Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 O 1/17

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller gehören der „Interessengemeinschaft „P... O...““ an, einem Zusammenschluss von Bewohnern und Anwohnern der „Nordmole“ in „P... O...“, einem maritimen Freizeitgelände auf dem Gebiet der Stadt C-Stadt. Die Nordmole ist für die Bebauung gemäß der küstenschutzrechtlichen Genehmigung durch Aufspülungen verbreitert und ausgebaut worden. Die Stadt C-Stadt hat die Bebauung des Gebietes des ehemaligen Marinestützpunktes mit dem Bebauungsplan Nummer 65 geregelt und für die Nordmole das Sondergebiet „Ferienwohnen“ festgesetzt. Die Nordmole ist weitgehend mit Ferienhäusern bebaut. Diese befinden sich auf beiden Seiten der auf der Mole verlaufenden Straße. Unter dem 26.11.2015 erteilte der Antragsgegner den Beigeladenen die Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren zum Neubau eines Ferienhauses mit zwölf Wohnungen. Geplant ist ein dreigeschossiges unterkellertes Gebäude mit einem Staffelgeschoss, das östlich der Straße, also auf der Seeseite … an der Böschung liegen soll. Nachdem der Baubeginn für den 01.09.2016 angezeigt war, meldete sich der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller und wies u.a. auf Mängel der Baugrube hin. Mit Schreiben vom 05.09.2016 erhob er „im Namen der Interessengemeinschaft“ Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass das streitige Bauvorhaben gegen verbindliche Vorgaben der küstenschutzrechtlichen Genehmigung verstoße, ohne dass hierfür eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden sei. Darüber hinaus sei die Inhaberin der küstenschutzrechtlichen Genehmigung nicht in erforderliche Weise als Trägerin öffentlicher Belange am Baugenehmigungsverfahren beteiligt worden mit der Folge, dass dadurch zugleich auch die Rechte der Antragsteller verletzt worden seien; aus der küstenschutzrechtlichen Genehmigung leite sich für diese ein Schutzanspruch gegen die Genehmigungsinhaberin hinsichtlich eines adäquaten Küstenschutzes ab. Die streitige Genehmigung verstoße auch gegen Festsetzungen des Bebauungsplanes; sie sei im Übrigen auch deswegen rechtswidrig, weil die Standsicherheit sowohl des Bauvorhabens selbst als auch die Tragfähigkeit anderer baulicher Anlagen, insbesondere die des seeseitig angrenzenden Böschungsbauwerks/Deckwerks, und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke allgemein nicht sicher gewährleistet sei.

2

Mit Beschluss vom 29.12.2016 hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag abgelehnt und den Streitwert auf 300.000 € festgesetzt. Zur Begründung heißt es dazu in dem Beschluss, dass für die Festsetzung des Streitwerts nach der Rechtsprechung der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts in baurechtlichen Nachbarstreitigkeiten je Grundstück, für das Beeinträchtigungen geltend gemacht werden, ein Streitwert von 15.000 € anzusetzen und dieser Betrag in Verfahren des einstweilen Rechtsschutzes zu halbieren sei (40 * 7.500 = 300.000 €).

3

Dagegen richtet sich die für die Antragsteller erhobene Streitwertbeschwerde, die im Wesentlichen damit begründet wird, dass die Antragsteller nicht als 40 Individuen im gerichtlichen Verfahren aufgetreten seien, sondern als organisierter Zusammenschluss von Anwohnern („Interessengemeinschaft P... O...“) unter einheitlicher anwaltlicher Vertretung und mit einem einheitlichen prozessualen Vorgehen. Inhaltlich seien in dem gerichtlichen Verfahren keine individuellen Beeinträchtigungen der beteiligten Grundstücks(-eigentümer) geltend gemacht worden, sondern allein übereinstimmende Interessen, die für sämtliche betroffenen Nachbarn des Bauvorhabens bestünden. Aufgrund ihrer inneren Verbindung als „Interessengemeinschaft P... O...“ und der durchgehenden Einheitlichkeit ihres Vorgehens sei es gegenüber den Antragstellern angezeigt, Ziffer 1.1.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 zur Anwendung zu bringen und sie als Rechtsgemeinschaft zu behandeln mit der Folge, dass eine mehrfache Addition des Streitwerts nicht angezeigt sei.

4

Dieser Rechtsauffassung treten der Antragsgegner und die Beigeladenen entgegen.

II.

5

Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren, über die gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Senat entscheidet, hat keinen Erfolg.

6

Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert für das vorliegende Antragsverfahren nicht zu hoch angesetzt. Die gemeinschaftlich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs begehrenden Antragsteller bilden keine Rechtsgemeinschaft, so dass die für die einzelnen Anträge zu veranschlagenden Werte (jeweils 7500 €) gemäß Nummer 1.1.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 zu addieren waren.

7

Nach Nummer 1.1.3 der Streitwertkataloges 2013 sind die Werte der einzelnen Anträge bzw. Klagen zu addieren, es sei denn die Antragsteller/Kläger begehren oder bekämpfen eine Maßnahme als Rechtsgemeinschaft. Entgegen der Ansicht der Antragsteller liegt hier keine Rechtsgemeinschaft vor. Wann eine Maßnahme „als Rechtsgemeinschaft“ begehrt wird ist naturgemäß davon abhängig, worin die in der Hauptsache streitgegenständliche Maßnahme besteht (Czybulka in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 64 Rn. 26). Hier ging es den Antragstellern darum, im Rahmen eines Nachbarwiderspruches geltend zu machen, dass die angefochtene Baugenehmigung zu Verletzungen geschützter Nachbarrechte führe. Nur dies konnten die Antragsteller nach der zutreffenden Ansicht des Verwaltungsgerichts zur Überprüfung stellen, nicht jedoch die nicht drittschützenden Maßgaben der küstenschutzrechtlichen Genehmigung.

8

Im vorliegenden Fall führt dies dazu, dass jedes Mitglied der „Interessengemeinschaft P... O...“ mit seinem Grundstück individuell als Antragsteller zu behandeln ist. Zutreffend weist schon der Antragsgegner darauf hin, dass eine Rechtsgemeinschaft maßgeblich dadurch geprägt ist, dass mehrere Personen Träger ein und desselben Rechts sind und dieses geltend machen. Davon kann beim baurechtlichen Nachbarschutz nicht die Rede sein, weil dieser Schutz nicht als Kollektivrecht, sondern als subjektives Recht ausgestaltet worden ist und in seiner Reichweite maßgeblich von den jeweiligen Grundstücken und den dafür reklamierten nachteiligen Auswirkungen abhängig ist.

9

Ausgehend hiervon fehlt eine Rechtsgemeinschaft, denn die Antragsteller können sich nach der zutreffenden Auffassung des Verwaltungsgerichts gerade nicht auf Rechtspositionen berufen, die sie nur gemeinschaftlich geltend machen könnten. Es handelt sich dementsprechend um den Fall einer einfachen Streitgenossenschaft, bei der aus prozessökonomischen Gründen die Anträge mehrerer Personen in einem Verfahren zusammengefasst worden sind, weil sie jeweils gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen Antragsgrund beruhende Ansprüche zum Gegenstand haben (§ 64 VwGO i.V.m. § 60 ZPO). In diesem Fall bleibt es dabei, dass für jeden der Antragsteller und dessen Grundstück ein eigener Streitwert festzusetzen ist und die Einzelstreitwerte sodann zusammen zurechnen sind (vgl. § 5 ZPO, § 39 GKG).

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

11

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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