Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 R 94/14
Gründe
I.
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Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bebauungsplan Nr. 22/2005 „Naturfreundeweg“ vom 26.06.2014, mit dem die Antragsgegnerin im Norden ihres Gemeindegebiets auf einer Fläche von rund 2 ha ein allgemeines Wohngebiet mit sechs Baufeldern sowie Erschließungsstraßen und private Grünflächen festgesetzt hat. Nach der Begründung des Bebauungsplans (S. 31) ermöglicht die Planung die Errichtung einer Wohnanlage für altersgerechtes Wohnen mit 26 Wohneinheiten und von 19 Einfamilienhäusern. Bei den vom Plan überstrichenen Flächen handelt es hauptsächlich um Offenland und Waldgebiet (Robinienbestand). Nach dem im Verfahren eingeholten Umweltbericht in der überarbeiteten Fassung vom April 2014 werden die Biotope des Plangebiets ca. je zur Hälfte durch Waldflächen und anthropogene Schotterflächen, die aufgrund fehlender regelmäßiger Nutzung von den Randbereichen her mit Staudenfluren und sukzessiven Gehölzen zugewachsen sind, gekennzeichnet. Die nördliche Hälfte des Plangebiets sei durch Laubholzbestand aus Robinie geprägt, in deren Unterholz sich wenig Arten (überwiegend Holunder, Robinie) etabliert hätten. Der am 26.06.2014 vom Gemeinderat beschlossene und am 26.07.2014 vom Bürgermeister ausgefertigte Plan wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 31.07.2014 bekannt gemacht.
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Der Antragsteller zu 1, eine anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung, und der Antragsteller zu 2, Eigentümer eines nördlich an das Plangebiet angrenzenden, mit einem Wohnhaus bebauten und zu großen Teilen bewaldeten Grundstücks, haben am 02.09.2014 einen Normenkontrollantrag und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem sie die Außervollzugsetzung des Bebauungsplans und die Unterlassung von Rodungsarbeiten begehren. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Der Antragsteller zu 1 könne seine Antragsbefugnis grundsätzlich auf § 64 Abs. 1 BNatSchG, zumindest aber auf § 2 UmwRG stützen. Die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2 ergebe sich daraus, dass er sich unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt sehen könnte. Die Erschließungsstraße reiche unmittelbar an die Grenze seines Grundstücks heran. Dieser Bereich liege weniger als 100 m von seinem Wohnhaus entfernt. Ziel- und Quellverkehr werde durch die Bewohner oder Besucher des Wohngebiets, insbesondere aber auch durch Lieferfahrzeuge etc. ausgelöst. Zudem bestehe die Möglichkeit, dass der Baumbestand auf seinem Grundstücke durch die derzeit stattfindenden Rodungsarbeiten beschädigt werde, weil die Grundstücksgrenze als solche nicht klar erkennbar sei. Es stehe auch zu erwarten, dass die nach Norden verlaufende Erschließungsstraße im B-Plangebiet über das der Antragsgegnerin gehörende Grundstück hinaus hin zur L-Straße verlängert werden solle, was zur Inanspruchnahme von Teilen seines Grundstücks führen würde. Der Bebauungsplan leide an verschiedenen Mängeln. Er sei nicht auf der Grundlage eines materiell wirksamen Flächennutzungsplans entwickelt worden, da die Flächennutzungsplanung veraltet sei. Die Bebauungsplanung sei nur auf Ortschaftsebene erfolgt. Entgegen der Planbegründung sei zur Beseitigung einer gemeindlichen Brachfläche kein Bebauungsplan erforderlich, vielmehr genüge eine entsprechende Bepflanzung bzw. Gestaltung der Fläche. Soweit das Ziel ein „altersgerechtes Wohnkonzept“ sein solle, sei dies nicht in den Festsetzungen des Bebauungsplans verankert. Der Gesichtspunkt, dass das Waldgebiet als Erholungsgebiet diene, habe die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt. In Bezug auf die Erschließung seien die Auswirkungen des Ziel- und Quellverkehrs nicht näher untersucht worden. Der Bebauungsplan widerspreche zudem dem Landesentwicklungsplan 2010, da die Antragsgegnerin keine zentralörtliche Funktion habe und vorrangig die vorhandenen Potenziale in den Siedlungsgebieten zu nutzen seien, so dass die Inanspruchnahme von Waldflächen unzulässig sei. Ein Bedarf für die Bauflächen sei nicht ersichtlich, insbesondere weil im Gemeindegebiet noch genügend Baugrundstücke zur Verfügung stünden. Zudem werde übersehen, dass mit Grund und Boden sparsam umzugehen sei.
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Die Antragsteller beantragen (wörtlich),
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der Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung aufzugeben, sofort die Rodung der Fläche des Baugebiets und den Vollzug des B-Planes einstweilen bis zu einer Entscheidung der Hauptsache zu unterlassen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie macht geltend. Die Anträge seien bereits unzulässig. Dem Antragsteller zu 1 fehle die Antragsbefugnis, weil eine anerkannte Vereinigung im Sinne von § 3 UmwRG Rechtsbehelfe nur gegen solche Beschlüsse über die Aufstellung von Bebauungsplänen einlegen könne, durch die die Zulässigkeit von bestimmten Vorhaben im Sinne der Anlage 1 zum UVPG begründet worden seien. Dies sei bei dem hier streitigen Bebauungsplan mit einer Fläche von weniger als 20.000 m² nicht der Fall. Auch auf § 64 Abs. 1 BNatSchG lasse sich eine Antragsbefugnis des Antragstellers zu 1 nicht stützen. Auch dem Antragsteller zu 2 fehle die Antragsbefugnis, weil sein Grundstück außerhalb des Plangebiets liege und unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen durch den entstehenden Kraftfahrzeugverkehr in den das Wohngebiet erschließenden Stichstraßen auch wegen der abschirmenden Wirkung des dichten Baumbestandes nicht denkbar seien. Die Besorgnis des Antragstellers zu 2, Baumbestand auf seinem Grundstück könne aufgrund unklarer Grundstücksgrenzverläufe beschädigt werden, habe mit dem angegriffenen Bebauungsplan und dessen Festsetzungen nichts zu tun. Auch eine Verlängerung der Stichstraße in Richtung Norden sehe der Bebauungsplan nicht vor. Im Übrigen seien die Anträge auch unbegründet.
II.
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A. Die Anträge nach § 47 Abs. 6 VwGO haben keinen Erfolg. Der begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Antragsteller nicht antragsbefugt sind. Für die Antragsbefugnis im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO gelten dieselben Anforderungen wie im Normenkontrollverfahren selbst (vgl. BayVGH, Beschl. v. 28.08.2013 – 1 NE 13.1558 –, juris, RdNr. 4; NdsOVG, Beschl. v. 22.01.2013 – 12 MN 290/12 –, juris, RdNr. 15; OVG NW, Beschl. v. 13.01.2000 – 7a 1598/99.NE –. juris, RdNr. 2).
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1. Der Antragsteller zu 1 kann eine Antragsbefugnis weder aus § 2 Abs. 1 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.04.2013 (BGBl I S. 753), geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 07.08.2013 (BGBl I S. 3154) – UmwRG – noch aus § 64 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29.07.2009 (BGBl I S. 2542), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 100 des Gesetzes vom 07.08.2013 (BGBl I S. 3154) – BNatSchG – noch aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO herleiten.
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1.1. Nach § 2 Abs. 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische Vereinigung wie der Antragsteller zu 1, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung (1.) geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, (2.) geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und (3.) zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Absatz 1 Satz 1 berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
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Bei dem streitigen Bebauungsplan handelt es sich um keine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Nach der hier allein in Betracht kommenden Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG findet dieses Gesetz Anwendung für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach (a) dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, (b) der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder (c) landesrechtlichen Vorschriften eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehen kann.
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1.1.1. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.02.2010 (BGBl I S. 94), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 25.07.2013 (BGBl I S. 2749) – UVPG – gehören zu diesen Entscheidungen Beschlüsse nach § 10 BauGB über die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen, durch die die Zulässigkeit von bestimmten Vorhaben im Sinne der Anlage 1 zum UVPG begründet werden soll. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt
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Die Anlage 1 zum UVPG enthält in Nr. 18 eine Aufzählung von Bauvorhaben, für die im bisherigen Außenbereich ein Bebauungsplan aufgestellt wird, und bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 1 UVPG durchzuführen ist. In Betracht kommt vorliegend allein eine allgemeine Vorprüfungspflicht nach Nr. 18.7.2 der Anlage 1 zum UVPG, die den Bau eines Städtebauprojektes für sonstige bauliche Anlagen betrifft, für den im bisherigen Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB ein Bebauungsplan aufgestellt wird, mit einer zulässigen Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO oder einer festgesetzten Größe der Grundfläche von insgesamt 20.000 m² bis weniger als 100.000 m². Den Schwellenwert von 20.000 m² erreicht der streitige Bebauungsplan indes nicht. Zulässige Grundfläche ist nach § 19 Abs. 2 BauNVO der nach Absatz 1 errechnete Anteil des Baugrundstücks, der von baulichen Anlagen überdeckt werden darf. Bei der Ermittlung der Grundfläche ist damit ausschließlich der sich aus der festgelegten Grundflächenzahl ergebende rechnerische Anteil der überbaubaren Flächen maßgeblich, wobei die Überschreitungsmöglichkeiten nach § 19 Abs. 4 BauNVO unberücksichtigt bleiben; bei der Findung der Schwellenwerte wurde im Wesentlichen der „Versiegelungsgrad“ berücksichtigt. (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs vom 14.11.2000, BT-Drs. 14/4599, S. 121; Dienes, in: Hoppe [Hrsg.] UVPG, 3. Aufl., Anlage 1, RdNr. 108, m.w.N.). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob – wie der Antragsteller zu 1 geltend macht – die Gesamtfläche des Bebauungsplangebiets (einschließlich Straßenverkehrs- und Grünflächen) mehr als 20.000 m² aufweist. Die „Wohnbaufläche“ beträgt nach der Begründung des Bebauungsplans ca. 14.000 m² und liegt damit deutlich unterhalb der in Nr. 18.7 der Anlage 1 zum UVPG festgelegten Schwelle, ab der eine allgemeine Vorprüfung durchzuführen ist.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Bebauungsplan nach anderen Bestimmungen des UVPG und der Anlage 1 UVP-pflichtig ist. Eine UVP-Pflicht lässt sich entgegen der Annahme des Antragstellers zu 1 insbesondere nicht aus § 17 UVPG oder etwa daraus ableiten, dass die Antragsgegnerin einen Umweltbericht hat erstellen lassen. Nach § 17 Abs. 1 UVPG wird, wenn Bebauungspläne im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3, insbesondere bei Vorhaben nach den Nummern 18.1 bis 18.9 der Anlage 1, aufgestellt, geändert oder ergänzt werden, die Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der Vorprüfung des Einzelfalls nach § 2 Abs. 1 Satz 1 bis 3 sowie den §§ 3 bis 3f im Aufstellungsverfahren als Umweltprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs durchgeführt. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 UVPG entfällt abweichend von Satz 1 eine nach diesem Gesetz vorgeschriebene Vorprüfung des Einzelfalls, wenn für den aufzustellenden Bebauungsplan eine Umweltprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs, die zugleich den Anforderungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entspricht, durchgeführt wird. § 17 Abs. 1 UVPG begründet damit keine UVP-Pflicht bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, sondern setzt sie voraus. Durch das EAG Bau 2004 wurde die allgemeine Umweltprüfung für Bauleitpläne (§ 2 Abs. 4 BauGB) eingeführt, und nach dem – mit dem EAG ebenfalls geänderten – § 17 UVPG entfällt die Verpflichtung, für Bebauungspläne eine Umweltverträglichkeitsprüfung aufzustellen oder eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen; die Umweltprüfung ersetzt die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung (vgl. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 2 RdNr. 315 f.). Der Anwendungsbereich der Umweltverträglichkeitsprüfung für Bebauungspläne wird hingegen durch § 2 Abs. 3 Nr. 3 UVPG i.V.m. der Anlage 1 bestimmt (Krautzberger, a.a.O., RdNr. 314). Der Umstand, dass die Antragsgegnerin zu Recht nach § 2 Abs. 4 BauGB eine Umweltprüfung durchgeführt hat, besagt damit nichts über die für die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen nach dem UmwRG maßgebliche Frage, ob für die Bauleitplanung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer Vorprüfung nach den Bestimmungen des UVPG bestand.
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1.1.2. Auch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung des Landes Sachsen-Anhalt vom 27.08.2002 (GVBl S. 372), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.01.2011 (GVBl S. 5) – UVPG LSA – sieht für Bebauungspläne keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer Vorprüfung vor.
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1.1.3. Für die vom Antragsteller zu 1 geforderte Ausdehnung des Anwendungsbereichs des UmwRG auf Bauleitpläne, für die eine Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB vorgeschrieben ist, besteht kein Raum.
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Insbesondere folgt eine solche erweiternde Auslegung nicht aus Unionsrecht. Das UmwRG dient der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention – AK – (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 04.09.2006, BT-Drs. 16/2497, S. 42), der Bestimmungen über den Zugang von „Mitgliedern der Öffentlichkeit“ zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten enthält. Der Anwendungsbereich des UmwRG kann nicht im Wege der Analogie auf Art. 9 Abs. 3 AK erstreckt werden, der zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 des Art. 9 AK genannten Überprüfungsverfahren von den Vertragsstaaten verlangt sicherzustellen, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen oder Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Insoweit fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke; eine Auslegung contra legem – im Sinne einer methodisch unzulässigen richterlichen Rechtsfindung – fordert das Unionsrecht nicht (BVerwG, Urt. v. 05.09.2013 – BVerwG 7 C 21.12 –, NVwZ 2014, 64 [66 f.], RdNr. 30 ff.). Eine Pflicht zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung im Wege teleologischer Reduktion oder Extension einer Vorschrift des nationalen Rechts setzt eine hinreichend bestimmte, nämlich klare, genaue und unbedingte, im Grundsatz unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Vorschrift voraus, an der es mangels unionsrechtlicher Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 AK (noch) fehlt; hieraus ergibt sich zugleich, dass auch im Unionsrecht eine solche auslegungsfähige Norm nicht auszumachen ist (BVerwG, Urt. v. 05.09.2013, a.a.O., RdNr. 36 f.).
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Der Senat vermag auch nicht der Auffassung des Antragstellers zu 1 folgen, § 1 Abs. 1 UmwRG sei verfassungskonform (Art. 20a GG) dahingehend auszulegen, dass die Möglichkeit bestehen müsse, Verstöße gegen umweltrechtliche Vorschriften bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zu rügen, insbesondere weil die Belange des § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB und die Belange des Prüfungskatalogs nach dem UVPG weitgehend deckungsgleich seien. Nach Art 20a GG, auf den sich der Antragsteller zu 1 insoweit beruft, schützt der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Art 20a GG verpflichtet den Gesetzgeber, den in dieser Norm enthaltenen Auftrag bei der Rechtssetzung umzusetzen und geeignete Umweltschutzvorschriften zu erlassen; dabei steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschl. v. 10.11.2009 – 1 BvR 1178/07 –, NVwZ 2010, 114 [116], RdNr. 33). Art 20a GG ist reine Staatszielbestimmung und vermittelt keine subjektiven Rechte des Einzelnen (BVerfG, Beschl. v. 10.05.2001 – 1 BvR 481/01, 1 BvR 518/01 –, DVBl 2001, 1139 [1140], RdNr. 18 in juris). Art 20a GG ist – für sich betrachtet – kein Mittel, um subjektive Rechte zu begründen und hierauf bezogene Klage- oder Antragsbefugnisse gerade zugunsten der anerkannten Naturschutzverbände zu entwickeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.11.1997 – BVerwG 4 A 16.97 – NVwZ 1998, 398 [399], RdNr. 23 in juris, m.w.N.). Der Umstand, dass der in erster Linie an den Gesetzgeber gerichtete Auftrag zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen im Sinne einer Staatszielbestimmung zu einer fundamentalen Staatsaufgabe wird, eröffnet zwar wie bei jeder Verfassungsbestimmung die Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung; das setzt indes wirkliche Auslegungszweifel voraus (BVerwG, Urt. v. 06.11.1997, a.a.O.). Diese bestehen hier nicht. Die Regelungen des UmwRG i.V.m. den Vorschriften des UVPG sind bezüglich der für anerkannte Umweltschutzverbände in Betracht kommenden Rechtsbehelfe gegen Bebauungspläne eindeutig und damit nicht auslegungsbedürftig. Die Verbände mögen sich dadurch, dass das UmwRG Rechtsbehelfe von anerkannten Naturschutzvereinigungen nur gegen solche Bebauungspläne zulässt, die einer UVP-Pflicht oder Vorprüfungspflicht unterliegen, in ihrem Bemühen um einen wirksamen Umweltschutz gehindert sehen. Jedoch hat die grundgesetzliche Kompetenzordnung diese auch umweltpolitische Frage der politischen Beurteilung und Verantwortung des Bundes- und des jeweiligen Landesgesetzgebers überantwortet; dem kann ein Gericht nicht entgegentreten (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.11.1997, a.a.O.).
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1.2. Eine Antragsbefugnis zugunsten des Antragstellers zu 1 ergibt sich auch nicht aus § 64 Abs. 1 BNatSchG. Danach kann eine anerkannte Naturschutzvereinigung, soweit § 1 Absatz 3 des UmwRG nicht entgegensteht, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen gegen Entscheidungen nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und Abs. 2 Nr. 5 bis 7, wenn die Vereinigung (1.) geltend macht, dass die Entscheidung Vorschriften dieses Gesetzes, Rechtsvorschriften, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen worden sind oder fortgelten, Naturschutzrecht der Länder oder anderen Rechtsvorschriften, die bei der Entscheidung zu beachten und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, widerspricht, (2.) in ihrem satzungsgemäßen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich, soweit sich die Anerkennung darauf bezieht, berührt wird und (3.) zur Mitwirkung nach § 63 Absatz 1 Nr. 2 bis 4 oder Absatz 2 Nr. 5 bis 7 berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache geäußert hat oder ihr keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist. Die Aufstellung eines Bebauungsplans ist in § 63 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und Abs. 2 Nr. 5 bis 7 BNatSchG nicht genannt. Es ist auch nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass die streitige Planung die Erteilung von Befreiungen von Geboten oder Verboten zum Schutz von Gebieten im Sinne des § 32 Abs. 2 BNatSchG, Natura 2000-Gebieten, Naturschutzgebieten, Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten oder Biosphärenreservaten erforderte, was nach § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG Mitwirkungsrechte des Antragstellers zu 1 begründen könnte. Auch das Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 10.12.2010 (GVBl S. 569) – NatSchG LSA – sieht keine darüber hinaus gehenden Mitwirkungsrechte anerkannter Naturschutzvereinigungen vor.
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1.3. Schließlich folgt eine Antragsbefugnis auch nicht aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Eine Verletzung subjektiver Rechte durch den Bebauungsplan unabhängig von den Bestimmungen des UmwRG und § 64 Abs. 1 BNatSchG macht der Antragsteller zu 1 schon nicht geltend. Eine solche Rechtsverletzung ist im Übrigen auch nicht erkennbar. Zwar mag Unionsrecht und Art. 9 Abs. 3 AK in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof (vgl. EuGH, Urt. v. 08.03.2011 – C 240/09 – slowakischer Braunbär –, NVwZ 2011, 673) gebieten, dass Umweltschutzvereinigungen unionsrechtlich fundiertes, zwingendes Umweltschutzrecht als eigenes subjektives Recht geltend machen können (so VGH BW, Urt. v. 04.02.2014 – 3 S 147/12 –, juris, RdNr. 49, unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.09.2013, a.a.O.). Der Europäische Gerichtshof (vgl. Urt. v. 08.03.2011, a.a.O.) gibt den Gerichten auf, nach Maßgabe interpretationsfähiger Vorschriften des nationalen Rechts auch Umweltverbänden einen möglichst weiten Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, um so die Durchsetzung des Umweltrechts der Union zu gewährleisten. Unionsrecht fordert indes keine über die Bestimmungen des UmwRG hinausgehende umfassende Antragsbefugnis von Umweltverbänden gegen Pläne, die keine möglicherweise einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterfallenden Vorhaben ermöglichen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 30.04.2014 – 1 KN 110/12 –, NuR 2014, 568 [569], RdNr. 26, m.w.N.).
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2. Auch der Antragsteller zu 2 ist nicht antragsbefugt.
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Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist dann gegeben, wenn der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird; an dieser Möglichkeit fehlt es, wenn Rechte des Antragstellers unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.06.2011 – BVerwG 4 CN 1.10 –, BVerwGE 140, 41 [45], RdNr.12, m.w.N.).
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2.1. Im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan ist eine die Antragsbefugnis begründende subjektive Rechtsposition zuvörderst das im Plangebiet befindliche Grundeigentum, dessen Inhalt und Schranken durch die planerischen Festsetzungen eines Bebauungsplans unmittelbar und rechtssatzmäßig bestimmt und ausgestaltet werden (BVerwG, Urt. v. 16.06.2011, a.a.O., RdNr. 13). Eine in diesem Sinne unmittelbar planungsbedingte Verletzung seiner Eigentümerposition kann der Antragsteller zu 2 nicht geltend machen, weil sich der Geltungsbereich des streitgegenständlichen Bebauungsplans nicht auf sein Grundstück erstreckt.
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2.2. Der Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks ist zwar auch dann antragsbefugt, wenn er eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen kann. Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend „abgearbeitet" werden. Der Antragsteller in einem Normenkontrollverfahren kann sich deshalb im Rahmen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch darauf berufen, dass seine abwägungsrelevanten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. Macht er eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend, so muss er einen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung überhaupt beachtlich war. Allerdings ist nicht jeder private Belang in der Abwägung zu berücksichtigen, zu beachten sind vielmehr nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind hiernach insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren. In der Abwägung zu berücksichtigen mit der Folge der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind auch diejenigen Interessen und Belange von Grundeigentümern, deren Eigentum zwar außerhalb der Plangrenzen, jedoch in der Nachbarschaft des Plangebiets liegt und belastenden Einwirkungen der durch den Plan ermöglichten Nutzungen ausgesetzt sein wird. Auch dem Plannachbarn steht gegenüber der planenden Gemeinde ein Anspruch auf gerechte Abwägung seiner privaten Belange zu, soweit sie für die Abwägung erheblich sind. Auf diese Weise vermittelt das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot den Grundeigentümern der Umgebung des Plangebiets einen eigentumsrechtlichen Drittschutz, soweit die planbedingten Beeinträchtigungen in einem adäquat-kausalen Zusammenhang mit der Planung stehen und nicht von geringfügiger Art sind (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 16.06.2011, a.a.O., RdNr. 15, 19, m.w.N.). Die Abwägungsbeachtlichkeit beschränkt sich damit auf solche Betroffenheiten, die erstens mehr als geringfügig, zweitens in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und drittens für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind (BVerwG, Beschl. v. 23.11.2009 – BVerwG 4 BN 950.09 –, BRS 74 Nr. 48, RdNr. 3 in juris).
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2.2.1 Nach diesem Maßstab lässt sich eine Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2 nicht darauf stützen, dass er bei Verwirklichung der nach dem Plan zulässigen Bebauung Lärmbelästigungen durch Ziel- und Quellverkehr ausgesetzt sein könnte.
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Auch das Interesse, von planbedingtem Verkehrslärm verschont zu bleiben, ist nur dann ein abwägungserheblicher Belang, wenn es über die Bagatellgrenze hinaus betroffen wird (BVerwG, Beschl. v. 20.07.2011 – BVerwG 4 BN 22.11 –, BRS 78 Nr. 71, RdNr. 6 in juris, m.w.N.). Führt ein Bebauungsplan dazu, dass ein Nachbargrundstück anders genutzt werden darf als bisher, so gehören die Interessen des Betroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustands nicht stets, sondern nur grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial; auch in diesem Fall ergeben sich Beschränkungen der Antragsbefugnis bei Änderungen, die objektiv geringfügig sind und/oder sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können (BVerwG, Beschl. v. 20.07.2011, a.a.O., RdNr. 7, m.w.N.). Nicht jede planbedingte Verkehrszunahme begründet eine Antragsbefugnis, sondern nur Veränderungen, die die Geringfügigkeitsschwelle überschreiten (BVerwG, Beschl. v. 24.05.2007 – BVerwG 4 BN 16.07, BVerwG 4 VR 1.07 –, BRS 71 Nr. 35, RdNr. 10 in juris). So hat etwa der Hessische Verwaltungsgerichtshof (vgl. Urt. v. 07.04.2014 – 3 C 914/13.N – DVBl 2014, 1013) den zu erwartende Verkehrslärm durch hinzukommende 30 Wohneinheiten in einem reinen Wohngebiet als geringfügig angesehen und eine Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 VwGO verneint. In einer anderen Entscheidung (Urt. v. 07.07.2009 – 3 C 1203/08.N – juris, bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 23.11.2009, a.a.O.) hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof bei einer zusätzlichen Verkehrsbelastung von 202 Fahrzeugbewegungen pro Tag durch einen Hotelbetrieb eine Geringfügigkeit angenommen.
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Gemessen daran ist eine mehr als nur geringfügige Betroffenheit des Antragstellers zu 2 durch den bei Verwirklichung der Wohnnutzung entstehenden Kraftfahrzeugverkehr nicht erkennbar. Im geplanten Wohngebiet können bzw. sollen eine Wohnanlage für altersgerechtes Wohnen mit 26 Wohneinheiten und 19 Einfamilienhäuser errichtet werden. Die durch diese Wohnnutzung entstehenden Verkehrslärmemissionen werden das Wohngrundstück des Antragstellers zu 2 allenfalls geringfügig beeinträchtigen. Durch die nach Norden führende Stichstraße, die in Höhe der Grenze zum Grundstück des Antragstellers zu 2 endet, und den von ihr nach Westen abzweigenden nördlichen Erschließungsweg mit Wendehammer werden das Baufeld 2 und die nördlichen Teile der Baufelder 1, 3 und 4 erschlossen. Damit wird sich nur ein Teil des von der zugelassenen Wohnbebauung ausgelösten Ziel- und Quellverkehrs im nördlichen Teil des Baugebiets bewegen. Bis zum nördlichen Ende der Stichstraße, die dort eine Sackgasse ist, werden überhaupt nur wenige Fahrzeuge gelangen. Der Abstand zwischen dem Ende der nach Norden führenden Stichstraße zum Wohnhaus des Antragstellers zu 2 beträgt ca. 80 m. Dazwischen befinden sich durchgängig bewaldete Flächen, die das Wohngebäude des Antragstellers zu 2 vor Lärmeinwirkungen abschirmen. Der nördliche Abzweig von der nach Norden führenden Stichstraße in Richtung Westen wird darüber hinaus zum Teil durch die Bebauung im Baufeld 2 abgeschirmt.
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2.2.2. Eine Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2 lässt sich auch nicht darauf stützen, dass eine Beschädigung des Baumbestandes auf seinem Grundstück zu befürchten sei, weil die Grenze zu seinem Grundstück nicht klar erkennbar sei.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat zu § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. ausgeführt (vgl. Beschl. v. 14.02.1991 – BVerwG 4 NB 25.89 –, NVwZ 1991, 980 [981], RdNr. 16 in juris), ein Nachteil im Sinne dieser Vorschrift sei „durch" die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung eingetreten oder zu erwarten, wenn die vom Antragsteller angeführte Beeinträchtigung subjektiver privater Interessen der angegriffenen Rechtsvorschrift tatsächlich und rechtlich zuzuordnen sei. Hierfür reiche ein Ursachenzusammenhang im Sinne einer äquivalenten Kausalität allerdings nicht aus. Erforderlich sei vielmehr, dass eine Norm dieses Inhalts erfahrungsgemäß eine Beeinträchtigung dieser Art, an dieser Stelle bzw. bei diesem Betroffenen bewirken werde. Die negative Betroffenheit dürfe ferner nicht ausschließlich oder deutlich überwiegend erst durch einen anderen selbständigen Akt ausgelöst werden; das sei grundsätzlich dann anzunehmen, wenn die angegriffene Norm den Erlass einer weiteren Norm oder einer anderweitigen behördlichen Maßnahme veranlasst habe, die sich beeinträchtigend auswirke. In solchen Fällen sei die Beeinträchtigung regelmäßig allein diesen rechtlich selbständigen Akten zuzuordnen und mit den insoweit bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu bekämpfen. Entsprechendes gilt für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der nunmehr geltenden Fassung.
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Deshalb sind Maßnahmen, die in der Bauleitplanung gar nicht vorgesehen sind, wie die vom Antragsteller zu 2 befürchtete Beschädigung des Baumbestandes auf seinem außerhalb des Plangebiets liegenden Grundstück, nicht dem Bebauungsplan zuzuordnen. Die Rodung der Waldflächen im Plangebiet erfolgt auf der Grundlage der dem Herrn M. erteilten Genehmigung des Landkreises Jerichower Land vom 21.08.2014 zur Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart, die den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht und das dem Antragsteller zu 2 gehörende Grundstück nicht erfasst. Die bloße Möglichkeit, dass der Baumbestand auf dem Grundstück des Antragstellers zu 2 im Zuge der Rodungsarbeiten im Plangebiet wegen „unklarer Grenzverläufe“ beschädigt werden könnte, musste die Antragsgegnerin nicht in ihre Abwägung einstellen. Gegen solche Verletzungen seines Eigentums müsste sich der Antragsteller zu 2 vielmehr mit Rechtsbehelfen gegen den die Rodung durchführenden Dritten zur Wehr setzen.
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2.2.3. Der Antragsteller zu 2 kann eine Antragsbefugnis auch nicht damit begründen, es sei zu erwarten, dass die nach Norden verlaufende Erschließungsstraße im Plangebiet über das der Antragsgegnerin gehörende Grundstück hinaus hin zur L-Straße verlängert werden solle. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin einen abwägungserheblichen Belang zu Lasten des Antragstellers zu 2 unberücksichtigt gelassen hat. Dies gilt auch dann, wenn der Umstand, dass die Gestaltung der nach Norden verlaufenden Erschließungsstraße den Schluss zulassen sollte, die Antragsgegnerin plane (über kurz oder lang), die Straße ggf. nach Norden über das Plangebiet hinaus bis zur L-Straße hin zu verlängern
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Die planende Gemeinde kann grundsätzlich solche Betroffenheiten unberücksichtigt lassen, die sich unmittelbar erst in anderen regelmäßig späteren Planungen mit anderem Geltungsbereich realisieren; die Abwägung der betroffenen Eigentümerbelange ist dann erst in diesem Stadium vorzunehmen. Davon können allerdings aus Gründen der Effektivität von Abwägungsanspruch und Rechtsschutz des Betroffenen Ausnahmen geboten sein. Das ist zum einen dann der Fall, wenn die Betroffenheit im späteren Plangebiet zwangsläufige Folge der vorausgehenden Planung ist. Eine weitere Ausnahme ist geboten, wenn die spätere Betroffenheit zwar nicht zwangsläufig eintritt, wohl aber Folge des planerischen Konzepts der Gemeinde ist, das der Baugebietsausweisung zugrunde liegt und deshalb als Ausdruck ihrer planerischen Selbstbindung auch in die bauleitplanerische Abwägung einbezogen werden muss. Eine bloße – etwa im Flächennutzungsplan zum Ausdruck kommende – Planungspräferenz der Gemeinde, die sich im Laufe des Planungsverfahrens erst bewähren muss, reicht für die Annahme eines entsprechenden planerischen Konzepts ebenso wenig aus wie die Anknüpfung an eine bereits durch Bebauungsplan realisierte Planung. Etwas anderes muss allerdings gelten, wenn ein enger konzeptioneller Zusammenhang zwischen den Planungsbereichen besteht, auf den die Gemeinde erkennbar abstellt und der Grundlage ihrer Abwägung im vorausgehenden Planungsgebiet ist, weil sie aus Sicht der Gemeinde bestimmte Festsetzungen in einem anderen Planbereich voraussetzt. Auch hier muss die Gemeinde konsequenterweise die sich daraus später im folgenden Planungsbereich ergebenden Betroffenheiten einbeziehen. Damit eröffnet sich zugleich eine entsprechende Antragsbefugnis des später Betroffenen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 16.06.2011, a.a.O., RdNr. 20 f.). Eine konzeptionelle Verknüpfung im o. g. Sinne verlangt indes, dass ohne das eine Vorhaben das andere nicht geplant und verwirklicht würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.11.2005 – BVerwG 9 A 28.04 –, BVerwGE 124, 334 [341], RdNr. 32 in juris).
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Gemessen daran besitzt die vom Antragsteller zu 2 ins Feld geführte Betroffenheit im Fall einer möglichen Verlängerung der Erschließungsstraße nach Norden keine Abwägungsrelevanz. Eine solche Verlängerung ist ersichtlich keine zwangsläufige Folge der jetzigen Planung. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die im Bebauungsplan vorgesehenen Straßen eine Erschließung der Grundstücke im Wohngebiet nicht gewährleisten. Ebenso wenig ist ein enger konzeptioneller Zusammenhang zwischen der jetzigen Planung und einer Anschlussplanung erkennbar. Selbst wenn sich die Antragsgegnerin mit der Gestaltung des nördlichen Teils der Erschließungsstraße die Möglichkeit einer Anschlussplanung offen halten wollte, würde dies für eine Betroffenheit des Antragstellers zu 2 derzeit nicht genügen.
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B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 39 Abs. 1 GKG. Der Senat bemisst die sich aus dem Antrag der Antragsteller für sie ergebende Bedeutung der Sache in Anlehnung an Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen, der für Normenkontrollen gegen einen Bebauungsplan einen Streitwert zwischen 7.500 und 60.000 € vorsieht. Der Senat hält für den Antrag des Antragstellers zu 1 unter Berücksichtigung der Auswirkungen der begehrten Entscheidung auf die von ihm vertretenen Interessen (vgl. Nr. 1.2 des Streitwertkatalogs) einen Streitwert von 20.000 € und für den Antragsteller zu 2 bei Berücksichtigung der Bedeutung des Bebauungsplans für ihn einen Streitwert von 10.000 € für angemessen. Die Werte sind im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges) und, da die Antragsteller den Bebauungsplan nicht als Rechtsgemeinschaft angreifen, zusammenzurechnen (vgl. Nr. 1.1.3 des Streitwertkataloges).
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