Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 O 25/20

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 1. Kammer - vom 20. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zu Recht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das sachlich und örtlich zuständige Amtsgericht A-Stadt verwiesen.

3

Dass das geltend gemachte Begehren, der Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses auf der Grundlage des AufenthG, eine öffentlich- rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art betrifft, für die im Ausgangspunkt der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO eröffnet ist, steht nicht in Frage.

4

Eine Abweichung von diesem Grundsatz ergibt sich jedoch, wenn gem. § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit auf dem Gebiet des Landesrechtes einem anderen Gericht durch Landesgesetz zugewiesen ist. Diese Kompetenz beschränkt sich zwar auf Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts, indes ist nicht erforderlich, dass der streitgegenständliche Sachverhalt ausschließlich nach Landesrecht zu würdigen ist (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., 2018, Bearbeiter Sodan, § 40, Rn. 497f).

5

So liegt es hier. Das Verwaltungsgericht stellt zutreffend auf die Kompetenzordnung des Grundgesetzes aus Art. 30, 83 GG ab. Insbesondere aus Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG folgt, dass die Länder in Ausführung von Bundesrecht als eigene Angelegenheit auch die Kompetenz haben, das zugehörige Verwaltungsverfahren zu regeln, einschließlich der Vorgaben nach Art. 13 Abs. 2 GG für die Beachtung des Richtervorbehalts.

6

Die damit anzuwendende Regelung des § 208 Abs. 5 LVwG enthält eine abdrängende Rechtswegzuweisung für Schleswig-Holstein. Für die Durchsuchung von Räumen ist der Richtervorbehalt dahin bestimmt, dass das Amtsgericht, in dessen Bezirk die zu durchsuchenden Räume liegen, für die richterliche Anordnung zuständig ist. Dabei gelten für das Verfahren die Vorschriften des Gesetzes in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

7

Die durch Art. 1 des Gesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294) in § 58 Abs. 4 bis 10 AufenthG getroffenen bundesgesetzlichen Regelungen für die Durchführung einer Durchsuchung enthalten keine Bestimmungen zu Fragen des Rechtsweges, wie dies z.B. in § 56a Abs. 9 AufenthG in Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO geschehen ist. Das Schweigen des Gesetzes steht einer landesrechtlichen Sonderzuweisung nicht entgegen. Die landesrechtlichen Vorschriften verstoßen nicht nach Art. 31 GG gegen Bundesrecht.

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Der Bundesgesetzgeber hat zwar die Voraussetzungen einer Durchsuchung im AufenthG geregelt und zum Teil detaillierte Vorgaben zur Zulässigkeit gemacht, damit aber keine abschließende Regelung getroffen.

9

Nach § 58 Abs. 10 AufenthG bleiben weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, unberührt. Ob der Bundesgesetzgeber damit nur deutlich machen wollte, dass allein die weitergehenden materiell-rechtlichen landesrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Eingriffsbefugnisse nicht eingeschränkt werden sollen (so Schnell, Zur Zuständigkeit des Gerichts für Durchsuchungsanordnungen nach § 58 Abs. 6 AufenthG, in: NWVBl. 2020, 150f), oder ob ihm damit auch die Fortgeltung landesrechtlicher Verfahrensvorschriften vorschwebte (so VG Arnsberg, Beschluss vom 11. November 2019 – 3 I 24/19 -, juris) kann dahinstehen. Die Gesetzesbegründung, die darauf abstellt, ein Mindestmaß für Betretungsrechte bei Abschiebungen vorzugeben (BT-Drs. 19/10706, S. 14), ist insofern unergiebig. Jedenfalls stehen die bundesgesetzlichen Regelungen auch nach der Gesetzesbegründung weiteren landesrechtlichen Verfahrensvorschriften nicht entgegen.

10

Zudem enthält sich die bundesgesetzliche Regelung näherer Verfahrensbestimmungen. Deren Ausgestaltung erfolgt erst durch die landesgesetzliche Regelung, wie der Verweis auf das FamFG oder der Ausschluss einer Anhörung nach § 208 Abs. 5 Satz 4 LVwG. Die bundesgesetzliche Regelung ist daher defizitär und ist in Schleswig-Holstein durch Landesrecht zu ergänzen.

11

So verhält es sich auch im Rahmen des Richtervorbehalts bei einer Wohnungsdurchsuchung nach § 46 Abs. Abs. 4 Satz 2 WaffG zur Vollstreckung einer waffenbehördlichen Sicherstellungsanordnung. Die bundesgesetzliche Regelung bestimmt keine Zuständigkeit, sodass die ordentlichen Gerichte auf der Grundlage des Landesvollstreckungsrechtes für die Anordnung der Durchsuchung zuständig sind (vgl. Gade, WaffG, 2. Aufl., 2018, § 46 Rn. 10 m.w.N.).

12

Zutreffend verweist das Verwaltungsgericht darauf, dass Bundesgesetze, wie das AufenthG, durch Landesbehörden vollzogen werden. In Übereinstimmung mit Art. 84 Abs. 1 GG sind nach § 71 Abs. 1 AufenthG für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen die Ausländerbehörden zuständig. Nach § 58 Abs. 6 AufenthG kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung vornehmen. Die Durchsuchung der Wohnung im Rahmen der Abschiebung dient dem Vollzug des AufenhG.

13

Meinungen in der Literatur verweisen darauf, dass in Ermangelung einer gesetzlichen Sonderzuweisung die Verwaltungsgerichte für die Durchsuchungsanordnung zuständig seien (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl., 2020, Bearbeiter Dollinger, § 58 AufenthG, Rn. 40; HTK-AuslR, Bearbeiter Zeitler, § 58 AufenthG, Abs. 5 -10, Rn. 42; Wysk, VwGO, 3. Aufl., 2020, Bearbeiter Wysk, § 40, Rn. 55). In Schleswig-Holstein gibt es indes diese abdrängende Rechtswegzuweisung. In Bremen beruht die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts auf der ausdrücklichen Regelung der landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsnorm des § 16 BremVwVG (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 30. September 2019 – 2 S 262/19 -, juris).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Kostenentscheidung ist vorliegend nicht entbehrlich, weil die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu den Verfahrenskosten gehören, über die gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG im Rahmen der Endentscheidung zu befinden ist. Die Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsweg löst vielmehr ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. September 2012 - 7 B 5/12 -, juris, Rn. 7; Zöller, ZPO, 33. Aufl., 2020, Bearbeiter Lückemann, § 17b GVG Rn. 4).

15

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr (Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG) liegen nicht vor.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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