dessen Vorlagebeschluss vom 25. Juli 2015 stellen damit eine ausreichende Grundlage für ein Verfahren vor dem Fachsenat dar.

22

Im Übrigen ist Folgendes anzumerken: Die Entscheidungserheblichkeit der Akten setzt zunächst voraus, dass überhaupt ein Akteneinsichtsrecht der Klägerin gegenüber dem Beklagten in Betracht kommen könnte. Ein solches könnte sich aus § 3 Satz 1 IZG-SH ergeben. Danach hat jede natürliche oder juristische Person ein Recht auf freien Zugang zu den Informationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt.

23

Allerdings ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IZG-SH der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit die Bekanntgabe der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen, es sei denn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH ist ein Antrag abzulehnen, soweit er sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stelle, die zum Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses erforderlich sind, bezieht, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.

24

Die angeführten Normen enthalten sog. prozedurale Geheimhaltungsgründe, bei denen nach dem vorstehend bereits erörterten Maßstab die Entscheidungserheblichkeit nicht auf der Hand liegt. Diese Geheimhaltungsgründe zielen darauf ab, die Art und Weise des Zustandekommens behördlicher Akten zu schützen; sie dienen mithin dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses. In derartigen Fällen ist das Gericht der Hauptsache zunächst gehalten, die maßgeblichen Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Norm(en) zu prüfen, mithin eine Rechtsauffassung zur tatbestandlichen Reichweite der Geheimhaltungsgründe zu bilden und zu prüfen, ob es auf dieser Grundlage das Vorliegen der geltend gemachten Geheimhaltungsgründe bejahen oder verneinen kann (BVerwG, Beschl. v. 31.08.2009 – 20 F 10.08 –, Juris Rn. 4).

25

Das Verwaltungsgericht hätte danach zunächst die Tatbestandsmerkmale von §§ 2, 3, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH vorrangig prüfen müssen.

26

Erste Voraussetzung der Anwendbarkeit dieser Vorschriften ist, dass es sich beim Beklagten tatsächlich um eine informationspflichtige Stelle im Sinne des Schleswig-Holsteinischen Informationszugangsgesetzes handelt. Gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 2 IZG-SH gehören zu den informationspflichtigen Stellen nicht die obersten Landesbehörden, soweit sie im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren oder beim Erlass von Rechtsverordnungen tätig werden. Zwar hat sich das Verwaltungsgericht zu dieser Frage nicht ausdrücklich verhalten; allerdings kann aus dem Umstand, dass das Gericht die Klage nicht abgewiesen hat, sondern stattdessen die Akten beim Beklagten angefordert hat, deren Inaugenscheinnahme es für unverzichtbar hält, geschlossen werden, dass es den Beklagten als informationspflichtige Stelle angesehen hat, mithin das Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 2 Abs. 4 Nr. 2 IZG-SH jedenfalls konkludent verneint hat. Das erscheint schlüssig, da der Anwendungsbereich dieser Ausnahmevorschrift zeitlich durch den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011, BGBl I S. 1704) begrenzt sein dürfte (vgl. zu dem insoweit gleichlautenden § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a UIG a.F.: BVerwG, Urt. v. 02.08.2012 – 7 C 7.12 –, Juris Rn. 21; EuGH, Urt. v. 14.02.2012 – Rs. C-204/09 –, Juris Rn. 52 ff.). Da sich der Beklagte in seiner Sperrerklärung auf die in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH normierten Gründe beruft, geht auch er offenbar selbst davon aus, informationspflichtige Stelle zu sein.

27

Auch eine Prüfung des Gerichts der Hauptsache, welche Bedeutung dem Tatbestandsmerkmal „Vertraulichkeit der Beratungen“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IZG-SH beizumessen ist, ist dem Beweis- und Vorlagebeschluss nicht zu entnehmen. Ausführungen dazu, ob das Schutzgut dieser Norm lediglich die Beratung selbst, nicht jedoch die der Beratung zugrundeliegenden Tatsachen sind mit der Folge, dass dann Sachinformationen und gutachterliche Stellungnahmen nicht schutzwürdig sind und auch schon während der Beratungen offengelegt werden müssen (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.08.2012 – 7 C 7.12 –, Juris Rn. 26 zum wortgleichen § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG a.F.; ausführlich auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.11.2015 – OVG 12 B 16.14 –, Juris Rn. 30 ff.; Drechsler, Kommentar zum IZG-SH, § 9 Nr. 2.4), fehlen. Ob die zurückgehaltenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten derartige Sachinformationen enthalten, hat das Gericht der Hauptsache vor einer Vorlage an den Fachsenat zunächst zu ermitteln, etwa durch eine entsprechende Aufforderung an den Beklagten, zu jeder zurückgehaltenen Akte dezidierte Angaben zu machen, oder auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung.

28

Einzelfallbezogen ist vom Gericht der Hauptsache sodann zu würdigen, ob das Bekanntgeben der Informationen trotz des Abschlusses des Verfahrens (Ablauf des Atommoratoriums und Inkrafttreten der 13. AtG-Novelle) und der seither vergangenen Zeit nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen hätte (vgl. BVerwG, Urteil v. 02.08.2012 – 7 C 7.12 – , Juris Rn. 30). Für die Annahme nachteiliger Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen ist eine ernsthafte und konkrete Gefährdung des Schutzguts erforderlich, die hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.07.2011 – 7 B 14.11 –, Juris Rn. 11). Dabei ist im Rahmen der gebotenen Einzelfallbetrachtung zu berücksichtigen, dass der Schutz innerbehördlicher Beratungen nicht auf laufende Beratungsvorgänge beschränkt ist. Die Vertraulichkeit der Beratungen kann auch wegen des Wissens um die Offenlegung einzelner Beiträge und Meinungsbekundungen nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens beeinträchtigt werden. Der Abschluss des Verfahrens und die seither vergangene Zeit gehören daher zu den Kriterien, die bei der Prüfung nachteiliger Auswirkungen auf die geschützten Beratungen zu würdigen sind (BVerwG, Beschl, v. 02.08.2012 – 2 C 7.12 –, Juris Rn. 30; dazu auch ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.11.2015 – OVG 12 B 16.14 –, Juris Rn. 32 ff. m.w.N.). Bei Informationen, die - wie vorliegend - die Willensbildung der Regierung betreffen, ist zudem der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu berücksichtigen, auf den sich der Beklagte ebenfalls beruft (vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 21.10.2014 – 2 BvE 5/11 –, Juris Rn. 137 m.w.N.; Beschl. v. 17.06.2009 – 2 BvE 3/07–, Juris Rn. 122; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.11.2015 – OVG 12 B 16.14 –, Juris Rn. 33). Insoweit ist allerdings zu bedenken, dass eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Regierung nicht pauschal mit dem Hinweis darauf begründet werden kann, dass Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung abgeschlossener Regierungsentscheidungen Rückschlüsse auf die Willensbildung der Regierung und ihrer Mitglieder ermöglichten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004 – 2 BvK 1/01 –, Juris Rn. 51; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.11.2015 – OVG 12 B 16.14 –, Juris Rn. 39).

29

Die Darlegungslast – mit einer hinreichenden Differenzierung zwischen den Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und des § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH – liegt insoweit bei der informationspflichtigen Stelle, mithin beim Beklagten. Da er sich auf eine Ausnahme von dem grundsätzlich nach Maßgabe des § 3 IZG-SH gegebenen Informationsanspruch beruft, muss er eine ernsthafte und konkrete Gefährdung der Vertraulichkeit der Beratungen und die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar, d.h. schlüssig, darlegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.2011 – 7 C 3.11 –, Juris Rn. 31). Ob die bislang pauschalen Angaben des Beklagten diesen Anforderungen genügen, erscheint zweifelhaft. Insoweit obliegt dem Verwaltungsgericht die Prüfung, ob der Beklagte bezogen auf jeden einzelnen Vorgang seiner Darlegungspflicht genügt hat. Insbesondere dürfte in den Blick zu nehmen sein, dass der Prozess der behördlichen Entscheidungsfindung vollständig abgeschlossen und vollzogen ist. Dabei geht es nicht um die Frage, ob der Schutz der Vertraulichkeit von Beratungen an sich zeitlich beschränkt ist, sondern um die im Einzelfall gebotene Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Ablehnung des Anspruchs auf Zugang zu Informationen, d.h. nachteilige Auswirkungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IZG-SH, vorliegen. Nachdem das Atommoratorium zeitlich begrenzt war und die 13. AtG-Novelle in Kraft getreten ist, bedarf es einer substantiierten Darlegung des Beklagten, inwieweit die Bekanntgabe der nachteiligen Informationen nachteilige Auswirkungen hätte; er muss – wie bereits ausgeführt – eine ernsthafte und konkrete Gefährdung der Vertraulichkeit der Beratungen und die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung darlegen (vgl. dazu im Hinblick auf das Atommoratorium und die 13. AtG-Novelle: OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.11.2015 – OVG 12 B 16.14 –, Juris Rn. 37 ff.).

30

Weiterhin dürfte das vorlegende Verwaltungsgericht zu prüfen haben, welche rechtlichen Wirkungen den vom Beklagten angeführten Geschäftsordnungen des Bundestages, des Bundesrates, der Landesregierung Schleswig-Holstein und der Geschäftsanweisung der Ministerpräsidentenkonferenz beizumessen sind und ob sie eine Bekanntgabe im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IZG-SH ausschließen. Dann käme es auf den konkreten Akteninhalt nicht an.

31

Im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH fehlt es an einer Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache zur Reichweite der Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere zum Begriff „interne Mitteilungen“ der informationspflichtigen Stelle. Im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG a.F. fällt die Korrespondenz zwischen selbständigen Behörden nicht unter den Begriff der internen Mitteilung im Sinne des Gesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.08.2012 – 7 C 7.12 –, Juris Rn. 34). Sofern das Verwaltungsgericht dieses Verständnis auch auf § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH übertragen sollte, bedürfte es einer nachvollziehbaren Darlegung seitens des Beklagten, bei welchen Aktenbestandteilen es sich um interne Mitteilungen im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH handelt. Auch insoweit müsste sich das Verwaltungsgericht dazu verhalten, ob der Geheimhaltungsgrund auch noch nach Abschluss des behördlichen Entscheidungsprozesses einschlägig sein kann.

32

Schließlich müsste sich das Verwaltungsgericht vor einer erneuten Vorlage an den Fachsenat auch mit dem Tatbestandsmerkmal des einer Geheimhaltung entgegenstehenden „überwiegenden öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz IZG-SH bzw. § 9 Abs. 2 letzter Halbsatz IZG-SH befassen; dies dürfte auch die Prüfung umfassen, ob das insoweit vom Kläger als „öffentliches Interesse“ reklamierte Interesse diesem Tatbestandsmerkmal zugeordnet werden kann und – gegebenenfalls - welche rechtlichen Schlussfolgerungen aus dem Nichtvorliegen eines öffentlichen Interesses zu ziehen sind.

33

Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren vor dem Fachsenat nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht; denn es handelt sich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren um einen unselbstständigen Zwischenstreit. Kostenrechtlich bildet das Verfahren vor dem Fachsenat mit dem Hauptsacheverfahren einen Rechtszug im Sinne des § 35 GKG und § 19 Abs. 1 RVG; die dortige Kostenentscheidung umfasst auch etwaige Kosten des Zwischenverfahrens (BVerwG, Beschl. v. 16.12.2010 – 20 F 15.10 –, Juris Rn. 11).


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