Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (14. Senat) - 14 MB 1/18

Tenor

Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 17. Kammer - vom 13. Juni 2018 wird geändert. Die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung der Antragstellerin und die Einbehaltung von 25 Prozent der monatlichen Dienstbezüge in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 27. Februar 2017 werden rückwirkend ab dem 5. Dezember 2017 ausgesetzt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

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Die Antragstellerin, eine Staatsanwältin, ist im Rahmen des gegen sie im August 2014 eingeleiteten Disziplinarverfahrens mit der hier streitgegenständlichen Verfügung des Generalstaatsanwalts vom 27. Februar 2017 vorläufig des Dienstes enthoben worden, zugleich ist die Einbehaltung von 25% der Dienstbezüge angeordnet worden. Das von ihr hiergegen am 5. Dezember 2017 angerufene Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 13. Juni 2018 die Aussetzung dieser Verfügung abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 41 Abs. Satz 1 Landesdisziplinargesetz [LDG], § 67 Abs. 1 Bundesdisziplinargesetz [BDG], § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), nämlich die mangelhafte Beteiligung einer Schwerbehindertenvertretung bzw. des Hauptstaatsanwaltsrats an deren Stelle, führen zur Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und Aussetzung der angegriffenen Verfügung.

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1. Die Zuständigkeit des Senats für das dienstgerichtliche Verfahren folgt aus § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG. Hiernach prüft das Rechtsmittelgericht auch im Eilverfahren nicht die Frage, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (Beschluss des Senats vom 10. März 2014 – 2 MB 6/14; siehe auch OVG Schleswig, Beschluss vom 15. Juli 2015 – 4 MB 14/15 – juris, Rn. 5; OVG Münster, Beschluss vom 10. Februar 2012 – 11 B 1187/11 – juris, Rn. 23 m.w.N.; VGH Mannheim, Beschluss vom 19. November 2007 – 13 S 2355/07 – juris, Rn. 10 m.w.N; VGH München, Beschluss vom 27. März 2014 – 7 CE 14.253 – juris, Rn. 23; a.A.: VGH Mannheim, Beschluss vom 7. Mai 1993 – 11 TH 1563/92 – juris, Rn. 22 f.; OVG Koblenz, Beschluss vom 1. September 1992 – 7 E 11459/92 – juris, Rn. 8 ff.).

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Der Senat weist jedoch darauf hin, dass im vorliegenden Fall nicht der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG i.V.m. §§ 45 ff., 63 BDG eröffnet ist, sondern die Richterdienstgerichte (vgl. § 56 Schleswig-Holsteinisches Richtergesetz [Landesrichtergesetz – LRiG]) zur Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung sowie die Einbehaltung von Dienstbezügen berufen gewesen wären. Gemäß § 122 Abs. 4 Satz 1 Deutsches Richtergesetz (DRiG) entscheiden die Dienstgerichte für Richter in gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte. Dementsprechend sieht das Landesrichtergesetz in § 57 Abs. 2 LRiG ebenfalls vor, dass das Dienstgericht in Disziplinarverfahren gegen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, auch wenn sie sich im Ruhestand befinden, entscheidet.

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Unerheblich ist, dass Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung eine Maßnahme im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens ist, wie dies die vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen nach § 38 Abs. 1 LDG unzweifelhaft darstellt (vgl. hierzu auch Landtags-Drucksache 15/ 1767, Seite 76). Entscheidend ist vielmehr allein, dass eine gerichtliche Entscheidung in einem Disziplinarverfahren gegen eine Staatsanwältin getroffen werden soll. Auch das behördliche Disziplinarverfahren ist Bestandteil des Disziplinarverfahrens. Die hier streitgegenständliche Maßnahme unterscheidet sich nur insofern vom Disziplinarverfahren gegen Richterinnen und Richter, als bei diesen § 73 Abs. 1 Satz 1 LRiG (vgl. auch § 35 DRiG) anordnet, dass das Dienstgericht in Verfahren gegen Richterinnen und Richter auf Antrag der obersten Dienstbehörde über die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Bezügen sowie die Aufhebung dieser Maßnahmen entscheidet, d.h. die Entscheidung wird durch das Dienstgericht anstelle der obersten Dienstbehörde getroffen. Demgegenüber gibt es eine entsprechende Regelung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte nicht, so dass dort die Entscheidung durch die oberste Dienstbehörde – also die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, vgl. § 75 Satz 1 LRiG – getroffen wird. Die aus § 122 Abs. 4 Satz 1 DRiG, § 57 Abs. 2 LRiG folgende Zuständigkeit der Richterdienstgerichte für die gerichtliche Prüfung, ob die vorläufige Dienstenthebung einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts vorläufig auszusetzen ist, wird durch die Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 1 LRiG nicht berührt.

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2. Die die Antragstellerin betreffenden Maßnahmen – vorläufige Dienstenthebung und Einbehalt von Dienstbezügen gemäß § 38 Abs. 1 LDG – leiden bezüglich der Beteiligung einer Schwerbehindertenvertretung gemäß §§ 93 ff. SGB IX a.F. (entsprechen den §§ 176 ff. SGB IX n.F. in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung) unter einem wesentlichen Mangel im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG i.V.m. § 55 BDG. Es bestehen somit jedenfalls ernstliche Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Maßnahmen.

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Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde eine Beamtin gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens unter Einbehaltung von bis zu 50 % der monatlichen Dienstbezüge vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG i.V.m. § 63 Abs. 2 BDG) bestehen, wenn der Verfahrensausgang zumindest offen ist. Im Aussetzungsverfahren ist daher zu prüfen, ob die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei summarischer Beurteilung überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. Beschluss des Senats vom 29. Januar 2018 – 14 MB 3/17 – juris, Rn. 3 m.w.N.).

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Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin insoweit zutreffend geltend, dass es entgegen den Vorgaben der §§ 93 ff. SGB IX a.F. (§§ 176 SGB IX n.F.) an einer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung mangelt. Die Antragsgegnerin hat vor Erlass der Entscheidung über die Disziplinarmaßnahmen eine erforderliche Beteiligung einer Schwerbehindertenvertretung (a) nicht durchgeführt, obwohl für die Antragstellerin mit Bescheid des Landesamtes für soziale Dienste Schleswig-Holstein vom 10. Juni 2015 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt wurde. Dieser Umstand war der Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Entscheidung über die angegriffenen Maßnahmen auch bekannt. Dabei war mangels Bestehen einer Schwerbehindertenvertretung für die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (b) der Hauptstaatsanwaltsrat als Ersatz für die nicht bestehende Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen (c).

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a) Die Verpflichtung des Arbeitgebers bzw. des Dienstherrn, die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. (§ 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F.) in allen Angelegenheiten, die einen Einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören, gilt auch im Disziplinarverfahren. Da die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen schwerbehinderten Beamten noch keine Entscheidung in diesem Sinne ist, ist die Schwerbehindertenvertretung hierüber lediglich zu unterrichten; eine Anhörung der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen muss erst vor Entscheidungen, insbesondere vor dem Erlass einer Disziplinarverfügung bzw. vor der Erhebung einer Disziplinarklage sowie vor einer vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Bezügen erfolgen. Bei den Ermessensentscheidungen über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Dienstbezügen sowie die Höhe des Einbehaltungssatzes hat die Antragsgegnerin die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und dabei auf die persönlichen Umstände und die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen abzustellen, zu denen auch die Schwerbehinderung gehört (vgl. VGH München, Beschluss vom 15. November 2011 – 16a DA 11.1261 – juris, Rn. 22; OVG Bautzen, Beschluss vom 12. August 2014 – D 6 B 78/14 – juris, Rn. 6).

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b) In Schleswig-Holstein bestehen weder auf der Ebene der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel noch auf der Ebene der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht oder auf der Ebene des Ministeriums für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung Schwerbehindertenvertretungen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB IX a.F. (§ 177 Abs. 1 Satz 3 SGB IX n.F.). Eine „ersatzweise“ Beteiligung einer Gesamtschwerbehindertenvertretung oder der Hauptschwerbehindertenvertretung für den nicht-richterlichen Bereich auf der Ebene des Ministeriums für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung bzw. der Schwerbehindertenvertretung dieses Ministeriums als oberste Dienstbehörde ist gesetzlich nicht vorgesehen. Das bloße Untätigbleiben des Dienstherrn bei der Wahl einer Schwerbehindertenvertretung für die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte stellt keinen wesentlichen Mangel des Disziplinarverfahrens dar.

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aa) Die Regelungen zur Beteiligung der Gesamtschwerbehindertenvertretung in § 97 Abs. 6 Satz 1 SGB IX a.F. (§ 180 Abs. 6 Satz 1 SGB IX n.F.) sind vorliegend nicht anwendbar, da es mangels Schwerbehindertenvertretungen auf den Ebenen der Staatsanwaltschaften und der Generalstaatsanwaltschaft keine Gesamtschwerbehindertenvertretung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Sinne von § 97 Abs. 1 SGB IX a.F. (§ 180 Abs. 1 SGB IX n.F.) gibt. Weitere Möglichkeiten zur Beteiligung einer Schwerbehindertenvertretung ergeben sich auch nicht aus § 97 Abs. 6 Satz 2 SGB IX a.F. (§ 180 Abs. 6 Satz 2 SGB IX). Danach gilt § 97 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F. (§ 180 Abs. 6 Satz 1 SGB IX n.F.) entsprechend für die Schwerbehindertenvertretung der obersten Dienstbehörde, wenn bei einer mehrstufigen Verwaltung Stufenvertretungen nicht gewählt sind. Um diese Vorschrift zur Anwendung zu bringen, hätte eine Hauptschwerbehindertenvertretung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Schleswig-Holstein gebildet werden müssen, was nicht der Fall ist.

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Eine Zuständigkeit der Hauptschwerbehindertenvertretung für den nicht-richterlichen Bereich auf der Ebene des Ministeriums für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung folgt aus diesen Vorschriften nicht. Im Gegenteil fordert § 97 Abs. 3 SGB IX a.F. i.V.m. § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB IX a.F. (§ 180 Abs. 3 SGB IX n.F. i.V.m. § 177 Abs. 1 Satz 3 SGB IX n.F.) unmittelbar die Wahl von eigenständigen Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretungen der schwerbehinderten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, sofern auf der höheren Verwaltungsebene eine besondere Personalvertretung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gebildet ist (vgl. Hohmann, in: Wiegand, Kommentar zum SGB IX, Stand: 1/16, § 97 Rn 55). Dies ist in Schleswig-Holstein der Fall. § 53 Abs. 1 Nr. 2 LRiG sieht vor, dass ein Hauptstaatsanwaltsrat bei dem Ministerium für Justiz, Kultur und Europa gebildet wird. Dieser hat gemäß § 53 Abs. 2 LRiG zugleich die Rechte und Pflichten einer Stufenvertretung bei der Behörde der Generalstaatsanwältin oder des Generalstaatsanwalts. Aus dem Vorhandensein einer besonderen Personalvertretung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auf der höheren Verwaltungsebene folgt, dass bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen auf dieser Ebene eine Bezirks- oder Hauptschwerbehindertenvertretung gebildet werden müsste.

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Des Weiteren war auch die bei der obersten Dienstbehörde – hier dem Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung – gebildete Schwerbehindertenvertretung für eine Beteiligung vor dem Ausspruch der Disziplinarmaßnahmen gegenüber der Antragstellerin nicht gemäß § 97 Abs. 6 Satz 2 SGB IX a.F. (§ 180 Abs. 6 Satz 2 SGB IX n.F.) zuständig. Zwar handelt es sich bei der Organisation der Staatsanwaltschaften im Geschäftsbereich des Ministeriums für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung um eine mehrstufige Verwaltung im Sinne dieser Vorschrift, jedoch fehlt es nicht an einer Stufenvertretung für die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Mit dem Begriff der Stufenvertretung in § 97 Abs. 6 Satz 2 SGB IX a.F. (§ 180 Abs. 6 Satz 2 SGB IX) ist nicht die Schwerbehindertenvertretung, sondern die Personalvertretung im Allgemeinen (Personalräte) gemeint (vgl. Hohmann, a.a.O., § 97 SGB IX Rn 109). Vorliegend bestehen – wie bereits erwähnt – mit dem Staatsanwaltsrat und dem Hauptstaatsanwaltsrat entsprechende Stufenvertretungen.

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Dass hiernach ein ersatzweiser Rückgriff auf die Schwerbehindertenvertretung der obersten Dienstbehörde nicht möglich ist, rechtfertigt sich daraus, dass bei dem Vorhandensein einer personalrechtlichen Stufenvertretung diese gemäß § 93 Satz 2 Hs. 2 SGB IX a.F. (§ 176 Satz 2 Hs. 2 SGB IX n.F.) auf die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken hat. Die Errichtung einer besonderen Personalvertretung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und die damit verbundene Möglichkeit und – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – Pflicht zur Wahl einer Schwerbehindertenvertretung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sperrt die Zuständigkeit anderer Schwerbehindertenvertretungen, die in demselben Verwaltungsbereich für andere Beschäftigtengruppen gewählt wurden. Dies gilt auch, wenn die Mindestzahl von jeweils fünf schwerbehinderten Staatsanwälten und Staatsanwältinnen nicht erreicht wird. Auch in einem solchen Fall scheidet die Teilnahme an der Wahl der Schwerbehindertenvertretung der übrigen Beschäftigten aus, wenn – wie hier – das Landesrecht für sie jeweils eigene Personalvertretungen vorsieht. Dies folgt aus der gesetzlichen angeordneten Trennung der Schwerbehindertenvertretungen (vgl. Hohmann, a.a.O., § 94 SGB IX Rn 85).

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bb) Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Antragsgegnerin sei verpflichtet gewesen, gemäß § 94 Abs. 1 Satz 5 SBG IX a.F. (§ 177 Abs. 1 Satz 5 SGB IX n.F.) über eine Zusammenfassung von Dienststellen zu entscheiden, um so die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung zu ermöglichen, verhilft dies der Beschwerde nicht zum Erfolg.

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§ 94 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 SBG IX a.F. (§ 177 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 SGB IX n.F.) regelt, dass Dienststellen, die die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllen, für die Wahl mit räumlich naheliegenden gleichstufigen Dienststellen derselben Verwaltung zusammengefasst werden können. Über die Zusammenfassung entscheidet der Arbeitgeber im Benehmen mit dem für den Sitz der Dienststellen zuständigen Integrationsamt, § 94 Abs. 1 Satz 5 SBG IX a.F. (vgl. zur insoweit gleichlautenden Vorgängerregelung in § 24 Abs. 1 Satz 5 SchwbG: BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 1999 – 6 P 11.98 – juris, Rn. 28). Zweifelhaft ist schon, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zusammenfassung aller oder mehrerer Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein vorliegen. Nach der in der Kommentarliteratur überwiegend vertretenen Auffassung gilt das Erfordernis der räumlichen Nähe von Betrieben auch für die in § 94 Abs. 1 Satz 5 SBG IX a.F. (§ 177 Abs. 1 Satz 5 SGB IX n.F.) genannten Dienststellen (vgl. Pahlen, in: Neumann/ Pahlen/ Winkler/ Jabben, SGB IX, 13. Auflage 2018, § 177 Rn 10; Esser/ Isenhardt, in: jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 177 Rn 15). Ob das Kriterium der räumlichen Nähe bei den in Flensburg, A-Stadt, Itzehoe und Lübeck belegenen Staatsanwaltschaften erfüllt wäre, dürfte aufgrund der jeweils nicht unerheblichen Entfernungen und dadurch bedingten Fahrzeiten zumindest zweifelhaft sein (vgl. hierzu Esser/ Isenhardt, a.a.O., § 177 Rn 15 m.w.N.).

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Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 5 SBG IX a.F. (§ 177 Abs. 1 Satz 5 SGB IX n.F.) vorliegend erfüllt wären, ist maßgeblich, dass eine Pflicht zur Beteiligung einer „originären“ Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. (§ 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F.) bereits deshalb nicht gegeben war, weil – wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat – eine Schwerbehindertenvertretung tatsächlich nicht bestanden hat (so auch OVG Weimar, Beschluss vom 18. Juli 2018 – 2 EO 693/17 – juris, Rn. 22).

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cc) Schließlich besteht auch keine gesetzliche Pflicht des Dienstherrn, auf die Bildung einer Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken, dies ist vielmehr Aufgabe der Staatsanwaltsräte. Dies ergibt sich aus der in den Regelungen zur Schwerbehindertenvertretung im SGB IX angelegten Aufgabenverteilung zwischen den Personalvertretungen, dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn und dem zuständigen Integrationsamt. Im Einzelnen:

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Im Hinblick auf die besondere gesetzliche Funktion der Schwerbehindertenvertretung zur Wahrnehmung der Interessen der schwerbehinderten Menschen verpflichtet § 93 Satz 2 Hs. 2 SGB IX a.F. (§ 176 Satz 2 Hs. 2 SGB IX n.F.) die benannten Personalvertretungen, wozu auch die Staatsanwaltsräte gehören, auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken (vgl. Esser in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 176 SGB IX, Rn. 21). Die Verbindlichkeit der Verpflichtung ist durch die Ersetzung der früheren Soll-Vorschrift durch eine strikte Regelung besonders hervorgehoben (durch die am 1. August 1986 in Kraft getretene Regelung des § 23 SchwbG in der Fassung vom 26. August 1986, BGBl I S. 1421, berichtigt S. 1550; vgl. BT-Drucks 10/3138 S. 21 ff.; vgl. auch Hohmann, a.a.O., § 93 Rn. 63; Mushoff in: Hauck/ Noftz, SGB, 12/16, § 93 SGB IX, Rn. 22).

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Auch wenn die allgemeinen Interessenvertretungen die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung nicht erzwingen können, stehen ihnen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um auf eine Wahl hinzuwirken. Gegebenenfalls müssen sie das zuständige Integrationsamt auf das Nichtvorhandensein einer Schwerbehindertenvertretung hinweisen und einfordern, dass dieses von seinem gesetzlichen Recht zur Einladung einer Versammlung der schwerbehinderten Menschen zur Wahl eines Wahlvorstands (§ 94 Abs. 6 Satz 4 SGB IX a.F., § 177 Abs. 6 Satz 4 SGB IX n.F.) Gebrauch macht (vgl. Hohmann, a.a.O., § 93 SGB IX Rn. 67; Esser in: Schlegel/ Voelzke, a.a.O., § 176 SGB IX, Rn. 21). Die Personalvertretungen können nach § 1 Abs. 2 Satz 2 der Wahlordnung der Schwerbehindertenvertretungen (SchwbVWO) allerdings auch selbst die schwerbehinderten Menschen zu einer Versammlung einladen. Dazu sind sie verpflichtet, wenn ein entsprechendes Interesse der schwerbehinderten Menschen an der Wahl einer Schwerbehindertenvertretung erkennbar ist (vgl. Hohmann, a.a.O., § 93 SGB IX Rn. 67).

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Im Rahmen ihrer dargestellten Verpflichtung haben die allgemeinen Interessenvertretungen zum Beispiel auch darauf zu achten und ggf. hinzuwirken, dass räumlich naheliegende Betriebe oder gleichstufige Dienststellen derselben Verwaltung zusammengefasst werden, damit die Voraussetzungen für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung erfüllt werden (vgl. Hohmann, a.a.O., § 93 SGB IX Rn. 64; Esser in: Schlegel/ Voelzke, a.a.O., § 176 SGB IX, Rn. 21). Erst nach einer entsprechenden Initiative durch die Staatsanwaltsräte oder den Hauptstaatsanwaltsrat wäre daher das Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung als Arbeitgeber im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB IX a.F. (§ 177 Abs. 1 Satz 5 SGB IX n.F.) verpflichtet, über eine Zusammenfassung der Staatsanwaltschaften zur Wahl einer Schwerbehindertenvertretung zu entscheiden.

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Eine Initiativpflicht des Dienstherrn zur Errichtung einer Schwerbehindertenvertretung gemäß § 93 ff. SGB IX a.F. (§ 176 ff. SGB IX n.F.) ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 7 MBG S-H. Danach sorgen der Personalrat und die Dienststelle gemeinsam dafür, dass die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung durchgeführt wird. Sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift als auch unter Berücksichtigung der dargestellten Aufgabenverteilung nach den Vorgaben des SGB IX ergibt sich, dass eine Mitwirkungspflicht der Dienststelle nur für das konkrete Stadium der Wahl besteht. Eine Initiativpflicht wie sie für die Personalvertretung besteht, lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten.

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c) Ein wesentlicher Mangel im Disziplinarverfahren im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG i.V.m. § 55 BDG liegt jedoch deshalb vor, weil der Hauptstaatsanwaltsrat im Rahmen seiner Beteiligung vor Erlass der angefochtenen Disziplinarmaßnahmen nicht auf die Schwerbehinderung der Antragstellerin hingewiesen wurde und somit nicht als Ersatz für die nicht bestehende Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. (§ 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F.) beteiligt wurde.

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aa) Die Antragstellerin rügt insoweit die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach der Hauptstaatsanwaltsrat nicht als Ersatz für die nicht existierende Schwerbehindertenvertretung habe beteiligt werden können, da die Antragstellerin ihre Zustimmung zur Beteiligung des Hauptstaatsanwaltsrats nicht erteilt habe. Sie - die Antragstellerin - habe ihre Zustimmung erteilt und es sei auch zu einer entsprechenden Beteiligung gekommen. Dem Hauptstaatsanwaltsrat sei jedoch nicht bekannt gewesen, dass er (auch) als Ersatz für eine Schwerbehindertenvertretung habe beteiligt werden sollen.

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Aus den dem Senat vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass eine Beteiligung des Hauptstaatsanwaltsrats stattgefunden hat. Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren eine Stellungnahme des Hauptstaatsanwaltsrats vom 6. Juli 2018 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass dieser im Rahmen der Anhörung vor dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen nicht auf die Schwerbehinderung der Antragstellerin hingewiesen wurde. Die Antragsgegnerin führt in ihrer Beschwerdeerwiderung ebenfalls aus, dass die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2016 ihre Zustimmung zur Mitbestimmung durch den Hauptstaatsanwaltsrat erteilt habe. Aus dem Verwaltungsvorgang, auf die die Antragsgegnerin Bezug nimmt, ergibt sich zudem, dass die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2016 ihre Zustimmung zur Mitbestimmung durch den Hauptstaatsanwaltsrat erklärt hat. Im selben Schriftsatz hat sie auch ihr Einverständnis erteilt, dass drei Mitglieder des Hauptstaatsanwaltsrats in die Personalakte der Antragstellerin Einsicht nehmen dürften. Bereits mit Schriftsatz vom 23. September 2016 hat die Antragstellerin erklärt, dass sie auf eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nicht verzichtet.

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Die Antragsgegnerin hätte vor dem Erlass der angefochtenen Disziplinarmaßnahmen demzufolge den Hauptstaatsanwaltsrat als Ersatz für die nicht existierende Schwerbehindertenvertretung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. (§ 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F.) anhören müssen. Dafür hätte die Antragsgegnerin den Hauptstaatsanwaltsrat über die Behinderung der Antragstellerin informieren müssen, damit dieser die besonderen Belange der Antragstellerin als Schwerbehinderte berücksichtigen kann. Dies ist nicht geschehen.

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Die Aufgabe des Hauptstaatsanwaltsrats zur Wahrnehmung der Rechte einer Schwerbehindertenvertretung ergibt sich aus § 93 Satz 2 Hs. 2 SGB IX a.F. (§ 176 Satz 2 Hs. 1 SGB IX n.F.) und dem Regelungszusammenhang der §§ 94 ff. SGB IX a.F. (§§ 177 ff. SGB IX n.F.). Nach § 93 Satz 2 Hs. 1 SGB IX a.F. (§ 176 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 SGB IX n.F.) achten die Staatsanwaltsräte insbesondere darauf, dass die dem Arbeitgeber nach §§ 71, 72 und 81 bis 84 SGB IX a.F. (§§ 154, 155 und 164 bis 167 SGB IX n.F.) obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden. Diese Aufzählung ist wegen der Verwendung des Begriffs „insbesondere“ ersichtlich nicht abschließend. Solange etwa keine Schwerbehindertenvertretung existiert, obliegt es allein den in § 93 SGB IX a.F. (§ 176 SGB IX n.F.) genannten Vertretungen, die besonderen Belange der schwerbehinderten Beschäftigen zu wahren (vgl. Rolfs, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 1. Dezember 2017, Vorbemerkung zu § 176). Hierfür ist es erforderlich, die jeweilige Personalvertretung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. (§ 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F.) unter Hinweis auf die Schwerbehinderung der betroffenen Person anzuhören.

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Die Berechtigung und Verpflichtung zur Beteiligung des Hauptstaatsanwalts als Schwerbehindertenvertretung ergibt sich zudem aus dem dargestellten Regelungszusammenhang zur Zuständigkeit übergeordneter Schwerbehindertenvertretungen in § 97 Abs. 6 SGB IX a.F. (§ 180 Abs. 6 SGB IX n.F.). Ein Rückgriff auf die Schwerbehindertenvertretung bei der obersten Dienstbehörde ist gerade deshalb nicht möglich, weil mit dem Staatsanwaltsrat und dem Hauptstaatsanwaltsrat Personalvertretungen existieren, die auf eine Wahl der Schwerbehindertenvertretung hinwirken sollen. Fehlt es – egal aus welchen Gründen – an einer (originären) Schwerbehindertenvertretung, ist es konsequent, dass die jeweilige Personalvertretung deren Aufgaben wahrnimmt, um so den Schutzzweck der Regelungen des SGB IX zu verwirklichen.

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bb) Der in der unterlassenen Unterrichtung des Hauptstaatsanwaltsrats über die Schwerbehinderteneigenschaft liegende Mangel des Disziplinarverfahrens ist auch als wesentlich einzustufen und hindert deshalb den Ausspruch der angeordneten vorläufigen Maßnahmen. Dabei tritt hinsichtlich der Frage, ob die Verletzung von Vorschriften über das Verfahren – darum handelt es sich bei der unterlassenen Unterrichtung des Hauptstaatsanwaltsrats – unerheblich ist, in Disziplinarverfahren der Rechtsgedanke der § 115 LVwG, § 46 VwVfG hinter die spezielle Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 55 BDG zurück (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 2 C 15.09 – juris, Rn. 19).

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Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG i.V.m. § 55 BDG, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des behördlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (vgl. BT-Drucks 14/4659 S. 49 zur Abgrenzung wesentlicher Mängel von der Verletzung „bloßer Ordnungsbestimmungen"). Hingegen kommt es für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels weder darauf an, ob er behebbar ist noch darauf, ob und ggf. wie intensiv schutzwürdige – insbesondere grundrechtsbewehrte – Rechtspositionen Betroffener durch den Mangel berührt worden sind. Maßgeblich ist wegen der Funktion des Disziplinarverfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Dienstvergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen, vielmehr die Ergebnisrelevanz. Nur solche Mängel sind wesentlich und bedürfen einer Korrektur oder führen zur Einstellung des Verfahrens nach § 55 Abs. 3 Satz 3 BDG, bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, dass sie das Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens verändert haben könnten. Wann ein Mangel in diesem Sinne wesentlich ist, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 2 C 15.09 – juris, Rn. 19).

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Die Wesentlichkeit des hier vorliegenden Verfahrensmangels folgt bereits aus dem Umstand, dass – wie eingangs unter a) dargestellt – bei den Entscheidungen über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Dienstbezügen sowie die Höhe des Einbehaltungssatzes die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind und dabei auf die persönlichen Umstände und die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen abzustellen ist, zu denen auch die Schwerbehinderung gehört. Die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels ergibt sich aber auch unabhängig davon aus der gesetzlich angeordneten Fehlerfolge im Falle des Unterlassens einer erforderlichen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. (§ 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX n.F.) bestimmt, dass die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung auszusetzen und die Beteiligung nachzuholen ist; anschließend ist endgültig zu entscheiden. Obwohl § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. (§ 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F.) lediglich eine Anhörungs- und keine Zustimmungspflicht der Schwerbehindertenvertretung vorsieht, geht der Gesetzgeber damit offensichtlich davon aus, dass in dem Unterlassen der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ein derart gravierender Mangel liegt, der vorbehaltlich seiner Heilung der Vollziehung einer den schwerbehinderten Beschäftigten betreffenden Maßnahme entgegensteht (so im Ergebnis auch OVG Bautzen, Beschluss vom 12. August 2014 – D 6 B 78/14 – juris, Rn. 6 ff; VGH München Beschluss, vom 28. Oktober 2008 – 16b D 07.1213 – juris, Rn. 1 und Beschluss vom 15. November 2011 – 16a DA 11.1261 – juris, Rn. 22). Es kommt insofern nicht darauf an, ob ein Verstoß gegen § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. (§ 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F.) zur Rechtswidrigkeit der zugrundeliegenden Maßnahme(n) führt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2010 – 2 B 39.10 – juris, Rn. 6 m.w.N. und vom 15. Februar 1990 – 1 WB 36.88 – juris, Rn. 32; siehe auch OVG Münster, Beschluss vom 19. Juni 2007 – 6 B 383/07 – juris, Rn. 17; OVG Münster, Urteil vom 15. März 2010 – 6 A 4435/06 – juris, Rn. 54 ff.).

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d) Sowohl die vorläufige Dienstenthebung als auch die Kürzung der Dienstbezüge waren mit rückwirkender Kraft aufzuheben, da die Antragstellerin Anspruch auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung nicht erst im Entscheidungszeitpunkt durch den Senat hat, sondern im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG für den gesamten Zeitraum, in dem die Maßnahme ihre Rechte beeinträchtigt hat, jedoch nicht vor Anrufung des Gerichts (ebenso: OVG Bautzen, Beschluss vom 12. August 2014 – D 6 B 78/14 –, Rn. 9, juris, m.w.N. ).

32

Hierzu merkt der Senat vorsorglich an: Mit der rückwirkenden Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung entfällt die Rechtsgrundlage für das Fernbleiben der Antragstellerin vom Dienst. Gleichwohl ist die Antragstellerin bislang nicht schuldhaft dem Dienst ferngeblieben, weil sie durch die Vollziehbarkeit der Anordnung über die vorläufige Dienstenthebung (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 LDG) gehindert war, ihre Dienstpflichten zu erfüllen.

33

e) Die fehlende oder fehlerhafte Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ist zwar nach § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. (§ 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX n.F.) grundsätzlich heilbar (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 12. August 2014 – D 6 B 78/14 – juris, Rn. 6 mit Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 27. April 1983 – 2 WDB 2/83 – BVerwGE 76, 82, 87), dies führt aber nicht zur Anwendung des Mängelbeseitigungsverfahrens nach § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 55 Abs. 3 BDG. Das Mängelbeseitigungsverfahren gilt nur für das Disziplinarklageverfahren. Eine Notwendigkeit zur entsprechenden Anwendung im gerichtlichen Verfahren über die Aussetzung einer vorläufigen Dienstenthebung besteht nicht. Denn während im Disziplinarklageverfahren aufgrund der Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 61 BDG anderenfalls ein Klageverbrauch einträte, ist es dem Dienstherrn unbenommen, nach Beteiligung des Hauptstaatsanwaltsrats mit dem Hinweis auf die Schwerbehinderung der Antragstellerin erneut über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Dienstbezügen zu entscheiden.

34

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass für etwaige Rechtsmittel der Antragsgegnerin gegen eine nach Beteiligung des Hauptstaatsanwalts als Schwerbehindertenvertretung getroffene neue Entscheidung nach den obigen Ausführungen (zu 1.) die Zuständigkeit der Richterdienstgerichte gegeben ist.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 2 VwGO.

36

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 152 Abs. 1 VwGO).


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