Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 LB 9/17
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 15. Kammer, Einzelrichter - vom 14. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt Ausbildungsförderung für das fünfte Fachsemester (Wintersemester 2011/2012) im Studiengang Humanmedizin nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
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Die Klägerin erwarb im Frühjahr 2009 in F. die allgemeine Hochschulreife mit der Durchschnittsnote 2,0. Sie bewarb sich für das Studium der Humanmedizin bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) für das Wintersemester 2009/2010. Nachdem die Bewerbung zunächst wegen einer nicht ausreichenden Durchschnittsnote ohne Erfolg geblieben war, erhielt die Klägerin im Rahmen universitätsinterner Auswahlgespräche eine Zulassung zur Aufnahme des Studiums in Form eines Teilstudienplatzes bis zur Ablegung des Ersten Staatsexamens an der Universität G.. Sie nahm den Studienplatz an, bewarb sich aber parallel um einen Vollstudienplatz. Obwohl entsprechende Bemühungen zunächst erfolglos geblieben waren, erhielt sie aufgrund eines hochschulinternen Auswahlverfahrens zum Sommersemester 2010 einen Vollstudienplatz an der Universität B-Stadt, sodass sie hierhin wechselte.
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Aufgrund von unterschiedlichen Studienverläufen in G. und B-Stadt ergaben sich Abweichungen zum Regelstudienverlauf in B-Stadt. Da die Klägerin in G. bereits mit Erfolg Kurse in Chemie und Physik belegt hatte, wurde sie von einer Teilnahme an dem in B-Stadt für das zweite Semester vorgesehenen weiterführenden Kursangebot in Chemie und Physik befreit. Hingegen durfte sie nicht an dem, in B-Stadt im zweiten Fachsemester angebotenen Kurs „Anatomie II“ und dem dazugehörigen praktischen Seminar teilnehmen, da sie nicht zuvor, wie in B-Stadt vorgesehen, den Kurs „Anatomie I“ nebst dazugehörigem praktischen Seminar besucht hatte. Diese Kurse musste sie zusätzlich im dritten und vierten Fachsemester belegen.
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Im vierten Semester bestand sie die angebotenen Klausuren Physiologie und Biochemie nicht, sodass sie nicht regulär am Ende des vierten Semesters zum Ersten Staatsexamen zugelassen wurde. Die Biochemieklausur konnte sie im ersten angebotenen Wiederholungsversuch zu Beginn des fünften Fachsemesters bestehen. Die Physiologieklausur absolvierte sie mit Erfolg im Drittversuch zum Ende des fünften Fachsemesters, sodass sie zum Ersten Staatsexamen zugelassen wurde und dies am Ende des fünften, statt wie regulär zum Ende des vierten Fachsemesters, bestand.
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Am 4. September 2011 stellte die Klägerin, die zuvor Ausbildungsförderungsleistungen erhalten hatte, beim Beklagten einen Antrag auf Weiterförderung ab dem Wintersemester 2011/2012. Sie teilte mit, dass sie die erforderliche Leistungsbescheinigung nicht vorlegen könne. Durch den Studienortwechsel sei es im dritten und vierten Fachsemester zu massiven Kursüberschneidungen gekommen. Die daraus resultierenden zusätzlichen Anforderungen seien ihr bereits vor dem Studienortswechsel bekannt gewesen, es sei ihr aber dennoch sinnvoll erschienen, den Vollstudienplatz anzunehmen.
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Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. Mai 2012 wegen der fehlenden Leistungsbescheinigung unter Hinweis auf § 48 BAföG ab. Der Wechsel des Hochschulortes stelle keinen Grund für die Verschiebung des Leistungsnachweises dar. Bei einem Wechsel zum Wintersemester wäre es voraussichtlich zu keinen Kursüberschneidungen gekommen. Die Nichterbringung des Leistungsnachweises beruhe demnach nicht auf einem schwerwiegenden Grund im Sinne des § 15 Abs. 3 BAföG, sondern auf der autonomen Entscheidung der Klägerin.
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Mit Schreiben vom 21. Mai 2012 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein und teilte mit, dass sie mittlerweile das Erste Staatsexamen bestanden habe. Es sei für ihren beruflichen Werdegang sinnvoll gewesen, den Studienplatz zum Sommersemester 2010 anzunehmen, da bei der derzeitigen Nachfrage an Studienplätzen nicht zu erwarten gewesen sei, zum folgenden Wintersemester nochmals einen Vollstudienplatz angeboten zu bekommen. Vielmehr sei wahrscheinlich gewesen, in G. nach Abschluss des ersten Staatsexamens keinen Studienplatz zu erhalten. Daher habe ihr auch die dortige Universität zu diesem Schritt geraten.
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Mit Bescheid vom 26. Juni 2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Auf das Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes im Sinne des § 15 Abs. 3 BAföG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil es ihr zumutbar gewesen sei, die eingetretene Verzögerung zu verhindern. Die Freiheit, den Studienplatz zu wechseln, stehe im Zusammenhang mit einer sinnvollen Planung des Studienverlaufes. Dazu gehöre die Pflicht, sich zu informieren, ob die neue Hochschule die Leistungsnachweise der vorherigen Hochschule anerkenne. Würden diese nicht anerkannt und könne deshalb die Leistungsbescheinigung nach dem vierten Fachsemester nicht erteilt werden, so stehe eine Ausbildungsförderung ab dem fünften Fachsemester nach § 48 Abs. 1 BAföG nicht zu. Der Bescheid erwuchs in der Folgezeit in Bestandskraft.
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Mit Schreiben vom 17. Juli 2013 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das vom Landesamt für Soziale Dienste ausgestellte Zeugnis über den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung. Der Beklagte wertete dies als Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 10. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2012. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 3. September 2013 ab. Es sei weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch sei das Recht unrichtig angewendet worden.
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Der gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 1. Oktober 2013 eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 4. November 2013 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurückgewiesen.
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Mit der am 5. Dezember 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, der Studienortwechsel sei sinnvoll gewesen. Schon aufgrund ihrer Abiturnote sei eine lange Wartezeit zur Fortsetzung des Studiums nach dem ersten Examen in G. sicher zu erwarten gewesen. Die sich aus dem Studienortwechsel ergebenden Folgen stellten einen schwerwiegenden Grund im Sinne des § 15 Abs. 3 BAföG dar. Aufgrund der geschilderten Umstände habe sie den zweiten Teil ihres Studiums erst mit Beginn ihres sechsten Fachsemesters beginnen können, statt regulär mit Beginn des fünften Semesters.
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Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 3. September 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2013 zu verpflichten, seinen Bescheid vom 10. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2012 zurückzunehmen und ihr auf den Förderungsantrag vom 4. September 2011 hin Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat er Bezug genommen auf die Widerspruchsbescheide vom 4. November 2013 und vom 26. Juni 2012.
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Mit Urteil vom 14. Dezember 2015 hat das Verwaltungsgericht den streitigen Bescheid vom 3. September 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2013 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Bescheid vom 10. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2012 zurückzunehmen und der Klägerin auf ihren Förderungsantrag hin Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass die Klägerin gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X einen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 10. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2012 und Neubescheidung des Förderungsantrages habe, da das Recht unrichtig angewandt worden sei. Dies sei der Fall, da der Klägerin gemäß § 48 Abs. 2 BAföG die - um ein Fachsemester hinausgeschobene - Vorlage der Leistungsbescheinigung zu gestatten gewesen wäre und ihr daher ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe für das fünfte Fachsemester (Wintersemester 2011/2012) zugestanden hätte. Insoweit sei unerheblich, dass die Klägerin das Erste Staatsexamen im vierten Fachsemester nicht bestanden habe oder - wie geschehen - wegen einer auch nach Wiederholung nicht bestandenen Klausur als Prüfungsvorleistung schon gar nicht habe zugelassen werden können. Die durch den Studienortwechsel eingetretene Verzögerung der Ausbildung der Klägerin sei im vorliegenden Einzelfall als schwerwiegender Grund im Sinne von § 15 Abs. 3 BAföG anzuerkennen. Die Umstände, die zu einer Verzögerung der Ausbildung der Klägerin geführt hätten, seien zwangsläufig gewesen und es sei ihr nicht zumutbar gewesen, den Eintritt der Verzögerung zu verhindern. Die Klägerin habe sich zu Recht im Sinne einer sinnvollen Planung des Studienablaufes für den sofortigen Wechsel nach B-Stadt entschieden. Nur so habe der keineswegs unwahrscheinliche Fall einer längeren Wartezeit nach Bestehen des Ersten Staatsexamens in G. vermieden werden können. Daher erscheine der vollzogene Wechsel im Sinne eines reibungslosen und zügigen Studienablaufs des Gesamtstudiums geradezu geboten.
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Auf Antrag des Beklagten vom 4. Februar 2016 hat der Senat mit Beschluss vom 20. Juni 2017 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassen.
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Zur Begründung der Berufung trägt der Beklagte vor, dass ein Hochschulwechsel von einem Teil- auf einen Vollstudienplatz im Studiengang Humanmedizin zwar grundsätzlich als schwerwiegender Grund im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG in Betracht komme. Ein Aufschub nach § 48 Abs. 2 BAföG setze jedoch den Nachweis voraus, dass der eingetretene Leistungsrückstand ausschließlich auf Tatsachen im Sinne des § 15 Abs. 3 BAföG beruhe. Es könnten nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für die Verzögerung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung innerhalb der Förderungshöchstdauer von erheblicher Bedeutung seien, weil sie es dem Auszubildenden unmöglich oder unzumutbar machten, diese Verzögerung zu verhindern. Diesen Nachweis habe die beweispflichtige Klägerin nicht erbracht, da es ihr objektiv möglich gewesen sei, das Erste Staatsexamen planmäßig im vierten Semester abzulegen. Die Kursangebote im ersten Fachsemester in G. und B-Stadt seien thematisch nicht wesentlich unterschiedlich gewesen. Zwar habe die Klägerin die Anatomiekurse im zweiten Semester nicht planmäßig belegen können, ihr Studienverlauf zeige jedoch, dass die Klägerin in ihrem ersten Fachsemester in G. bereits viele Leistungen erbracht habe, die für B-Stadt erst für das zweite Fachsemester vorgesehen gewesen und anerkannt worden seien. Danach habe die Klägerin im zweiten Fachsemester ein erheblich geringes Pensum gehabt, sodass sie die freie Zeit hätte nutzen müssen, Themen für das dritte und vierte Fachsemester im Hinblick auf die kommenden, ihr bekannten Kursüberschneidungen vorzubereiten. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass das teils wiederholte Scheitern in Physiologie und Biochemie auf Leistungsmängeln beruht habe, die auch ohne den Hochschulwechsel aufgetreten wären. Wiederholte Leistungsmängel oder solche in mehreren Fächern seien nicht durch § 15 Abs. 3 BAföG privilegiert. Zweifel gingen zulasten der Klägerin.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage unter Abänderung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – Einzelrichter der 15. Kammer - vom 14. Dezember 2015 abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Weder § 48 Abs. 2 BAföG noch § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG sei zu entnehmen, dass Kausalitätserwägungen anzustellen seien. Es komme auch nicht darauf an, dass der Leistungsrückstand ausschließlich auf Tatsachen im Sinne des § 15 Abs. 3 BAföG beruhen müsse. Aus dem Gesetzeswortlaut sei lediglich herzuleiten, dass schwerwiegende Gründe auch subjektive Elemente zum Inhalt haben könnten und von gewissem Gewicht sein müssten. Daher komme es auf die Frage an, ob es der Studierenden zumutbar sei, die Verzögerung durch eigene Anstrengungen zu vermeiden. Insoweit sei von wesentlicher Bedeutung, ob und inwieweit es ihr, der Klägerin, persönlich ihren Fähigkeiten entsprechend möglich gewesen sein müsse, nachzuholen was an Leistungsnachweisen bis zum Ersten Staatsexamen habe erreicht werden sollen. Sie sei lediglich wegen Überlastung als Folge der Fülle des Studienstoffes gescheitert, alles Erforderliche aufzuholen. Anders als ein Regelstudent habe sie im dritten und vierten Fachsemester nicht nur die Regelunterrichtsverpflichtung zu bewältigen gehabt, nämlich Physiologie und Biochemie, sondern alle drei Hauptfächer einschließlich des Faches Anatomie. Da sie mit den Anatomiekursen in B-Stadt erst zum dritten Fachsemester habe beginnen können, seien ihre Vorkenntnisse wegen der zeitlichen Verzögerung verblasst, sodass sie mit den Anforderungen aus dem Fach Anatomie außerordentlich stark belastet gewesen sei.
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Keineswegs habe sie im zweiten Fachsemester ein geringeres Pensum gehabt. Vielmehr habe es einen Leistungsrückstand gegeben, da nicht alle Kurse anerkannt worden seien und zudem eine Anrechnung erst nach Ablegung einer mündlichen Zwischenprüfung erfolgt sei. Dies habe Vorbereitungszeit erfordert. Eine Vorarbeit für die kommenden Semester sei nicht sinnvoll möglich gewesen. Denn in den drei Hauptfächern Anatomie, Biochemie und Physiologie ergebe sich der Prüfungsstoff für die jeweiligen Leistungsnachweise aus dem jeweils theoretischen, mit den praktischen Übungen Hand in Hand gehenden Lehrstoff, sodass in Ermangelung der kursbegleitenden praktischen Übung ein vorbereitendes Arbeiten im Hinblick auf den geforderten Leistungsnachweis allenfalls zufällig hätte zum Ziel führen können.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Die Gerichtsakte des Verfahrens Az. 3 LB 10/17 ist beigezogen worden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2015, mit dem der Beklagte unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 3. September 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2013 verpflichtet worden ist, seinen Bescheid vom 10. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2012 zurückzunehmen und der Klägerin auf den Förderungsantrag vom 4. September 2011 hin Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu bewilligen, ist nicht zu beanstanden.
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Der Beklagte hat der Klägerin zu Unrecht Ausbildungsförderungsleistungen ab dem fünften Fachsemester Humanmedizin nicht gewährt. Die Klägerin steht ein Anspruch auf Gestattung der um ein Semester hinausgeschobenen Vorlage der Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 2 BAföG zu, weil sie sich infolge der durch den Hochschulwechsel eingetretenen Leistungsverzögerung auf das Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG berufen kann. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Rücknahme der die Weiterförderung über das 4. Fachsemester hinaus ablehnenden Bescheide vom 10. Mai 2012 und vom 26. Juni 2012.
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Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt worden ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beklagte hat zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin sich infolge des Hochschulwechsels von G. an die Universität B-Stadt nicht auf einen schwerwiegenden Grund im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG berufen kann. Der Klägerin war daher zu gestatten, das Zeugnis über das Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung nach Beendigung des vierten Fachsemesters des Studiums der Humanmedizin vorzulegen, vgl. § 48 Abs. 2 BAföG.
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Nach dieser Bestimmung kann das zuständige Förderungsamt die Vorlage der Bescheinigung – abweichend von der in § 48 Abs. 1 BAföG geregelten Vorlage bis zum Ende des vierten Fachsemesters – zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt zulassen, wenn Tatsachen vorliegen, die eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 3 BAföG rechtfertigen. Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG wird über die Förderungshöchstdauer hinaus für eine angemessene Zeit Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie aus schwerwiegenden Gründen überschritten worden ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin kann sich aufgrund der durch den Hochschulwechsel nach dem ersten Fachsemester eingetretenen Verzögerung ihres Studiums auf das Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes im Sinne des Gesetzes berufen.
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Bei dem Tatbestandsmerkmal des schwerwiegenden Grundes handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um solche Umstände, die für die Verzögerung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung innerhalb der Förderungshöchstdauer von erheblicher Bedeutung sind, weil sie es dem Auszubildenden unmöglich oder unzumutbar machen, diese Verzögerung zu verhindern (vgl. BVerwG, Urt. v. 07. 02.1980 - BVerwG 5 C 38.78 - und v. 28.06.1995 – 11 C 25.94 –, juris Rn. 15 mwN). Es können nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für die Verlängerung der Ausbildung und die daraus resultierende folgende Überschreitung der Förderungshöchstdauer in dem Sinne kausal sind, dass der Auszubildende den Zeitverlust nicht mit zumutbaren Mitteln und Anstrengungen verhindern bzw. aufholen konnte (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 06.12.2013 – 12 A 2167/13 –, juris Rn. 5 mwN; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 19.05.2011 – 1 B 52/11 –, juris Rn. 5). Eine Verlängerung der Ausbildungszeit, die bei zumutbarer Studienplanung und rationeller Durchführung der Ausbildung vermeidbar gewesen wäre, rechtfertigt nicht eine Verlängerung der Förderungsdauer (Fischer in: Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Bd. 2, 5. Aufl., § 15 Rn. 19 mwN).
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Die von der Klägerin angeführte Mehrbelastung infolge des Studienortwechsels von G. nach B-Stadt mit der Folge des Zeitverlustes von einem Fachsemester stellt einen schwerwiegenden Grund im Sinne der Norm dar. Zwar werden Studienverzögerungen infolge des Wechsels zu einer anderen Ausbildungsstätte unter Beibehaltung des Studienganges grundsätzlich nicht von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG erfasst. Von dem Auszubildenden muss nämlich erwartet werden, dass er sich vor einem Wechsel der Hochschule erkundigt, ob die Organisation von Studium und Prüfungen - etwa hinsichtlich der Unterschiede in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen oder der Anerkennung von bisher erbrachten Leistungsnachweisen - einen zügigen Fortgang des Studiums nach dem Hochschulwechsel erlaubt. Jedoch kann eine andere Beurteilung ausnahmsweise dann gerechtfertigt sein, wenn der Hochschulwechsel gerade dazu dient, das Studium erfolgreich zum Abschluss zu bringen oder eine berufliche Verwertbarkeit des Studiums sicherzustellen (vgl. Fischer in: Rothe/Blanke, a. a. O., § 15 Rn. 20.5 mwN). So liegt es hier.
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Zur Überzeugung des erkennenden Senats stellt der vorliegend vorgenommene Wechsel von einem Teilstudienplatz auf einen Vollstudienplatz mit der damit einhergehenden Studienverzögerung von einem Semester einen unvermeidbaren Zeitverlust dar. Vor dem Hintergrund der äußerst knappen Ausbildungsressourcen im Bereich der Humanmedizin war der vollzogene Wechsel an die Universität B-Stadt mit so genannten Vollstudienplätzen einer planvollen Organisation des weiteren Studiums der Klägerin geschuldet. Dieses Vorgehen ist im Interesse eines zügigen Abschlusses des gesamten Studiums sinnvoll gewesen. Es konnte wegen der für die Berufsausbildung elementaren Bedeutung eines unbeschränkten Studienplatzes von der Klägerin nicht erwartet werden, sich nach bestandenem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung bei sehr ungewissen Erfolgsaussichten erneut um einen Studienplatz für die klinischen Semester zu bewerben (vgl. auch bereits VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 28.11.1988 – 7 S 2796/88 -, juris Rn. 31).
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Der Klägerin kann auch nicht entgegengehalten werden, dass ihr bewusst gewesen ist, dass es infolge des Studienortwechsels zu studienbedingten Verzögerungen kommen kann bzw. es ihr aufgrund des Wechsels bereits nach dem ersten Fachsemester hätte möglich gewesen sein müssen, die durch den Studienortwechsel eingetretene Verzögerung bis zum Ende des vierten Fachsemesters aufzuholen. Grundsätzlich verlangt zwar das Gesetz, dass ein Auszubildender, der öffentliche Förderungsmittel beansprucht, seine Arbeitskraft in einem solchen Umfang für die Ausbildung einsetzt, dass er sie innerhalb der Förderungsdauer auch abschließen kann (Lackner in: Ramsauer/Stallbaum, Bundesausbildungsförderungsgesetz Kommentar, 6. Auflage 2016, § 15 Rn. 21). Der Klägerin ist es nach ihrem Wechsel an die Universität B-Stadt zum Sommersemester 2010 indes nicht möglich und damit auch nicht zumutbar gewesen, den Mehrbelastungen im dritten und vierten Fachsemester durch das Ergreifen entsprechender Maßnahmen entgegenzuwirken.
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Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Der Studienbeginn im ersten Fachsemester ist an den Universitäten in G. und in B-Stadt im Fach Anatomie derart unterschiedlich ausgestaltet gewesen, dass als Folge hiervon die Fortsetzung des Studiums an der Universität B-Stadt sich nicht ohne größere Reibungsverluste hat anschließen können. Die Klägerin hat aufgrund des ersten in G. absolvierten Semesters zwar die für das zweite Semester in B-Stadt weiterhin vorgesehenen Kurse in Physik und Chemie nicht (nochmals) absolvieren müssen; die so gewonnene freie Lernkapazität konnte, sie jedoch nicht sinnvoll darauf verwenden, Kenntnisse und Fertigkeiten im Fach Anatomie, die sie im ersten Fachsemester in G. nicht bzw. nicht ausreichend erwerben konnte, nachzuholen, um mit den anderen Studierenden ab dem dritten Fachsemester durchgängig regulär weiter studieren zu können. Dies ist darin begründet, dass sie zwar in G. den Kurs Anatomie I belegen konnte; eine Zulassung zu dem Anatomiekurs II in B-Stadt wurde ihr jedoch versagt, weil in G. - im Gegensatz zur Universität B-Stadt - parallel zu dem Kurs Anatomie I kein begleitender Präparierkurs angeboten worden war. Der Kurs Anatomie I mit dem dazugehörenden Präparierkurs wurde zudem erst im darauffolgenden Wintersemester, dem 3. Fachsemester der Klägerin, wieder an der Universität B-Stadt angeboten. Während daher in B-Stadt im zweiten Semester der Unterricht in den naturwissenschaftlichen Fächern und in der Makroskopischen Anatomie (Präparierkurs) abgeschlossen wird und dies auch im Falle der Klägerin der Fall war, stand die (erfolgreiche) Teilnahme der Klägerin an den zwei Semester währenden Kursen der (Makroskopischen) Anatomie noch aus. Dies hatte zur Folge, dass sie im dritten und vierten Semester parallel die Schwerpunktfächer Anatomie, Biochemie und Physiologie belegen musste. Hier musste sie jede Woche drei Prüfungen absolvieren. Ein „Vorlernen“ bzw. eine sinnvolle Vorbereitung auf den Anatomiekurs bereits in ihrem zweiten Fachsemester war der Klägerin deshalb nicht effektiv möglich, weil dieses Kursangebot stark auf begleitend zu absolvierenden Praktika basiert. Zudem bot sich deshalb ein Arbeiten in Arbeitsgruppen mit denjenigen Studierenden, die regulär das zweite Semester durchliefen, nicht an.
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Angesichts des sehr verschulten Aufbaus des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung ist letztlich davon auszugehen, dass der Studierende erst nach dem vollständigen Durchlaufen des jeweiligen Kurses nebst begleitender Praxiseinheiten in die Lage versetzt wird, den Leistungsnachweis mit Erfolg zu erbringen. Im Studium der Humanmedizin ist die theoretische Wissensvermittlung mit praktischen Übungen eng verzahnt. Dies kommt auch in der Semesterbeschreibung (abrufbar über den Internetauftritt der Universität B-Stadt) zum Ausdruck. Im zweiten Semester findet (zusätzlich) der Kurs der Mikroskopischen Anatomie statt und während des gesamten Semesters werden klinische Beispiele gegeben, um zu verdeutlichen, welche Bedeutung die vorklinische Ausbildung für die spätere ärztliche Tätigkeit hat.
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Damit steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass die Klägerin im zweiten Semester nicht in der Lage war, sich eigenständig nur anhand theoretischer Wissenserarbeitung bzw. -vertiefung aus Lehrbüchern, Skripten oder Mitschriften von Kommilitonen das erforderliche Wissen nebst dazu gehörenden praktischen Fertigkeiten anzueignen. Dass die Klägerin angesichts der von ihr parallel zu belegenden Fächer Anatomie, Physiologie und Biochemie, die sich bei regulärem Studienverlauf auf vier Semester verteilen, nicht in der Lage gewesen ist, diese erhebliche Mehrbelastung auszugleichen, hält der erkennende Senat daher ohne Weiteres für nachvollziehbar. Er sieht es als unvermeidbare Folge an, dass die Klägerin die Leistungsnachweise in Biochemie und in Physiologie nicht auf Anhieb, sondern erst nach Wiederholung bestanden hat. Der Senat misst dabei dem Umstand, dass die Klägerin den Leistungsnachweis im Fach Physiologie erst nach zweimaliger Wiederholung erlangt hat, keine durchgreifende Bedeutung bei. Denn die Klägerin hat im Frühjahr 2012, folglich im fünften Semester, den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung mit Erfolg bestanden, so dass die studienortbedingte Verzögerung lediglich ein Semester betragen hat. Dass die mit dem Wechsel der Hochschule verbundene Mehrbelastung kausal für die eingetretene Verzögerung gewesen ist, zeigt zudem der weitere Studienverlauf. Die Klägerin hat in allen sich anschließenden Folgesemestern stets zeitgerecht die erforderlichen Leistungsnachweise erbracht. Es handelt sich nach alledem um eine unvermeidbare Verzögerung infolge des Hochschulwechsels. Der Klägerin war daher die um ein Semester hinausgeschobene Vorlage der Leistungsbescheinigung zu gestatten, vgl. § 48 Abs. 2 BAföG.
- 39
Nach alledem musste der Berufung des Beklagten der Erfolg versagt bleiben.
- 40
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO.
- 41
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- § 15 Abs. 3 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 188 1x
- VwGO § 154 1x
- § 48 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 132 1x
- Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 LB 10/17 1x
- § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 48 Abs. 2 BAföG 5x (nicht zugeordnet)
- 7 S 2796/88 1x (nicht zugeordnet)
- § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG 5x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
- § 48 Abs. 1 BAföG 2x (nicht zugeordnet)
- 12 A 2167/13 1x (nicht zugeordnet)
- 1 B 52/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 15 Abs. 3 BAföG 4x (nicht zugeordnet)