Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 LA 212/17
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer, Einzelrichter - vom 12. September 2017 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 16.389,72 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem es seine Klage auf Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 16.389,72 Euro abgewiesen hat, ist nicht begründet. Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Die Zulassungsgründe, auf die sich der Kläger stützt, sind nicht in hinreichendem Maße dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) berufen. Für deren Vorliegen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats erforderlich, dass ein Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung begehrt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie dessen Misserfolg (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Mai 1999 – 2 L 244/98 – juris, Rn. 21). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen jedoch nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; Beschluss vom 20. Dezember 2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838; OVG Schleswig, stRspr., zuletzt Beschluss vom 22. Februar 2018 – 2 LA 61/16 – juris, Rn. 9. m.w.N.; VGH München, Beschluss vom 24. Februar 2006 – 1 ZB 05.614 – juris, Rn. 11). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit das Verfahren nicht infolge der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt wurde, als unzulässig abgewiesen. Dem klägerischen Begehren stehe die Rechtskraft des Urteils der 11. Kammer vom 12. Dezember 2016 (Az. 11 A 58/16) entgegen.
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Der Kläger wendet hiergegen ein, dass Klagegenstand des Verfahrens 11 A 58/16 der Beihilfebescheid der Beklagten vom 20. April 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2016 gewesen sei. Gegenstand des hiesigen Verfahrens sei der Beihilfebescheid der Beklagten vom 20. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2016. Der Beihilfebescheid vom 20. April 2016 sei lediglich in seiner unveränderten Gestalt Gegenstand des Verfahrens 11 A 58/16 gewesen, nicht jedoch in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2016. Die Beklagte habe den Beihilfeanspruch nunmehr erneut inhaltlich geprüft. An den verschiedenen Klagegegenständen ändere sich auch nichts durch die unter dem 30. August 2017 erfolgte Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2016. Der Kläger habe nämlich unter dem 9. Januar 2017 beantragt, ihm Beihilfe auf der Grundlage von § 17 Abs. 2 und 3 Beihilfeverordnung S-H (BhVO) zu gewähren. Die Aufhebung des Widerspruchsbescheides gebe der Beklagten die Möglichkeiten, den letztgenannten Antrag im Rahmen der Entscheidung über den Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung der Beihilfe zu berücksichtigen. Der Antrag des Klägers vom 9. Januar 2017 sei auch nicht Gegenstand des Verfahrens 11 A 58/16 gewesen.
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Die Einwände des Klägers stellen die Richtigkeit des angegriffenen Urteils nicht in Frage. Nach § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. In diesem Umfang tritt damit materielle Rechtskraft ein, d.h. der durch das Urteil ausgesprochene Inhalt ist in jedem Verfahren zwischen den Beteiligten bindend. In einem späteren Prozess sind auch die Gerichte an das rechtskräftige Urteil gebunden (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1995 – 8 C 8.93 – juris, Rn. 12). Von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung der Rechtskraft und ihrer Reichweite ist der Streitgegenstand. Dieser besteht grundsätzlich aus der erstrebten Rechtsfolge, die im Klageantrag zum Ausdruck kommt, und dem Klagegrund, d.h. dem Sachverhalt, aus dem sie sich ergeben soll (BVerwG, Urteile vom 31. August 2011 – 8 C 15.10 – juris, Rn. 20 m.w.N.). Bei Verpflichtungsklagen ist Streitgegenstand die Rechtsbehauptung des Klägers, er sei durch die rechtswidrige Ablehnung oder Unterlassung des beantragten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt. Mit dem Ausspruch des Gerichts ist daher auch die Feststellung verbunden, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zusteht. Im umgekehrten Fall bei Erfolglosigkeit gilt, dass der Kläger nach rechtskräftiger Abweisung einer Verpflichtungsklage bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage nicht mit Erfolg geltend machen kann, dass ihm entgegen der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf den abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakt dennoch zusteht (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. November 1985 – 6 C 22.84 – juris, Rn. 20, m.w.N. und vom 22. September 2016 – 2 C 17.15 – juris, Rn. 13 m.w.N.).
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Sowohl der Klageantrag als auch der Klagegrund sind in den Verfahren 11 A 58/16 und 11 A 5/17 identisch. Im Verfahren 11 A 58/16 begehrte der Kläger mit seiner Antragstellung neben der Aufhebung der Bescheide vom 20. April 2016 und vom 12. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2016 die Verpflichtung der Beklagten, ihm Beihilfeleistungen in Höhe von 16.389,72 € zu gewähren. Diesem Beihilfebegehren lagen Aufwendungen des Klägers im Zeitraum von Anfang Januar 2015 bis zum 31. März 2015 sowie Aufwendungen seiner am 25. März 2015 verstorbenen Ehefrau im Zeitraum vom 21. Dezember 2014 bis zum 30. Juli 2015 zu Grunde. Alleiniges Ziel in dem nunmehr vor dem Verwaltungsgericht angestrengten Verfahren war nach Änderung der Klage ebenfalls die Durchsetzung eines konkret bezifferten Anspruchs auf Beihilfeleistungen in Höhe von 16.389,72 Euro. Dass sich dieses Begehren ebenfalls auf die angeführten Aufwendungen in den Jahren 2014 und 2015 bezieht, ergibt sich daraus, dass der Kläger ursprünglich lediglich die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2016 erreichen wollte. Mit diesem Widerspruchsbescheid wurde der Widerspruch des Klägers gegen den überwiegend ablehnenden Beihilfebescheid vom 20. April 2016 zurückgewiesen. Gegenstand des Bescheides vom 20. April 2016 war der Beihilfeantrag des Klägers vom 19. April 2016, mit dem die benannten Aufwendungen geltend gemacht wurden.
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Da im Falle der Abweisung einer Verpflichtungsklage bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann, dass dem Antragsteller entgegen der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf den abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakt dennoch zusteht, ändert sich im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung des Urteils vom 12. Dezember 2016 im Verfahren 11 A 58/16 nicht dadurch etwas, dass der Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2016 nicht Gegenstand des Verfahrens 11 A 58/16 gewesen ist oder dass nach Aufhebung des Widerspruchsbescheides von der Beklagten noch über den Widerspruch zu entscheiden ist. Es kommt allein darauf an, ob der Antragsteller einen Anspruch auf den abgelehnten Verwaltungsakt hat, hier die Bewilligung einer konkret bezifferten Beihilfeleistung. Das Bestehen eines solchen Anspruchs hat das Verwaltungsgericht bereits im Verfahren 11 A 58/16 mit Urteil vom 12. Dezember 2016 verneint. Hieran ist die Beklagte auch bei der Entscheidung über den nunmehr noch offenen Widerspruch gebunden. Eine der materiellen Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2016 entgegenstehende Änderung der Sach- und Rechtslage ist ebenfalls nicht eingetreten. Maßgeblich für die Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr des BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 23. November 2017 – 5 C 6.16 – juris Rn. 8 m.w.N.).
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Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass der Kläger am 11. Januar 2017 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 2 und 3 BhVO erneut die Gewährung der benannten Beihilfeleistungen beantragt hat. Dem Erfolg dieses Antrags steht ebenfalls die materielle Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2016 entgegen. Die Sach- und Rechtslage hat sich insoweit ebenfalls nicht geändert. Unerheblich ist, ob das Verwaltungsgericht im Verfahren 11 A 58/16 die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 BhVO geprüft hat. Maßgeblich ist allein die Entscheidung über den benannten Streitgegenstand und nicht ob, alle (möglicherweise) in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen auch geprüft wurden. Im Übrigen binden rechtskräftige Urteile unabhängig davon, ob das Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt hat oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. November 1985 – 6 C 22.84 – juris, Rn. 19 m.w.N.).
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Eine Zulassung der Berufung kommt nach den Darlegungen des Klägers auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Betracht. Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Um diese Bedeutung darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Zudem ist darzustellen, dass sie entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 22. November 2017 - 2 LA 117/15 -, Rn. 19, juris).
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Gemessen an diesen Anforderungen sind die im Zulassungsvorbringen aufgeworfenen Fragen:
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1. Ist eine Klage gegen einen Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides unzulässig, wenn über den Ausgangsbescheid vor Erlass des Widerspruchsbescheides rechtskräftig entschieden wurde?
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und
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2. Ob über einen Beihilfeantrag gemäß § 17 Abs. 2 und 3 Beihilfeverordnung trotz rechtskräftiger Entscheidung über einen Beihilfeantrag auch durch Widerspruchsbescheid entschieden werden darf?
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und
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3. Ob die oberste Dienstbehörde gemäß § 17 Abs. 2 und 3 der Beihilfeverordnung befugt ist, abweichend von der Beihilfeverordnung auch bei Versäumung der Jahresfrist in besonderen Härtefällen Beihilfe zu gewähren?
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aus den oben genannten Gründen schon nicht entscheidungserheblich. Die unter 1. gestellte Frage ist auch deshalb nicht entscheidungserheblich, da Streitgegenstand des Verfahrens nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten allein das Verpflichtungsbegehren des Klägers hinsichtlich der Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 16.389,72 € gewesen ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5,
§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
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- VwGO § 152 1x
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- VwGO § 154 1x
- 1 BvR 461/03 1x (nicht zugeordnet)
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- 11 A 5/17 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 LA 61/16 1x
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