Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (14. Senat) - 14 MB 3/17

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 17. Kammer - vom 7. November 2017 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. November 2017 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 67 Abs. 1 BDG, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht infrage.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung (1.) sowie der Einbehaltung von 30 % der monatlichen Dienstbezüge (2.) zu Recht abgelehnt, weil keine ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Anordnung bestehen (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG i.V.m. § 63 Abs. 2 BDG), sie sich also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweist. Über die Beschwerde konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (3.)

3

Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde eine Beamtin gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens unter Einbehaltung von bis zu 50 % der monatlichen Dienstbezüge vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG i.V.m. § 63 Abs. 2 BDG) bestehen, wenn der Verfahrensausgang zumindest offen ist. Im Aussetzungsverfahren ist daher zu prüfen, ob die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei summarischer Beurteilung überwiegend wahrscheinlich ist (Senatsbeschluss vom 5. Januar 2018 – 14 MB 2/17 – juris Rn. 2 m.w.N.; vgl. zu diesem Maßstab bei der sachgleichen Vorschrift des § 38 BDG: BT-Drs. 14/4659, S. 45, 50; BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2009 – 2 AV 4.09 –, juris Rn. 12, 14; OVG Saarlouis, Beschluss vom 24. Juli 2007 – 7 B 313/07 –, juris Rn. 15; OVG Münster, Beschluss vom 14. November 2007 – 21d B 1024/07.BDG –, juris Rn. 4, 6; VGH Mannheim, Beschluss vom 9. März 2011 – DL 13 S 2211/10 –, juris Rn. 18; OVG Berlin, Beschluss vom 13. September 2017 – OVG 82 S 1.17 –, juris Rn. 3; VGH München, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – 16a DS 13.706 – Rn. 18; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Januar 2018 – 6 ZD 3/17 – juris Rn. 4).

4

Die Sachprüfung in einem vorläufigen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 LDG iVm. § 63 Abs. 1 und 2 BDG, das durch einen ohne mündliche Verhandlung ergehenden Beschluss abgeschlossen wird, muss sich hinsichtlich der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen seinem Wesen nach auf eine summarische Bewertung und entsprechende Wahrscheinlichkeitserwägungen beschränken. Für eine eingehende Beweiserhebung ist nach der gesetzlichen Regelung kein Raum (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2006 – 2 WDB 6.05 -, juris Rn. 24 mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung; VGH München, Beschlüsse vom 16. Dezember 2011 – 16b DS 11.1892 – juris Rn. 36 und vom 11. Dezember 2013 a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 16. Mai 2012 – DB B 2/12 – juris Rn. 19; OVG Saarlouis, Beschluss vom 24. Juli 2007 – 7 B 313/07 – juris Rn. 10; OVG Bautzen, Beschluss vom 19. August 2010 – D 6 B 115/10 – juris Rn. 7). Dabei ist ein hinreichend begründeter Verdacht für ein Dienstvergehen erforderlich, der sich regemäßig bereits aus der Erhebung der öffentlichen Anklage im sachgleichen Strafverfahren (§ 170 StPO) oder der Eröffnung des Hauptverfahrens ergibt (§ 203 StPO; vgl. dazu die stRspr. des 2. Wehrdienstsenats des BVerwG, Beschluss vom 17. März 2005 – 2 WDB 1.05 –, juris, Rn. 5 m.w.N.), sofern das danach im Raum stehende Dienstvergehen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt.

5

1. Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung zu Recht abgelehnt. Denn bei summarischer Prüfung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis überwiegend wahrscheinlich. Spätestens mit der Eröffnung des Hauptverfahrens wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit liegt ein hinreichend begründet Verdacht für ein Dienstvergehen der Beamtin vor, das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt.

6

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorteilsannahme ist ein Beamter, der sich wegen Bestechlichkeit strafbar macht, im Regelfall aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2014 - 2 B 70.13 -, juris, Rn. 9). Dem Verbot der Vorteilsannahme in Bezug auf das Amt kommt als Bestandteil der Dienstpflicht zur uneigennützigen Amtsführung herausragende Bedeutung zu. Ein Beamter, der hiergegen verstößt, zerstört regelmäßig das Vertrauen, dass für eine weitere Tätigkeit als Beamter, d.h. als Organ des Staates, erforderlich ist. Eine rechtsstaatliche Verwaltung ist auf die berufliche Integrität des Berufsbeamtentums zwingend angewiesen. Jeder Eindruck, ein Beamter sei für Gefälligkeiten offen oder käuflich, beschädigt das unverzichtbare Vertrauen in die strikte Bindung des Verwaltungshandelns an Recht und Gesetz und damit die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Diese kann ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn keine Zweifel daran aufkommen, dass es bei der Aufgabenwahrnehmung mit rechten Dingen zugeht (stRspr., vgl. zuletzt BVerwG, vom 20. Januar 2014 – 2 B 89.13 – juris Rn. 11 f., vom 20. Dezember 2013 - 2 B 44.12 -, juris, Rn. 11 und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 62.11 – juris Rn. 26, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 62.11 – juris Rn. 26).

7

Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht … hat am 10. September 2014 u.a. wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit gemäß § 332 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit Verletzung von Privatgeheimnissen gemäß § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB in sieben Fällen Anklage vor der Großen Strafkammer des Landgerichts … erhoben. Darin wirft sie der Antragstellerin, die zu den Tatzeitpunkten als Kriminaloberkommissarin in den Kommissariaten … und … der Kriminalpolizeistelle … ihren Dienst versah, vor, in … im Zeitraum August 2011 bis zum 4. Dezember 2012 in sieben Fällen gegen Zahlung von jeweils zehn Euro für den (strafrechtlich) gesondert verfolgten …, der seinerzeit in der Rockergruppierung „…“ unter anderen die Funktion des 2. Sergeant of arms ausübte und ihr zwecks Ermittlung von Namen und Anschriften die amtlichen Kennzeichen verschiedener Kraftfahrzeuge nannte, Halteranfragen über das zentrale Verkehrsinformationssystem „ZEVIS“ vorgenommen und sich damit einer Bestechlichkeit in Tateinheit mit einer Verletzung von Privatgeheimnissen gemäß § 332 Abs. 1, § 203 Abs. 2 Nr. 2, §§ 52 f. StGB schuldig gemacht zu haben. Zudem soll sie danach in fünf Fällen eine Strafvereitelung im Amt (§§ 258, 258a StGB) begangen haben, indem sie Ermittlungsverfahren nicht gefördert haben soll. In zwei Ermittlungsverfahren soll sie Unterlagen in ihrer Wohnung gelagert und in drei Ermittlungsverfahren Kollegen dazu veranlasst haben, wahrheitswidrig die Verfahren in dem elektronischen Erfassungssystem als abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht … abgegeben zu registrieren. Dadurch soll sie während eines Zeitraums von vielen Monaten verhindert haben, dass ihre Dienstvorgesetzten die nicht erfolgte Erledigung der Vorgänge bemerkten.

8

Mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 hat die 7. Große Strafkammer des Landgerichts … die Anklage abweichend mit der Maßgabe zugelassen, dass die Angeklagte bezüglich der Tatvorwürfe der Strafvereitelung im Amt lediglich einer Versuchsstrafbarkeit hinreichend verdächtig sei und den insoweit darüber hinaus gehenden Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt; im Übrigen die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.

9

Die Beschwerde bringt dagegen gewichtige Gründe – etwa solche, die eine abweichende Wertung der Strafkammer rechtfertigten - nicht vor.

10

Soweit die Antragstellerin mutmaßt, die Zulassung der Anklageschrift und die Eröffnung des Hauptverfahrens am 5. Oktober 2017 sei auf Veranlassung der Landgerichtspräsidentin erfolgt, da zuvor ein intensiver Kontakt zwischen der Leitenden Oberstaatsanwältin und dem Dienstherrn vorangegangen sei, und in diesem Zusammenhang ein Schreiben der Leitenden Oberstaatsanwältin an die Präsidentin des Landgerichts … vom 16. März 2017 vorlegt, in dem diese um zügige Bearbeitung des Strafverfahrens bittet, ändert dies nichts an der Zulassung der Anklageschrift und der Eröffnung des Hauptverfahrens. Ungeachtet der von der Antragstellerin unterstellten Einflussnahme auf das erkennende Strafgericht hat dies offensichtlich eine beschleunigte Bearbeitung der Sache durch die mit 13 Haftsachen belastete Strafkammer nicht bewirkt. Immerhin ist die Anklageschrift erst sechs Monate nach dem in Bezug genommenen Schreiben zugelassen worden. Insoweit erschließt sich auch nicht, inwieweit das Schreiben der Leitenden Oberstaatsanwältin den von der Antragstellerin suggerierten inhaltlichen Einfluss auf die Prüfung des hinreichenden Tatverdachtes durch die Strafkammer gehabt haben soll. Strafsachen werden nach Alter und Dringlichkeit bearbeitet. Dabei sind Haftsachen wegen des verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebotes sowohl im Hinblick auf den Beginn der Hauptverhandlung vor Ablauf von sechs Monaten als auch wegen der zu gewährleistenden Verhandlungsintensität (mindestens zwei Sitzungstage in der Woche) vorrangig zu erledigen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 - und 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 - juris, Leitsätze). Nach diesen Grundsätzen verfährt auch diese Strafkammer, wie sich bereits aus einem Vermerk des Vorsitzenden vom 5. Dezember 2017 ergibt. Danach kann das Strafverfahren wegen der Belastung der Kammer mit 13 Haftsachen nicht zeitnah gefördert werden.

11

Soweit die Antragstellerin weiterhin rügt, das Verwaltungsgericht habe ihren im behördlichen Disziplinarverfahren an die Antragsgegnerin gerichteten Schriftsatz vom 5. Mai 2017 und ihre protokollierten Angaben im Rahmen des Zustimmungsverfahrens des Personalrats nicht zur Kenntnis genommen, „geschweige denn gewürdigt“ und damit ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt, fehlt es teilweise bereits an einer konkreten Darlegung des angeblich übergangenen Vortrags. Angaben der Antragstellerin im Zustimmungsverfahren des Personalrates konnte weder das Verwaltungsgericht noch der Senat berücksichtigen, weil sie nicht vorliegen. Es ist Aufgabe der Beschwerdeführerin, die den Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bestimmt, ihre Ausführungen vor dem Personalrat darzulegen. Dies hat sie nicht getan.

12

Aber auch soweit der an die Antragsgegnerin gerichtete Schriftsatz vom 5. Mai 2017 der Beschwerde als Anlage erneut beigefügt worden ist, genügt die Beschwerde bereits nicht den in (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 67 Abs. 1 BDG,) § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genannten Darlegungsanforderungen. Die Beschwerde muss die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden tragenden Überlegungen, die in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht für falsch oder unvollständig gehalten werden, genau bezeichnen und sodann im Einzelnen ausführen, warum diese unrichtig sind, welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben und was richtigerweise zu gelten hat. Eine reine Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen genügt diesen Anforderungen ebenso wenig wie dessen schlichte Wiederholung oder die bloße Behauptung, der Vortrag sei nicht zur Kenntnis genommen und nicht gewürdigt worden (OVG Münster, Beschluss vom 12. November 2015 - 6 B 939/15 -, juris Rn. 5 m.w.N.; vgl. auch VGH Kassel, Beschlüsse vom 5. Januar 2004 - 9 TG 2872/03 - , juris Rn.. 8 und vom 24. März 2016 – 28 A 2764/15.D – juris Rn. 25; VGH München, Beschluss vom 8. September 2015 - 11 CE 15.1587 -, juris Rn. 10). Aber selbst wenn man die Darlegungsanforderungen insoweit als erfüllt ansähe, vermag dies der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

13

Soweit die Antragstellerin in dem in Bezug genannten Schriftsatz bestreitet, von dem strafrechtlich gesondert verfolgten … Geldzahlungen gefordert, sich hat versprechen sowie erhalten zu haben, und behauptet, sie sei vielmehr, als … erfahren habe, dass sie Polizistin sei, von diesem genötigt, bedroht, wenn nicht sogar erpresst worden, die Halteranfragen durchzuführen, muss die Würdigung ihrer und der Aussage des strafrechtlich verfolgten … einer Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens bzw. einer mündlichen Verhandlung der Hauptsache im Disziplinarverfahren vorbehalten bleiben.

14

Ausreichend ist - wie bereits ausgeführt -, dass auch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht … beide Aussagen zur Kenntnis genommen sowie gewürdigt und dennoch einen hinreichenden Tatverdacht, der Voraussetzung für die Erhebung einer Anklage ist, angenommen hat. Dazu hat die Staatsanwaltschaft im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen ausgeführt: Soweit die Angeschuldigte behauptet, sie sei durch den gesondert verfolgten … gezwungen worden, die ihr vorgeworfenen Handlungen auszuführen, und bestreitet, dafür eine Gegenleistung erhalten zu haben, sei diesen Angaben kein Glauben zu schenken. Von Bedeutung seien die Erklärungen des gesondert verfolgten … während der verantwortlichen Vernehmungen am 1. Oktober 2012 und am 2. Januar 2013. Dabei habe der gesondert verfolgte … nicht nur die Angeschuldigte, sondern sich selbst belastet. Der gesondert verfolgte … habe von vornherein klargestellt, dass er für jede Abfrage eines Kennzeichens durch die Angeschuldigte und die anschließende Weitergabe der dabei erlangten Informationen einen Betrag in Höhe von zehn Euro an die Angeschuldigte geleistet habe. Die Übergabe des Bargeldes sei entweder auf einem Sportplatz des FC … oder in der von ihm genutzten Immobilie erfolgt. Es bestünde kein Anlass, daran zu zweifeln, dass die Bekundungen des gesondert verfolgten … mit der Wahrheit übereinstimmten. Die Angaben des gesondert verfolgten … führten hinsichtlich seiner eigenen Person zu einer erheblichen Erhöhung der gegen ihn zu verhängenden Strafe. Es gebe kein Motiv, das den gesondert verfolgten … dazu bewogen haben könnte, die Angeschuldigte wahrheitswidrig zu belasten. Zudem würden die Erklärungen des gesondert verfolgten … durch die Aussagen seiner Ehefrau, der Zeugin …, während der Vernehmungen am 2. Oktober 2012 und 18. Dezember 2012 bestätigt. Dagegen hätten die umfangreichen und sorgfältigen Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die sich auf etwaige Bedrohungen beziehenden Angaben der Angeschuldigten zutreffend seien. Die Angeschuldigte habe keinem ihrer Freunde oder keiner ihrer Freundinnen vor der Durchsuchung von „Einschüchterungen“ berichtet. Erst nachdem die Angeschuldigte Kenntnis von den gegen sie geführten Ermittlungen erlangt habe, habe sie in Gesprächen mit ihren Bekannten geäußert, sie sei bedroht worden. Die im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens vernommenen Zeuginnen und Zeugen, die in dem relevanten Zeitraum einen erheblichen Teil ihrer Freizeit mit der Angeschuldigten verbracht haben, hätten übereinstimmend geschildert, bei der Angeschuldigten keine Veränderungen wahrgenommen zu haben (vgl. Seite 33 bis 36 der Anklageschrift vom 10. September 2014).

15

Das Landgericht hat danach die Anklageschrift zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.

16

Dagegen ist nichts zu erinnern. Im Gegenteil: In einer Vielzahl von Strafverfahren wird ein hinreichender Tatverdacht bei einer von den Angaben des Angeschuldigten abweichenden Zeugenaussage angenommen. Ob sich die Aussage auch weiterhin als belastbar darstellt, bleibt nach Vernehmung der richterlichen Überzeugungsbildung in der Hauptverhandlung vorbehalten. Dazu gehört auch die Vernehmung etwaiger weiterer Zeugen zur Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen, wie der von der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 5. Mai 2017 als Zeugen benannte Staatsanwalt … und Rechtsanwalt … . Ihr Einwand, der Zeuge … stünde der Staatsanwaltschaft als Beweismittel nicht mehr zu Verfügung, weil das Landgericht das Strafverfahren gegen beide, also gegen die Antragstellerin und … miteinander zur gemeinsamen Verhandlung verbunden habe und … sich nunmehr als Mitangeklagter auf sein Schweigerecht berufen werde, verfängt ebenso nicht. Zum einen hätte sich … auch als Zeuge auf sein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) berufen können, soweit er sich durch seine Aussage - was vorliegend der Fall sein dürfte - selbst belastet hätte. Zum anderen - und in diesem Punkt irrt die Antragstellerin - steht der Strafkammer … zur Überführung der Antragstellerin nicht als einziges Beweismittel zur Verfügung. Denn in Fällen, in denen sich bereits im Ermittlungsverfahren polizeilich als Beschuldigte oder als Zeugen vernommene Angeklagte im weiteren Verlauf des Strafverfahrens auf ihr Schweigerecht bzw. ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen, werden die Vernehmungsbeamten als Zeugen vernommen. Auch die Würdigung dergestalt eingeführter Angaben von Angeklagten bzw. Zeugen bleibt der Strafkammer in der Hauptverhandlung vorbehalten.

17

Soweit die Antragstellerin die Eröffnung des Strafverfahrens hinsichtlich des Vorwurfs der versuchten Strafvereitelung im Amt für nicht gerechtfertigt hält, muss sich der Senat dazu nicht verhalten. Denn, wie oben bereits ausgeführt, dürfte allein der Vorwurf der Bestechlichkeit zur Entfernung aus dem Dienst führen.

18

Offen lassen kann der Senat auch, ob die Antragstellerin ungeachtet der Erweislichkeit der vorgeworfenen Bestechlichkeit im Strafverfahren bereits nach ihren eigenen Angaben – sie räumt die Halterabfragen für … ein und bestreitet lediglich, dies gegen Zahlung getan zu haben, sondern gibt als Motiv an, von diesem bedroht worden zu sein – eine Dienstpflichtverletzung begangen hat, die die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis überwiegend wahrscheinlich macht. Denn danach hat sie in sieben Fällen Daten von Kfz-Haltern aus dem (polizei-) behördlichen Daten-System „ZEVIS“ an … weitergegeben und damit jeweils ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gemäß § 37 Abs. 1 BeamtStG verletzt. Zugleich hat sie damit auch gegen die ihr obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen, indem sie sich einer Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht hat. Durch diese innerdienstlichen Pflichtverletzungen hätte die Antragstellerin ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.

19

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 29. Oktober 2013 – 1 D 1.12 -, juris, Leitsatz 2 und Rn. 42) kommt die disziplinarische Höchstmaßnahme als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zwar nur bei schwerwiegenden Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs in Betracht, etwa wegen der Sensibilität der Erkenntnisse oder Daten (z.B. solchen des höchstpersönlichen Bereichs) oder wegen der Art des Zugriffs (z.B. bei Überwindung besonderer Sicherheitsvorkehrungen). Bei der unbefugten Weitergabe von Kfz-Halter Daten aus einem (polizei-) behördlichen Datensystem ist das grundsätzlich nicht der Fall. Allerdings könnten die Intension der Halterabfragen und der Zweck ihrer weiteren Verwendung sanktionserschwerend in den Blick zu nehmen sein. Dazu hat die Antragsgegnerin in ihrer Anordnung ausgeführt, „dass eine Polizeibeamtin, die unter Ausnutzung polizeilicher Informationssysteme Personendaten Straftätern zur Verfügung stelle und diese sich letztlich in kriminellen Rockerkreisen wiederfinden, sodass sich deren Mitglieder in ihrem mit illegalen Mitteln geführten Konkurrenzkampf mit anderen Rockergruppierungen Vorteile verschaffen können“, im Kernbereich ihrer Dienstpflichten versagt habe. Zudem dürfte es vor diesem Hintergrund zweifelhaft sein, ob die von der Antragstellerin behauptete Nötigung bzw. notstandsähnliche Lage - … soll sie mit den Worten „Du willst doch sicherlich nicht, dass deinem Sohn etwas passiert“ bedroht haben – mildernd, etwa als Milderungsgrund der überwundenen negativen Lebensphase, zu berücksichtigen ist. Denn dabei wäre auch in den Blick zu nehmen, dass für die Antragstellerin die Offenbarung der behaupteten Notstandssituation gegenüber dem Dienstherrn scheinbar keine Alternative dargestellt hat. Danach stellt sich die Frage, ob eine „erpressbare Polizeibeamtin“ für den Dienstherrn noch hinnehmbar oder aber das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört ist.

20

Soweit die Antragstellerin im Schriftsatz vom 5. Mai 2017 zudem meint, wegen einer unangemessen langen Dauer des Disziplinarverfahrens sei mit Blick auf Art. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nun keine vorläufige Dienstenthebung mehr gerechtfertigt oder es sei deswegen sogar das Disziplinarverfahren einzustellen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bei der Verhängung der Höchstmaßnahme ein Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs nach § 15 LDG nicht greift, abgesehen davon, dass der Fristenlauf ohnehin während des Strafverfahrens gehemmt wäre (§ 15 Abs. 5 Satz 2 LDG). Ist der Beamte wegen seines Dienstvergehens auf Dauer untragbar geworden, so ändert auch der Zeitablauf hieran nichts (BVerwG, Beschluss vom 30. August 2012 - BVerwG 2 B 21.12 - juris Rn. 15; vgl. auch den in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgericht genannten Beschluss des BVerwG vom 20. Januar 2014 – 2 B 89/19 – juris Rn. 13). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bedeutung des Art. 6 EMRK bei der Maßnahmebemessung im Disziplinarverfahren (BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - juris Rn. 44 ff. und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - juris Rn. 36 ff. sowie Beschlüsse vom 10. Oktober 2014 - 2 B 66.14 - juris Rn. 5 ff., vom 27. April 2017 – 2 B 38.16 – juris Rn. 12 und vom 1. Juni 2012 - 2 B 123.11 - juris Rn. 9 ff., gebilligt BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Januar 2013 - 2 BvR 1912/12 - NVwZ 2013, 788) gilt folgendes: Ergibt die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme erforderliche Gesamtwürdigung aller erschwerenden und mildernden Umstände des Dienstvergehens, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, kann davon nicht abgesehen werden, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Ein Verbleib im Beamtenverhältnis ausschließlich aufgrund einer überlangen Verfahrensdauer lässt sich nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der Integrität des Berufsbeamtentums, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen aus, dass ein Beamter weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn auftreten kann, obwohl er durch ein gravierendes Fehlverhalten untragbar geworden ist. Die Dauer des Disziplinarverfahrens ist nicht geeignet, das von dem Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen. Nur wenn die Gesamtwürdigung ergibt, dass lediglich eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme ausreichend ist, kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 53 f.).

21

Die Antragsgegnerin hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin die vorläufige Dienstenthebung auch nicht etwa wegen sachfremder Erwägungen fehlerhaft angeordnet. Zwar bindet – wie die Antragstellerin zu Recht ausgeführt hat – der Eröffnungsbeschluss der 7. Großen Strafkammer des Landgerichts … die Antragsgegnerin nicht, die vorläufige Disziplinarmaßnahme anzuordnen. Indes ergibt sich, wie oben bereits ausgeführt, bereits aus der Erhebung der öffentlichen Anklage im sachgleichen Strafverfahren und erst recht aus der Zulassung dieser Anklageschrift und Eröffnung des Hauptverfahrens ein hinreichend begründeter Verdacht für das erfolgte Begehen eines Dienstvergehens. Soweit die Antragstellerin im Hinblick auf das o.g. Schreiben der leitenden Oberstaatsanwältin einen diesem vorangegangenen intensiven Kontakt zwischen der Staatsanwältin und der Antragsgegnerin über die rechtlichen Konsequenzen ihrer – der Antragstellerin – weiteren Beschäftigung für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme in einem späteren gerichtlichen Disziplinarverfahren behauptet, handelt es sich um Mutmaßungen.

22

Aber auch, die behaupteten Gespräche unterstellt, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass sich die Weiterbeschäftigung eines Beamten nach Aufdeckung eines Dienstvergehens grundsätzlich nicht Maßnahmemildernd auswirkt, sie sind vielmehr bemessungsneutral. Die Entscheidung des Dienstherrn zur Weiterbeschäftigung kann danach auf Umständen beruhen, die für die vom Gericht zu bestimmende Maßnahmen nicht von Bedeutung sind. Insbesondere kann sich der Dienstherr aus finanziellen Gründen für eine Weiterbeschäftigung entschieden haben, weil der Beamte auch während des laufenden Verfahrens weiterhin alimentiert wird (BVerwG, Urteile vom 26. August 1997 - 1 D 68.96 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 13 S. 40, vom 19. Mai 1998 - 1 D 37.97 - juris Rn. 20 und vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - juris-Rn. 42; Beschlüsse vom 27. Mai 2015 - 2 B 16.15 - juris Rn. 8, vom 20. November 2012 – 2 B 56.12 – juris Rn. 18, und vom 27. September 2017 – 2 B 6.17 -, juris Rn. 7).

23

2. An der Anordnung über die Einbehaltung der monatlichen Dienstbezüge in Höhe von 30 % bestehen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel. Denn ist von der Verhängung der Höchstmaßnahme mit dem gebotenen Grad an Wahrscheinlichkeit auszugehen, steht es gemäß § 38 Abs. 1 LDG im Ermessen des Dienstherrn, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge anordnet. Diese gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüfbare Entscheidung hat sich hinsichtlich des Umfangs am Grundsatz der angemessenen Alimentation eines Beamten zu orientieren. Deshalb sind die wirtschaftliche Situation des Beamten und insbesondere die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, unter denen er seinen Haushalt zu führen und seine Einnahmen aufzuteilen hat. Der Dienstherr ist nicht berechtigt, dem Beamten die Möglichkeit zur Tilgung seiner Schulden zu nehmen und ihn der Notwendigkeit preiszugeben, seinen ihm gesetzlich obliegenden oder vertraglich eingegangenen Verpflichtungen nicht nachkommen zu können. Zwar muss der Beamte eine gewisse Einschränkung seiner Lebenshaltung hinnehmen. Die Einbehaltung darf jedoch wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigungen oder nicht wieder gut zu machenden Nachteilen führen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2000 - 1 DB 8.00 -, juris Rn. 12f. zu § 92 Abs. 1 BDO; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. September 2017 - 82 S 1.17 -, juris Rn. 7).

24

Gemessen daran hat die Antragsgegnerin auf der Grundlage der von der Antragstellerin vorgelegten Nachweise die wirtschaftliche Situation ermittelt und unter Berücksichtigung des Gebots, einen hinreichenden Abstand zur Sozialhilfe zu wahren, den Einbehaltungssatz von 30 Prozent ermessensfehlerfrei festgesetzt. Die Antragstellerin stellt dagegen im Beschwerdeverfahren weder die ordnungsgemäße Berechnung dieses Satzes infrage noch macht sie geltend, nicht mehr ausreichend alimentiert zu werden.

25

3. Der Senat hat wegen des im Disziplinarverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes und der damit verbundenen Dringlichkeit trotz Antrages der Antragstellerin im vorläufigen Verfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden.

26

Zwar ist eine mündliche und öffentliche Verhandlung ein in Art. 6 EMRK verankertes Grundprinzip, welches grundsätzlich auch für Verfahren wegen einstweiliger Maßnahmen gilt. Allerdings gilt die Verpflichtung, sie abzuhalten, nicht uneingeschränkt.

27

Die Antragstellerin ist nicht als Selbstständige tätig, so dass ihre Existenz durch die vorläufige Maßnahme bedroht wäre. Im Gegenteil: Sie wird weiterhin, wie oben ausgeführt (2.), amtsangemessen besoldet und sollte im Disziplinarverfahren nicht auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden, kann sie ihr Amt auch ohne Erleiden von Nachteilen weiterhin ausüben. Insofern unterscheidet sich der Fall von dem eines in Österreich zugelassenen Rechtsanwaltes, gegen den vor dem Landgericht Linz ein Strafverfahren anhängig war und über den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (IV. Sektion) zu entscheiden hatte (vgl. EGMR, Urteil vom 5. April 2016 - 33 060/10 Blum/Österreich -, NJW 2017, 2455ff).

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 2 VwGO.

29

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 LDG, § 152 Abs. 1 VwGO).


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