Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 B 347/08

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11. August 2008 - 5 L 553/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren sowie unter teilweiser Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 11. August 2008 - 5 L 553/08 - auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus (C-Straße) bebauten Grundstücks Parzelle Nr. 36/1 in Flur 9 der Gemarkung A-Stadt. Sie wendet sich gegen eine dem Beigeladenen auf der südöstlich, jenseits der W-Straße gelegenen Parzelle Nr. 32/7 genehmigte Kfz-Werkstätte. Auf diesem nicht beplanten Anwesen (W-Straße 75) befinden sich rechtsseitig auf der Grenze zur im Eigentum der Gemeinde A-Stadt stehenden Parzelle Nr. 32/8 ein ca. 80 m langes aus verschiedenen Abschnitten bestehendes Hallengebäude (nach den Genehmigungsunterlagen: „Gebäude 1“) und westlich hiervon ein weiteres Haus („Gebäude 2“). Auf der benachbarten Parzelle Nr. 32/27 steht ein Wohngebäude (Nr. 75a).

Unter dem 19.12.2007 erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen im Einvernehmen mit der Gemeinde A-Stadt und nach Beteiligung des Landesamts für Umweltschutz einen positiven Bauvorbescheid für den „Einbau einer Kfz-Werkstatt“ in die bisher anderweitig gewerblich genutzten Gebäude, das Anlegen eines Freiplatzes zur Ausstellung von PKW und die Umnutzung einer Garage zur Durchführung von Fahrzeugaufbereitungsarbeiten.

Dagegen erhob die Antragstellerin mit Eingang am 19.2.2008 Widerspruch, der nach ihren Angaben mit einer abgelehnten eigenen Bauvoranfrage „zusammenhängt“. Unter dem 28.3.2006 hatte der Antragsgegner den Antrag ihres Ehemannes auf Erteilung eines positiven für die Einrichtung eines Außenlagers für seinen Dachdeckerbetrieb und den Neubau einer Lagerhalle auf einem dem Gelände des Beigeladenen zur WStraße hin vorgelagerten Grundstück (Parzellen Nr. 32/2, 32/24 und 32/26) unter Verweis auf die Unzulässigkeit des Vorhabens in einem hier anzunehmenden faktischen allgemeinen Wohngebiet negativ beschieden. Zur Begründung ihres Widerspruchs verwies die Antragstellerin auf diese Gebietseinstufung, welche auch die Genehmigung des Betriebs des Beigeladenen nicht zulasse.

Am 11.6.2008 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht, den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, den Betrieb der Kfz-Werkstatt mit sofortiger Wirkung vorläufig einzustellen.

Mit Bauschein vom 16.6.2008 erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen dann die Baugenehmigung zum „Einbau einer Kfz-Reparaturwerkstatt mit Büro- und Personalbereich in die Werkhalle, Anlegen von 10 PKW-Stellplätzen, Anlegen einer Ausstellungsfläche für Gebrauchtwagen und Nutzung des Gebäudes 2 zur Fahrzeugaufbereitung“. Nach den genehmigten Grundrissplänen dient das nördliche Ende des Hallengebäudes (Gebäude 1) als „Wohnhaus“. Unter Ziffer 10 der Nebenbestimmungen zum Bauschein heißt es, dieser vordere Gebäudeteil, in dem sich Wohnung und Büro befänden, gehöre „nicht zum Genehmigungsumfang“. Am südlichen Ende soll eine „private Nutzung“ erfolgen, die nach dem Antrag „nicht zur Betriebsfläche“ gehört. Im Gebäude 2 soll ein „Autoservice“ betrieben werden. Die Genehmigungsunterlagen umfassen eine Betriebsbeschreibung, nach der unter anderem weder Lackierarbeiten noch Arbeiten mit Hochdruckreinigern erfolgen sollen. Beigefügt sind schließlich Auflagen des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz, in denen Immissionsrichtwerte für die unmittelbar benachbarten Gebäude Waldstraße 75a und 95 bis 97 enthalten sind. Ferner darf während der Nachtzeit auf dem Betriebsgelände weder Fahrzeugverkehr noch Ladebetrieb stattfinden. Reparatur- und Servicearbeiten sind nur außerhalb der Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit und zwar im Zeitraum von 7.00 bis 20.00 Uhr erlaubt. Schließlich sind Lärm emittierende Reparatur- und Wartungsarbeiten, wie zum Beispiel Karosserie- und Schleifarbeiten an Kraftfahrzeugen, im Freien untersagt.

Gegen die Baugenehmigung hat die Antragstellerin am 23.6.2008 ebenfalls Widerspruch erhoben.

Die Antragstellerin hat geltend gemacht, der Beigeladene biete einen Kfz-Full-Service, der in einem allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig sei. Entgegen anders lautender Behauptungen des Beigeladenen sei der Werkstattbetrieb inzwischen aufgenommen worden. Durch die entstehenden Geräusche und durch die Staubentwicklung werde sie in ihren Rechten beeinträchtigt. Ein Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung über ihren Nachbarrechtsbehelf erschwere die Verwirklichung ihrer Abwehrrechte. Die Genehmigung sei nicht hinreichend bestimmt, weil dem Beigeladenen nicht das nächtliche Anliefern von Fahrzeugen untersagt worden sei. Der Beigeladene fordere den Abschleppdienst des ADAC auf, nachts Unfallfahrzeuge anzuliefern. In ihrem eigenen Anwesen befinde sich lediglich ein Büro des Dachdeckerunternehmens ihres Ehemannes. Auch mit der Haltung eines Hundes sei eine nächtliche Lärmbelästigung verbunden. Durch Verbrennen von Abfällen würden Geruchsbelästigungen hervorgerufen. Die Betriebsbeschreibung des Beigeladenen sei ein „Etikettenschwindel“ und genüge in keiner Weise den Anforderungen der Bauvorlagenverordnung.

Der Antragsgegner hat vorgetragen, bei einer Baukontrolle im Juni 2008 seien keine betrieblichen Aktivitäten festzustellen gewesen. Eine Werkstatt werde demnach gegenwärtig nicht betrieben.

Der Beigeladene hat auf eine von dem Ehemann der Antragstellerin auf dem Grundstück betriebene „Dachdeckerei mit Zimmerei“ verwiesen. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück habe ein Herr N. über Jahre hinweg eine Autowerkstatt betrieben, ohne dass die Antragstellerin sich darüber beschwert hätte. Er selbst halte sich an seine Betriebsbeschreibung, habe dem Verbringen des Unfallautos auf sein Grundstück nicht zugestimmt und halte dort nachts keinen Hund.

Das Verwaltungsgericht hat den geänderten Antrag auf Anordnung der auf-schiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die zwischenzeitlich erteilte Baugenehmigung mit Beschluss vom 11.8.2008 zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, gegenwärtig lasse sich nicht abschließend beurteilen, ob die Voraussetzungen für einen Gebietsgewährleistungsanspruch der Antragstellerin erfüllt seien. Zwar spreche nach Aktenlage einiges dafür, dass das Grundstück der Antragstellerin noch einem allgemeinen Wohngebiet zuzurechnen sei. Das sei aber für das Vorhabengrundstück weniger wahrscheinlich, obwohl der Beigeladene selbst dies in den Antragsunterlagen so angegeben habe. Die Umgebung werde zum einen durch mehrere Wohngebäude geprägt, nämlich die Anwesen Waldstraße 75a und 77 sowie Alte Glashütte 95 und 97, zum anderen aber auch von der massiven Halle sowie dem benachbarten Sportplatz mit Nebengebäuden. Die seit „Urzeiten“ vorhandenen gewerblichen, nicht wohngebietsverträglichen Nutzungen des Hallengebäudes seien mit dem Gebietscharakter eines allgemeinen Wohngebiets nicht vereinbar. Von 1959 bis Anfang 2004 habe die Firma T. GmbH die Gebäude zur Herstellung von Rollläden und ab 1979 zusätzlich als Schlosserei benutzt. Bereits zuvor müsse dort die Kfz-Reparaturwerkstatt C. betrieben worden sein, da anders die festgestellten Bodenverunreinigungen nicht erklärlich seien. Von 2004 bis 2007 sei die große Halle zum Handel mit Sonnenschutztechnik und Rollladen und Montage genutzt worden. Zwischen Juni 2004 und Ende Oktober 2007 habe sich in der kleinen Halle zusätzlich die Firma N. („KfZ-Technik und Reifenservice“) befunden. Die Klärung des Gebietscharakters müsse der Ortsbesichtigung im Hauptsache-verfahren vorbehalten werden. Gegenwärtig stehe ein Gebietsgewährleistungs-anspruch dem Vorhaben jedenfalls nicht mit der erforderlichen Gewissheit entgegen. Handele es sich bei summarischer Betrachtung eher um ein Gebiet eigener Prägung, so könnten sich Abwehransprüche nur aus dem Rücksicht-nahmegebot ergeben. Vorliegend sei aber nicht erkennbar, dass das Vorhaben für die Antragstellerin schlechthin unzumutbare Auswirkungen habe. Hierbei seien die Vorbelastung wie auch der Umstand zu berücksichtigen, dass das Anwesen der Antragstellerin durch das Wohnhaus Nr. 75a von dem zudem etwa 30 m nach Süden von der W-Straße abgerückten Betrieb des Beigeladenen abgeschirmt werde, so dass sich merkliche Störungen wesentlich durch den zu erwartenden Zu- und Abgangsverkehr ergeben dürften. Das Wohnhaus und der anschließende Bürotrakt hätten zur Folge, dass das erste Werkstatttor etwa 80 m vom Haus der Antragstellerin entfernt sei. Die Ausstellungsfläche für Gebrauchtwagen werde vom Anwesen der Antragstellerin gesehen durch das Hallengebäude auch akustisch abgeschirmt. Schließlich „überlagerten“ die Vorbelastung durch die früheren Gewerbebetriebe und das Vorhandensein des Parkplatzes für den Sportplatz voraussichtlich die Schutzwürdigkeit des Ruhebedürfnisses der Antragstellerin. Eine Rücksichtslosigkeit erscheine daher ebenfalls wenig wahrscheinlich.

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11.8.2008 - 5 L 553/08 -, mit der sie ihren aus Anlass der Erteilung des Bauscheins umgestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 16.6.2008 weiter verfolgt, ist unbegründet. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren bestimmende Beschwerdebegründung lässt keine abweichende Beurteilung dieses Eilrechtsschutzbegehrens zu. Das Verwaltungsgericht hat das Interesse der Antragstellerin an der begehrten Anordnung des Suspensiveffekts (§ 80 Abs. 1 VwGO) ihres Rechtsbehelfs zu Recht als nachrangig eingestuft.

In derartigen Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des jeweils in der Hauptsache eingelegten Nachbarrechtsbehelfs. Entscheidend ist daher die Frage des Vorliegens einer für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden Anfechtungsklage der Antragsteller unabdingbaren Verletzung ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 28.8.1998 - 2 V 15/98 -, SKZ 1999, 120, Leitsatz Nr. 52, wonach der Umstand, dass eine Baugenehmigung lediglich gegen im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften verstößt und sich insoweit als erkennbar rechtswidrig erweist, im Einzelfall keinen Grund darstellt, dem Nachbarinteresse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit den Vorrang einzuräumen; ebenso etwa Beschluss vom 26.1.2007 - 2 W 27/06 -, SKZ 2007, 135 (Palmölblockheizkraftwerk), st. Rspr.) durch die Baugenehmigung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Lassen sich die Erfolgsaussichten im Aussetzungsverfahren aufgrund der verfahrensformbedingt eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten nicht abschließend positiv beurteilen, so ist für eine Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines Nachbarrechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung nur Raum, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung ergibt. (vgl. hierzu im Einzelnen etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 - 1 W 34/03 und 1 W 35/03 -, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40, st. Rspr.)

Unter bodenrechtlichen Gesichtspunkten könnten vorliegend, da sich das Vorhabengrundstück in der nicht beplanten Ortslage von A-Stadt befindet, Abwehrrechte der Antragstellerin im Falle des Vorliegens eines faktischen Baugebiets nach den §§ 2 ff. BauGB, insbesondere eines Wohngebiets (§§ 3 oder 4 BauNVO), unter dem Aspekt eines sog. Gebietserhaltungsanspruchs hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (§ 34 Abs. 2 BauGB) oder aber mit Blick auf das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme ergeben. Das Verwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung ausführlich dargelegt, dass beides nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand eher unwahrscheinlich ist. Die Richtigkeit dieser Beurteilung unterliegt auch bei Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens keinen Bedenken.

Dass es dabei nicht allgemein darauf ankommt, ob sich das Vorhaben des Beigeladenen in jeder Hinsicht im Verständnis des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, ergibt sich ohne weiteres aus dem zuvor Gesagten. Ebenso wenig von Bedeutung ist die Frage, ob und in welchem Umfang der Beigeladene den Betrieb tatsächlich bereits an diesem Sitz führt und welche Feststellungen dazu der Baukontrolleur des Antragsgegners vor Ort Anfang Juni 2008 getroffen hat. Diese Umstände würden bei einem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten (§§ 82 Abs. 2 LBO 2004, 80a VwGO) eine zentrale Rolle spielen, nicht aber für das nach Umstellung seines Antrags mit Schriftsatz vom 16.7.2008 vorliegend streitgegenständliche Aussetzungsbegehren. Schließlich bedarf es keiner Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Antragstellerin, dass die vom Beigeladenen eingereichten Unterlagen den Anforderungen der einschlägigen Bauvorlagenverordnung 2004 nicht genügten. Allein aus einem Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Verfahrensvorschriften ließe sich keine Nachbarrechtsverletzung herleiten; eine solche setzt vielmehr zwingend die Nichtbeachtung (nachbarschützender) materiellrechtlicher Bestimmungen voraus. (vgl. dazu Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kap. XI RNr. 95 ff., zuletzt etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 3.1.2008 - 2 Q 44/06 -, SKZ 2008, 207, Leitsatz Nr. 23)

Dass der Antragstellerin der reklamierte Gebietserhaltungsanspruch in Form eines Abwehrrechts gegenüber allen in dem von ihr in Bezug auf die Umgebungsbebauung angenommenen allgemeinen Wohngebiet (§§ 34 Abs. 2 BauGB, 4 BauNVO 1990) unzulässigen Nutzungen zusteht, erscheint zumindest sehr zweifelhaft. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass in den Gebäuden auf dem Vorhabengrundstück über Jahrzehnte hinweg verschiedene gewerbliche Nutzungen stattgefunden haben, die - da Anhaltspunkte für eine Fremdkörpereigenschaft nicht vorliegen - im Falle ihrer Berücksichtigung bei der Bestimmung des Gebietscharakters die Annahme eine faktischen („gebietsreinen“) allgemeinen Wohngebiets nach den Maßstäben des § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Nr. 2 BauNVO 1990 mit Blick auf ihre Störqualität aller Voraussicht nicht zuließen. Dass die Antragstellerin diese nach eigenem Vortrag in den Jahren zwischen 1959 und 2007 unter anderem auch die Herstellung und Montage von Rollläden sowie „Schlosserarbeiten“ umfassenden Nutzungen - wie nun mit der Beschwerde vorgetragen - subjektiv als von den Umweltauswirkungen her „nicht vergleichbar“ ansieht, bleibt ebenso ohne ausschlaggebende Bedeutung wie die Frage, ob die einzelnen Nutzungen bauaufsichtlich genehmigt waren oder nicht.

§ 34 BauGB knüpft mit seinen Kriterien für die städtebauliche Zulässigkeit baulicher Nutzungen in der unbeplanten Ortslage allein an die faktischen Gegebenheiten der maßgeblichen, das Baugrundstück prägenden Umgebungsbebauung an. Daher sind in dem Zusammenhang ungenehmigte Nutzungen nur dann auszuscheiden, wenn die Bauaufsichtsbehörde sich mit ihnen erkennbar nicht abgefunden hat und dagegen auch vorgeht. Insoweit war schon sehr fern liegend, dass - wie die Antragstellerin vorgetragen hat - der Antragsgegner als zuständige Untere Bauaufsichtsbehörde keine Kenntnis von der gewerblichen Benutzung der umfangreichen Gebäude auf dem Vorhabengrundstück gehabt haben sollte. Da die Antragstellerin dem Vortrag des Antragsgegners in dessen Schriftsatz vom 30.9.2008, dass ihm die gewerblichen Nutzungen bekannt gewesen und diese zumindest teilweise als „Werkhallen“ beziehungsweise „Ausstellungsräume“ schon Anfang der 1970er Jahre auch genehmigt worden sind, nicht mehr entgegengetreten ist, braucht das hier nicht vertieft zu werden. Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass jedenfalls in einem nach der Verkehrsanschauung zu bestimmenden Zeitraum, in dem mit der Wiederaufnahme gerechnet werden kann, von einer fortdauernden Prägung auch aufgegebener Nutzungen für den Gebietscharakter auszugehen ist. Diese lässt jedenfalls die von der Antragstellerin angenommene Einordnung als Wohngebiet (§ 4 BauNVO 1990) voraussichtlich nicht zu, ohne dass insoweit darauf eingegangen werden müsste, ob - wie der Beigeladene nunmehr sogar unter Beweisantritt vorträgt - der Ehemann der Antragstellerin sein Grundstück auch im Rahmen des Dachdeckerbetriebes nutzt. Da es auf die faktischen Verhältnisse ankommt, spielt es für die vorliegende Entscheidung auch keine Rolle, ob der Antragsgegner in der Vergangenheit, insbesondere im Rahmen der Ablehnung einer Bauvoranfrage des Ehemanns der Antragstellerin durch Bescheid vom 28.3.2006 für ein Nachbargrundstück, selbst vom Vorliegen eines allgemeinen Wohngebietes ausgegangen ist. Sollte der Hinweis der Antragstellerin in ihrem Widerspruch vom Februar 2008 gegen den dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid, dass dieser Rechtsbehelf „mit der abgelehnten Bauvoranfrage für unsere Mandanten“ zusammenhänge, dahin zu verstehen sein, dass die damalige Einstufung falsch gewesen sei, so sind keine Gründe ersichtlich, die den Ehemann der Antragstellerin hätten hindern sollen, einen vermeintlichen Genehmigungsanspruch in einem Rechtsbehelfsverfahren geltend zu machen. In dem Zusammenhang kann auch dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Allein dieser Umstand würde es sicher nicht rechtfertigen, dem an diesen Verfahren überhaupt nicht beteiligten Beigeladenen einen ihm zustehenden Genehmigungsanspruch zu versagen.

Dem Beschwerdevorbringen lässt sich ferner nicht entnehmen, weshalb die vom Verwaltungsgericht unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere der Vorbelastungen und der Abstände der Grundstücke beziehungsweise der Zuordnung der einzelnen Baulichkeiten vorgenommene Bewertung, dass ein Verstoß gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme hier nicht mit der für den Erfolg des Aussetzungsbegehrens der Antragstellerin „erforderlichen Gewissheit“ festgestellt werden kann, unzutreffend sein sollte. Neben den erwähnten baulichen Gesichtpunkten ist in rechtlicher Hinsicht festzuhalten, dass der Genehmigungsinhalt auch einschränkende Auflagen umfasst, wonach etwa in der - nach Maßstäben des Immissionsschutzrechts - Nachtzeit auf dem Betriebsgelände jeglicher Fahrverkehr und Ladebetrieb zu unterbleiben hat sowie für die Nachbarschaft störträchtige Arbeiten auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt sind und insbesondere Lärm emittierende Reparatur- und Wartungsarbeiten an Kraftfahrzeugen grundsätzlich nicht im Freien durchgeführt werden dürfen. Das zeigt, dass der zwischen den Beteiligten umstrittene Vorgang um die Verbringung eines Unfallfahrzeugs an einem Feiertag im Mai 2008 gegen 0.30 Uhr auf das Gelände - wenn er sich denn so und vor allem mit Billigung des Beigeladenen so abgespielt hätte - keine Rückschlüsse auf eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die vom Antragsgegner getroffene Genehmigungs-entscheidung zuließe. Sollte sich der Beigeladene nicht an die Auflagen des Antragsgegners halten, wäre dem gegebenenfalls zunächst durch repressive bauaufsichtliche Maßnahmen zu begegnen.

Darüber hinaus ist für baunachbarliche Eilrechtsschutzverfahren, und zwar sowohl für Anträge auf Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörden zum sofortigen Einschreiten gerichtete Begehren (§§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 123 Abs. 1 VwGO) als auch für die im Falle des Vorliegens einer die Nutzung legitimierenden bauaufsichtsbehördlichen Genehmigungsentscheidung im Einzelfall notwendig „vorgeschalteten“ Aussetzungsanträge von Nachbarn ein überwiegendes Nachbarinteresse an der in beiden Fällen intendierten sofortigen Unterbindung von Beeinträchtigungen, die durch die Nutzung einer bereits vorhandenen baulichen Anlage verursacht werden, nur dann anzuerkennen, wenn die Einwirkungen auf den Nachbarn ganz wesentlich über das im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Erhebliche hinausgehen, so dass ihm die Hinnahme nicht einmal vorübergehend bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache in zumutbarer Weise angesonnen werden kann. In diesen Fällen droht keine Schaffung „vollendeter Tatsachen“ wie etwa bei der Errichtung von Gebäuden. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 26.1.2007- 2 W 27/06 -, SKZ 2007, 135 (Palmölblockheizkraftwerk), vom 10.11.2006 - 3 W 5/06, 3 W 6/06, 3 W 7/06 und 3 W 8/06 - (Windkraftanlagen), wonach unter Lärmschutzgesichtspunkten jedenfalls die in der TA-Lärm enthaltenen Beurteilungspegel für Kern-, Dorf- und Mischgebiete vorübergehend hinnehmbar sind, vom 21.8.1997 - 2 W 2/97 -, SKZ 1998, 18, NVwZ-RR 1998, 636 (Selbstbedienungswaschanlage für Kraftfahrzeuge, Aussetzungsbegehren), vom 12.9.2003 - 1 W 22/03 -, SKZ 2004, 84, Leitsatz Nr. 35 (Einschreitensbegehren), vom 26.3.1996 - 2 W 4/96 - (Kindertagesstätte im Reihenhaus), n.v., vom 4.5.1995 - 2 W 9/95 - (landwirtschaftliches Stallgebäude), n.v., und vom 7.2.1994 - 2 W 41/93 - (Bankettsaal eines Hotels), n.v.) Zumindest davon kann vorliegend sicher nicht ausgegangen werden. Die abschließende planungsrechtliche Beurteilung der genehmigten Anlage unter Nachbarrechtsaspekten ist daher - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt - dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten, in dessen Rahmen gegebenenfalls eine weitere Sachverhaltsaufklärung mit Besichtigung der Örtlichkeit zur Bestimmung der in dem Zusammenhang nach § 34 BauGB anzulegenden Maßstäbe geboten ist. Das verfassungsrechtliche Effektivitätsgebot des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet im konkreten Fall keine verfahrensmäßige „Vorwegnahme“ des Hauptsacheverfahrens, insbesondere hinsichtlich der Tatsachenermittlung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. (ebenso etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 6.9.2004 - 1 W 26/04 -, SKZ 2005, 94 Leitsatz Nr. 35 (PKW-Lackiererei mit Karosseriebauwerkstatt, Aussetzungsantrag)) Die sich aus § 212a Abs. 1 BauGB ergebenden Nachteile für den Nachbarn, aber auch die damit einhergehenden wirtschaftlichen Risiken für den Bauherrn angesichts der Möglichkeit eines späteren Erfolgs des Nachbarrechtsbehelfs in der Hauptsache hat der Gesetzgeber in Kauf genommen.

Die Beschwerdebegründung gibt abschließend Anlass zu folgendem Hinweis: Die Argumentation der Antragstellerin erweckt den Eindruck, dass diese die Unzumutbarkeit des Werkstattbetriebs des Beigeladenen aus Verhaltensweisen Dritter oder den Genehmigungsinhalt überschreitenden so genannten „Nutzerexzessen“ ableiten möchte, etwa wenn sie darauf hinweist, dass „insbesondere jugendliche Fahrer mit aufgemotzten Fahrzeugen zu allen möglichen Zeiten auch außerhalb der Öffnungszeiten mit aufheulenden Motoren“ vorbeiführen, „um zu prüfen, wo sich der Betrieb des Beigeladenen tatsächlich befindet oder ob dieser vielleicht doch noch geöffnet ist“. Das mag - wenn es sich denn in der Realität so abspielen sollte - belästigend sein, würde möglicherweise die Frage polizeilicher Gegenmaßnahmen aufwerfen, nicht aber die Annahme einer Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die vom Antragsgegner getroffene Genehmigungsentscheidung tragen. Dies betrifft auch die Frage, ob der Beigeladene auf seinem Grundstück „Gummi“ verbrannt hat oder nicht. Dass nichts anderes für die Frage gelten kann, ob der im Internet vom Beigeladenen als „Chefin des internen Sicherheitsdienstes“ und als - mit 100 % Erfolgsquote - zuständig für den „Inkassobereich“ präsentierte Rottweiler, was der Beigeladene bestreitet, seinen „Dienst“ auch nachts auf dem Betriebsgrundstück versieht oder nicht, bedarf keiner Vertiefung. Selbst wenn eine Haltung dieses oder eines anderen Wachhundes auf dem Grundstück - wie die Antragstellerin vorgetragen hat - mit „nächtlichen Lärmbelästigungen verbunden“ sein sollte, so wäre auch dies unerheblich. Deswegen kann es - abgesehen von der bereits angesprochenen Unbeachtlichkeit allein bauverfahrensrechtlicher Aspekte - auch nicht darauf ankommen, dass das Tier vom Beigeladenen „in der Betriebsbeschreibung ebenfalls nicht erwähnt“ wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten des Beigeladenen waren für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO); dieser hat auch im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und damit eigene Kostenrisiken übernommen (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG. Der Senat bewertet das Interesse eines privaten Wohnnachbarn, der sich gegen eine Baugenehmigung für eine bei typisierender Betrachtung in der Umgebung durch nicht unwesentliche Immissionsbelastungen in Erscheinung tretende gewerbliche Nutzung - hier eine Kfz-Werkstatt - wendet, hauptsachebezogen unter Änderung seiner Rechtsprechung mit regelmäßig 15.000,- EUR. Dem entsprechend war der Streitwert für das Aussetzungsverfahren unter Berücksichtigung des insoweit üblicherweise vorzunehmenden hälftigen Abschlags wie geschehen festzusetzen.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

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