Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 A 512/09

Tenor

Unter entsprechender teilweiser Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 10 K 1860/07 – wird die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger zu 1. und 2. sind nach eigenen Angaben miteinander nach religiösem Ritus verheiratet und staatenlose Kurden aus Syrien. Sie reisten im Juni 2004 in das Bundesgebiet ein; der Kläger zu 3. wurde im September 2004 in Deutschland geboren. Der Asylantrag der Kläger zu 1. und 2. wurde unter dem 9.8.2004 abgelehnt.

Auf die hiergegen gerichtete Klage der Kläger, die hinsichtlich des Asylbegehrens am 29.3.2005 zurückgenommen worden war, hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7.3.2007 – 10 K 9/07 - den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge der dortigen Beklagten vom 9.8.2004 hinsichtlich der Bezeichnung von Syrien als Zielstaat einer Abschiebung auf und wies die Klage im Übrigen ab. In seiner Urteilsbegründung sah das Verwaltungsgericht die Kläger zu 1. und 2. als staatenlose Kurden an, denen aus asylfremden Gründen die Wiedereinreise nach Syrien verweigert werde und die daher unabhängig von einer eventuellen früheren politischen Verfolgung im Aufenthaltsstaat kein Asylrecht oder die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 I AufenthG erhalten könnten.

Unter dem 15.3.2007 beantragten die Kläger zu 1. und 2. die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Ausstellung eines Staatenlosenausweises unter Berufung auf das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7.3.2007 - 10 K 9/07 - bei dem Rechtsvorgänger des Beklagten, dem Landesamt für Ausländer- und Flüchtlingsangelegenheiten. Seit 15.5.2007 ist der Aufenthalt der Kläger geduldet.

Unter dem 24.5.2007 wies diese Ausländerbehörde die Kläger darauf hin, dass sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7.3.2007 hinsichtlich der Staatenlosigkeit der Kläger keine Bindungswirkung ergebe und dass die von ihnen behauptete Staatenlosigkeit weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich mache. Sie seien mit Blick auf § 82 I AufenthG verpflichtet, jedwede Verfahrenshandlung vorzunehmen, die zur Klärung ihrer ausländerrechtlichen Belange beitrage und nicht nur diejenige, zu der sie gerade aufgefordert würden. Darüber hinaus wurden die Kläger aufgefordert, einen vollständigen und nachvollziehbaren Lebenslauf vorzulegen, lückenlos die familiäre Herkunft unter Angaben der Namen und Wohnorte ihrer Väter und Mütter sowie Großväter und Großmütter darzulegen (Stammbaum), Name, Anschrift, Status und Staatsangehörigkeit von gegebenenfalls in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Angehörigen mitzuteilen, die geforderten Angaben insbesondere durch amtlich beglaubigte Urkunden oder sonstige Dokumente von Institutionen oder Organisationen zu belegen beziehungsweise substantiiert darzutun, warum derartige Unterlagen nicht vorgelegt werden könnten, alle Personenstandsunterlagen der syrischen Behörden, mit denen sie sich vor ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet gegenüber den dortigen Behörden legitimiert hätten, im Original, ferner eine Ablichtung des libanesischen Reisepasses der Mutter der Klägerin zu 2. sowie Ablichtungen der Dokumente, die den aufenthaltsrechtlichen Status ihres Vaters und den aufenthaltsrechtlichen Status der Eltern des Klägers zu 1. in Syrien belegten, vorzulegen.

Am 15.6.2007 legten die Kläger einen Lebenslauf des Klägers zu 1., jeweils einen ausgefüllten Fragebogen zu Familienverhältnissen des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. sowie jeweils eine „Mitteilungsurkunde“ des Ortsvorstehers des Stadtviertels Al Sinaa in Al Kamishli betreffend die Kläger zu 1. und 2. vor. In der Folge wiederholten die Kläger ihre sich aus der Sitzungsniederschrift im Verfahren 10 K 9/07 ergebenden Angaben und reichten unter anderem auch einen Lebenslauf der Klägerin zu den Akten. Ferner erklärten sie, sie seien bemüht, mit ihren Eltern Kontakt aufzunehmen, um weitere Unterlagen zu beschaffen.

Am 25.10.2007 haben die Kläger zu 1. bis 3. Klage erhoben (10 K 1860/07). Sie haben die Auffassung vertreten, ihre Klage sei gemäß § 75 VwGO zulässig, da ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und Ausstellung eines Staatenlosenausweises seit mehr als sieben Monaten nicht beschieden worden sei. Die Klage sei auch begründet, da aufgrund der fehlenden Rückkehrmöglichkeit der Kläger ein Abschiebehindernis auf unabsehbare Dauer bestehe. Die syrische Botschaft werde ihnen als staatenlosen Kurden keinen Pass ausstellen. Sie hätten Anspruch auf Ausstellung eines Staatenlosenausweises. Darüber hinaus haben sie eine eidesstattliche Versicherung des Herrn D zur Identität des Klägers sowie eine eigene eidesstattliche Versicherung vom 9.8.2007 betreffend u.a. ihre Staatenlosigkeit vorgelegt, aufgenommen durch ein Notariat.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, den Klägern auf ihren mit Schriftsatz vom 15.3.2007 gestellten Antrag hin Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen und Ausweise nach dem Übereinkommen über die Rechtstellung von Staatenlosen auszustellen.

Der Beklagte, der seit Inkrafttreten des Verwaltungsstrukturreformgesetzes vom 21.11.2007 am 1.1.2008 in gesetzlicher Funktionsnachfolge für das Landesamt für Ausländer- und Flüchtlingsangelegenheiten am vorliegenden Rechtsstreit beteiligt ist, hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Klage für unbegründet erachtet. Den Klägern stehe kein Anspruch auf die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 25 V AufenthG zu, da sie deren Voraussetzungen nicht erfüllten. Das Hindernis für eine freiwillige Ausreise und eine zwangsweise Abschiebung sei in Fällen wie dem vorliegenden vordergründig die Passlosigkeit, die aber bei Kurden aus Syrien durch eine häufig zweifelhafte Identität sowie einen ungeklärten Status und eine nicht sicher feststehende Staatsangehörigkeit überlagert werde. Kurden mit syrischer Staatsangehörigkeit sei die Erlangung von Passersatzpapieren syrischer Auslandsvertretungen und eine freiwillige Ausreise in ihr Herkunftsland ohne weiteres möglich, während Kurden aus Syrien, die dort als registrierte Ausländer oder unregistriert und lediglich von syrischen Behörden geduldet gelebt hätten, im Falle einer unerlaubten Ausreise einem Wiedereinreiseverbot des syrischen Staates unterlägen und generell keine rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit der Rückkehr nach Syrien hätten. Danach bestehe ein Ausreise- und Abschiebungshindernis faktisch schon, wenn Identität, Status und Staatsangehörigkeit des Ausländers nicht abschließend geklärt seien. Die Kläger hätten das Ausreisehindernis zu vertreten, da sie mögliche und zumutbare Mitwirkungshandlungen zur Beseitigung des Hindernisses unterlassen hätten. Erforderlich sei, dass sie darlegten und auch bewiesen, dass sie tatsächlich in Syrien ansässig gewesene, unregistrierte Kurden seien und keine andere Staatsangehörigkeit hätten. Wer geltend mache und vortrage, dass er von einem Einreiseverbot betroffen sei, berufe sich auf einen Sonderfall, da die deutlich überwiegende Zahl der in Syrien ansässigen Kurden dort als Staatsbürger anerkannt seien. Mangels positiven Nachweises ihrer Staatenlosigkeit scheide die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Kläger aus. Deshalb hätten sie auch keinen Anspruch auf Ausstellung von Reiseausweisen. Denn das Übereinkommen finde nur auf Personen Anwendung, die kein Staat aufgrund seines Rechts als Staatsangehörige ansehe, also de iure staatenlos seien. Zudem hielten die Kläger sich nicht rechtmäßig im Sinne des Art. 28 Satz 1 des Übereinkommens in der Bundesrepublik Deutschland auf. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus Satz 2 dieser Regelung. Die Entscheidung stehe im Ermessen der zuständigen Ausländerbehörde, das durch die Wohlwollensklausel eingeschränkt sei. Diese Klausel finde jedoch auf die Kläger keine Anwendung, da Zweck der Vorschrift sei, auch Staatenlosen, die sich im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates befänden, ohne zum Daueraufenthalt berechtigt zu sein, in die Lage zu versetzen, sich auszuweisen sowie von dem Recht der Freizügigkeit auch durch Ausreise und anschließende Wiedereinreise nach Möglichkeit Gebrauch zu machen. Gerade dies würde jedoch dem Sinn und Zweck der den Klägern erteilten Duldung zuwiderlaufen. Im Übrigen müssten sie auch hierfür ihre Staatenlosigkeit nachgewiesen haben.

Mit Urteil vom 29.10.2008 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, den Klägern die begehrten Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 V AufenthG zu erteilen und den Klägern zu 1. und 3. Ausweise nach dem Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen auszustellen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die in Form der sogenannten Untätigkeitsklage erhobene Verpflichtungsklage sei zulässig und überwiegend begründet. Bei den Klägern zu 1. und 3. handele es sich um staatenlose Kurden aus Syrien, die – nach einer anzunehmenden Ausreise des Klägers zu 1. aus Syrien ohne Erlaubnis der dortigen Behörden - aufgrund eines Wiedereinreiseverbots weder nach Syrien zurückkehren könnten noch von einem anderen Staat aufgrund seines Rechts als seine Staatsangehörige angesehen und aufgenommen würden. Ihnen seien daher wegen der dauerhaft gehinderten Ausreise Aufenthaltserlaubnisse und die begehrten Reiseausweise zu erteilen. Ein möglicher Anspruch dieser Kläger nach § 25 V AufenthG scheitere nicht bereits daran, dass mit dem am 14.7.2008 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Syrien geschlossenen Rückübernahme-Abkommen eine Möglichkeit geschaffen worden sei, insbesondere staatenlose Personen unter bestimmten Voraussetzungen von Deutschland nach Syrien zurückzuschaffen. Zwar sei damit zu rechnen, dass das Abkommen in überschaubarer Zeit in Kraft treten werde. Auch lägen für die Kläger zu 1. und 2. Mukhtar-Bescheinigungen vor, die nach Art. 5 II lit. b des Protokolls über die Durchführung des Rücknahmeabkommens als Beleg für einen Aufenthalt auf syrischem Hoheitsgebiet vorgesehen seien und nach der gutachterlichen Stellungnahme des Auswärtigen Amtes im Asylklageverfahren jedenfalls keine offensichtlichen Fälschungsmerkmale aufwiesen. Ob das in dem Vertragswerk festgelegte Merkmal der „unmittelbaren“ Einreise in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei nur Einreisen auf direktem Wege zwischen Syrien und Deutschland ohne Berührung mit Durchreisedrittstaaten, mithin allein Reisen auf dem Luft- oder Seeweg erfasse und damit die Kläger zu 1. und 2. wegen ihres insoweit indirekten Reiseweges nach Deutschland ausschließe, hänge entscheidend davon ab, wie der Begriff der unmittelbaren Einreise im Sinne des Art. 2 II des Rückübernahmeabkommens künftig in der Verwaltungspraxis beziehungsweise Vertragspraxis zwischen Syrien und Deutschland ausgelegt werde. Gelinge die in Art. 9 II des Abkommens vereinbarte enge Zusammenarbeit (auf Dauer) nicht, so habe jede Vertragspartei etwa die Möglichkeit, das Abkommen nach Maßgabe des Art. 11 jederzeit mit einer Frist von 90 Tagen zu kündigen. Es sei daher derzeit nicht feststellbar, dass das im Falle der Kläger bestehende Ausreisehindernis in Anwendung des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens in absehbarer Zeit entfallen werde und bereits deshalb ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V AufenthG ausscheide. Für die Frage, ob die Kläger im Sinne der Vorschrift unverschuldet auf unabsehbare Zeit an der Ausreise verhindert seien, komme es darauf an, ob sie nach Maßgabe des sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ergebenden Erkenntnisstandes staatenlos seien und daher weder in ihrem Herkunftsland Syrien noch in einem anderen Staat Aufnahme und Aufenthalt finden könnten. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes hätten sich zwar zahlreiche Angehörige der Gruppe, der die Kläger zu 1. und 2. und deren Eltern nach dem Klagevorbringen zugeordnet werden sollten, vor der Unabhängigkeit Syriens in einem der Nachbarstaaten (Türkei, Irak) aufgehalten und möglicherweise auch einige von ihnen die Staatsangehörigkeit einer dieser Staaten erlangt. Die meisten von ihnen dürften aber nie entsprechende Staatsangehörigkeitsdokumente erhalten haben und den Nachweis einer solchen Staatsangehörigkeit daher kaum führen können. Es könne daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass kein anderer in Betracht kommender Staat betreffende Personen oder deren Nachkommen als Staatsangehörige akzeptieren werde; mithin seien weitere Bemühungen zur Erlangung von Ausweispapieren solcher Drittstaaten von vornherein aussichtslos. So liege der Fall hinsichtlich der Kläger zu 1. und 3.. Die im Ablehnungsbescheid über den Asylantrag des Klägers zu 1. dargestellten Bedenken hinsichtlich der behaupteten Staatenlosigkeit seien im asylrechtlichen Klageverfahren zerstreut worden. Der Kläger zu 1. habe nämlich in der damaligen mündlichen Verhandlung Umstände geschildert, die für seinen Status als staatenloser Kurde in Syrien sprächen beziehungsweise seine vorherigen Angaben sinnvoll ergänzten. Die im vorliegenden Verwaltungsverfahren gegenüber dem Beklagten gemachten Angaben zu seinen Vorfahren und Geschwistern stützten seinen Vortrag. Außerdem liege für ihn eine offensichtlich nicht gefälschte Mukhtar-Bescheinigung vor, wobei es für Maktumin als Unregistrierte geradezu typisch sei, über keine weiteren behördlichen personenbezogenen Dokumente zu verfügen. Er habe zudem glaubhaft versichert, dass entsprechende Bescheinigungen hinsichtlich seiner Eltern mangels deren Mitwirkung nicht vorgelegt werden könnten. Des Weiteren habe der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vernommene Zeuge F, dessen Einladung an die mutmaßliche Mutter der Klägerin zu 2. Grundlage des von dieser durchgeführten Visumsverfahrens gewesen sei, bestätigt, dass der Kläger zu 1. staatenloser Kurde sei und gerade deshalb die Familie beziehungsweise der Vater der Klägerin zu 2. gegen die Heirat der beiden gewesen sei. Da vorliegend die Abschiebung des Klägers zu 1. länger als 18 Monate ausgesetzt sei, ein absolutes Erteilungsverbot nach § 10 III 2 AufenthG nicht einschlägig sei und auch kein atypischer Ausnahmefall vorliege, habe er einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Er könne auch die Ausstellung eines Reiseausweises nach dem Staatenlosen-Übereinkommen verlangen, da er sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet Deutschlands aufhalte, sobald der Beklagte ihm zunächst in Erfüllung der dargelegten Rechtspflicht die Aufenthaltserlaubnis erteile. Gleiches gelte für den Kläger zu 3., der das ausländerrechtliche Schicksal seines Vaters teile, da sich die Staatsangehörigkeit eines Kindes sowohl nach syrischem als auch nach libanesischem Recht - das hier allenfalls noch in Betracht komme - nach derjenigen seines Vaters richte. Demgegenüber könne die Klägerin zu 2. lediglich eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V AufenthG, und zwar auf der Grundlage des durch Art. 6 I GG und Art. 8 I EMRK gebotenen Schutzes von Ehe und Familie beanspruchen. Gegen sie bestehe ausweislich des kriminalpolizeilichen Untersuchungsberichts der Polizeiinspektion B-Stadt vom 23.6.2008 in den Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft C-Stadt (Aktenzeichen 24 Js 15/08 und 2 Js 1381/08) der Verdacht, dass sie sowohl bei ihrer Asylantragstellung als auch in der Folge falsche Angaben zu ihren Personalien und zu ihrer wahren Herkunft gemacht habe, insbesondere ihre libanesische Staatsangehörigkeit verschwiegen beziehungsweise verschleiert habe und demzufolge hinsichtlich ihrer Staatenlosigkeit in der notariellen Urkunde vom 9.8.2007 eine falsche Versicherung an Eides statt abgegeben habe. Begründet werde der Verdacht insbesondere damit, dass die Angaben der Klägerin zu ihrer Familie mit den von der libanesischen Staatsangehörigen G in einem Visumsantrag zu ihren Familienangehörigen gemachten Angaben und den Eintragungen im libanesischen Zivilregister „frappierende Übereinstimmungen“ aufwiesen. Die Ermittler seien nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei der Klägerin um die Tochter dieser Frau G handele und sie wie alle anderen im libanesischen Zivilregister eingetragenen Mitglieder der Familie die libanesische Staatsangehörigkeit besitze. Bei Würdigung aller Umstände verblieben zumindest begründete Zweifel sowohl hinsichtlich der wahren Identität der Klägerin zu 2. als auch deren Behauptung, eine staatenlose Kurdin zu sein. Da sie daher ihre Staatenlosigkeit nicht in der erforderlichen Weise habe nachweisen können, bestehe jedenfalls insoweit kein Ausreisehindernis im Sinne des § 25 V AufenthG. Ein solcher Anspruch scheitere auch, falls sie als Ausländerin in Syrien gelebt habe, also eine andere - wahrscheinlich libanesische - Staatsangehörigkeit besitze, an der von ihr zu vertretenden fehlenden Mitwirkung bei der Klärung ihrer Identität und Staatsangehörigkeit beziehungsweise der bewussten Verhinderung entsprechender Feststellungen. Allerdings stehe ihr ein Anspruch gemäß § 25 V AufenthG mit Blick auf das sich aus Art. 6 I GG sowie Art. 8 I EMRK ergebende Abschiebungsverbot wegen des Bleiberechts ihres erst vierjährigen Sohnes, des Klägers zu 3., zu. Einen Reiseausweis für Staatenlose könne sie nach dem Vorstehenden nicht erhalten.

Gegen das ihm am 11.11.2008 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 10.12.2008 Antrag auf Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit sowie grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gestellt. Er hat gerügt, dass der Kläger zu 1. nicht nachgewiesen habe, dass er staatenlos sei und weder in seinem vorgeblichen Herkunftsland Syrien noch in einem anderen Staat Aufnahme und Aufenthalt finden könne und daher seine Ausreise aus tatsächlichen Gründen im Sinne des § 25 V 1 AufenthG unmöglich sei. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts bezögen sich die Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes, wonach zahlreiche Angehörige der Gruppe, der die Kläger nach dem Klagevorbringen angehören sollten, sich vor der Unabhängigkeit Syriens in einem der Nachbarstaaten aufgehalten hätten und nicht auszuschließen sei, dass einige von ihnen die Staatsangehörigkeit einer dieser Staaten erlangt hätten, ein Nachweis hierüber aber kaum möglich sei und daher grundsätzlich davon ausgegangen werden könne, dass kein anderer in Betracht kommende Staat die betreffenden Personen oder deren Nachkommen als Staatsangehörige akzeptieren werde, weitere Bemühungen zur Erlangung von Ausweispapieren solcher Drittstaaten folglich von vorneherein aussichtslos sei, gerade nicht auf die Gruppe der unregistrierten Kurden, die sogenannten Maktumin, zu denen die Kläger gehören wollten, sondern vielmehr auf die Gruppe der in einem eigenen Personenstandsregister als Ausländer registrierten Kurden, die im Jahre 1962 ausgebürgert worden seien. Damit verkenne das Gericht, dass das Hindernis für eine freiwillige Ausreise und eine zwangsweise Abschiebung auch in Fällen wie den vorliegenden vordergründig die Passlosigkeit, - das Fehlen eines Nationalpasses oder eines Passersatzpapieres - sei. Bei Kurden aus Syrien werde die Passlosigkeit aber überlagert durch eine häufig zweifelhafte Identität sowie einen ungeklärten Status und eine nicht sicher feststehende Staatsangehörigkeit. Während Kurden mit syrischer Staatsangehörigkeit - jedenfalls nach erfolglosem Asylverfahren - die Erlangung von Passersatzpapieren syrischer Auslandsvertretungen und eine freiwillige Ausreise in ihr Herkunftsland ohne weiteres möglich sei, unterlägen Kurden aus Syrien, die dort entweder als registrierte Ausländer oder unregistriert und lediglich von syrischen Behörden geduldet gelebt hätten, im Falle einer unerlaubten Ausreise einem Wiedereinreiseverbot des syrischen Staates, so dass generell keine rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit der Rückkehr nach Syrien bestehe. Ein Ausreisehindernis bestehe faktisch also schon dann, wenn Identität, Status und Staatsangehörigkeit des Ausländers noch nicht abschließend geklärt seien. Erscheine es - wie hier - nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass einem Ausländer mögliches und zumutbares Verhalten zum Wegfall des Abschiebungshindernisses führe, und verweigere, unterlasse oder verzögere er dieses, komme eine Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V 1 AufenthG nicht in Betracht. Es sei einem ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich zumutbar, ernsthafte Bemühungen zur Beschaffung von Dokumenten aus seinem Herkunftsstaat zu unternehmen und hierfür gegebenenfalls einen dort ansässigen Rechtsanwalt oder Familienangehörige zu beauftragen. Das gelte sowohl für Kurden mit syrischer Staatsangehörigkeit als auch die als Ausländer registrierten Kurden. Eine nähere Klärung von Status und Staatsangehörigkeit insbesondere der unregistrierten Kurden (Maktumin) erfordere hingegen qualifizierte Angaben der Betroffenen zu ihren Vorfahren, deren Status, Geburts- und Aufenthaltsorte, Registerorte und -Nummern sowie die Vorlage von Dokumenten, die diese Angaben belegten. Der Kläger zu 1. müsse daher darlegen und auch beweisen, dass er tatsächlich in Syrien ansässig gewesener, unregistrierter Kurde sei und keine andere Staatsangehörigkeit habe. Denn er berufe sich auf einen Sonderfall, da die deutlich überwiegende Mehrzahl der in Syrien ansässigen Kurden dort als Staatsbürger anerkannt seien. Von einer Beweisnot des Ausländers könne erst dann ausgegangen werden, wenn der Ausländer trotz eines schlüssigen und im Wesentlichen widerspruchsfreien Verfahrens und unter Beachtung der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht in der Lage sei, das Fehlen der syrischen oder einer anderen Staatsangehörigkeit zu belegen. Die bisher erfolgte Mitwirkung des Klägers zu 1. sei unzureichend und irreführend. So habe er sich zu der Frage des Zustandekommens seiner (vermeintlichen) Staatenlosigkeit und zur Begründung des Aufenthaltes seiner Vorfahren in Syrien bisher noch nicht geäußert. Er habe lediglich in seiner Asylklage vorgetragen gehabt, dass auch seine Eltern keine anderen Papiere gehabt hätten als die von ihm bereits geschilderten Ausweispapiere. Zwar lebten 75 000 Kurden als Maktumin in Syrien und würden als für den Staat rechtlich nicht existent gelten, da sie anlässlich der Volkszählung im Jahre 1962 nicht registriert worden seien. Die „Mode“, Personen als „Nichtregistrierte“ zu führen, sei aber erst später aufgekommen, als es eine weitere Generation von in Syrien geborenen Kurden gegeben habe, die aus Verbindungen zwischen Ausländern (aufgrund der Volkszählung von 1962) und weiblichen syrischen Staatsangehörigen hervorgegangen seien. Die Angaben des Klägers zu 1. in Fragebogen und Lebenslauf seien dürftig und ohne jeglichen Beleg durch aussagekräftige Dokumente oder zumindest Angaben zu Registerorten und -Nummern der Vorfahren, obwohl er die Angaben zu seinen Vorfahren durch eine einfache, gegebenenfalls telefonische Nachfrage bei seinen angeblich in Syrien lebenden Eltern hätte konkretisieren können. Der vom 24.5.2007 datierenden Aufforderung des Beklagten zur Vorlage von Ablichtungen der Personaldokumente, die den aufenthaltsrechtlichen Status seiner Eltern in Syrien belegten, sei er nicht nachgekommen. Soweit den unregistrierten Kurden in Syrien staatsbürgerliche Rechte wie der Besitz von Land und die Ausübung selbständiger Gewerbe verwehrt würden, habe der Kläger zu 1. seinen diesbezüglichen Sachvortrag bei seiner Anhörung im Asylverfahren nach den Gegebenheiten angepasst. Sein Vortrag zu den Dorfvorsteher-Bescheinigungen sei nicht mit den dem Beklagten zugänglichen Erkenntnissen vereinbar, und zwar weder hinsichtlich der Zuständigkeit des ausstellenden Mukhtars noch hinsichtlich des Inhalts der vorgelegten Mukhtar-Bescheinigung. Der Sachvortrag des Klägers zu 1. im Rahmen des Asylverfahrens sei auch entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts nicht frei von Widersprüchen. Obwohl auch das Verwaltungsgericht die Klägerin zu 2. als Tochter der im libanesischen Zivilregisterauszug eingetragenen N G ansehe und sich diesem Registerauszug entnehmen lasse, dass deren Ehemann und somit Vater der Klägerin zu 2. bereits 1993 verstorben sei, nehme es nicht zur Kenntnis, dass der Kläger zu 1. unter anderem ab November 2003 bei dem Vater der Klägerin zu 2. in Damaskus gearbeitet und befürchtet haben wolle, dass dieser ihn und seine Ehefrau umbringen werde, weil er diese quasi entführt und gegen den Willen seines Schwiegervaters geheiratet habe. Unter diesen Gesichtspunkten hätte das Gericht zumindest eine libanesische, wenn nicht gar syrische Staatsangehörigkeit des Klägers zu 1. ernstlich in Betracht ziehen müssen. Zudem hätte es wegen der anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Klage mit Blick auf § 79 II AufenthG nicht stattgeben dürfen. Lägen somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für die Kläger zu 1. und 3 nicht vor, hätte die Klägerin zu 2. daran nicht partizipieren können. Daraus folge ferner, dass die Kläger zu 1. und 3. auch nicht die Ausstellung von Reiseausweisen nach dem Staatenlosen-Übereinkommen beanspruchen könnten, da sie nicht nachgewiesen hätten, dass sie staatenlos seien.

Zur Begründung der mit Beschluss vom 7.12.2009 - 2 A 459/08 - zugelassenen Berufung verweist der Beklagte auf seine Ausführungen im Berufungszulassungsantrag.

Er beantragt,

unter entsprechender teilweiser Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 10 K 1860/07 - die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beziehen sich zur Begründung auf das angefochtene Urteil und ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten sowie des Verfahrens 10 K 9/07, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 124 II Nr. 1 VwGO zugelassene Berufung des Beklagten ist fristgerecht und zulässigerweise durch Bezugnahme auf seine ausführliche Begründung im Zulassungsverfahren begründet worden. (Vgl. BVerwG, Urteile vom 7.1.2008 – 1 C 27/06 -, NJW 2008, 1014, und vom 30.6.1998 – 9 C 6/98 -, BVerwGE 107, 117)

Die zulässige Berufung hat auch Erfolg, denn das Verwaltungsgericht hat der – zutreffend als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO erhobenen - Verpflichtungsklage der Kläger zu Unrecht teilweise stattgegeben. Die Kläger sind durch die Unterlassung der am 15.3.2007 beantragten Verwaltungsakte nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 V VwGO), denn die geltend gemachten Ansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise eines Reiseausweises für Staatenlose stehen den Klägern beziehungsweise den Klägern zu 1. und 3. gegen den Beklagten nicht zu. Die Klagen sind insgesamt unbegründet.

1. Rechtsgrundlage für den den Klägern zuerkannten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist § 25 V AufenthG. Danach kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 I eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (Satz 1). Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist (Satz 2). Sie darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (Satz 3). Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt (Satz 4).

Eine – auch freiwillige – Ausreise muss dem Ausländer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die er auch unter Berücksichtigung des Kausalitätsaspekts nicht zu vertreten hat, objektiv unmöglich oder – etwa mit Blick auf grundrechtliche Gewährleistungen in Art. 6 GG oder den Art. 8 EMRK – subjektiv unzumutbar sein.

Das Verwaltungsgericht hat die Kläger zu 1. und 3. als staatenlose Kurden aus Syrien angesehen, die einem Wiedereinreiseverbot unterlägen und daher einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 V AufenthG hätten; der Klägerin zu 2., gegen deren Staatenlosigkeit es - zu Recht - erhebliche Bedenken geäußert hat, hat es – nur - einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 V AufenthG i.V.m. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zur Vermeidung einer Trennung der Familie zugebilligt. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

a) Zunächst spricht angesichts des am 3.1.2009 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Arabischen Republik Syrien über die Rückführung von illegal aufhältigen Personen vom 14.7.2008 (BGBl. II 2008, 812) nichts durchgreifend dafür, dass die Kläger unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit bzw. eventuellen Staatenlosigkeit nicht nach Syrien zurückkehren könnten, weil ein Wiedereinreiseverbot im Heimatstaat ihre Rückkehr verhinderte, und daher ein dauerhaftes, nicht behebbares Ausreisehindernis im Sinne des § 25 V AufenthG bestünde. Denn nach dem Inhalt dieses Abkommens übernimmt Syrien nicht nur eigene Staatsangehörige (Art. 1), sondern Drittstaatsangehörige und staatenlose Personen auch dann, wenn nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, dass diese Personen nach einer Einreise in, einem Aufenthalt im oder einer Durchreise durch das Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei unmittelbar in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei eingereist sind (Art. 2 II). Dabei ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ohne Bedeutung, ob sich hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der „unmittelbaren Ausreise“ bereits eine Vertragspraxis bei der Anwendung dieses Abkommens auf Personen, die wie die Kläger zu 1. und 2. auf dem Seeweg und dem Landweg über andere Länder als bloße Durchreiseländer, also ohne längeren Aufenthalt, ins Bundesgebiet gelangt sind, entwickelt hat. (Vgl. insoweit etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 8.1.2010 – 2 A 447/09 -, SKZ 2010, 218 LS 36 und vom 2.12.2009 – 2 A 444/08 -) Auch wenn nach seiner Stellungnahme vom 15.4.2010 (Vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 15.4.2010 an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – 508-516.80/46306 -) dem Auswärtigen Amt nicht bekannt ist, ob bislang - außer 38 Personen mit syrischer Staatsangehörigkeit in 2009 auch - staatenlose Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Syrien unter der Geltung des Rückübernahmeabkommens abgeschoben wurden, ist eine Rücknahme der Kläger durch ihr Herkunftsland zumindest nicht dauerhaft ausgeschlossen.

Abgesehen davon erfüllen die vollziehbar ausreisepflichtigen Kläger zu 1. und 3. die Voraussetzungen für die begehrte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V 3 AufenthG nicht, da sie nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert sind. Nach den Feststellungen des Senates, für die auch auf die Angaben der Kläger im - bei Stellung ihres Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse der Sache nach in Bezug genommenen - Asylrechtsstreit (10 K 9/07) zurückzugreifen war, hat der Kläger zu 1. zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt und zudem falsche Angaben gemacht; der Kläger zu 3. muss sich das Verhalten seiner gesetzlichen Vertreter – die Handlungsweise des Klägers zu 1. und die Falschangaben der Klägerin - zurechnen lassen.

Derzeit besteht für die Kläger ein tatsächliches Ausreisehindernis, da sie über keine Pässe bzw. Passersatzpapiere/ Reisedokumente verfügen. Die von ihnen vorgelegten - in Syrien problemlos und daher letztlich ohne Beweiswert für ihren Inhalt erhältlichen - Mukhtar-Bescheinigungen vom 2.4.1999 (für den Kläger zu 1.) bzw. 1.5.1996 (für die Klägerin), die ausweislich der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23.5.2005 keine offensichtlichen Fälschungsmerkmale aufweisen, stellen keine Reisedokumente im eigentlichen Sinne dar. Die für den Kläger zu 1. ausgestellte Bescheinigung könnte allerdings im Rahmen des Nachweises oder der Glaubhaftmachung der Rückübernahmevoraussetzungen nach Art. 5 II b und III des Durchführungsprotokolls zum Rückübernahmeabkommen für den Nachweis seines Aufenthalts in Syrien grundsätzlich von Bedeutung sein, falls er tatsächlich staatenlos sein sollte.

Eine Beseitigung dieses Ausreisehindernisses setzte die – in wesentlichen Teilen noch nicht abgeschlossene - Klärung der Identität, Herkunft und Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit der Kläger zu 1. und 3. voraus, um die sich die Kläger bislang nicht hinreichend bemüht haben und die durch falsche Angaben zudem erschwert wurde.

Es bestehen allerdings keine ernsthaften Zweifel hinsichtlich der Identität des Klägers zu 1., soweit sie Name, Geburtsdatum und -ort, Eltern und Herkunftsort („Al Qamishli“ oder „Kamischli“) betrifft. Sein entsprechender Vortrag, dem die vorgelegte Mukhtar-Bescheinigung entspricht, ist im Asylverfahren und dem Aufenthaltserlaubnisverfahren durchgängig und widerspruchsfrei erfolgt und wird durch die eidesstattliche Versicherung des ebenfalls aus Kamischli stammenden Herrn A D vom 31.10.2007 (Bl. 18 Gerichtsakte) hinsichtlich Wohnort und Familie (Vater, Onkel K B. und Onkel S B.) bestätigt. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Richtigkeit der seine Vorfahren/ Verwandten betreffenden Angaben, soweit er sie im „Fragebogen für Familienverhältnisse“ dargelegt hat und die nicht die Staatenlosigkeit betreffen.

Im Übrigen bestehen jedoch Bedenken gegen die Richtigkeit des Vortrags und damit die Glaubwürdigkeit des Klägers zu 1.. Diese gründen auf der Tatsache, dass von den gesamten Angaben der Klägerin nur ihr Vornamen, ihr Geburtsdatum sowie der Namen und die Staatsangehörigkeit ihrer Mutter als authentisch angesehen werden können und ein wesentlicher Teil der ihre Herkunft betreffenden falschen Angaben im Asylverfahren auch Bestandteil des Vortrags des Klägers zu 1. war.

Widersprüchlich ist die Darstellung der Klägerin schon hinsichtlich ihres Geburtsortes. Während sie Kamischli als Geburtsort in allen Formularen und ihrem gesamten schriftlichen Vortrag angegeben hat, hat sie im Asylverfahren in der mündlichen Verhandlung vom 7.3.2007 vor dem Verwaltungsgericht erklärt, sie sei in Damaskus, und zwar im Viertel (übersetzt:) „Schwarzer Stein“ geboren. Gegen die Richtigkeit eines Geburtsortes Kamischli spricht – jedenfalls mangels anderweitiger Erläuterung - auch ihr weiterer ständiger Vortrag, dass sie bis zur Übersiedlung nach Kamischli am 3.1.2004 und – religiösen – Eheschließung mit dem Kläger zu 1. – ständig - in Damaskus bei ihren Eltern gewohnt habe. Dieser durchgängig genannte Wohnort Damaskus wiederum wird durch den Inhalt der von ihr vorgelegten Mukhtar-Bescheinigung vom 1.5.1996 in Frage gestellt, die einen Wohnsitz in Kamischli bestätigt.

Die Herkunft der Klägerin insgesamt – und damit neben Geburtsort auch ihre behauptete Abstammung von einem staatenlosen Kurden aus Syrien – ist, wie bereits die vom Verwaltungsgericht dezidiert geäußerten Bedenken belegen, überaus fraglich. Unstreitig stammt die Mutter der Klägerin aus Beirut, besitzt sie die libanesische Staatsangehörigkeit und lautet ihr Namen N G (so im Asylverfahren angegeben) bzw. G bzw. G (so im „Fragebogen zu Familienverhältnissen“ des Beklagten angegeben), wobei die unterschiedliche Schreibweise auf die schwierige Umsetzung der arabischen Schrift zurückzuführen sein dürfte. Sie soll 1964 im Libanon geboren sein (Fragebogen). Ihr Vater soll bzw. M D. heißen und etwa 1962 geborener staatenloser Kurde aus Kamischli mit Wohnort Damaskus sein, bei dem der Kläger zu 1. ausweislich seines Vorbringens im Asylverfahren ab November 2003 gearbeitet und dort die Klägerin kennengelernt haben will.

Die Richtigkeit dieser Angaben der Klägerin hat der Beklagte in Zweifel gezogen, nachdem eine von ihm eingeholte AZR-Visa-Auskunft ergeben hatte, dass eine am 3.10.1959 in Beirut geborene libanesische Staatsangehörige namens N G unter dem 17.3.2007 die Erteilung eines Visums bei der Deutschen Botschaft in Beirut beantragt hatte (Bl. 219 Verwaltungsunterlagen) , das am 26.3.2007 abgelehnt wurde. Eine Verpflichtungserklärung für den geplanten Aufenthalt der Frau hatte der Deutsche libanesischer Herkunft M F aus Marburg abgegeben. In seiner Vernehmung durch die Polizei Marburg hat dieser hierzu am 5.9.2008 angegeben, Frau G sei eine Bekannte von Verwandten in Beirut, die er auf deren Bitten eingeladen habe, weil sie ihre Tochter in Deutschland habe besuchen wollen, mit der er in diesem Zusammenhang mehrfach telefoniert habe, die er persönlich aber nicht kenne, sei auch Libanesin. Sie habe ihren Mann, der wohl heiße, gegen den Willen eines Onkels und der ganzen Familie geheiratet. Grund für den Ärger sei gewesen, dass er staatenlos und Kurde sei. Aus dem Visumsantrag und aus einem Auszug aus dem libanesischen Familienregister ergibt sich, dass Frau G in Beirut geborene Tochter G dasselbe Geburtsdatum wie die Klägerin aufweist und auch die Vornamen der beiden anderen Töchter mit den von der Klägerin genannten Vornamen ihrer Schwestern übereinstimmen; allerdings differieren die jeweils vermerkten Geburtsdaten um rund ein Jahr. Außerdem hat die Klägerin keinen Bruder erwähnt, Frau G indes einen Sohn aufgeführt. Wichtigster Unterschied bei den Angaben ist indes, dass der Ehemann der Frau (El) G und Vater ihrer Kinder „M El G“ hieß und bereits 1993 verstorben ist. Nachdem bereits diese auffälligen Übereinstimmungen zwischen Vortrag der Klägerin und Registerauszug deutlich dafür sprachen, dass es sich bei Frau G um die Mutter der Klägerin handelt, zumal auch im AZR – wie sich aus der Mitteilung des Beklagten vom 14.1.2011 ergibt – keine (El) G in Deutschland erfasst ist, hat der Kläger zu 1. gegenüber dem Senat in der mündlichen Verhandlung zugegeben, dass es sich bei der Frau, „die zu Herrn F in Marburg reisen wollte“, um die Mutter der Klägerin handele; dies hatten die Kläger noch im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung auf die Vorlage eines Fotos der Frau G ausdrücklich bestritten. Im Übrigen ist diese familiäre Verbindung auch offensichtlich geworden, als Herr F dem Kläger zu 1. zum Zwecke der Ermöglichung des Umzugs der Kläger nach Marburg eine Arbeitsstelle angeboten hatte (Vgl. Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Marburg – Ausländerbehörde – vom 6.5.2010 an den Beklagten) .

Nachdem somit die Identität der Mutter der Klägerin feststeht, beweist der vom Beklagten über die Deutsche Botschaft Beirut eingeholte, im Original mit deutscher Übersetzung vorliegende Familienregisterauszug vom 17.1.2009 nach Überzeugung des Senates, dass ihr Vater der dort auch als solcher ausgewiesene – 1993 verstorbene – libanesische Staatsangehörige M El G aus Beirut war und nicht – wie von der Klägerin behauptet – ein staatenloser Kurde namens D. aus Kamischli. Hiergegen hat der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung zwar bekräftigend eingewandt, der Name des leiblichen Vaters der Klägerin sei „D.“. Die Mutter der Klägerin sei zweimal verheiratet gewesen, es existiere „wohl“ ein Stiefvater; sein Name sei G. Die „Papiere“ seien damals manipuliert worden, um der Klägerin den Schulbesuch in Syrien zu ermöglichen; der Name im Register sei ein Name, der nur auf dem Papier stehe. Was genau geschehen sei, hätten sie nicht klären können. Diese wenig substantiierte Darstellung des Klägers zu 1. gibt jedoch keinen Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der im Registerauszug enthaltenen Eintragungen. Abgesehen davon, dass bei den Klägern diesbezüglich eventuell vorhandene Unklarheiten sicherlich durch – telefonische - Rücksprache mit der Mutter der Klägerin hätten geklärt werden können, enthält der Vortrag außer der Mitteilung, dass die Mutter zweimal verheiratet gewesen sei, keinerlei nachvollziehbare Tatsachen. Ferner ist festzustellen, dass, wie der Registerauszug vom 17.1.2009 zeigt, das Familienregister immer wieder aktualisiert wurde. So wurden 1983 zunächst in der Spalte „N G“ die Anmerkung „Heiratseintragung 3233/983“ sowie – ausweislich der unmittelbar aufeinander folgenden Aktenzeichen wohl zusammen – zunächst die Geburt der 1982 geborenen Schwester (8523/ 1983) und dann die der Klägerin (8524/ 1983), 1987 die des Bruders (3215/987) und 1993 die der jüngsten Schwester (3056/993) sowie später – ohne Datum - die Eheschließung der Schwester K eingetragen. Auch enthält sie zu dem ausgewiesenen Vater der Klägerin unter „Anmerkungen“ neben dem Vermerk „verstorben, 20.01.1993“ noch den Eintrag „1133/2006“; ob dieser Vermerk einen Hinweis auf eine neuerliche Eheschließung der Mutter darstellen könnte, bedarf ebenso wenig einer Vertiefung wie die Tatsache, dass Berechtigte hinsichtlich des bei einer libanesischen Bank geführten Kontos, von dem Frau G im Visumverfahren 2007 Kontoauszüge vorgelegt hatte, sowohl sie als auch ein „Daoud D.“ waren. Wenn die ursprüngliche Registereintragung tatsächlich – wie behauptet - zur Ermöglichung der Einschulung der Klägerin in Syrien im weitesten Sinne durch „Manipulation“ erreicht worden wäre, wäre das libanesische Register in der Folge sicher nicht über Jahre den familiären Entwicklungen angepasst worden; im Übrigen hat die Klägerin ausweislich ihrer Angaben im Asylverfahren tatsächlich nie die Schule besucht. Gegen eine Unrichtigkeit des Familienregisters hinsichtlich der Eintragungen betreffend die Familie der Klägerin spricht schließlich auch die Aussage des Herrn F. Darin hat dieser den - ihm über seine Verwandten in Beirut bekannt gewordenen - Ärger eines Onkels und der ganzen Familie der Klägerin darüber, dass diese den Kläger zu 1. habe heiraten wollen, sowie den Tod ihres Vaters („vor 10 Jahren“), der wohl auch Libanese gewesen sei und in Beirut gelebt habe, erwähnt und angegeben, dass er sich nicht erklären könne, warum die Klägerin den Familiennamen „D.“ angenommen habe.

Nach allem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin entsprechend der - lediglich durch eine schon in Bezug auf den darin bestätigten Wohnsitz in Kamischli offensichtlich inhaltlich unrichtige Mukhtar-Bescheinigung vom 1.5.1996 belegte - Behauptung der Kläger als Tochter eines staatenlosen Kurden in Damaskus/ Syrien aufgewachsen ist; vielmehr ist sie als libanesische Staatsangehörige anzusehen. Daraus folgt weiter, dass wesentliche Teile des gesamten - die im Asylverfahren gemachten Ausführungen einschließenden - Vortrags der Kläger unglaubhaft sind. Der Kläger zu 1. kann offensichtlich entgegen seinem (Asyl-)Vortrag nicht 2003 bei dem – tatsächlich schon 1993 verstorbenen - Vater der Klägerin in Damaskus gearbeitet, sie dort kennengelernt, entführt und in sein Heimatdorf bzw. Viertel von Kamischli verbracht haben. Ebenfalls kann ausgeschlossen werden, dass die Kläger sich – auch - zur Ausreise entschlossen hätten, weil der Vater gedroht habe, sie beide zu töten. Der Registerauszug spricht vielmehr dafür, dass die Klägerin im Libanon aufgewachsen ist und dort bis zu ihrer Verbindung mit dem Kläger zu 1. gelebt hat.

Angesichts dieser falschen Angaben des Klägers zu 1., die wesentliche Teile des angeblichen Verfolgungsschicksals bzw. der behaupteten Staatenlosigkeit der Kläger betrafen, sieht sich der Senat außerstande, ihm hinsichtlich seines übrigen (insbesondere Asyl-)Vortrags, dem das Verwaltungsgericht Umstände entnommen hat, die aus erstinstanzlicher Sicht „für seinen Status als staatenloser Kurde in Syrien sprachen bzw. seine vorherigen Angaben sinnvoll ergänzten“, Glauben zu schenken. Vielmehr sieht der Senat die Glaubwürdigkeit – nicht nur der Klägerin, sondern - auch des Klägers zu 1. insgesamt durchgreifend in Frage gestellt.

Die Staatsangehörigkeit beziehungsweise Staatenlosigkeit des Klägers zu 1., die für die Frage der Erlangung von Papieren und der – ggf. erleichterten - Rückkehrmöglichkeit nach Syrien von Bedeutung ist, konnte auch im Übrigen wegen seiner mangelnden Mitwirkung bislang nicht hinreichend geklärt werden.

Über die Zumutbarkeit der einem Ausländer obliegenden Handlungen zur Beseitigung eines Ausreisehindernisses ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2006 – 1 B 54/06 -, Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 4) . Auch sind im Rahmen des § 25 V AufenthG die wechselseitigen Pflichten des betroffenen Ausländers und der zuständigen Ausländerbehörde zu beachten und zu werten. Dabei treffen den Ausländer eine Mitwirkungs- sowie eine Initiativpflicht hinsichtlich ihm bekannter und zumutbarer Aufklärungsmöglichkeiten. Der Behörde hingegen obliegt die Erfüllung einer Hinweis- sowie einer Anstoßpflicht. Sie muss den Ausländer auf diejenigen Möglichkeiten zur Beseitigung von Ausreisehindernissen hinweisen, die ihm bei objektiver Sichtweise nicht bekannt sein können. (Vgl. BayVGH, Urteil vom 23.3.2006 – 24 B 05.2889 -, zitiert nach juris) In aller Regel können von dem Ausländer Handlungen gefordert werden, die zur Beschaffung des Dokuments erforderlich sind und nur von ihm allein vorgenommen werden können. Gerade bei der Beschaffung von Identitätspapieren können von ihm mit Blick auf seine Passpflicht nach § 3 I AufenthG und seine Mitwirkungspflicht nach § 48 III AufenthG gesteigerte Anstrengungen verlangt werden. Unzumutbar sind lediglich solche Handlungen, die von vornherein ohne Einfluss auf die Möglichkeit der Ausreise oder erkennbar aussichtslos sind. (BVerwG, Beschluss vom 10.3.2009 – 1 B 4.09 -, Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 11) Unterhalb dieser Schwelle besteht hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einer Verletzung von Mitwirkungspflichten und der Erfolglosigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen, der immer nur hypothetisch beurteilt werden kann, eine tatsächliche widerlegbare Vermutung zulasten des Ausländers. (BVerwG, Urteile vom 26.10.2010 – 1 C 18/09 -, zitiert nach juris, und vom 10.11.2009 – 1 C 19.08 -, BVerwGE 135, 219)

Der Kläger zu 1. hat für seine Behauptung, staatenloser Kurde aus Syrien zu sein, über die vom Verwaltungsgericht herangezogenen, durch die falschen Angaben der Kläger jedoch grundsätzlich in Zweifel zu ziehenden Indizien hinaus bisher keine ausreichenden Tatsachen und Gründe vorgetragen, die diese Staatenlosigkeit nachvollziehbar machen könnten.

Nach Darstellung des Auswärtigen Amtes (Vgl. Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien“ vom 9.7.2009 (Stand Juni  2009) – 508-516.80/3 SYR –, S. 11) leben auf dem Gebiet der heutigen Arabischen Republik Syrien etwa 2 Millionen Menschen kurdischer Volkszugehörigkeit, die überwiegend auch die syrische Staatsangehörigkeit besitzen. Zu deren Situation ist im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom September 2010 (Vgl. „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien“ vom 27.9.2010 (Stand September 2010) – 508-516.80/3 SYR –, S. 9/10) ausgeführt: Im Jahre 1962 wurde einer Gruppe von 120.000 bis 150.000 Kurden im Rahmen einer „Volkszählung“ die syrische Staatsangehörigkeit aberkannt, da es sich bei diesen Personen nach Ansicht der syrischen Regierung um illegale Einwanderer aus der Türkei oder dem Irak handelte. Unter Berücksichtigung des natürlichen Bevölkerungszuwachses dürfte diese Gruppe der Kurden in Syrien ohne syrische Staatsangehörigkeit, die sich bei Nachkommen nach syrischem Staatsangehörigkeitsrecht allein nach dem Vater bestimmt, inzwischen bis zu 300.000 Menschen umfassen. Innerhalb dieses Personenkreises sind diejenigen Kurden (und ihre Nachkommen), die damals als „Ausländer“ („Adschnabi“) in ein gesondertes Zivilregister („Ausländerregister“) eingetragen wurden, zu unterscheiden von den sog. „Nichtregistrierten“ („Maktumin“), die seinerzeit (auch) keine andere Staatsangehörigkeit plausibel machen konnten. Da auch die Mitglieder der vergleichsweise größeren Gruppe der in dem gesonderten Zivilregister erfassten Adschnabi regelmäßig in Wahrheit keine anderweitige Staatsangehörigkeit besitzen, sieht das Auswärtige Amt im Ergebnis beide Untergruppen als staatenlos an. Die Adschnabi erhalten rot-orangefarbene Identitätspapiere, allerdings in aller Regel keine Reisepapiere; aus dem besagten „Ausländerregister“ erteilen die syrischen Meldebehörden seit 2001 keine Auskünfte mehr. Den Maktumin, die keinerlei staatsbürgerliche Rechte besitzen, wurde dagegen jede Registrierung verweigert. Sie erhalten vom syrischen Staat keine amtlichen Dokumente. Gegen Bezahlung können sie lediglich eine so genannte weiße Identitätsbescheinigung des Ortsvorstehers (Mukhtar) ihres Wohnorts bekommen. Diesen Bescheinigungen, die gegen entsprechende Geldzahlung mit jedem beliebigen Inhalt erhältlich sind, kommt aus Sicht des Auswärtigen Amts „kein Beweiswert“ zu.

Auf der Grundlage der vorstehenden Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes ist der Beklagte in seiner Rechtsmittelschrift also zutreffend davon ausgegangen, dass die ganz überwiegende Anzahl der Kurden in Syrien im Besitz der syrischen Staatsangehörigkeit ist. Staatenlosigkeit stellt daher die Ausnahme dar, für die eine Begründung erwartet werden muss.

Vorab ist hierzu festzustellen, dass Beklagter und Verwaltungsgericht sich zu Recht nicht an die in den Entscheidungsgründen des das Asylverfahren abschließenden rechtskräftigen Urteils vom 7.3.2007 – 10 K 9/07 – getroffene Aussage, die Kläger seien staatenlos, gebunden sahen. Eine Bindungswirkung konnte das Urteil gegenüber dem Beklagten schon deshalb nicht entfalten, weil er in dem genannten Rechtsstreit als Ausländerbehörde nicht beteiligt war (§ 121 Nr. 1 VwGO). (Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 10.6.2010 - 2 A 13/10 -)

Auf der Grundlage seines Vortrags gehört auch der Kläger zu 1. de iure zum Kreis der syrischen Staatsangehörigen. Denn er besitzt, sofern er in Syrien als Kind dort wohnhafter Eltern geboren wurde, von Rechts wegen die syrische Staatsangehörigkeit nach Art. 3 lit. c des syrischen Staatsangehörigkeitsgesetzes. Danach gilt als syrischer Araber, „wer im Staat als Kind von Eltern geboren ist, die unbekannt oder unbekannter Staatsangehörigkeit oder staatenlos sind.“ Allerdings wird den in Syrien geborenen Adschnabi (auch „adschanib“) und Maktumin vom syrischen Staat tatsächlich die syrische Staatsangehörigkeit nicht zugebilligt. (KURDWATCH-Bericht, vom März 2010, S. 17 f.) Es kann daher nicht angenommen werden, dass Syrien sich mit Blick auf diese nicht umgesetzte Vorschrift bereit fände, den Kläger zu 1. als Staatangehörigen anzuerkennen, ihm Reisepapiere auszustellen und ihm eine freiwillige Einreise zu ermöglichen, zumal an einer Rückkehr von Kurden generell kein Interesse besteht.

Ob der Kläger zu 1. indes eine – tatsächlich anerkannte - syrische Staatsangehörigkeit besitzt, lässt sich auf der Grundlage der von ihm erteilten Informationen nicht beurteilen. So hat sich Herr A D, der ihn und seinen Vater sowie zwei Onkel aus Kamischli kennt, in seiner erstinstanzlich von den Klägern vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 31.10.2007 zur Staatsangehörigkeit des Klägers zu 1. und seiner Familie nicht geäußert. Dass die vom Letzteren und der Klägerin vor dem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung vom 9.8.2007, dass sie staatenlos seien, angesichts der festgestellten libanesischen Staatsangehörigkeit der Klägerin zur Glaubhaftmachung nicht geeignet ist, bedarf keiner Vertiefung. Lediglich die bereits erwähnte Aussage des Herrn F bei seiner polizeilichen Vernehmung, dass ein Onkel der Klägerin und deren ganze Familie gegen die Heirat gewesen seien, weil der „ staatenlos und kurdisch“ sei, deutet auf die Staatenlosigkeit des Klägers zu 1. hin.

Der Kläger zu 1. selbst hat wenig dazu beigetragen, Nachweise für seine behauptete Staatenlosigkeit zu beschaffen. Er hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, Umstände für sich vorzutragen, die üblicherweise bei Maktumin zu finden sind. Von den vom Beklagten unter dem 24.5.2007 angeforderten Unterlagen, die möglichst detaillierte Angaben und entsprechende Belege enthalten sollten, hat er nur einen auf ohnehin bekannte Angaben beschränkten, insbesondere keine Angaben zu schulischen und beruflichen Stationen darstellenden Lebenslauf erstellt sowie den „Fragebogen zu Familienverhältnissen“ lückenhaft ausgefüllt und vorgelegt, ohne dass diese Lücken begründet worden wären. Insbesondere hat er sich trotz des Hinweises des Beklagten auf die Überprüfungsbedürftigkeit der behaupteten Staatenlosigkeit und die (Mitwirkungs-)Verpflichtung eines Ausländers, selbst die Initiative zu ergreifen, nicht einmal ansatzweise dazu geäußert, warum seine Familie staatenlos sein soll. Dies ist jedoch deshalb von erheblicher Bedeutung, weil nämlich alles darauf hindeutet, dass sein Großvater väterlicherseits - Yousef B. - bereits 1945 seinen ständigen Wohnsitz im Gebiet der heutigen Arabischen Republik Syrien gehabt und damit automatisch die syrische Staatsangehörigkeit erlangt hatte (Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 22.12.2003 – 1455 al/br - an VG Augsburg, juris; Brocks, Gutachten vom 22.12.2003 - 1456 al/br - an VG Bayreuth) . Zwar hat der Kläger in dem Fragebogen weder dessen Geburtsjahr noch Geburtsort/Wohnort angegeben. Da sein Vater jedoch „ungefähr 1952“ sowie dessen Brüder Sch 1937, K 1942 und (Schwester?) A 1959 alle in Kamischli geboren sein sollen, spricht dies mit Gewicht dafür, dass die Familie schon 1945 ständig in Syrien wohnhaft war. Also käme es darauf an, ob die Familie ihre syrische Staatsangehörigkeit danach - wegen Nicht-Teilnahme an der Volkszählung 1962 oder Entzugs der Staatsangehörigkeit nach Teilnahme an der Zählung - verloren hat. Darüber müssten, wenn nicht die Eltern des Klägers zu 1., so doch zumindest die älteren - noch lebenden – Brüder des Vaters, die 1962 schon erwachsen waren, sowie die noch lebenden Verwandten, die fast alle in Kamischli (ggf. und Umgebung) wohnen, Auskunft geben können. Zwar hatte der Kläger zu 1. erklärt, sich um eine Kontaktaufnahme mit den Eltern bemühen zu wollen, um weitere Unterlagen zu beschaffen, hierzu aber dann mitgeteilt, diese hätten nicht geantwortet. Dass er sich wiederholt an sie und/oder überhaupt – was sich aufdrängte - auch an Geschwister und Onkel zur Klärung bzw. zum Beleg ihrer Staatenlosigkeit gewandt hätte, hat er indes nicht vorgetragen. Damit hat er seinen gemäß § 82 AufenthG bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten nicht hinreichend Rechnung getragen und zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt.

Da der Kläger zu 1. und der Kläger zu 3., dem das Handeln seiner Eltern zuzurechnen ist, die Ursächlichkeit zwischen der Pflichtverletzung und dem Fortbestand des Ausreisehindernisses auch nicht widerlegt haben (BVerwG, Urteile vom 26.10.2010 – 1 C 18/09 -, zitiert nach juris, und vom 10.11.2009 – 1 C 19.08 -, BVerwGE 135, 219) , sind sie – ebenso wie die Klägerin - nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert, so dass ihnen kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V AufenthG zusteht.

b) Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die verwaltungsgerichtliche Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für die Kläger auch nicht auf der Grundlage des § 25 V AufenthG in Verbindung mit dem das Privatleben schützenden Art. 8 I EMRK als gerechtfertigt erweisen könnte. Denn ein Privatleben im Sinne dieser Vorschrift, das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Verwurzelung des Ausländers im Bundesgebiet verlangt, die grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht kommt (BVerwG, Urteile vom 26.10.2010 – 1 C 18/09 –, zitiert nach juris, und vom 30.4.2009 – 1 C 3.08 -, NVwZ 2009, 1239) , liegt bei den sich ohne Aufenthaltsrecht seit 2004 in Deutschland aufhaltenden, wirtschaftlich in keiner Weise integrierten Klägern, deren Entwurzelung vom Herkunftsstaat zudem weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich ist, offensichtlich nicht vor.

c) Steht den Klägern zu 1. und 3 somit das ihnen vom Verwaltungsgericht zuerkannte Aufenthaltsrecht gemäß § 25 V AufenthG nicht zu, so fehlt der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin gemäß dieser Vorschrift in Verbindung mit Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK zur Vermeidung einer dauerhaften Trennung von den Klägern zu 1. und 3., die ihr wegen der vollziehbaren Ausreisepflicht der gesamten Familie nicht droht, jegliche Grundlage.

2. Der Beklagte ist durch das angefochtene Urteil auch zu Unrecht zur Ausstellung eines Reiseausweises nach Art. 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954 (In Kraft getreten am 24.1.1977 (Bekanntmachung vom 10.2.1977, BGBl. II S. 235)) - StlÜbk – für die Kläger zu 1. und 3. verpflichtet worden. Diese sind durch die Unterlassung des beantragten Verwaltungsaktes nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 V VwGO). Ihre Klage ist nicht begründet, die Berufung des Beklagten auch insofern erfolgreich.

Die Kläger zu 1. und 3. haben keinen Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises nach Art. 28 StlÜbk, denn das Übereinkommen findet auf sie keine Anwendung. Staatenloser im Sinne des StlÜbk nach Art. 1 I dieses Übereinkommens ist eine Person, die kein Staat aufgrund seines Rechtes als Staatsangehörigen ansieht. Dies ist nur bei solchen Personen der Fall, die de iure staatenlos sind. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 – 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11) Mangels hinreichender Mitwirkung der Kläger ist vorliegend indes nicht feststellbar, ob sie Staatenlose im Sinne des Art. 1 des Übereinkommens sind und dieses auf sie angewendet werden kann.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 I,159 VwGO, 100 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 II VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.000,- EUR festgesetzt (§§ 63 II, 52 , 47 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die gemäß § 124 II Nr. 1 VwGO zugelassene Berufung des Beklagten ist fristgerecht und zulässigerweise durch Bezugnahme auf seine ausführliche Begründung im Zulassungsverfahren begründet worden. (Vgl. BVerwG, Urteile vom 7.1.2008 – 1 C 27/06 -, NJW 2008, 1014, und vom 30.6.1998 – 9 C 6/98 -, BVerwGE 107, 117)

Die zulässige Berufung hat auch Erfolg, denn das Verwaltungsgericht hat der – zutreffend als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO erhobenen - Verpflichtungsklage der Kläger zu Unrecht teilweise stattgegeben. Die Kläger sind durch die Unterlassung der am 15.3.2007 beantragten Verwaltungsakte nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 V VwGO), denn die geltend gemachten Ansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise eines Reiseausweises für Staatenlose stehen den Klägern beziehungsweise den Klägern zu 1. und 3. gegen den Beklagten nicht zu. Die Klagen sind insgesamt unbegründet.

1. Rechtsgrundlage für den den Klägern zuerkannten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist § 25 V AufenthG. Danach kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 I eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (Satz 1). Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist (Satz 2). Sie darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (Satz 3). Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt (Satz 4).

Eine – auch freiwillige – Ausreise muss dem Ausländer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die er auch unter Berücksichtigung des Kausalitätsaspekts nicht zu vertreten hat, objektiv unmöglich oder – etwa mit Blick auf grundrechtliche Gewährleistungen in Art. 6 GG oder den Art. 8 EMRK – subjektiv unzumutbar sein.

Das Verwaltungsgericht hat die Kläger zu 1. und 3. als staatenlose Kurden aus Syrien angesehen, die einem Wiedereinreiseverbot unterlägen und daher einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 V AufenthG hätten; der Klägerin zu 2., gegen deren Staatenlosigkeit es - zu Recht - erhebliche Bedenken geäußert hat, hat es – nur - einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 V AufenthG i.V.m. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zur Vermeidung einer Trennung der Familie zugebilligt. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

a) Zunächst spricht angesichts des am 3.1.2009 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Arabischen Republik Syrien über die Rückführung von illegal aufhältigen Personen vom 14.7.2008 (BGBl. II 2008, 812) nichts durchgreifend dafür, dass die Kläger unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit bzw. eventuellen Staatenlosigkeit nicht nach Syrien zurückkehren könnten, weil ein Wiedereinreiseverbot im Heimatstaat ihre Rückkehr verhinderte, und daher ein dauerhaftes, nicht behebbares Ausreisehindernis im Sinne des § 25 V AufenthG bestünde. Denn nach dem Inhalt dieses Abkommens übernimmt Syrien nicht nur eigene Staatsangehörige (Art. 1), sondern Drittstaatsangehörige und staatenlose Personen auch dann, wenn nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, dass diese Personen nach einer Einreise in, einem Aufenthalt im oder einer Durchreise durch das Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei unmittelbar in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei eingereist sind (Art. 2 II). Dabei ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ohne Bedeutung, ob sich hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der „unmittelbaren Ausreise“ bereits eine Vertragspraxis bei der Anwendung dieses Abkommens auf Personen, die wie die Kläger zu 1. und 2. auf dem Seeweg und dem Landweg über andere Länder als bloße Durchreiseländer, also ohne längeren Aufenthalt, ins Bundesgebiet gelangt sind, entwickelt hat. (Vgl. insoweit etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 8.1.2010 – 2 A 447/09 -, SKZ 2010, 218 LS 36 und vom 2.12.2009 – 2 A 444/08 -) Auch wenn nach seiner Stellungnahme vom 15.4.2010 (Vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 15.4.2010 an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – 508-516.80/46306 -) dem Auswärtigen Amt nicht bekannt ist, ob bislang - außer 38 Personen mit syrischer Staatsangehörigkeit in 2009 auch - staatenlose Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Syrien unter der Geltung des Rückübernahmeabkommens abgeschoben wurden, ist eine Rücknahme der Kläger durch ihr Herkunftsland zumindest nicht dauerhaft ausgeschlossen.

Abgesehen davon erfüllen die vollziehbar ausreisepflichtigen Kläger zu 1. und 3. die Voraussetzungen für die begehrte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V 3 AufenthG nicht, da sie nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert sind. Nach den Feststellungen des Senates, für die auch auf die Angaben der Kläger im - bei Stellung ihres Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse der Sache nach in Bezug genommenen - Asylrechtsstreit (10 K 9/07) zurückzugreifen war, hat der Kläger zu 1. zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt und zudem falsche Angaben gemacht; der Kläger zu 3. muss sich das Verhalten seiner gesetzlichen Vertreter – die Handlungsweise des Klägers zu 1. und die Falschangaben der Klägerin - zurechnen lassen.

Derzeit besteht für die Kläger ein tatsächliches Ausreisehindernis, da sie über keine Pässe bzw. Passersatzpapiere/ Reisedokumente verfügen. Die von ihnen vorgelegten - in Syrien problemlos und daher letztlich ohne Beweiswert für ihren Inhalt erhältlichen - Mukhtar-Bescheinigungen vom 2.4.1999 (für den Kläger zu 1.) bzw. 1.5.1996 (für die Klägerin), die ausweislich der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23.5.2005 keine offensichtlichen Fälschungsmerkmale aufweisen, stellen keine Reisedokumente im eigentlichen Sinne dar. Die für den Kläger zu 1. ausgestellte Bescheinigung könnte allerdings im Rahmen des Nachweises oder der Glaubhaftmachung der Rückübernahmevoraussetzungen nach Art. 5 II b und III des Durchführungsprotokolls zum Rückübernahmeabkommen für den Nachweis seines Aufenthalts in Syrien grundsätzlich von Bedeutung sein, falls er tatsächlich staatenlos sein sollte.

Eine Beseitigung dieses Ausreisehindernisses setzte die – in wesentlichen Teilen noch nicht abgeschlossene - Klärung der Identität, Herkunft und Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit der Kläger zu 1. und 3. voraus, um die sich die Kläger bislang nicht hinreichend bemüht haben und die durch falsche Angaben zudem erschwert wurde.

Es bestehen allerdings keine ernsthaften Zweifel hinsichtlich der Identität des Klägers zu 1., soweit sie Name, Geburtsdatum und -ort, Eltern und Herkunftsort („Al Qamishli“ oder „Kamischli“) betrifft. Sein entsprechender Vortrag, dem die vorgelegte Mukhtar-Bescheinigung entspricht, ist im Asylverfahren und dem Aufenthaltserlaubnisverfahren durchgängig und widerspruchsfrei erfolgt und wird durch die eidesstattliche Versicherung des ebenfalls aus Kamischli stammenden Herrn A D vom 31.10.2007 (Bl. 18 Gerichtsakte) hinsichtlich Wohnort und Familie (Vater, Onkel K B. und Onkel S B.) bestätigt. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Richtigkeit der seine Vorfahren/ Verwandten betreffenden Angaben, soweit er sie im „Fragebogen für Familienverhältnisse“ dargelegt hat und die nicht die Staatenlosigkeit betreffen.

Im Übrigen bestehen jedoch Bedenken gegen die Richtigkeit des Vortrags und damit die Glaubwürdigkeit des Klägers zu 1.. Diese gründen auf der Tatsache, dass von den gesamten Angaben der Klägerin nur ihr Vornamen, ihr Geburtsdatum sowie der Namen und die Staatsangehörigkeit ihrer Mutter als authentisch angesehen werden können und ein wesentlicher Teil der ihre Herkunft betreffenden falschen Angaben im Asylverfahren auch Bestandteil des Vortrags des Klägers zu 1. war.

Widersprüchlich ist die Darstellung der Klägerin schon hinsichtlich ihres Geburtsortes. Während sie Kamischli als Geburtsort in allen Formularen und ihrem gesamten schriftlichen Vortrag angegeben hat, hat sie im Asylverfahren in der mündlichen Verhandlung vom 7.3.2007 vor dem Verwaltungsgericht erklärt, sie sei in Damaskus, und zwar im Viertel (übersetzt:) „Schwarzer Stein“ geboren. Gegen die Richtigkeit eines Geburtsortes Kamischli spricht – jedenfalls mangels anderweitiger Erläuterung - auch ihr weiterer ständiger Vortrag, dass sie bis zur Übersiedlung nach Kamischli am 3.1.2004 und – religiösen – Eheschließung mit dem Kläger zu 1. – ständig - in Damaskus bei ihren Eltern gewohnt habe. Dieser durchgängig genannte Wohnort Damaskus wiederum wird durch den Inhalt der von ihr vorgelegten Mukhtar-Bescheinigung vom 1.5.1996 in Frage gestellt, die einen Wohnsitz in Kamischli bestätigt.

Die Herkunft der Klägerin insgesamt – und damit neben Geburtsort auch ihre behauptete Abstammung von einem staatenlosen Kurden aus Syrien – ist, wie bereits die vom Verwaltungsgericht dezidiert geäußerten Bedenken belegen, überaus fraglich. Unstreitig stammt die Mutter der Klägerin aus Beirut, besitzt sie die libanesische Staatsangehörigkeit und lautet ihr Namen N G (so im Asylverfahren angegeben) bzw. G bzw. G (so im „Fragebogen zu Familienverhältnissen“ des Beklagten angegeben), wobei die unterschiedliche Schreibweise auf die schwierige Umsetzung der arabischen Schrift zurückzuführen sein dürfte. Sie soll 1964 im Libanon geboren sein (Fragebogen). Ihr Vater soll bzw. M D. heißen und etwa 1962 geborener staatenloser Kurde aus Kamischli mit Wohnort Damaskus sein, bei dem der Kläger zu 1. ausweislich seines Vorbringens im Asylverfahren ab November 2003 gearbeitet und dort die Klägerin kennengelernt haben will.

Die Richtigkeit dieser Angaben der Klägerin hat der Beklagte in Zweifel gezogen, nachdem eine von ihm eingeholte AZR-Visa-Auskunft ergeben hatte, dass eine am 3.10.1959 in Beirut geborene libanesische Staatsangehörige namens N G unter dem 17.3.2007 die Erteilung eines Visums bei der Deutschen Botschaft in Beirut beantragt hatte (Bl. 219 Verwaltungsunterlagen) , das am 26.3.2007 abgelehnt wurde. Eine Verpflichtungserklärung für den geplanten Aufenthalt der Frau hatte der Deutsche libanesischer Herkunft M F aus Marburg abgegeben. In seiner Vernehmung durch die Polizei Marburg hat dieser hierzu am 5.9.2008 angegeben, Frau G sei eine Bekannte von Verwandten in Beirut, die er auf deren Bitten eingeladen habe, weil sie ihre Tochter in Deutschland habe besuchen wollen, mit der er in diesem Zusammenhang mehrfach telefoniert habe, die er persönlich aber nicht kenne, sei auch Libanesin. Sie habe ihren Mann, der wohl heiße, gegen den Willen eines Onkels und der ganzen Familie geheiratet. Grund für den Ärger sei gewesen, dass er staatenlos und Kurde sei. Aus dem Visumsantrag und aus einem Auszug aus dem libanesischen Familienregister ergibt sich, dass Frau G in Beirut geborene Tochter G dasselbe Geburtsdatum wie die Klägerin aufweist und auch die Vornamen der beiden anderen Töchter mit den von der Klägerin genannten Vornamen ihrer Schwestern übereinstimmen; allerdings differieren die jeweils vermerkten Geburtsdaten um rund ein Jahr. Außerdem hat die Klägerin keinen Bruder erwähnt, Frau G indes einen Sohn aufgeführt. Wichtigster Unterschied bei den Angaben ist indes, dass der Ehemann der Frau (El) G und Vater ihrer Kinder „M El G“ hieß und bereits 1993 verstorben ist. Nachdem bereits diese auffälligen Übereinstimmungen zwischen Vortrag der Klägerin und Registerauszug deutlich dafür sprachen, dass es sich bei Frau G um die Mutter der Klägerin handelt, zumal auch im AZR – wie sich aus der Mitteilung des Beklagten vom 14.1.2011 ergibt – keine (El) G in Deutschland erfasst ist, hat der Kläger zu 1. gegenüber dem Senat in der mündlichen Verhandlung zugegeben, dass es sich bei der Frau, „die zu Herrn F in Marburg reisen wollte“, um die Mutter der Klägerin handele; dies hatten die Kläger noch im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung auf die Vorlage eines Fotos der Frau G ausdrücklich bestritten. Im Übrigen ist diese familiäre Verbindung auch offensichtlich geworden, als Herr F dem Kläger zu 1. zum Zwecke der Ermöglichung des Umzugs der Kläger nach Marburg eine Arbeitsstelle angeboten hatte (Vgl. Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Marburg – Ausländerbehörde – vom 6.5.2010 an den Beklagten) .

Nachdem somit die Identität der Mutter der Klägerin feststeht, beweist der vom Beklagten über die Deutsche Botschaft Beirut eingeholte, im Original mit deutscher Übersetzung vorliegende Familienregisterauszug vom 17.1.2009 nach Überzeugung des Senates, dass ihr Vater der dort auch als solcher ausgewiesene – 1993 verstorbene – libanesische Staatsangehörige M El G aus Beirut war und nicht – wie von der Klägerin behauptet – ein staatenloser Kurde namens D. aus Kamischli. Hiergegen hat der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung zwar bekräftigend eingewandt, der Name des leiblichen Vaters der Klägerin sei „D.“. Die Mutter der Klägerin sei zweimal verheiratet gewesen, es existiere „wohl“ ein Stiefvater; sein Name sei G. Die „Papiere“ seien damals manipuliert worden, um der Klägerin den Schulbesuch in Syrien zu ermöglichen; der Name im Register sei ein Name, der nur auf dem Papier stehe. Was genau geschehen sei, hätten sie nicht klären können. Diese wenig substantiierte Darstellung des Klägers zu 1. gibt jedoch keinen Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der im Registerauszug enthaltenen Eintragungen. Abgesehen davon, dass bei den Klägern diesbezüglich eventuell vorhandene Unklarheiten sicherlich durch – telefonische - Rücksprache mit der Mutter der Klägerin hätten geklärt werden können, enthält der Vortrag außer der Mitteilung, dass die Mutter zweimal verheiratet gewesen sei, keinerlei nachvollziehbare Tatsachen. Ferner ist festzustellen, dass, wie der Registerauszug vom 17.1.2009 zeigt, das Familienregister immer wieder aktualisiert wurde. So wurden 1983 zunächst in der Spalte „N G“ die Anmerkung „Heiratseintragung 3233/983“ sowie – ausweislich der unmittelbar aufeinander folgenden Aktenzeichen wohl zusammen – zunächst die Geburt der 1982 geborenen Schwester (8523/ 1983) und dann die der Klägerin (8524/ 1983), 1987 die des Bruders (3215/987) und 1993 die der jüngsten Schwester (3056/993) sowie später – ohne Datum - die Eheschließung der Schwester K eingetragen. Auch enthält sie zu dem ausgewiesenen Vater der Klägerin unter „Anmerkungen“ neben dem Vermerk „verstorben, 20.01.1993“ noch den Eintrag „1133/2006“; ob dieser Vermerk einen Hinweis auf eine neuerliche Eheschließung der Mutter darstellen könnte, bedarf ebenso wenig einer Vertiefung wie die Tatsache, dass Berechtigte hinsichtlich des bei einer libanesischen Bank geführten Kontos, von dem Frau G im Visumverfahren 2007 Kontoauszüge vorgelegt hatte, sowohl sie als auch ein „Daoud D.“ waren. Wenn die ursprüngliche Registereintragung tatsächlich – wie behauptet - zur Ermöglichung der Einschulung der Klägerin in Syrien im weitesten Sinne durch „Manipulation“ erreicht worden wäre, wäre das libanesische Register in der Folge sicher nicht über Jahre den familiären Entwicklungen angepasst worden; im Übrigen hat die Klägerin ausweislich ihrer Angaben im Asylverfahren tatsächlich nie die Schule besucht. Gegen eine Unrichtigkeit des Familienregisters hinsichtlich der Eintragungen betreffend die Familie der Klägerin spricht schließlich auch die Aussage des Herrn F. Darin hat dieser den - ihm über seine Verwandten in Beirut bekannt gewordenen - Ärger eines Onkels und der ganzen Familie der Klägerin darüber, dass diese den Kläger zu 1. habe heiraten wollen, sowie den Tod ihres Vaters („vor 10 Jahren“), der wohl auch Libanese gewesen sei und in Beirut gelebt habe, erwähnt und angegeben, dass er sich nicht erklären könne, warum die Klägerin den Familiennamen „D.“ angenommen habe.

Nach allem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin entsprechend der - lediglich durch eine schon in Bezug auf den darin bestätigten Wohnsitz in Kamischli offensichtlich inhaltlich unrichtige Mukhtar-Bescheinigung vom 1.5.1996 belegte - Behauptung der Kläger als Tochter eines staatenlosen Kurden in Damaskus/ Syrien aufgewachsen ist; vielmehr ist sie als libanesische Staatsangehörige anzusehen. Daraus folgt weiter, dass wesentliche Teile des gesamten - die im Asylverfahren gemachten Ausführungen einschließenden - Vortrags der Kläger unglaubhaft sind. Der Kläger zu 1. kann offensichtlich entgegen seinem (Asyl-)Vortrag nicht 2003 bei dem – tatsächlich schon 1993 verstorbenen - Vater der Klägerin in Damaskus gearbeitet, sie dort kennengelernt, entführt und in sein Heimatdorf bzw. Viertel von Kamischli verbracht haben. Ebenfalls kann ausgeschlossen werden, dass die Kläger sich – auch - zur Ausreise entschlossen hätten, weil der Vater gedroht habe, sie beide zu töten. Der Registerauszug spricht vielmehr dafür, dass die Klägerin im Libanon aufgewachsen ist und dort bis zu ihrer Verbindung mit dem Kläger zu 1. gelebt hat.

Angesichts dieser falschen Angaben des Klägers zu 1., die wesentliche Teile des angeblichen Verfolgungsschicksals bzw. der behaupteten Staatenlosigkeit der Kläger betrafen, sieht sich der Senat außerstande, ihm hinsichtlich seines übrigen (insbesondere Asyl-)Vortrags, dem das Verwaltungsgericht Umstände entnommen hat, die aus erstinstanzlicher Sicht „für seinen Status als staatenloser Kurde in Syrien sprachen bzw. seine vorherigen Angaben sinnvoll ergänzten“, Glauben zu schenken. Vielmehr sieht der Senat die Glaubwürdigkeit – nicht nur der Klägerin, sondern - auch des Klägers zu 1. insgesamt durchgreifend in Frage gestellt.

Die Staatsangehörigkeit beziehungsweise Staatenlosigkeit des Klägers zu 1., die für die Frage der Erlangung von Papieren und der – ggf. erleichterten - Rückkehrmöglichkeit nach Syrien von Bedeutung ist, konnte auch im Übrigen wegen seiner mangelnden Mitwirkung bislang nicht hinreichend geklärt werden.

Über die Zumutbarkeit der einem Ausländer obliegenden Handlungen zur Beseitigung eines Ausreisehindernisses ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2006 – 1 B 54/06 -, Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 4) . Auch sind im Rahmen des § 25 V AufenthG die wechselseitigen Pflichten des betroffenen Ausländers und der zuständigen Ausländerbehörde zu beachten und zu werten. Dabei treffen den Ausländer eine Mitwirkungs- sowie eine Initiativpflicht hinsichtlich ihm bekannter und zumutbarer Aufklärungsmöglichkeiten. Der Behörde hingegen obliegt die Erfüllung einer Hinweis- sowie einer Anstoßpflicht. Sie muss den Ausländer auf diejenigen Möglichkeiten zur Beseitigung von Ausreisehindernissen hinweisen, die ihm bei objektiver Sichtweise nicht bekannt sein können. (Vgl. BayVGH, Urteil vom 23.3.2006 – 24 B 05.2889 -, zitiert nach juris) In aller Regel können von dem Ausländer Handlungen gefordert werden, die zur Beschaffung des Dokuments erforderlich sind und nur von ihm allein vorgenommen werden können. Gerade bei der Beschaffung von Identitätspapieren können von ihm mit Blick auf seine Passpflicht nach § 3 I AufenthG und seine Mitwirkungspflicht nach § 48 III AufenthG gesteigerte Anstrengungen verlangt werden. Unzumutbar sind lediglich solche Handlungen, die von vornherein ohne Einfluss auf die Möglichkeit der Ausreise oder erkennbar aussichtslos sind. (BVerwG, Beschluss vom 10.3.2009 – 1 B 4.09 -, Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 11) Unterhalb dieser Schwelle besteht hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einer Verletzung von Mitwirkungspflichten und der Erfolglosigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen, der immer nur hypothetisch beurteilt werden kann, eine tatsächliche widerlegbare Vermutung zulasten des Ausländers. (BVerwG, Urteile vom 26.10.2010 – 1 C 18/09 -, zitiert nach juris, und vom 10.11.2009 – 1 C 19.08 -, BVerwGE 135, 219)

Der Kläger zu 1. hat für seine Behauptung, staatenloser Kurde aus Syrien zu sein, über die vom Verwaltungsgericht herangezogenen, durch die falschen Angaben der Kläger jedoch grundsätzlich in Zweifel zu ziehenden Indizien hinaus bisher keine ausreichenden Tatsachen und Gründe vorgetragen, die diese Staatenlosigkeit nachvollziehbar machen könnten.

Nach Darstellung des Auswärtigen Amtes (Vgl. Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien“ vom 9.7.2009 (Stand Juni  2009) – 508-516.80/3 SYR –, S. 11) leben auf dem Gebiet der heutigen Arabischen Republik Syrien etwa 2 Millionen Menschen kurdischer Volkszugehörigkeit, die überwiegend auch die syrische Staatsangehörigkeit besitzen. Zu deren Situation ist im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom September 2010 (Vgl. „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien“ vom 27.9.2010 (Stand September 2010) – 508-516.80/3 SYR –, S. 9/10) ausgeführt: Im Jahre 1962 wurde einer Gruppe von 120.000 bis 150.000 Kurden im Rahmen einer „Volkszählung“ die syrische Staatsangehörigkeit aberkannt, da es sich bei diesen Personen nach Ansicht der syrischen Regierung um illegale Einwanderer aus der Türkei oder dem Irak handelte. Unter Berücksichtigung des natürlichen Bevölkerungszuwachses dürfte diese Gruppe der Kurden in Syrien ohne syrische Staatsangehörigkeit, die sich bei Nachkommen nach syrischem Staatsangehörigkeitsrecht allein nach dem Vater bestimmt, inzwischen bis zu 300.000 Menschen umfassen. Innerhalb dieses Personenkreises sind diejenigen Kurden (und ihre Nachkommen), die damals als „Ausländer“ („Adschnabi“) in ein gesondertes Zivilregister („Ausländerregister“) eingetragen wurden, zu unterscheiden von den sog. „Nichtregistrierten“ („Maktumin“), die seinerzeit (auch) keine andere Staatsangehörigkeit plausibel machen konnten. Da auch die Mitglieder der vergleichsweise größeren Gruppe der in dem gesonderten Zivilregister erfassten Adschnabi regelmäßig in Wahrheit keine anderweitige Staatsangehörigkeit besitzen, sieht das Auswärtige Amt im Ergebnis beide Untergruppen als staatenlos an. Die Adschnabi erhalten rot-orangefarbene Identitätspapiere, allerdings in aller Regel keine Reisepapiere; aus dem besagten „Ausländerregister“ erteilen die syrischen Meldebehörden seit 2001 keine Auskünfte mehr. Den Maktumin, die keinerlei staatsbürgerliche Rechte besitzen, wurde dagegen jede Registrierung verweigert. Sie erhalten vom syrischen Staat keine amtlichen Dokumente. Gegen Bezahlung können sie lediglich eine so genannte weiße Identitätsbescheinigung des Ortsvorstehers (Mukhtar) ihres Wohnorts bekommen. Diesen Bescheinigungen, die gegen entsprechende Geldzahlung mit jedem beliebigen Inhalt erhältlich sind, kommt aus Sicht des Auswärtigen Amts „kein Beweiswert“ zu.

Auf der Grundlage der vorstehenden Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes ist der Beklagte in seiner Rechtsmittelschrift also zutreffend davon ausgegangen, dass die ganz überwiegende Anzahl der Kurden in Syrien im Besitz der syrischen Staatsangehörigkeit ist. Staatenlosigkeit stellt daher die Ausnahme dar, für die eine Begründung erwartet werden muss.

Vorab ist hierzu festzustellen, dass Beklagter und Verwaltungsgericht sich zu Recht nicht an die in den Entscheidungsgründen des das Asylverfahren abschließenden rechtskräftigen Urteils vom 7.3.2007 – 10 K 9/07 – getroffene Aussage, die Kläger seien staatenlos, gebunden sahen. Eine Bindungswirkung konnte das Urteil gegenüber dem Beklagten schon deshalb nicht entfalten, weil er in dem genannten Rechtsstreit als Ausländerbehörde nicht beteiligt war (§ 121 Nr. 1 VwGO). (Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 10.6.2010 - 2 A 13/10 -)

Auf der Grundlage seines Vortrags gehört auch der Kläger zu 1. de iure zum Kreis der syrischen Staatsangehörigen. Denn er besitzt, sofern er in Syrien als Kind dort wohnhafter Eltern geboren wurde, von Rechts wegen die syrische Staatsangehörigkeit nach Art. 3 lit. c des syrischen Staatsangehörigkeitsgesetzes. Danach gilt als syrischer Araber, „wer im Staat als Kind von Eltern geboren ist, die unbekannt oder unbekannter Staatsangehörigkeit oder staatenlos sind.“ Allerdings wird den in Syrien geborenen Adschnabi (auch „adschanib“) und Maktumin vom syrischen Staat tatsächlich die syrische Staatsangehörigkeit nicht zugebilligt. (KURDWATCH-Bericht, vom März 2010, S. 17 f.) Es kann daher nicht angenommen werden, dass Syrien sich mit Blick auf diese nicht umgesetzte Vorschrift bereit fände, den Kläger zu 1. als Staatangehörigen anzuerkennen, ihm Reisepapiere auszustellen und ihm eine freiwillige Einreise zu ermöglichen, zumal an einer Rückkehr von Kurden generell kein Interesse besteht.

Ob der Kläger zu 1. indes eine – tatsächlich anerkannte - syrische Staatsangehörigkeit besitzt, lässt sich auf der Grundlage der von ihm erteilten Informationen nicht beurteilen. So hat sich Herr A D, der ihn und seinen Vater sowie zwei Onkel aus Kamischli kennt, in seiner erstinstanzlich von den Klägern vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 31.10.2007 zur Staatsangehörigkeit des Klägers zu 1. und seiner Familie nicht geäußert. Dass die vom Letzteren und der Klägerin vor dem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung vom 9.8.2007, dass sie staatenlos seien, angesichts der festgestellten libanesischen Staatsangehörigkeit der Klägerin zur Glaubhaftmachung nicht geeignet ist, bedarf keiner Vertiefung. Lediglich die bereits erwähnte Aussage des Herrn F bei seiner polizeilichen Vernehmung, dass ein Onkel der Klägerin und deren ganze Familie gegen die Heirat gewesen seien, weil der „ staatenlos und kurdisch“ sei, deutet auf die Staatenlosigkeit des Klägers zu 1. hin.

Der Kläger zu 1. selbst hat wenig dazu beigetragen, Nachweise für seine behauptete Staatenlosigkeit zu beschaffen. Er hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, Umstände für sich vorzutragen, die üblicherweise bei Maktumin zu finden sind. Von den vom Beklagten unter dem 24.5.2007 angeforderten Unterlagen, die möglichst detaillierte Angaben und entsprechende Belege enthalten sollten, hat er nur einen auf ohnehin bekannte Angaben beschränkten, insbesondere keine Angaben zu schulischen und beruflichen Stationen darstellenden Lebenslauf erstellt sowie den „Fragebogen zu Familienverhältnissen“ lückenhaft ausgefüllt und vorgelegt, ohne dass diese Lücken begründet worden wären. Insbesondere hat er sich trotz des Hinweises des Beklagten auf die Überprüfungsbedürftigkeit der behaupteten Staatenlosigkeit und die (Mitwirkungs-)Verpflichtung eines Ausländers, selbst die Initiative zu ergreifen, nicht einmal ansatzweise dazu geäußert, warum seine Familie staatenlos sein soll. Dies ist jedoch deshalb von erheblicher Bedeutung, weil nämlich alles darauf hindeutet, dass sein Großvater väterlicherseits - Yousef B. - bereits 1945 seinen ständigen Wohnsitz im Gebiet der heutigen Arabischen Republik Syrien gehabt und damit automatisch die syrische Staatsangehörigkeit erlangt hatte (Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 22.12.2003 – 1455 al/br - an VG Augsburg, juris; Brocks, Gutachten vom 22.12.2003 - 1456 al/br - an VG Bayreuth) . Zwar hat der Kläger in dem Fragebogen weder dessen Geburtsjahr noch Geburtsort/Wohnort angegeben. Da sein Vater jedoch „ungefähr 1952“ sowie dessen Brüder Sch 1937, K 1942 und (Schwester?) A 1959 alle in Kamischli geboren sein sollen, spricht dies mit Gewicht dafür, dass die Familie schon 1945 ständig in Syrien wohnhaft war. Also käme es darauf an, ob die Familie ihre syrische Staatsangehörigkeit danach - wegen Nicht-Teilnahme an der Volkszählung 1962 oder Entzugs der Staatsangehörigkeit nach Teilnahme an der Zählung - verloren hat. Darüber müssten, wenn nicht die Eltern des Klägers zu 1., so doch zumindest die älteren - noch lebenden – Brüder des Vaters, die 1962 schon erwachsen waren, sowie die noch lebenden Verwandten, die fast alle in Kamischli (ggf. und Umgebung) wohnen, Auskunft geben können. Zwar hatte der Kläger zu 1. erklärt, sich um eine Kontaktaufnahme mit den Eltern bemühen zu wollen, um weitere Unterlagen zu beschaffen, hierzu aber dann mitgeteilt, diese hätten nicht geantwortet. Dass er sich wiederholt an sie und/oder überhaupt – was sich aufdrängte - auch an Geschwister und Onkel zur Klärung bzw. zum Beleg ihrer Staatenlosigkeit gewandt hätte, hat er indes nicht vorgetragen. Damit hat er seinen gemäß § 82 AufenthG bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten nicht hinreichend Rechnung getragen und zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt.

Da der Kläger zu 1. und der Kläger zu 3., dem das Handeln seiner Eltern zuzurechnen ist, die Ursächlichkeit zwischen der Pflichtverletzung und dem Fortbestand des Ausreisehindernisses auch nicht widerlegt haben (BVerwG, Urteile vom 26.10.2010 – 1 C 18/09 -, zitiert nach juris, und vom 10.11.2009 – 1 C 19.08 -, BVerwGE 135, 219) , sind sie – ebenso wie die Klägerin - nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert, so dass ihnen kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V AufenthG zusteht.

b) Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die verwaltungsgerichtliche Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für die Kläger auch nicht auf der Grundlage des § 25 V AufenthG in Verbindung mit dem das Privatleben schützenden Art. 8 I EMRK als gerechtfertigt erweisen könnte. Denn ein Privatleben im Sinne dieser Vorschrift, das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Verwurzelung des Ausländers im Bundesgebiet verlangt, die grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht kommt (BVerwG, Urteile vom 26.10.2010 – 1 C 18/09 –, zitiert nach juris, und vom 30.4.2009 – 1 C 3.08 -, NVwZ 2009, 1239) , liegt bei den sich ohne Aufenthaltsrecht seit 2004 in Deutschland aufhaltenden, wirtschaftlich in keiner Weise integrierten Klägern, deren Entwurzelung vom Herkunftsstaat zudem weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich ist, offensichtlich nicht vor.

c) Steht den Klägern zu 1. und 3 somit das ihnen vom Verwaltungsgericht zuerkannte Aufenthaltsrecht gemäß § 25 V AufenthG nicht zu, so fehlt der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin gemäß dieser Vorschrift in Verbindung mit Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK zur Vermeidung einer dauerhaften Trennung von den Klägern zu 1. und 3., die ihr wegen der vollziehbaren Ausreisepflicht der gesamten Familie nicht droht, jegliche Grundlage.

2. Der Beklagte ist durch das angefochtene Urteil auch zu Unrecht zur Ausstellung eines Reiseausweises nach Art. 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954 (In Kraft getreten am 24.1.1977 (Bekanntmachung vom 10.2.1977, BGBl. II S. 235)) - StlÜbk – für die Kläger zu 1. und 3. verpflichtet worden. Diese sind durch die Unterlassung des beantragten Verwaltungsaktes nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 V VwGO). Ihre Klage ist nicht begründet, die Berufung des Beklagten auch insofern erfolgreich.

Die Kläger zu 1. und 3. haben keinen Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises nach Art. 28 StlÜbk, denn das Übereinkommen findet auf sie keine Anwendung. Staatenloser im Sinne des StlÜbk nach Art. 1 I dieses Übereinkommens ist eine Person, die kein Staat aufgrund seines Rechtes als Staatsangehörigen ansieht. Dies ist nur bei solchen Personen der Fall, die de iure staatenlos sind. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 – 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11) Mangels hinreichender Mitwirkung der Kläger ist vorliegend indes nicht feststellbar, ob sie Staatenlose im Sinne des Art. 1 des Übereinkommens sind und dieses auf sie angewendet werden kann.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 I,159 VwGO, 100 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 II VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.000,- EUR festgesetzt (§§ 63 II, 52 , 47 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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