Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 LA 118/16

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 10. Kammer, Einzelrichter - vom 28. Oktober 2016 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Nachdem ihm in Italien internationaler Schutz gewährt worden war, reiste er in die Bundesrepublik Deutschland und ersuchte erneut um Durchführung eines Asylverfahrens. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 29. März 2016 als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheides), forderte den Kläger zur Ausreise auf, drohte ihm die Abschiebung nach Italien an, stellte zugleich fest, dass der Kläger nicht nach Eritrea abgeschoben werden darf

2

(Nr. 2 des Bescheides) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 12 Monate (Nr. 3 des Bescheides). Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 28. Oktober 2016 insgesamt als unbegründet ab. Das Gericht schloss sich den tragenden Feststellungen und der – seines Erachtens – im Wesentlichen zutreffenden Begründung des angegriffenen Bescheides an und beschränkte sich auf ergänzende Ausführungen.

II.

3

Der gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil insgesamt gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

1.

4

Für die geltend gemachte Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG – grundsätzliche Bedeutung die Rechtssache – fehlt es an der gebotenen Darlegung des Zulassungsgrundes nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Hierzu bedürfte es der konkreten Bezeichnung einer Rechts- oder Tatsachenfrage sowie der Erläuterung, dass der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) wäre und warum sie im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 16.11.2016 - 2 LA 106/16 -, Juris).

5

Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam,

6

ob nach Änderung der Rechtslage durch das Integrationsgesetz am 6. August 2016 die Beklagte grundsätzlich dazu verpflichtet ist, im Falle unzulässig abgelehnter Asylanträge über mögliche Abschiebungsverbote zu entscheiden. Das führe im Folgenden zu der Frage, ob die Bescheide der Beklagten durch die Verwaltungsgerichte aufzuheben sind, eine Entscheidung durch die Gerichte ergehen kann oder die Klagen abzuweisen sind, da eine Prüfung von Abschiebungsverboten in diesen Fällen rechtlich nicht gewollt ist. Ferner stelle sich dann die Frage, auf welchen Staat bezogen Feststellungen zu treffen sind.

7

Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht die Beurteilung des Asylantrages als unzulässig in Anwendung der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Rechtslage gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bestätigt habe und davon ausgehe, dass es deshalb keiner weiteren Entscheidung über Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG bedürfe; vielmehr sei die Grundregel des § 31 Abs. 4 AsylG mit dem zugrundeliegenden Konzept der normativen Vergewisserung anzuwenden. Demgegenüber sei das VG Schwerin in Anwendung des § 31 Abs. 3 AsylG der Auffassung, dass eine Entscheidung gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG geboten sei; verzichte das BAMF darauf, sei dessen Bescheid rechtswidrig (Urt. v. 26.09.2016 - 16 A 1757/15 As -). Das OVG Lüneburg sehe diese Frage als grundsätzlich bedeutsam an (Beschl. v. 27.10.2016 - 2 LA 67/16 -).

8

An der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sie aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der einschlägigen ober- oder höchstgerichtlichen Rechtsprechung ohne weiteres aus dem Gesetz beantwortet werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.10.2015 - 1 B 41/15 - in Juris Rn. 7 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 2016, § 78 AsylG Rn. 13). So liegt es hier.

a.

9

Der Senat hat gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Sach- und Rechtslage abzustellen, mithin auf das Asylgesetz i.d.F. vom 02.09.2008 (BGBl I, 1798), zuletzt geändert durch Gesetz vom 04.11.2016 (BGBl I, 2460). Hieraus ergibt sich für Fälle der vorliegenden Art, dass die Ablehnung des Asylantrages als unzulässig heute auf den am 06.08.2016 in Kraft getretenen § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, eingeführt durch das Integrationsgesetz vom 31.07.2016 (BGBl I, 1939) zu stützen ist, wenn – wie hier – internationaler Schutz bereits von einem anderen Mitgliedstaat gewährt worden ist. Eine Aufhebung des Bescheides allein deshalb, weil er insoweit keine Rechtsgrundlage benennt, kommt nicht in Betracht, solange der Bescheid auf der Grundlage eines auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten werden kann (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - Juris Rn. 21).

10

Aus der zeitgleich getroffenen Neuregelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ergibt sich, dass das BAMF in Entscheidungen über unzulässige Anträge die Feststellung zu treffen hat, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen – so, wie ihm nach Stellung eines Asylantrages auch sonst gemäß § 24 Abs. 2 AsylG die Entscheidung über diese Abschiebungsverbote obliegt (Hailbronner, AuslR, Stand Dez. 2016, § 31 AsylG Rn. 43). Diese Entscheidung stellt gegenüber der Entscheidung über den Asylantrag einen eigenen Streitgegenstand dar (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - Juris Rn. 20). Wegen ihrer Bindungswirkung für die Ausländerbehörde (§ 42 Satz 1 AsylG) ist sie auch für ein späteres aufenthaltsrechtliches Verfahren von rechtlicher Relevanz. Die Feststellung i.S.d. § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG hat deshalb gesondert zu erfolgen (vgl. Marx, AsylG Komm., 9. Aufl., § 31 Rn. 15) und nicht erst inzident im Rahmen der Abschiebungsandrohung (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 2016, § 31 AsylG Rn. 3; VGH Kassel, Beschl. v. 11.08.2014 - 10 A 2348/13.Z.A - Juris Rn. 4).

11

Aus der Regelungssystematik folgt des Weiteren, dass sich die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG in der Fallgruppe des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nur auf den schutzgewährenden Mitgliedstaat und nicht auf den Heimatstaat beziehen kann. In Bezug auf den Heimatstaat trifft das BAMF keine Sachentscheidung, sondern lehnt den Asylantrag schon als unzulässig ab (Marx, a.a.O. Rn. 13), weil insoweit bereits kraft nationalen Rechts ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG besteht. Für einen neuerlichen Antrag bestünde deshalb auch kein Sachbescheidungsinteresse (BVerwG, Urt. v. 17.06.2014 - 10 C 7/13 - Juris Rn. 29; Beschl. v. 23.10.2015 - 1 B 41/15 - Juris Rn. 6; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 19.02.2016 - 2a K 2466/15.A - Juris Rn. 20). Aus dem gleichen Grund kommt in Bezug auf den Heimatstaat auch eine Prüfung des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht in Betracht.

b.

12

Entspricht der angefochtene Bescheid des BAMF diesen Vorgaben nicht, weil sich die Rechtslage zwischenzeitlich geändert hat, hat das zur Entscheidung berufene Gericht zu prüfen, ob er auf der Grundlage geltenden Rechts aufrechterhalten werden kann. Dabei bestimmt sich der Umfang des gerichtlichen Prüfprogramms nach dem Prüfprogramm, welches der Behörde durch das Gesetz vorgegeben wird (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - in Juris Rn. 19-21 unter tw. Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung).

13

Hat das BAMF den Verfahrensvorgaben entsprechend keine Sach-, sondern nur eine verfahrensrechtliche Entscheidung getroffen – wie hier über den Asylantrag entsprechend § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG –, knüpft sich daran die prozessuale Konsequenz, den Streitgegenstand auf die verfahrensrechtliche Entscheidung zu beschränken. Insoweit entscheidet das Gericht nicht in der Sache; eine isolierte Anfechtungsklage ist statthaft (BVerwG, a.a.O. Rn. 17-20; OVG Münster, Urt. v. 24.08.2016 - 13 A 63/16.A - NVwZ-RR 2017, 115, Juris).

14

Mit § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG gibt das Gesetz dem BAMF hingegen eine Sachentscheidung auf. Hat das BAMF die Unzulässigkeitsentscheidung dementsprechend mit der Feststellung verbunden, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen, liegt eine Sachentscheidung vor, die mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zu stellen ist (BVerwG, a.a.O. Rn. 20). Aber auch wenn es wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderung an den durch § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG vorgeschriebenen materiellen Feststellungen fehlt, kann sich das Gericht nicht, wie es der Kläger in der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage für denkbar hält, auf eine Aufhebung des Bescheides beschränken, sondern hat in der Sache zu entscheiden; auch hier ist klägerseits ein (hilfsweiser) Verpflichtungsantrag zu stellen. Denn nach der im Asylprozess besonders zu beachtenden Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime soll am Ende eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich geklärt sein, ob und welchen (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsschutz ein Kläger zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung genießt. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade auch dann, wenn sich die maßgeblichen Vorschriften über den Abschiebungsschutz im laufenden Verfahren ändern und sich die Entscheidung des BAMF im Nachhinein als unvollständig darstellt. In solchen Übergangsfällen wächst der neue Streitgegenstand kraft Gesetzes und unabhängig vom Verfahrenshandeln der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren an und ist zwingend vom Gericht zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 18.02.1992 - 9 C 59/91 -, NVwZ 1992, 892 f., Juris Rn. 8 ff. zur Erweiterung des Asylantrages um das sog. „kleine Asyl“ nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990; Urt. v. 08.09.2011 - 10 C 14/10 -, BVerwGE 140, 319-332, Juris Rn. 9 ff. zum Anwachsen des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nach Änderung durch G. v. 19.08.2007, BGBl I, 1970).

c.

15

Hiervon ausgehend kann sich auch aus den Ausführungen des Klägers unter Hinweis auf einen Beschluss des OVG Lüneburg nichts anderes ergeben. Letzteres hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig,

16

ob eine Verpflichtung der Beklagten jedenfalls insoweit besteht, ein (nationales) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, soweit sich der zuerkennende Drittstaat - … - nicht als sicherer Drittstaat erweist.

17

Es sei zu prüfen, ob ein selbstständiger Anspruch auf ausdrückliche Feststellung dieser Abschiebungsverbote bestehe. Insbesondere sei der Regelungsgehalt des § 31 Abs. 3 AsylG und damit die Frage zu klären, ob dieser überhaupt auf Drittstaaten zugeschnitten sei oder sich nur auf die Herkunftsländer beziehen solle (so jdf. der in Juris zu findende Beschl. v. 27.10.2016 - 2 LA 60/16 - Umdr. S. 7).

18

Obwohl § 31 Abs. 3 AsylG in der Literatur für ein gesetzgeberisches Versehen gehalten wird, können angesichts des eindeutigen Wortlautes an der Prüfpflicht als solcher keine Zweifel bestehen (Hailbronner, AuslR, Stand Dez. 2016, § 31 AsylG Rn. 43 ff.). Dass sich diese Prüfpflicht im Falle der Unzulässigkeit eines Asylantrages wegen des von einem Mitgliedstaat bereits gewährten Schutzes nur auf diesen Mitgliedstaat und nicht auf den Heimatstaat beziehen kann, wurde oben dargelegt. Warum § 31 Abs. 3 AsylG dennoch nicht auf Drittstaaten „zugeschnitten“ sein sollte, kann dem Beschluss des OVG Lüneburg nicht entnommen werden, weil es insoweit an näheren Ausführungen fehlt. Soweit es Kollisionen mit der Bestimmung sicherer Drittstaaten durch nationales bzw. durch Unionsrecht und den dazu jeweils entwickelten (eingeschränkten) Prüfprogrammen fürchtet, kann dies möglicherweise zu einer entsprechend eingeschränkten Gewährung von nationalem Abschiebungsschutz, in Anbetracht des klaren Wortlauts aber nicht zur Unanwendbarkeit des § 31 Abs. 3 AsylG führen.

d.

19

Der Kläger formuliert mithin keine klärungsbedürftige allgemeine Rechtsfrage, sondern greift die Rechtsanwendung im Einzelfall an. Dabei bleibt anzumerken, dass das Verwaltungsgericht von einer Prüfung der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG der Sache nach nicht vollständig abgesehen hat. Vielmehr hat es deren Prüfung unter den Vorbehalt gestellt, dass die Einordnung Italiens als sicherer Drittstaat entgegen dem nationalen Konzept der normativen Vergewisserung nach Art. 16a Abs. 2 GG bzw. entgegen der Vermutung, dass die dortige Behandlung von Asylsuchenden in Einklang mit der EU-Grundrechtecharta und der Genfer Flüchtlingskonvention steht, für den Kläger nicht gilt (vgl. S. 3 ff. des Urteils). Auf dieser Grundlage hat es geprüft, ob im vorliegenden Einzelfall eine Verletzung von Art. 3 EMRK droht (und dies verneint). Eine Prüfung von Art. 3 EMRK wäre auch im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG vorzunehmen gewesen. In Bezug auf die Abschiebungsandrohung hat das Gericht schließlich zutreffend auf § 35 AsylG abgestellt, denn der Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG wäre nach geltendem Recht nicht in Frage gekommen (vgl. schon OVG Münster, Urt. v. 24.08.2016 - 13 A 63/16.A - NVwZ-RR 2017, 115 und in Juris Rn. 35).

2.

20

Der gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG geltend gemachte Zulassungsgrund – Vorliegen eines Verfahrensmangels, Gehörsverstoß (§ 138 Nr. 3 VwGO) – liegt nicht vor bzw. ist nicht hinreichend dargelegt, § 74 Abs. 4 Satz 4 AsylG.

21

Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe die von ihm in der Klagebegründung angeführten Unterlagen, die die Lebensumstände von in Italien anerkannten Flüchtlingen schilderten (Bericht der schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013), nicht berücksichtigt. Vielmehr habe es eine drohende Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK deshalb verneint, weil Italien für Flüchtlinge als sicherer Drittstaat hinreichenden Schutz biete. Es habe inhaltlich keine Unterscheidung getroffen zwischen der Versorgung von Flüchtlingen im Asylverfahren und bereits anerkannten Flüchtlingen. Letztere hätten keinen Zugang zu den vom Gericht angenommenen Ressourcen.

22

Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidungserwägungen einzustellen. Hiervon ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zunächst grundsätzlich auszugehen. Dabei braucht sich das Gericht in den Gründen der Entscheidung nicht mit jedem Vorbringen ausdrücklich auseinanderzusetzen. Allein aus einem Schweigen der Entscheidungsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs oder zu Einzelheiten bestimmter Erkenntnismittel kann noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Das rechtliche Gehör ist deshalb erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (BVerwG, Beschl. v. 15.12.2011 - 10 B 38.11 -, Juris Rn. 2, Beschl. v. 15.09.2011 - 5 B 23.11 -, Juris Rn. 3, Beschl. v. 05.02.1999 - 9 B 797/98 - Juris Rn. 3; Senat, Beschl. v. 18.07.2016 - 4 LA 37/16 -). Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrages einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen überhaupt nicht eingeht (Senat, Beschl. v. 30.05.2016 - 4 LA 58/16 -).

23

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr ergibt sich aus dem Tatbestand des Urteils, dass das Gericht den in Italien bereits gewährten internationalen Schutz sehr wohl zur Kenntnis genommen hat. Ausweislich der Verhandlungsniederschrift hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Anhörung nochmals darauf hingewiesen; auf das Ergebnis der Anhörung nimmt das Urteil Bezug. Außerdem verweist das Urteil zu Beginn der Entscheidungsgründe wegen der zugrunde gelegten Erkenntnislage u.a. auf die tragenden Feststellungen des angegriffenen Bescheides. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR wird ergänzend ausgeführt, dass Art. 3 EMRK im allgemeinen weder zur Gewährung finanzieller Hilfe noch zur Verschaffung von Wohnraum verpflichte, sodass nur bei außergewöhnlich schwerwiegenden humanitären Gründen ein Verstoß angenommen werden könne. Im Falle des Klägers kam es deshalb zu dem Schluss, dass selbst eine etwaig schlechte Versorgungslage allein nicht ausreiche, um eine ihm drohende Verletzung von Art. 3 EMRK anzunehmen. Auch würden die zur Klagebegründung angeführten Gründe keine Hinweise auf eine besondere Schutzbedürftigkeit oder sonstige relevante Aspekte enthalten.

24

Ebenfalls nicht zu einem beachtlichen Verfahrensfehler führt das klägerische Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe eine von ihm schriftsätzlich zitierte Auskunft unbeachtet gelassen bzw. nicht hinreichend berücksichtigt. Denn die Behauptung, einem Umstand sei bei der Tatsachenfeststellung nicht die richtige Bedeutung beigemessen worden, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht zu begründen (BayVGH, Beschl. v. 09.11.2006 - 13a ZB 06.30854 - Juris Rn. 7 m.w.N.). Gleiches gilt für den Fall, dass das Gericht bei der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Beteiligten vorgetragenen Tatsachen zu einer möglicherweise unrichtigen Tatsachenfeststellung gekommen ist (BVerfG, Beschl. v. 04.04.1991 - 2 BvR 1497/90 -, InfAusR 1991,262, 263, Juris Rn. 10). Allenfalls macht der Kläger damit im Gewande der Gehörsrüge ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Dieser Zulassungsgrund aus § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO findet im Asylrecht und in den abschließend aufgezählten Zulassungsgründen des § 78 Abs. 3 AsylG jedoch keine Entsprechung. Selbst wenn man insoweit einen Gehörsverstoß annehmen wollte, könnte der Kläger sich darauf im Nachhinein nicht berufen, wenn er die ihm möglichen und zumutbaren Schritte, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, zuvor nicht wahrgenommen hat (vgl. BayVGH, Beschl. v. 08.04.2003 - 19 ZB 00.32195 - Juris Rn. 49). Dass sich die vom Kläger vorgetragenen Probleme in Italien von denen der noch im Asylverfahren befindlichen Personen entscheidungserheblich unterscheiden, ist vom Kläger und seiner ebenfalls anwesenden Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung nicht thematisiert worden. Ein entsprechender (hilfsweiser) Beweisantrag oder auch nur ein Hinweis auf einschlägige Erkenntnismittel findet sich in der Verhandlungsniederschrift jedenfalls nicht. Im Zulassungsantrag wird Entsprechendes auch nicht behauptet.

25

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da dem Antrag auf Zulassung der Berufung nach dem Ausgeführten schon die gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten abzusprechen sind.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

27

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

28

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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