Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 LA 141/18

Tenor

Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Die Anträge der Beklagten und der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 6. Kammer – vom 20. April 2018 werden abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens werden den Beteiligten wie folgt auferlegt: Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu je der Hälfte. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Gegenstand des Rechtsstreits ist das Akteneinsichtsbegehren des Klägers in den Schriftverkehr zwischen der Beklagten und der Beigeladenen bezüglich der von der Beklagten gegenüber der Beigeladenen erlassenen Rückrufanordnung von VW-Dieselfahrzeugmodellen der Motorbaureihe EA 189 EU5. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides verpflichtet, dem Kläger Akteneinsicht zu gewähren in den gesamten Schriftverkehr aus der Zeit vom 18. September 2015 bis 15. Oktober 2015 betreffend der am 15. Oktober 2015 erfolgten Anordnung zum Rückruf von VW-Dieselfahrzeugmodellen inklusive des dazu geführten Verwaltungsvorganges und der als Beiakte B geführten Akte, unter Ausnahme personenbezogener Daten.

2

Hiergegen wenden sich die Beklagte und die Beigeladene mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung.

3

A. Soweit die Beigeladene angeregt hat, das Verfahren analog § 94 VwGO auszusetzen, bis das Bundesverwaltungsgericht über die zugelassene Revision im Verfahren „DUH./.BRD“ (Az. 10 B 19.19 (10 C 2.20)) entschieden hat, besteht hierzu keine Veranlassung.

4

I. Das Gericht kann gem. § 94 VwGO anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand dieses anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Diese Norm findet vorliegend keine unmittelbare Anwendung, da sie ein vorgreifliches Rechtsverhältnis voraussetzt, wofür hier nichts ersichtlich ist. Es kann dahinstehen, inwieweit eine entsprechende Anwendung des § 94 VwGO hier überhaupt in Betracht käme. Denn jedenfalls fehlt die Vorgreiflichkeit.

5

In einem Berufungszulassungsverfahren ist nämlich über das Vorliegen hinreichend dargelegter Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 VwGO zu entscheiden. Die Beantwortung materieller Rechtsfragen durch das Bundesverwaltungsgericht kann die vorliegend maßgebliche Darlegungsfrage nicht entscheidungserheblich klären.

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II. Es kommt auch nicht in Betracht, das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 251 ZPO ruhend zu stellen, da der Kläger um Sachentscheidung gebeten hat.

7

B. In der Sache bleiben die Anträge auf Zulassung der Berufung erfolglos, da sich die geltend gemachten Zulassungsgründe aus den fristgerecht erfolgten Begründungen nicht ergeben. Jedenfalls haben die Antragstellerinnen die Voraussetzungen hierfür nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

8

I. Die von der Beklagten erhobenen Rügen greifen nicht durch.

9

1. Die Beklagte macht einen Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 VwGO geltend. Das Verwaltungsgericht habe weder die streitgegenständlichen Akten angefordert und geprüft, noch ein „in camera“-Verfahren durchgeführt und damit die Pflicht zur Amtsaufklärung verletzt.

10

Wer die Verletzung der Aufklärungspflicht rügt, muss substantiiert darlegen, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig gewesen wären, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für den Zulassungsantragsteller günstigeren Entscheidung hätten führen können. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Aufklärungsrüge kein Mittel darstellt, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der ersten Instanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Deshalb muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (OVG Schleswig, Beschluss vom 22. März 2016 – 14 LA 2/15 –, juris Rn. 4; vgl. ferner – die Revision betreffend – BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 – 8 C 13.19 –, juris Rn. 26).

11

Diese Voraussetzungen sind in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt.

12

a) Die Beklagte hat schon nicht dargelegt, welche Tatsachen auf Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts aufklärungsbedürftig wären. Die bloße pauschale Bezugnahme auf sämtliche streitgegenständlichen Akten reicht für die Darlegung des Zulassungsgrundes nicht aus.

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b) Die Beklagte zeigt zudem weder in Bezug auf den Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG noch in Bezug auf den des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG auf, warum nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts eine Aufklärung des geschwärzten Akteninhalts der streitbefangenen Unterlagen geboten war. Die Rüge, das Gericht habe dem Vortrag der Beteiligten nicht ohne Überprüfung anhand der streitgegenständlichen Akten folgen dürfen, genügt dem ebenso wenig wie der Hinweis darauf, dass das Gericht die Darstellung der Ausschlussgründe in der Tabelle der Beklagten zu Unrecht als nicht ausreichend substantiiert angesehen habe. Anlass für gerichtliche Ermittlungen besteht immer nur dann, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen aus der Sicht des Gerichts unklar sind, selbst wenn diese Rechtsauffassung rechtlichen Bedenken begegnen sollte (ständige Rechtsprechung des BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 1979 – 6 B 33.79 –, juris Rn. 7).

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aa) Das Gericht ist unter Zugrundelegung seines materiell-rechtlichen Standpunkts nicht davon ausgegangen, dass die inhaltliche Kenntnis von den Unterlagen und Auskünften zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung und Streitentscheidung benötigt werde, da es die Frage, ob ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegt, letztlich offengelassen hat. Denn jedenfalls habe dieses wegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe zurück zu treten. Die hierfür erforderliche Abwägung hat das Verwaltungsgericht auch unter Hinweis darauf, dass das Verhalten der Beklagten vor dem Hintergrund möglicher Versäumnisse einer Überwachung bedürfe, ausführlich dargelegt. Dabei hat das Gericht in seine Abwägung die hohe Anzahl an Nachfragen und das konstant hohe mediale Interesse ebenso miteinbezogen, wie das besondere Interesse der rund 2,5 Millionen Halter der betroffenen Fahrzeuge, die ein besonderes Interesse an der Wirksamkeit des Softwareupdates sowie seiner Auswirkungen auf die Lebensdauer der Motoren und auf die Umwelt hätten. Dies gelte nach Auffassung des Gerichts insbesondere vor dem Hintergrund der großen Anzahl von Verfahren vor den Zivilgerichten und der Befassung zweier Untersuchungsausschüsse mit der Problematik. Insoweit sei gerade der Kommunikationsvorgang zwischen der Beklagten und der Beigeladenen bezüglich der technischen Beseitigung der Abschalteinrichtung von besonderem öffentlichem Interesse. In welcher Hinsicht und aus welchen Gründen danach eine Kenntnis des Akteninhalts aus Sicht des Verwaltungsgerichts geboten war, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.

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bb) Auch im Hinblick auf nachteilige Auswirkung auf das Ermittlungsverfahren legt die Zulassungsschrift einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nicht substantiiert dar. Der bloße Hinweis darauf, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Erschütterung der Vermutungswirkung tatsächlich und rechtlich unrichtig seien, genügt den Darlegungsanforderungen an einen Verfahrensfehler nicht.

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Soweit dem Zulassungsvorbringen insoweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zu entnehmen sind, kann damit der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels nicht begründet werden.

17

c) Der Zulassungsantrag lässt zudem die erforderliche Bezeichnung von tatsächlichen Feststellungen vermissen, die das als zu Unrecht unterblieben gerügte „in camera“-Verfahren voraussichtlich gebracht hätte. Zur entsprechenden Darlegung eines Verfahrensmangels gehören Ausführungen auch dazu, welches mutmaßliche Ergebnis die vermisste Verfahrenshandlung gebracht und welche Tatsachen sie hervorgebracht hätte, die – nach der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz – zu einer für die Beklagte günstigeren Entscheidung hätten führen können. Die Benennung von Wertungen und Schlussfolgerungen durch die Beklagte reicht insoweit nicht aus.

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d) Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten wäre die als fehlend gerügte Aufklärungsmaßnahme zudem nicht geeignet, eine für sie günstigere Entscheidung herbeizuführen. Nach Einschätzung der Beklagten hätte das „in camera“-Verfahren die noch einzuholende Sperrerklärung bestätigt mit der Folge, dass das Verwaltungsgericht die Informationen, deren Aufklärung die Beklagte vermisst, eben nicht erlangt hätte. Auch im Falle einer Entscheidung des „in camera“-Verfahrens im Sinne einer Aktenvorlagepflicht im Prozess legt die Beklagte keine durch erfolgreiche Aufklärung bedingte, für sie günstigere Prozesssituation dar. Die Verpflichtung zur uneingeschränkten Aktenvorlage hätte eine ungeschwärzte Übersendung der Unterlagen an das Verwaltungsgericht bedeutet und in der Folge eine Befriedigung des Klagebegehrens durch Akteneinsichtnahme seitens des Klägers.

19

e) Darüber hinaus hat die Beklagte nicht dargelegt, erstinstanzlich durch Vorlage einer Sperrerklärung und entsprechender Antragstellung auf die Durchführung eines „in camera“-Verfahrens hingewirkt oder einen Beweisantrag gestellt zu haben. Ein solches Versäumnis kann nicht durch eine Verfahrensrüge im Rechtsmittelverfahren kompensiert werden (BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 10 B 14.19 –, juris Rn. 21).

20

f) Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, warum sich dem Gericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der gezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 2010 – 5 B 7.10 –, juris Rn. 9).

21

g) Auch die Rüge, das Gericht habe die Amtsermittlungspflicht verletzt, indem es die Akten und Vorgänge als Umweltinformationen i. S. d. § 2 UIG gewertet habe, ohne den streitgegenständlichen Vorgang in Augenschein genommen zu haben, verhilft dem Zulassungsvorbringen nicht zum Erfolg. Auch insoweit erschöpfen sich die Ausführungen der Beklagten in Wertungen und Schlussfolgerungen, ohne aufzuzeigen, welches mutmaßliche Ergebnis die vermisste Verfahrenshandlung gebracht und inwiefern die so gewonnenen Tatsachen zu einer für die Beklagte günstigeren Entscheidung hätte führen können.

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2. Es werden auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dargelegt, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

23

a) Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Gericht habe in tatsächlich wie rechtlich nicht haltbarer Weise, aufgrund der Umstände des Falls, die von der seitens der Staatsanwaltschaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens praktizierten Nichtgewährung der Akteneinsicht ausgehende Vermutung dafür, dass durch die Bekanntgabe der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die strafrechtlichen Ermittlungen ausgehen, als erschüttert angesehen und in der Folge zu Unrecht den Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 UIG abgelehnt.

24

Die Darlegung ernstlicher Zweifel erfordert eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL, § 124a Rn. 100; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2019, § 124a Rn. 194). Daraus folgt, dass die bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens ebenso wenig genügt wie die schlichte Darstellung der eigenen Rechtsauffassung (vgl. BayVGH, Beschluss vom 26. Mai 2020 – 15 ZB 19.2231 –, juris Rn. 14). Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, juris Rn.15). Dabei muss der Erfolg des Rechtsmittels nach summarischer Prüfung allerdings nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2017 – 2 BvR 2615/14 –, juris Rn.19; Beschluss des Senats vom 26. April 2017 – 4 LA 12/17 –, juris Rn. 9). Dabei hängt der maßgebliche Zeitpunkt für die Berücksichtigung einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage nach Abschluss der ersten Instanz zunächst vom maßgeblichen materiellen Recht ab (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO-Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 92, 97 m.w.N.).

25

Unter Beachtung dieses Maßstabs vermögen die Argumente der Beklagten die Entscheidung des Gerichts, dass dem Informationszugang keine Ablehnungsgründe gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG entgegenstehen, nicht schlüssig in Frage zu stellen.

26

Die Beklagte beanstandet nicht, dass das das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstab herangezogen hat (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 18.12 –, juris Rn. 17 ff.), wonach die Anforderungen an die Darlegung des Ausschlussgrundes herabgesetzt sind, soweit sich die Behörde bei Akten, die wegen ihres thematischen Bezugs zum Untersuchungsgegenstand bereits in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen einbezogen worden sind, auf eine Vermutungswirkung berufen kann, und die Behörde in diesen Fällen ihre Darlegungslast bereits genügt, indem sie eine auf Prüfung der Sachlage gegründete Einschätzung der Staatsanwaltschaft vorlegt, dass der Untersuchungszweck durch Preisgabe der begehrten Information gefährdet würde.

27

Die Beklagte stützt den Zulassungsantrag darauf, dass das Gericht zu Unrecht die Vermutungswirkung der staatsanwaltschaftlichen Erklärung als erschüttert angesehen habe mit der Folge, dass das Gericht eine nähere Darlegung der Gründe, warum von einer Gefährdung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auszugehen sei, zu Unrecht gefordert habe.

28

aa) Soweit die Beklagte es für nicht nachvollziehbar hält, dass das Gericht nur von technischen und organisatorischen Inhalten der streitgegenständlichen Akten ausgegangen ist, ist das Vorbringen nicht relevant. Es fehlt eine Auseinandersetzung mit der Begründung des Gerichts, insbesondere dem Hinweis, dass die Beklagte in ihrem Bescheid vom 1. Juli 2016 selbst ausgeführt habe, dass sich zu Personen, die zum Ist-Zustand beigetragen hätten, keinerlei Informationen fänden. Auch die bloße Behauptung, das Gericht hätte die verfahrensgegenständlichen Akten einsehen müssen, lässt die erforderliche Auseinandersetzung mit der angezweifelten Urteilsbegründung vermissen.

29

bb) Auch die Rüge, das Gericht habe nicht näher begründet, warum davon auszugehen sei, dass die Akten ohnehin den Beschuldigten bereits bekannt seien, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Zum einen hat das Gericht seine Zweifel an der Kenntnis sämtlicher Informationen seitens der Beschuldigten begründet und ausgeführt, dass es sich um interne Vorgänge handle. Zum anderen setzt sich die Beklagte argumentativ nicht mit den Ausführungen des Gerichts auseinander. Dass die Informationen, insbesondere die internen Vorgänge, den Beschuldigten bekannt sein dürften, stellt die Antragsbegründung nicht als falsch dar. Das bloße Äußern von Zweifeln genügt den Darlegungsanforderungen nicht.

30

cc) Die Beklagte greift zudem die Feststellung in dem Urteil an, im Hinblick auf den Informationsausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 UIG der gerichtlichen Verfügung vom 15. September 2017 nicht ausreichend nachgekommen zu sein. Mit der Verfügung wurde sie zur Vorlage der staatsanwaltschaftlichen Einschätzung vom 3. Mai 2016 aufgefordert und gebeten darzulegen, inwieweit die Unterlagen im Einzelnen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlicher Ermittlungen haben könnten oder eine Aussonderung in Betracht zu ziehen sei. Das Verwaltungsgericht stellt detailliert dar, warum es unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu seiner Auffassung gelangt, die Vermutungswirkung als erschüttert anzusehen. Mit dem Hinweis darauf, die Aufforderung an die ermittlungsführende Staatsanwaltschaft weitergeleitet zu haben, die den kompletten streitgegenständlichen Aktenbestand geprüft und unter dem 27. November 2017 mitgeteilt habe, dass das vorzeitige Bekanntwerden des kompletten Aktenbestands die dortigen Ermittlungen gefährden würde, stellt die Beklagte die Richtigkeit der Entscheidung nicht ernstlich in Zweifel. Der Hinweis lässt eine kritische Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Gerichts vermissen. Das einfache Bestreiten, selektive Zitieren und Darstellen der eigenen Rechtsauffassung stellt kein Durchdringen der Urteilsbegründung dar und genügt den Darlegungsanforderungen nicht.

31

dd) Soweit die Beklagte den Informationsausschluss damit zu begründen versucht, dass neben dem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zugleich die Unabhängigkeit der Entscheidungsfreiheit der Rechtspflegeorgane geschützt sei, ergibt sich daraus nicht schlüssig, inwiefern von einer Offenlegung der streitgegenständlichen Informationen Druck auf Entscheidungsträger auszugehen vermag und damit der Schutz der Rechtspflege tangiert würde. An der Rechtsauffassung der Beklagten, dass die Zuständigkeit der Ermittlungsbehörden bezüglich des Informationszugangs zu Akten und Beweismitteln in Ermittlungsverfahren sich nach der StPO regle und nicht durch andere Möglichkeiten des Informationszugangs ausgehebelt werden solle, bestehen zudem inhaltliche Zweifel. Die Beklagte beruft sich für den gesetzgeberischen Willen auf die Entstehungsgeschichte zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG a.F. Diese ist jedoch – abgesehen vom unverändert gebliebenen Schutzgut des Ablehnungsgrundes – für die gegenwärtige Fassung des Gesetzes unergiebig. War es unter der Geltung des früheren Rechts konsequent, dass ein Zugang zu Informationen während eines laufenden Ermittlungsverfahrens ausschließlich nach den dafür geltenden strafprozessualen Regelungen erfolgen konnte, ist die informationspflichtige Behörde nun zu einer eigenständigen Entscheidung über den Ablehnungsgrund berufen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. März 2019 – 12 B 13.18 –, juris Rn. 50, OVG Schleswig, Beschluss vom 27. April 2020 – 4 LA 251/19 –, juris Rn. 16).

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ee) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Verneinung nachteiliger Auswirkungen auf das Ermittlungsverfahren sind nach der den Verteidigern dort im Juli 2018 gewährten Akteneinsicht jedenfalls nicht mehr gegeben. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Negativprognose einzig darauf gestützt, dass wegen der laufenden Ermittlung den Verfahrensbeteiligten die Akteneinsicht versagt werde. Hiervon ist die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich abgewichen. Dass gleichwohl durch die Bekanntgabe der begehrten Informationen an den Kläger nachteilige Auswirkungen auf die strafrechtlichen Ermittlungen zu befürchten seien, ist weder ersichtlich noch dargelegt.

33

Diese erst nach Abschluss der ersten Instanz veränderte Tatsachenlage ist nach Maßgabe des materiellen Rechts vorliegend berücksichtigungsfähig. Im Falle eines Verpflichtungsbegehrens hat sich die informationspflichtige Stelle in einem Verwaltungsstreitverfahren, in dem eine auf die Vermutungswirkung gestützte Verweigerung des Informationszugangs angegriffen wird, zu vergewissern, dass die Vermutungswirkung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch greift. Das gilt insbesondere, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Vermutungswirkung entfallen sein könnte. Aktuelle, von früheren abweichende Einschätzungen der Strafverfolgungsbehörden zu nachteiligen Auswirkungen einer Bekanntgabe der Informationen sind in ein laufendes Verwaltungsverfahren über den Informationszugang unverzüglich einzuführen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. März 2019 – 12 B 13.18 –, juris Rn. 48). Dies ist vonseiten der Beklagten nicht erfolgt.

34

Im Zulassungsverfahren sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch solche nach materiellem Recht entscheidungserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, die erst nach Erlass der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung eingetreten sind und vom Antragsteller innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden, wenn sie für den Erfolg des angestrebten Rechtsmittels entscheidungserheblich sein könnten. Denn das Zulassungsverfahren ermöglicht den Zugang zur Rechtsmittelinstanz mit Blick auf das prognostizierte Ergebnis des angestrebten Rechtsmittels und soll die Richtigkeit der Entscheidung über den Streitgegenstand im Einzelfall gewährleisten (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2002 – 7 AV 3.02 –, juris Rn. 11 f.). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Zu ergänzen bleibt, dass dies auch losgelöst von den Darlegungen des Antragstellers erfolgt, wenn sich das angegriffene Urteil aufgrund einer geänderten Sach- oder Rechtslage (auch) aus anderen Gründen als richtig erweist (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO-Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 97 m.w.N.).

35

b) Ohne Erfolg schließt sich die Beklagte nach Ablauf der Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 16. November 2018 den Ausführungen der Beigeladenen zu den dem begehrten Informationszugang entgegenstehenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und den damit gerügten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils an. Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 16. November 2018 sind im Zulassungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Zulassungsantrags ist bezüglich der fristgebundenen Anforderungen wie der Darlegungs- und Begründungspflichten der Zeitpunkt des Fristablaufs (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO-Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 56). Nach Fristablauf eingereichter Vortrag ist unbeachtlich (Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO-Kommentar, § 124a Rn 116).

36

Die Beklagte hat es entgegen der verwaltungsprozessualen Obliegenheit unterlassen, den Zulassungsgrund fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags ist eine nicht verlängerbare gesetzliche Frist, § 124a Abs. 4 Satz 4 i. V. m. § 57 Abs. 2 VwGO, § 224 Abs. 2 ZPO.

37

Aber auch sonst beruft sich die Beklagte ohne Erfolg auf die Ausführungen der Beigeladenen zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und daraus resultierender ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da das Verwaltungsgericht seine Entscheidung zumindest auch darauf gestützt hat, dass das öffentliche Interesse überwiegt (dazu unten B.II.1.b)).

38

II. Der Zulassungsantrag der Beigeladenen bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

39

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dass dem Informationszugang der Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 UIG nicht entgegensteht, wird vom Zulassungsvorbringen nicht mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt.

40

a) Die Beigeladene rügt, das Gericht habe zu Unrecht die für den Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 UIG streitende Vermutungswirkung als aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls erschüttert und die die Beklagte treffende Darlegungslast als nicht erfüllt angesehen. Das Gericht habe verkannt, dass dem Informationsbegehren des Klägers nachteilige Auswirkungen auf die strafrechtlichen Ermittlungen entgegenstünden. An die Einschätzung der Staatsanwaltschaft im Schreiben vom 27. November 2017 und der daraus resultierenden herabgesetzten Darlegungslast sei das Gericht gebunden. Dem stünde auch nicht entgegen, dass den Beschuldigten zwischenzeitlich Akteneinsicht gewährt worden sei.

41

Die Zulassungsbegründung verfehlt die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, die eine Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Feststellungen des angefochtenen Urteils verlangen.

42

aa) Die Antragsbegründung legt den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel nicht substantiiert dar. Die Beigeladene stellt eigenen Bewertungen an, ohne die des Gerichts ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Die erforderliche Auseinandersetzung mit den entscheidungserheblichen Gründen unterbleibt. Auch der Hinweis darauf, dass das Verwaltungsgericht A-Stadt die Darlegung der Staatsanwaltschaft als ausreichend erachtet habe, genügt den Anforderungen nicht. Ebenso wenig resultieren ernstliche Zweifel aus der Einschätzung der Beigeladenen, eine detaillierte Aufschlüsselung seitens der Staatsanwaltschaft zu verlangen, wäre unangemessen und würde die Gefahr bergen, dass so Rückschlüsse auf die Ermittlung und den Tatvorwurf möglich seien. Die Beigeladene unterlässt es schon, die behaupteten negativen Konsequenzen schlüssig zu benennen. Des Weiteren zeigt sie auch nicht auf, aufgrund welcher Erwägungen die Feststellung des Gerichts, dass besonderen Umstände vorliegen, die die Vermutungswirkung entfallen lassen, unrichtig sei. Das Verwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass die Behörde aufgrund besonderer Umstände die volle Darlegungslast für die Gefährdung des Untersuchungszwecks treffen könne. Die aus der Einschätzung der Staatsanwaltschaft resultierende Vermutungswirkung könne insbesondere dann entfallen, wenn es sich um „interne Unternehmenszahlen“ oder andere Informationen handle, die dem Beschuldigten bekannt seien. Im Weiteren stellt das Urteil detailliert dar, welche Unterlagen aus welchem Grunde nicht als geheim zu werten sind, weil sie öffentlich zugänglich oder bekannt sind. Dies zieht das Zulassungsvorbringen nicht in Zweifel.

43

bb) Die Beigeladene zeigt auch keine ernstlichen Zweifel am Ergebnis der gerichtlichen Entscheidung auf. Die für den Ausschlussgrund erforderlichen nachteiligen Auswirkungen auf das Ermittlungsverfahren durch die Bekanntgabe der begehrten Informationen an den Kläger sind nach der den Verteidigern im Strafverfahren zwischenzeitlich im Juli 2018 gewährten Akteneinsicht jedenfalls nicht mehr erkennbar. Insoweit kann auf die Ausführungen unter B. I. 2. a) ee) verwiesen werden. Dass gleichwohl nachteilige Auswirkungen auf die strafrechtlichen Ermittlungen zu befürchten seien, hat die Beigeladene in der Zulassungsbegründungsschrift nicht überzeugend dargelegt. Aus der Antragsbegründung ergibt sich nicht schlüssig, inwiefern von einer Offenlegung der streitgegenständlichen Informationen als Teil der Ermittlungsakte Druck auf Entscheidungsträger, insbesondere auf unabhängige Gerichte auszugehen vermag und damit den Schutz der Rechtspflege tangiert würde. Die Unbefangenheit der Schöffen in Strafprozessen kann durch den Hinweis darauf, dass das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden hat und sich nicht durch äußere Umstände wie die mediale Berichterstattung leiten lassen darf, gewährleistet werden. Dass und warum Zeugen trotz Belehrung über ihre Wahrheitspflicht und über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage durch die Bekanntgabe von Informationen beeinflusst würden, legt die Beigeladene nicht dar. Dass schlichte Äußern vager Befürchtungen genügt nicht.

44

Nachteilige Auswirkungen auf das Strafverfahren legt die Beigeladene auch nicht in ihren ergänzenden Ausführungen dar, insbesondere nicht mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2018. Die in Bezug genommene, nach Ablauf der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag gefertigte Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 29.11.2018 bestätigt nicht die Behauptung der Beigeladenen, dass der Schutzzweck des Ausschlussgrundes trotz der zwischenzeitlich erfolgten Akteneinsicht bezüglich der streitgegenständlichen Unterlagen fortbestehe. Die Staatsanwaltschaft hat vielmehr klargestellt, dass sie sich nicht mehr auf die Gefährdung des Untersuchungszwecks beruft. Im Übrigen hat sich der Senat bereits zum Sinngehalt dieser Stellungnahme geäußert (Beschluss vom 27. April 2020 – 4 LA 251/19 –, juris Rn. 17 f.).

45

cc) Auch die Auffassung der Beigeladenen, dass der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 UIG einen Gleichlauf zwischen den Akteneinsichts- bzw. Informationszugangsvorschriften der StPO und dem UIG bezwecke und ein etwaiger Konflikt zwischen dem Umweltinformationsgesetz und den Verfahrensvorschriften zugunsten der Verfahrensvorschriften zu lösen sei, verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg. Auf die Ausführungen unter B. I. 2. a) dd) wird Bezug genommen. Auf einen entgegenstehenden Rechtssatz hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung im Übrigen auch nicht gestützt.

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dd) Soweit die Beigeladene mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2018 rügt, dass Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den Versagungsgrund des Anspruchs einer Person auf ein faires Verfahren im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 UIG nicht als einschlägig gewertet, ist die Begründung nicht fristgemäß erfolgt.

47

Die Beigeladene hat aber auch sonst nicht ausreichend dargelegt, warum die behauptete Vorverurteilung Beschuldigter aufgrund der Akteneinsichtsgewähr zu erwarten sein sollte. Sie bezeichnet weder die Verfahren oder den Betroffenen noch die Information, von der eine solche verfahrensrelevante Wirkung nachvollziehbar ausgehen könnte. Allgemeine Ausführungen zur Unschuldsvermutung vermögen das Argument des Verwaltungsgerichts nicht zu entkräften.

48

Ebenso wenig legt das verspätete Vorbringen schlüssig dar, inwiefern von einer Offenlegung der streitgegenständlichen Informationen Druck auf potentielle Zeugen und Entscheidungsträger, insbesondere das zur Entscheidung berufene Gericht und Schöffen, auszugehen vermag oder die Waffengleichheit gefährdet würde.

49

ee) Nach alledem ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen schon nicht, dass die Bekanntgabe der begehrten Informationen nachteilige Auswirkungen auf die durch § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG geschützten Belange der Rechtspflege haben könnte. Die Frage, ob das öffentliche Interesse an der Informationsgewährung diese Belange überwiegt (§ 8 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz UIG), stellt sich damit nicht mehr. Dessen ungeachtet würde eine bloße Bezugnahme auf eine entsprechende Wertung des Verwaltungsgericht Berlins für eine entsprechende Darlegung nicht ausreichen.

50

Auch sonst verhelfen die Ausführungen der Beigeladenen zum Fehlen eines überwiegenden öffentlichen Interesses dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Eine entgegenstehende Rechtsauffassung hat die Kammer nicht vertreten, weil es hierauf aus Sicht des Gerichts nicht ankam.

51

b) Der Zulassungsantrag der Beigeladenen legt auch keine ernstlichen Zweifel in Bezug auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts dar, wonach der Ablehnungsgrund entgegenstehender Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG nicht einschlägig ist.

52

aa) Ohne Erfolg rügt die Beigeladene insoweit, das Gericht habe ihr Interesse an der Geheimhaltung tatsächlich und rechtlich unzutreffend bewertet. Die Anforderungen an die Darlegung seien in der Entscheidung in einer den Schutzzweck des Ausschlussgrundes nicht mehr gerechtfertigten Weise überspannt worden. Hiermit zieht die Beigeladene die Richtigkeit der Entscheidung nicht ernstlich in Zweifel.

53

Das Verwaltungsgericht hat Zweifel an der ausreichenden Substantiiertheit und der Geheimhaltungsbedürftigkeit geäußert, letztlich aber offengelassen, ob und in welchem Umfang die streitbefangenen Unterlagen tatsächlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten, ob ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung vor dem Hintergrund der Rechtsverstöße besteht, ob die Informationen bereits bekannt sind und ob es sich um „Umweltinformationen über Emissionen“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 UIG handelt. Im Ergebnis hat das Gericht auch für den Fall, dass diese Fragen in einem für die Beigeladenen vorteilhaften Sinne zu beantworten sind, ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 2.Halbsatz UIG angenommen mit der Folge, dass sich die Beklagte jedenfalls nicht auf das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen kann. Dass diese Annahme des Gerichts unzutreffend ist, zeigt die Zulassungsschrift nicht auf. Die Beigeladene legt keine Gründe dar, die die selbständig tragende Feststellung des Gerichts zum erheblichen öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe der Unterlagen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz UIG in Zweifel ziehen.

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bb) Der Vortrag der Beigeladenen, dass es sich bei den streitbefangenen Unterlagen um besonders wettbewerbssensible Informationen handle, die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG besonders geschützt seien, stellt die Richtigkeit der Feststellung auch nicht in Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat hierzu keine Ausführungen gemacht. Warum dies ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründen soll, legt die Beigeladene nicht dar. Sie stellt keine konkrete Verbindung zwischen den in Bezug genommenen Grundrechten und der Argumentation des Verwaltungsgerichts her. Insbesondere zeigt sie nicht auf, durch welche verfassungsrechtlichen Maßstäbe die Auslegung von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG beeinflusst wird, wie sich dies fallbezogen auswirkt und warum das angefochtene Urteil hiervon abweicht (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 27. April 2020 – 4 LA 251/19 –, juris Rn. 34).

55

cc) Die Zulassungsschrift legt auch nicht dar, warum das Verwaltungsgericht der Beigeladenen den „verfassungsrechtlichen Schutz“ abgesprochen habe. Das Verwaltungsgericht hat detailliert dargestellt, aus welchen Gründen das öffentliche Interesse erheblich ist und deshalb die Schutzwürdigkeit des Kommunikationsvorgangs überwiege, zumal die Kommunikation nicht intern, sondern mit der Beklagten stattgefunden habe und die Schutzwürdigkeit wegen des Zusammenhangs mit einem nicht gesetzeskonformen Verhalten erheblich reduziert sei. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht nicht von einer wirksamen Typgenehmigung ausgeht. Das Urteil stützt sich vielmehr darauf, dass die Beklagte (unbeschadet der Typgenehmigung) die Abschalteinrichtungen der Beigeladenen als nicht gesetzeskonform eingestuft hat. Die Antragsbegründung lässt auch insoweit die erforderliche substantiierte Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Gerichts vermissen.

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2. Die Rechtssache weist darüber hinaus auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

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Für diesen Zulassungsgrund müssen die darzulegenden Schwierigkeiten dergestalt sein, dass ihre Beantwortung im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres möglich ist. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d. h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Im Tatsächlichen ist dies besonders bei wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Zusammenhängen, im Rechtlichen bei neuartigen oder ausgefallenen Rechtsfragen der Fall. Die besonderen Schwierigkeiten müssen sich ferner auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall und das konkrete Verfahren entscheidungserheblich sind (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Mai 1999 – 2 L 244/98 –, juris Rn. 17).

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a) Die Beigeladene begründet die besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten vor dem Hintergrund der Vielzahl von Dokumenten und Informationen, die einen umfassenden Vortrag zu den Ausschlussgründen und eine entsprechende Subsumtion unter den Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses erfordern.

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Dass die Sache wegen der Vielzahl an streitgegenständlichen Informationen und technischen Zusammenhängen besondere Schwierigkeiten aufweist, ist damit nicht dargelegt. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO muss sich auf die entscheidungstragenden Bestandteile des verwaltungsgerichtlichen Urteils beziehen (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 124 Rn. 125). Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung zu dem Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG letztlich offengelassen, ob die Unterlagen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten und die Entscheidung selbständig tragend darauf gestützt, dass jedenfalls das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen überwiege. Zu einer umfassenden Subsumtion der Informationen unter den Ausschlussgrund des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses sah sich das Gericht nicht veranlasst.

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Aber auch sonst ist das Verwaltungsgericht bei der Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit nicht auf technische Einzelheiten eingegangen, da es sich nicht um interne Konzernkommunikation handle, sondern um Schriftverkehr zwischen der Beigeladenen und der Beklagten zur Beseitigung des Problems und zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands. Das Gericht hat zudem detailliert dargestellt, warum das Geheimhaltungsbedürfnis seitens der Beigeladenen nicht umfassend, nachvollziehbar und plausibel dargelegt worden sei und warum lediglich pauschal gehaltene Darlegungen den Anforderungen nicht gerecht werden. Welche konkreten Nachteile der Beigeladenen durch die Veröffentlichung der Kommunikation drohen, sei nicht ersichtlich. Dass die Beigeladene die Erwägungen des Gerichts für falsch erachtet, genügt den aufgezeigten Darlegungsanforderungen nicht.

61

b) Die Beigeladene hat auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Sache dargelegt. Der pauschale Hinweis auf eine uneinheitliche verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ohne weitergehende Konkretisierung reicht dafür jedenfalls nicht aus.

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3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung liegt nur dann vor, wenn die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (OVG Schleswig, Beschluss vom 31. Juli 2017 – 2 LA 51/16 –, juris Rn. 7). In der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung muss deutlich werden, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen, warum es also erforderlich ist, dass sich das Berufungsgericht noch einmal klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt und entscheidet, ob die Bedenken durchgreifen (OVG Schleswig, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 2 LA 16/16 –, juris Rn. 2). Daran fehlt es hier.

64

a) Die Beigeladene hält die Frage für klärungsbedürftig,

65

welche Anforderungen an die Darlegung des Ablehnungsgrundes der entgegenstehenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG durch die informationspflichtige Beklagte sowie die Beigeladenen zu stellen sind.

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Der Frage kommt schon keine über den Fall hinausgehende verallgemeinerungsfähige Bedeutung zu. Sie bezieht sich nur auf den konkreten Fall, da sie die Frage betrifft, welche Darlegungsanforderungen gerade die Beklagte und die Beigeladene zu erfüllen haben.

67

Soweit sich die Frage allgemeiner formulieren lässt, ist sie nicht klärungsbedürftig. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen im Falle des Bekanntwerdens von Informationen nachvollziehbar und plausibel darlegt werden muss (BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013 – 7 B 45.12 –, juris Rn. 16). Die Frage des Maßstabs, nach dem sich entscheidet, ob einzelne Umstände zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen, entscheidet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und entzieht sich einer fallübergreifenden Beantwortung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013 – 7 B 45.12 –, juris Rn. 12).

68

Die Frage war für das Verwaltungsgericht zudem nicht entscheidungserheblich. Das Urteil erachtet die Darlegung zu den streitgegenständlichen Unterlagen als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zwar als nicht plausibel, stützt die Entscheidung aber selbständig tragend darauf, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt und die Beklagte sich schon deshalb nicht auf das Vorliegen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen berufen kann.

69

b) Auch in Bezug auf die weitere Frage

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welche Anforderungen an die Darlegung des Ablehnungsgrundes des Schutzes laufender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen vor nachteiligen Auswirkungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG durch die informationspflichte Beklagte zu stellen sind,

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fehlt die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Die Formulierung bezieht sich auf die Beklagte und kann daher nur fallbezogen beantwortet werden.

72

Selbst wenn man die Frage auf die Darlegungslast einer informationspflichtigen Behörde generell bezöge, wäre die Frage nicht klärungsbedürftig.

73

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass die informationspflichtige Behörde ihrer Darlegungslast in Fällen, in denen die Akten wegen ihres thematischen Bezugs zum Untersuchungsgegenstand in staatsanwaltschaftliche Ermittlungen einbezogen worden sind, aufgrund der dann eintretenden Vermutungswirkung grundsätzlich bereits dann genügt, wenn sie eine auf Prüfung der Sachlage gegründete Einschätzung der Staatsanwaltschaft vorlegt, dass neue Ermittlungsansätze denkbar sind und der Untersuchungszweck durch Preisgabe der begehrten Informationen gefährdet würde (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 18.12 –, juris Rn. 19 und 25 betreffend die inhaltsgleiche Regelung des § 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g IFG).

74

Das Gericht hat detailliert dargestellt, warum die Vermutungswirkung erschüttert und eine nähere Darlegung durch die Beklagte und Staatsanwaltschaft damit geboten ist. Die Frage, welche Anforderungen gelten, wenn die Vermutungswirkung nicht greift, hat die Beigeladene nicht gestellt.

75

Die Beigeladene erfüllt die Darlegungsanforderungen auch deshalb nicht, weil sie nicht aufzeigt, warum die Frage vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich im Strafverfahren den Verteidigern gewährten Akteneinsicht und der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 29. November 2018 überhaupt im Berufungsverfahren erheblich wäre und für das Verfahren von Bedeutung ist. Die nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist – wie bereits aufgezeigt – grundsätzlich zu berücksichtigen.

76

4. Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2018 rügt die Beigeladene erstmals die Verletzung rechtlichen Gehörs unter Hinweis darauf, das Gericht habe die Ausführungen der Beigeladenen zum Ausschlussgrund wegen des Rechts auf ein faires Verfahren mit nur einem Satz abgetan und schließt sich ergänzend den Ausführungen der Beklagten zum Verfahrensmangel wegen fehlender Durchführung eines „in camera“-Verfahrens an. Auch diese neuen Rügen verhelfen ihrem Antrag nicht zum Erfolg. Sie bleiben unberücksichtigt, da die Beigeladene den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels nicht rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) geltend gemacht hat.

77

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

78

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

79

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

80

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG)


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