Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 21/15
Gründe
I.
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Die am (…) 1973 geborene Antragstellerin ist vietnamesische Staatsangehörige. Am 16.06.2010 schloss sie in Vietnam mit dem deutschen Staatsangehörigen D. die Ehe. Am 27.05.2011 erhielt sie ein bis zum 25.08.2011 befristetes Visum für die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zum Zweck der Familienzusammenführung. Am 13.06.2011 reiste sie in das Bundesgebiet ein. Ihre beiden am (…) 1997 und (…) 2004 geborenen Kinder, für die sie nach ihrer Scheidung von ihren vietnamesischen Ehemann das alleinige Sorgerecht erhalten hatte, ließ sie in Vietnam zurück. Am 26.07.2011 beantragte sie bei dem Landkreis (...) die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Hierauf wurde ihr eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG ausgestellt, die zuletzt bis zum 01.12.2014 verlängert wurde.
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Am 20.07.2012 erhielt der Landkreis (...) eine Mitteilung der Bundespolizei, wonach bei der Antragstellerin der Verdacht einer Scheinehe bestehe. Mit Anklageschrift vom 01.03.2013 erhob die Staatsanwaltschaft (...) gegen die Antragstellerin und ihren damaligen Ehemann Anklage wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz. Der damalige Ehemann der Antragstellerin verstarb zwischen dem 23.06.2013 und dem 30.06.2013. Mit Beschluss vom 24.07.2013 – 21 Ds 309 Js (...)/12 – stellte das Amtsgericht (...) das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig ein. Am 29.07.2013 zog die Antragstellerin nach A-Stadt.
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Mit Bescheid vom 29.09.2014 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Nach § 31 AufenthG könne eine Aufenthaltserlaubnis nur verlängert, nicht aber – wie hier beantragt – erstmalig erteilt werden. Auch eine (rückwirkende) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG komme nicht in Betracht, da die Antragstellerin mit ihrem verstorbenen Ehemann eine Scheinehe geführt habe. Dies ergebe sich aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft (...). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, das Bundesgebiet bis zum 15.12.2014 zu verlassen. Für den Fall der Nichtausreise wurde ihr die Abschiebung nach Vietnam angedroht. Der Bescheid ist bestandskräftig.
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Mit Schreiben vom 10.12.2014 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG. Sie sei nicht im Besitz eines gültigen vietnamesischen Reisepasses und könne die Kosten für ein Flugticket nach Vietnam nicht aufbringen.
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Mit Schreiben vom 18.12.2014 wurde der Antragstellerin ihre Abschiebung nach Vietnam für den 17.02.2015 angekündigt.
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Mit Schreiben vom 12.01.2015 kündigte die Antragstellerin an, freiwillig ausreisen zu wollen. Unter Vorlage eines ärztlichen Attestes von Dr. med. (...), B-Stadt, vom 08.01.2015 trug sie vor, bis zum 23.01.2015 reiseunfähig zu sein.
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Am (…) 2015 heiratete die Antragstellerin in der Botschaft der Republik Vietnam in Berlin den vietnamesischen Staatsangehörigen (...). Am (…) 2015 schlossen die Antragstellerin als Arbeitnehmer und ihr neuer Ehemann als Arbeitgeber einen "Arbeitsvorvertrag", wonach die Antragstellerin als Verkäuferin monatlich 1.360,00 € brutto verdienen sollte. Mit Schreiben vom 26.01.2015 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a AufenthG.
- 8
Mit Schreiben vom 27.01.2015 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass sie nach wie vor vollziehbar ausreisepflichtig sei.
- 9
Am 05.02.2015 beantragte die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren legte sie ein ärztliches Attest von Dr. med. (...), B-Stadt, vom 11.02.2015 vor, wonach sie bis zum 06.03.2015 reiseunfähig sei.
- 10
Mit Beschluss vom 13.02.2015 – 4 B 220/15 MD – lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab und führte zur Begründung aus, der Erlass einer einstweiligen Anordnung komme nicht in Betracht, weil es an einem Anordnungsanspruch fehle. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Es spreche Überwiegendes dafür, dass die Antragstellerin und Herr (...) nicht die Absicht einer ehelichen Lebensgemeinschaft hätten und es sich bei der am (…) 2015 geschlossenen Ehe um eine Scheinehe handele. Hierfür spreche, dass es sich auch bei der am (…) 2010 geschlossenen Ehe mit Herrn (…) um eine Scheinehe gehandelt habe. Zudem dränge sich angesichts des zeitlichen Zusammenhangs mit der geplanten Rückführung der Antragstellerin die Annahme einer Scheinehe geradezu auf. Die Antragstellerin habe auch nicht plausibel erklärt, in welcher Wohnung sie gemeinsam mit ihrem neuen Ehemann lebe, zumal es Anhaltspunkte dafür gebe, dass sie bereits seit November 2013 nicht mehr an dem von ihr angegebenen Wohnsitz wohne. Darüber hinaus seien die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG nicht erfüllt. Gegen die Antragstellerin liege ein Ausweisungsgrund vor, da sie bei ihrem Visumsantrag unrichtige Angaben über die angeblich beabsichtigte eheliche Lebensgemeinschaft gemacht habe. Es sei auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Lebensunterhalt gesichert sei. Es fehle jeder plausible Beleg dazu, dass ihr Ehemann in der Lage sei, ihr den versprochenen Lohn auszuzahlen. Schließlich sei die Abschiebung auch nicht wegen (vorübergehender) Reiseunfähigkeit auszusetzen. Mit der vorliegenden ärztlichen Bescheinigung vom 11.02.2015 habe die Antragstellerin eine Gefahr, dass sich ihr Gesundheitszustand durch die und während der Rückreise nach Vietnam wesentlich verschlechtere, nicht glaubhaft gemacht.
II.
- 11
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen einstweilen zu untersagen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG zu erteilen, zu Recht abgelehnt.
- 12
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hat. Hierbei kann offen bleiben, ob die Antragstellerin die gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG erforderliche Absicht hat, mit ihrem neuen Ehemann (...) eine eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu führen. Die Beweislast hierfür trägt auch nach Einfügung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG der ausländische Ehegatte (BVerwG, Urt. v. 30.03.2010 – BVerwG 1 C 7.09 –, juris RdNr. 18). Es bedarf insbesondere keiner Vertiefung, ob die Antragstellerin – wie sie behauptet – tatsächlich mit ihrem neuen Ehemann (...) in ihrer alten Wohnung unter der Anschrift A-Straße, A-Stadt, wohnt; denn unabhängig davon liegen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG nicht vor.
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1. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Lebensunterhalt gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Das ist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nur dann der Fall, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass plausible Belege dafür fehlen, dass der Ehemann der Antragstellerin in der Lage ist, den der Antragstellerin nach dem "Arbeitsvorvertrag" vom (…) 2015 versprochenen Lohn von 1.360,00 € brutto monatlich zu zahlen. Der Hinweis darauf, dass ihr Ehemann Textilgroßhändler sei und Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit soweit einen Lohn von monatlich 850,00 € aus einer Aushilfstätigkeit für einen Versicherungsvertreter habe, reicht hierzu nicht aus. Die bereits in der Antragsschrift vom 05.02.2015 angekündigte Vorlage von Nachweisen für die Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit erfolgte auch im Beschwerdeverfahren nicht.
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2. Einem Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug gemäß § 30 AufenthG steht zudem die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen, denn in ihrer Person liegt ein Ausweisungsgrund vor. Die Antragstellerin hat bei ihrem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unrichtige Angaben gemacht, um sich einen Aufenthaltstitel zu beschaffen, indem sie die Ausländerbehörde über ihre (fehlende) Absicht, mit ihrem damaligen Ehemann D. eine eheliche Lebensgemeinschaft führen zu wollen, getäuscht hat. Hiermit hat sie sich gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht. Dies stellt einen nicht nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften und damit einen Ausweisungsgrund im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG dar (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 21.08.2013 – 3 B 1684/13 –, juris RdNr. 7). Die Einstellung des Verfahrens durch das Amtsgericht (...) gemäß § 153a StPO steht dem nicht entgegen (vgl. VG Gießen, Urt. v. 16.04.2013 – 7 K 4111/11.GI –, juris RdNr. 22). Der Sachverhalt ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den im Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.09.2014 auf den Seiten 4 – 8 ausführlich wiedergegebenen Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft (...), auf die auch das Verwaltungsgericht Bezug genommen hat. Dem ist die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Ein Anlass, gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen, ist nicht ersichtlich.
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3. Die Antragstellerin kann auch deswegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nicht beanspruchen, weil sie entgegen § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist ist. Welches Visum im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (BVerwG, Urt. v. 16.11.2010 – BVerwG 1 C 17.09 –, juris RdNr. 19 und Urt. v. 11.01.2011 – BVerwG 1 C 23.09 –, juris RdNr. 20). Hiernach benötigt die Antragstellerin ein Visum für den Ehegattennachzug nach § 30 AufenthG zu ihrem neuen Ehemann (...). Ein derartiges Visum besitzt sie nicht.
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Die Voraussetzungen für einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne vorheriges Visumverfahren nach § 39 Nr. 5 AufenthV liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Es kann offenbleiben, ob die Antragstellerin die Voraussetzungen des § 60a AufenthG erfüllt, denn sie hat während ihres Aufenthalts in Deutschland keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben, wie dies § 39 Nr. 5 AufenthV voraussetzt. Denn unter einem "Anspruch" im Sinne von § 39 Nr. 5 AufenthV ist grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (BVerwG, Urt. v. 10.12.2014 – BVerwG 1 C 15.14 –, juris RdNr. 15). Einen solchen Anspruch hat die Antragstellerin jedoch nicht erworben, da sie die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt (dazu 2) und die Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht glaubhaft gemacht hat (dazu 1).
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Ein Absehen vom Visumserfordernis gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kommt nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann vom Visumserfordernis abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen.
- 18
Unter einem "Anspruch" im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG ist ebenso wie bei vergleichbaren Formulierungen im Aufenthaltsrecht grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen (BVerwG, Urt. v. 10.12.2014 – BVerwG 1 C 15.14 – a.a.O. RdNr. 19). Einen solchen Anspruch hat die Antragstellerin – wie bereits ausgeführt – nicht erworben.
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Die Nachholung des Visumverfahrens ist für die Antragstellerin auch nicht im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG unzumutbar. Allein der Umstand, dass die Eheleute möglicherweise eine vorübergehende Trennung für die übliche Dauer des Visumverfahrens hinnehmen müssen, reicht hierfür auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Ehe durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht aus (BVerwG, Urt. v. 16.11.2010 – BVerwG 1 C 17.09 – a.a.O. RdNr. 27 und Urt. v. 11.01.2011 – BVerwG 1 C 23.09 – a.a.O. RdNr. 34). Einem Ausländer, der ohne das erforderliche Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und keinen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat, kann es auch dann grundsätzlich zugemutet werden, das Visumverfahren nachzuholen, wenn er mit einem Ausländer verheiratet ist, der eine Niederlassungserlaubnis besitzt. Eine auch nur vorübergehende Trennung von dem Ehegatten ist nur dann unzumutbar, wenn weitere besonderer Umstände im Einzelfall vorliegen, etwa wenn einer der Ehegatten auf Grund individueller Besonderheiten, etwa infolge einer Krankheit, mehr als im Regelfall auf persönlichen Beistand angewiesen ist (vgl. Beschl. d. Senats v. 25.09.2008 – 2 M 184/08 –, juris RdNr. 4 und Beschl. v. 09.02.2009 – 2 M 276/08 –, juris RdNr. 18).
- 20
Gemessen daran hat die Antragstellerin auch in der Beschwerdebegründung keine besonderen Umstände dargelegt, die eine Nachholung des Visumverfahrens als unzumutbar erscheinen lassen, insbesondere zu einer mit Art. 6 GG nicht zu vereinbarenden Trennung von ihrem Ehemann führen würde. Insoweit kann sie sich nicht darauf berufen, dass sie die Kosten für ein Flugticket nach Vietnam nicht aufbringen könne. Besondere Umstände des Einzelfall im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG liegen nur dann vor, wenn sich der Ausländer in einer Sondersituation befindet, die sich deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet. Die Kosten der Reise für die Nachholung des Visumverfahrens im Herkunftsland begründen für sich allein regelmäßig keine solchen besonderen Umstände. Sie gehören zu dem normalen Risiko der nicht ordnungsgemäßen Einreise; als unzumutbar können sie nur dann angesehen werden, wenn sie eine außergewöhnliche Höhe erreichen (vgl. Beschl. d. Senats v. 25.09.2008 – 2 M 184/08 – a.a.O. RdNr. 8). Die Situation der Antragstellerin hebt sich jedoch, was die mit der Nachholung des Visumverfahrens verbundenen Kosten anbetrifft, nicht von den vom Gesetzgeber als zumutbar vorausgesetzten Unannehmlichkeiten ab.
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4. Auch die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG sind nicht gegeben. Die Ausreise der Antragstellerin ist weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht unmöglich. Die Antragstellerin verfügt über einen gültigen Reisepass. Die Ausreise ist ihr auch zuzumuten. Eine unzumutbare Härte liegt hier nicht vor. Eine rechtliche Unmöglichkeit ergibt sich entgegen der Annahme der Antragstellerin insbesondere nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG. Wie bereits dargelegt, wird Art. 6 GG nicht verletzt, wenn der Ehefrau eine nur vorübergehende Trennung von dem Ehemann zur Nachholung des Visumverfahrens abverlangt wird (vgl. Beschl. d. Senats v. 09.02.2009 – 2 M 276/08 – a.a.O. RdNr. 26). Nach diesen Grundsätzen ist es der Antragstellerin, die sich ihrer für den 17.02.2015 geplanten Abschiebung durch "Untertauchen" entzogen hat und sich illegal im Bundesgebiet aufhält, zuzumuten, sich für einen überschaubaren Zeitraum von ihrem Ehemann zu trennen und das für den Ehegattennachzug erforderliche Visum einzuholen.
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Die Unzumutbarkeit ihrer Ausreise lässt sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht aus dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.02.2015 herleiten, mit dem die Wirkung der Abschiebung auf 3 Jahre nach erfolgter Ausreise befristet wurde. Die Antragstellerin verkennt offenbar, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 AufenthG nur mit einer Abschiebung, nicht aber mit einer freiwilligen Ausreise verbunden ist.
- 23
6. Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin lässt sich auch nicht aus der geplanten Regelung des § 25b AufenthG-E (vgl. BT-Drs. 18/4097 vom 25.02.2015) herleiten, denn diese Regelung ist bislang noch nicht in Kraft getreten.
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7. Für eine Aussetzung der Abschiebung wegen Reiseunfähigkeit gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist – jedenfalls derzeit – kein Grund ersichtlich, zumal das von der Antragstellerin vorgelegte Attest vom 11.02.2015 nur eine Reiseuntauglichkeit bis zum 06.03.2015 bescheinigte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
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