Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 L 90/15

Gründe

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1. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 1. Kammer - vom 24. März 2015 hat keinen Erfolg.

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a) Die von der Klägerin gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

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„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen(vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).

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Das Antragsvorbringen unter B. I. der Antragsbegründungsschrift begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit - des Ergebnisses - der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Verwendung asbesthaltiger Gebäudeteile als Träger von Wärmedämmungen unzulässig und das asbesthaltige Fugenmaterial vor der Durchführung von Maßnahmen der Fassadengestaltung von Bauten mit asbesthaltigen Fugen rückstandsfrei zu entfernen sei. Denn es geht in dem vorliegenden konkreten Einzelfall zu Recht davon aus, dass das Überbauen oder Überdecken der mit asbesthaltigen Fugen versehenen Außenfassade eine verbotene Arbeit an einem asbesthaltigem Gebäudeteil im Sinne von § 16 Abs. 2 der Gefahrstoffverordnung - GefStoffV - in der Fassung vom 26. November 2010 (BGBl. I 1643, 1644) zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 3. Februar 2015 (BGBl. I 49) i. V. m. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV darstellt.

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Der klägerische Einwand, Überdeckungs- und Überbauungsarbeiten seien nach dem Wortlaut des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 GefStoffV nur insoweit unzulässig, als sie Asbestzementdächer und -wandverkleidungen beträfen, so dass solche Arbeiten im Übrigen unter die in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV erlaubten Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten fielen, ist nicht schlüssig und rechtfertigt die Zulassung der Berufung daher nicht.

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Nach Anhang II Abs. 1 Satz 1 GefStoffV sind Arbeiten u.a. an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden verboten. Nach Satz 2 bzw. 3 der Vorschrift gilt der Satz 1 nicht für Abbrucharbeiten (Nr. 1), Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit Ausnahme von Arbeiten, die zu einem Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten führen (insbesondere Abschleifen, Druckreinigen, Abbürsten und Bohren), es sei denn, es handelt sich um emissionsarme Verfahren, die behördlich oder von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt sind (Nr. 2) und für Tätigkeiten mit messtechnischer Begleitung, die zu einem Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten führen und die notwendigerweise durchgeführt werden müssen, um eine Anerkennung als emissionsarmes Verfahren zu erhalten (Nr. 3). Zu den nach Satz 1 verbotenen Arbeiten zählen auch Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeiten an Asbestzementdächern und -wandverkleidungen sowie Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an unbeschichteten Asbestzementdächern und -wandverkleidungen (Satz 4).

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Voranzustellen ist, dass das Verwaltungsgericht nicht davon ausgegangen ist, dass es sich bei den hier streitbefangenen Asbestfugen der Außenfassade der Wohnblöcke in der M-Straße 60-78 in M-Stadt um eine Asbestzementwandverkleidung im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 GefStoffV handelt. Vielmehr legt es die Regelungen des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 und 4 GefStoffV dahingehend aus, dass die Überdeckung jeglicher asbesthaltiger Wandverkleidungen/Gebäudeteile verboten sei, wobei die Größe keine Rolle spiele (vgl. Seite 5 des Urteilsabdrucks). Diese Auffassung begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

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Bei den Fugen - was die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründungsschrift auch nicht in Abrede stellt - handelt es sich um einen asbesthaltigen Teil eines Gebäudes. Denn das Fugenmaterial, mit dem die aus Stahlbeton bestehenden Fertigteilelemente im Zuge der Errichtung der Wohnblöcke geschlossen worden sind, besteht aus Asbest in fest gebundener Form (hier: "Morinol", mit einem bis zu 40%-igen Chrysotilasbest).

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Auch werden - entgegen der Auffassung der Klägerin - Arbeiten an den asbesthaltigen Fugen vorgenommen. Arbeit im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV ist jede Tätigkeit bzw. einzelne Verrichtung an einem aus dem Gefahrstoff Asbest bestehenden Material der eine Berührung mit dem Gefahrstoff beinhaltet. Hierzu gehört auch das Überdecken der Asbestfugenoberfläche durch Verkleben mit Dämmmaterial, da auf die asbesthaltige Fuge der Wärmedämmstoff zur energetischen Sanierung aufgebracht werden soll. Denn es werden hierbei Arbeiten im unmittelbaren Gefährdungsbereich des Stoffes Asbest durchgeführt.

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Dass das Fugenmaterial lediglich überdeckt und damit weder verändert noch (weiter) beschädigt werde, führt nicht etwa dazu, dass es sich bei der Überdeckungsarbeit durch Aufbringen von Dämmmaterial um keine im Regelfall verbotene Arbeit an Asbestfugen, mithin an asbesthaltigen Gebäudeteilen im vorgenannten Sinne handelt. Denn zwingende Voraussetzung der sich nach Satz 1 ergebenden Verbotsnorm mit Ausnahmevorbehalt (vgl. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GefStoffV) ist nicht, dass durch die Arbeit an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden asbesthaltige Stoffe freigesetzt würden, d. h. Beschäftigte und Dritte durch die Tätigkeit tatsächlich einer gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt sind. Allein die vom Gesetzgeber mit der Fassung der Norm unterstellte abstrakte Gefahr einer unkontrollierten Freisetzung von asbesthaltigen Stoffen im Rahmen eines Arbeitsprozesses, mithin der bloße Kontakt des Beschäftigten und anderer Personen bei den Tätigkeiten mit dem Gefahrstoff genügt und rechtfertigt das generelle Verbot. Dies ergibt sich zum einem aus der besonderen Gefährlichkeit des Stoffes Asbest. Denn der Gefahrstoff Asbest ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - krebserregend und gehört zu den gefährlichsten Stoffen, die die Gesundheit gefährden und dauerhaft schädigen können. Erkrankungen infolge des Kontaktes mit Asbest liegt eine hohe Latenzzeit zugrunde. Allein in der Bundesrepublik Deutschland sterben jährlich über 1.000 Menschen durch Erkrankungen infolge des Umgangs mit Asbest. Zweck des Chemikaliengesetzes - ChemG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. August 2013 (BGBl. I 3498), zuletzt geändert durch Art. 431 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I 1474) ist es, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe (hier: Asbest) und Gemische zu schützen, insbesondere sie erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen (vgl. § 1 ChemG). Hiermit in unmittelbarem Zusammenhang steht eines der Ziele der auf § 19 Abs. 1 und 3 ChemG beruhenden Gefahrstoffverordnung, durch Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen vor stoffbedingten Schädigungen zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GefStoffV). Diese sich aus dem Gesetz und der Rechtsverordnung ergebenen Zielsetzungen können durch ein umfassendes Verbot von Arbeiten an asbesthaltigen Materialien bei unterstellter abstrakter Gefährlichkeit erreicht werden. Daneben entspricht dies auch - worauf der Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen hat (vgl. Klageerwiderung vom 13. Juni 2013, S. 3) - dem Willen des Verordnungsgebers. Danach solle, wie in der Vorlage (vgl. BR-[Grund-]Drs.456/10 S. 55, Gefährdung durch Exposition durch Asbestfasern noch vorausgesetzt) abweichend von den bisherigen Regelungen vorgesehen gewesen sei, das Verwendungsverbot nicht von der Besorgnis einer Exposition abhängig gemacht werden, da die notwendige Prüfung dieser Bedingung zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen und die mit dieser Bedingung verbundene Einschränkung des Verwendungsverbotes die dauerhafte weitere Nutzung asbesthaltiger Produkte fördern würde, statt ein Signal für den mittelfristigen Austausch derartiger Materialen zu setzen (vgl. BR-Drs. 456/1/10 [Empfehlungen der Ausschüsse] S. 14 f.).

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Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, der Begriff der "Arbeit an einem asbesthaltigen Gebäudeteil" sei gesetzessystematisch im Kontext zu Tätigkeiten zu sehen, die gemäß Anhang II Nr. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV zu einem Abtrag von asbesthaltigen Oberflächen führen, denn ausdrücklich werde dort von einem "verbotenen Abtrag" (vgl. Satz 3 der Vorschrift) gesprochen, übersieht sie, dass der Verordnungsgeber - wie bereits dargestellt - von der abstrakten Gefährlichkeit des Gefahrstoffes Asbest ausgeht und es keiner konkreten Gefährdung durch einen zielgerichteten Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten (beispielsweise durch Abschleifen, Druckreinigen, Abbürsten und Bohren [vgl. Satz 3 der Vorschrift]) bedarf.

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Selbst wenn man - entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung - davon ausginge, dass die Arbeit, mithin die Überdeckungstätigkeit an asbesthaltigem Material eine über die abstrakte Gefahr hinausgehende Gefährdung für Beschäftige oder Dritte voraussetze, um der Verbotsnorm des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV zu unterfallen, ist vorliegend zu konstatieren, dass die Klägerin schon nicht hinreichend dargelegt hat, dass eine solche Gefahr im Rahmen des Arbeitsprozesses der Überdeckung der Fassade und ihrer Asbestfugen nicht besteht. Denn die Klägerin hat selbst im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, dass die Asbestfugen seit 30 Jahren der Witterung ausgesetzt seien und es gegebenenfalls zur Freisetzung von Bestandteilen des Fugenkittes bereits gekommen sei (vgl. Seite 4, 1. Absatz der Klageschrift). Aus welchen Gründen eine solche Freisetzung im Rahmen des angestrebten Arbeitsprozesses nicht erfolge, legt sie schon im Ansatz nicht dar. Sie ist auch nicht dem überzeugenden Vorbringen des Beklagten in seiner Antragserwiderungsschrift entgegengetreten, dass aufgrund des hohen Verwitterungsgrades der Fugen bzw. bei Erschütterungen infolge von Bohrarbeiten an der Fassade, d. h. in Fugennähe im Rahmen des Gerüstaufbaues jederzeit mit austretenden Asbestfasern zu rechnen sei. Soweit die Klägerin zudem vorträgt, durch die geplante Wärmedämmung der Fassade und der damit verbunden Überdeckung der Fugen würden derartige Gefahren nicht vergrößert, sondern vermindert und beseitigt werden, verkennt sie, dass die Gefahrstoffverordnung insoweit vorrangig dem Ziel dient, die Beschäftigten und Dritte im Rahmen von Arbeitsprozessen vor dem Gefahrstoff Asbest zu schützen. Es kommt somit nicht entscheidend darauf an, ob in einer ex-post Betrachtung, d. h. nach Abschluss der Überdeckungsarbeiten temporär - nämlich für die Dauer der Überdeckung - eine Verringerung des Gefahrenlast für die Umwelt durch den Gefahrstoff Asbest festzustellen ist.

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Dass der Verordnungsgeber in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 GefStoffV bestimmt hat, dass zu den nach Satz 1 verbotenen Arbeiten auch Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeiten an Asbestzementdächern und -wandverkleidungen gehören, führt entgegen der Sichtweise der Klägerin nicht etwa dazu, dass jede Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeit an asbesthaltigen Gebäudeteilen, die nicht an Asbestzementdächern und -wandverkleidungen durchgeführt werde, zulässig sei. Denn der von ihr gezogenen Schluss, dass die Ausnahmebestimmung im Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV eine Spezialbestimmung für (Sanierungs- und Instandhaltungs-)Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden sei, mithin jede sonstige Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeit an asbesthaltigen Materialen, die nicht unter Satz 4 der Vorschrift falle und zu keinem Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten führe, als eine zulässige Arbeit zu kategorisieren sei, wird durch die hier gebotenen Auslegung der Vorschrift nicht gedeckt. Schon dem Wortlaut nach hat der Verordnungsgeber in Satz 4 der Vorschrift durch die Verwendung des Wortes "auch" unter Verweis auf die generelle Verbotsnorm des Satzes 1 der Vorschrift lediglich beispielhaft verbotene Arbeiten an asbesthaltigen Gebäudeteilen aufgezählt, ohne die als solches verbotene Arbeit der Überdeckung, Überbauung und Aufständerung auf bestimmte asbesthaltige Gebäudeteile zu begrenzen. Dass Asbestzementdächer und -wandverkleidungen ausdrücklich beispielhaft aufgezählt werden, dürfte der Häufigkeit ihres Aufkommens im Bundesgebiet geschuldet sein, wohingegen die Altlast durch sog. Morinolfugen in Häuserfassaden von zu DDR-Zeiten errichteten Plattenbauten - wie die Beteiligten übereinstimmend vortragen - im Regelfall nur die ostdeutschen Bundesländer betrifft. Das beispielhaft bezeichnete Überbauungsverbot für Asbestzementdächer war bereits in der Gefahrstoffverordnung in der Fassung vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I 2004, 3758) enthalten und ist um die Asbestzementwandverkleidung in der Gefahrstoffverordnung vom 26. November 2010 nur beispielhaft ergänzt worden. Ein dahingehender Wille des Verordnungsgebers, schlichte Verdeckungen von asbesthaltigen Gebäudeteilen bei fehlendem Abtrag der Oberfläche zu gestatten, kann den Gesetzesmaterialen dagegen nicht entnommen werden. Vielmehr wird durch den Ausschluss einer Gefährdungsanalyse (vgl. BR-Drs. 456/1/10, a. a. O.) ein allumfassendes Verbot jeglicher Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialen beschrieben - so auch der schlichten Überdeckung - und im Übrigen die Neuformulierung des Absatzes 1 als signalgebend für die Asbestsanierung angesehen (vgl. BR-[Grund-]Drs. 456/10, S. 96 f., BR-Drs. 456/1/10, a. a. O.), da es gerade nicht auf eine konkrete Gefährdungslage ankommt.

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Nach dem ausdrücklichen Wortlaut kommt es bei der Prüfung der ausnahmsweise bestehenden Zulässigkeit von Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden zuvorderst darauf an, ob es sich hierbei um eine sog. ASI-Arbeit - Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeit - im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV oder eine Tätigkeit mit messtechnischer Begleitung in Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GefStoffV handelt. Denn nur diese Tätigkeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden rechtfertigen vor dem Hintergrund der Schutzrichtung des Chemikaliengesetzes und der hierauf basierenden Gefahrstoffverordnung einen Umgang mit dem durch den Gefahrstoff Asbest belasteten und damit allgemein gefahrtragenden Gebäudeteil. Alle sonstigen Tätigkeiten an asbesthaltigen Teilen sind - wie in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 klar definiert - zum Schutz der Beschäftigten und dritter Personen von vornherein verboten, ohne dass es einer konkreten Gefährdung des hierdurch geschützten Personenkreises bedarf (Unterstreichung durch das Gericht).

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Die Klägerin hat in nicht hinreichender Art und Weise dargelegt, dass die von ihr beabsichtigte energetische Wärmedämmung der streitbefangenen asbestbelasteten Häuserfassade eine Sanierungsarbeit im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV ist. Denn - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - ist die hier streitbefangene Tätigkeit der energetischen Sanierung keine Sanierungsarbeit an dem asbesthaltigen Gebäudeteil - der Fuge - im Sinne der Vorschrift. Sog. ASI-Arbeiten verfolgen nach der gesetzgeberischen Intention das Ziel, asbesthaltige Materialien aus der Gebäudesubstanz zu entfernen und gegebenenfalls durch asbestfreie Materialien zu ersetzen. Denn nur eine auf Beseitigung bzw. Verringerung des Gefährdungspotentials ausgerichtete Tätigkeit kann einen Umgang mit dem asbestbelasteten Gefahrstoff, mithin die damit in Zusammenhang stehenden Gefährdung von Beschäftigten und anderer Personen rechtfertigen. Das bloße Überbauen und/oder das Überdecken von asbesthaltigem Fugenmaterial mit einem Wärmeverbundsystem verfolgt diese Zielrichtung jedoch nicht. Auf den konkreten Zustand der Asbestfuge und das ihr innewohnende Gefahrenpotential wird kein Einfluss genommen, obgleich die Beschäftigten einer Arbeit an dem Gefahrstoff ausgesetzt werden. Dass nach dem Verbau des Wärmeverbundsystems die Asbestfuge keinen Umwelteinflüssen mehr ausgesetzt sei und eine Freisetzung von Asbestfasern nicht (mehr) erfolgen könne, vermag an dem weiterhin bestehenden und mit Ablauf der Nutzungsdauer ansteigenden Gefährdungspotential des Gefahrstoffes Asbest und dem darin enthaltenden Gesundheitsrisiken nichts zu ändern. Auf den unter I. 3. lit. e) der Antragsbegründungsschrift geführten Einwand der Klägerin, dass zur Auslegung der Begriffe Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV die in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe 519 (TRGS 519 [GMBl. 2014, S. 164 ff.; GMBl. 2015, S. 136 f.]) unter Ziffer 2.1 bis 2.3 verwendeten Begriffsbestimmungen nicht heranzuziehen seien, kommt es damit schon nicht entscheidungserheblich an.

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Dass der Normgeber lediglich allgemein bzw. politisch auf sein Motiv (mittelfristiger Austausch) hingewiesen haben soll und sich hieraus kein spezifischer Inhalt ableite, legt die Klägerin nicht hinreichend dar. Soweit sie in diesem Zusammenhang vorträgt, dass andernfalls die Unterscheidung in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 (Abbruch) und Nr. 2 (Sanierung/Instandhaltung) nicht zu erklären sei, da "Abbruch" und "Arbeiten an" das Gegenteil seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vielmehr sind nach der Gesetzessystematik und dem Wortlaut "Abbrucharbeiten" im Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1GefStoff "Arbeiten an" asbesthaltigen Teilen, da nach Satz 2 ausdrücklich geregelt wird, dass Satz 1 - nämlich das Verbot von Arbeiten an asbesthaltigen Teilen - nicht für die unter Nr. 1 bis Nr. 3 aufgeführten Ausnahmearbeiten/-tätigkeiten gilt. Dass - wie die Klägerin zu Recht ausführt - keine Rechtspflicht zum Entfernen asbesthaltiger Materialen bestehe, führt - entgegen ihrer Auffassung - jedoch nicht dazu, dass an asbesthaltigen Produkten ohne Weiteres gearbeitet werden dürfe.

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Der Einwand der Klägerin, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene und vom Senat geteilte Auslegung des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV als generelle Verbotsnorm den grundrechtsintensiven Bereich der Klägerin in ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. ihrer allgemeinen Wirtschaftsfreiheit betreffe, in den Schutzbereich ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG eingreife und deshalb zu einer restriktiven Auslegung zwinge, legt die Klägerin - die eine Verletzung lediglich behauptet - schon nicht in dem gebotenen Maß dar. Ungeachtet dessen bedürfen Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt (durch oder aufgrund eines Gesetzes). Die gesetzlichen Grundlagen sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, d. h. wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist . Das zulässige Ausmaß von Beschränkungen hängt hierbei von der Intensität des Eingriffs ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 - 1 BvR 744/88 - juris). Hiervon ausgehend ist das Verbot von Arbeiten an asbesthaltigen Gebäudeteilen durch schlichte Verdeckung des Gefahrstoffes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Verbot beruht zunächst auf einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigung, mit welcher der Gesetzgeber von dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG Gebrauch gemacht und der Verordnungsgeber mit der auf der Grundlage der Ermächtigung in § 19 ChemG ergangenen Gefahrstoffverordnung die Berufsausübung im Bereich des Baugewerbes in zulässiger Weise eingeschränkt hat. Es betrifft lediglich einen Teilbereich der Tätigkeit eines fassadenbearbeitenden Bauunternehmens und ist daher eine reine Ausübungsregelung auf der niedrigsten Eingriffsstufe. Der hier vorliegende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist auch zulässig, da vernünftige Erwägungen des Gemeinwohles diesen zweckmäßig erscheinen lassen. Gewichtiges Gemeinwohlinteresse ist hier der höherrangige Schutz der Gesundheit von Beschäftigen und anderer Personen bei Tätigkeiten mit dem Gefahrstoff Asbest, so dass Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden unter Einhaltung bestimmter arbeitstechnischer, -medizinischer und -hygienischer Bedingungen nur in insoweit erlaubt sind, als sie der Eliminierung oder Verringerung des mit dem Gefahrstoff Asbest einhergehenden Gefahrenpotentials dienen. Sonstige Tätigkeiten an einem Asbestprodukt, insbesondere dessen schlichte Überdeckung, die die Gefahrenlage allenfalls temporär beeinflussen kann (für den Zeitraum der Überdeckung), das Gefahrenpotential als solches jedoch nicht zu senken in der Lage ist, sind im Interesse der menschlichen Gesundheit verboten. Dies entspricht dem von der Klägerin beschriebenen "Interventionsminimum", zumal zu konstatieren ist, dass der Klägerin unbenommen bleibt, die energetische Wärmedämmung nach der - unter Beachtung der sich aus der Gefahrstoffverordnung und der Technischen Regeln im Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest (TRGS 519) ergebenden Vorschriften - durchgeführten Entfernung des asbesthaltigen Fugenmaterials anzubringen.

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Der von der Klägerin im Rahmen ihrer verfassungskonformen Auslegung des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 GefStoffV erhobene klägerische Einwand, eine energetische Modernisierung sei auch ökologisch zu sehen und zu bewerten und damit in den systematischen Kontext einzubeziehen, führt nicht zum Erfolg. Aus Art. 20a GG ergibt sich schon kein Vorrang des Staatszieles Umweltschutz gegenüber dem hier maßgebenden Gesundheitsschutz, zumal eine energetische Modernisierung durch die Untersagung der Überdeckung von asbesthaltigen Gebäudeteilen nicht ausgeschlossen ist, sondern nach der fachgerechter Entfernung des asbesthaltigen Materiales jederzeit ausgeführt werden kann.

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Die Klägerin hat ebenfalls nicht in gebotener Art und Weise dargelegt, dass sich eine "restriktivere" Auslegung der Vorschrift des Anhanges II Nr. 1 GefStoffV unter Beachtung des Bestandsschutzes ergebe, der gemäß Art. 14 GG auch Modernisierungsmaßnahmen im Wege des übergreifenden Bestandsschutzes und des Art. 21 Einigungsvertrages (gemeint wohl Art. 19 Einigungsvertrag) erfasse. Zuvorderst ist zwar festzustellen, dass die Gefahrstoffverordnung an objektivem Verfassungsrecht zu messen ist, es mithin nicht entscheidend darauf ankommt, dass die Klägerin sich auf Art. 14 GG mangels Eigentums an den hier zur Modernisierung anstehenden Wohnblöcken berufen kann. Gleichwohl belässt es die Klägerin erneut bei der bloßen Bezeichnung etwaiger verletzter Normen, ohne im Ansatz den verfassungsrechtlichen Verstoß darzustellen. Die behauptete Beeinträchtigung des Eigentumsrechts in der Form, dass die im Bestand geschützten Gebäude nicht (energetisch) modernisiert werden könnten, ist schon nicht erkennbar. Weder europarechtliche Vorschriften noch nationale Bestimmungen legen dem Eigentümer gegenüber ein Gebot zur Entfernung von Asbestprodukten aus der Bausubstanz auf (vgl. § 16 Abs. 1 GefStoffV i. V. m. Art. 67 i. V. m. Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 - REACH-VO - [ABl. EU vom 30. Dezember 2006, L 396/163]; § 16 Abs. 2 GefStoffV i. V. m. Anhang II Nr. 1 GefStoffV).

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Nach Art. 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (künftig: REACH-VO) i. V. m. Anhang XVII Nr. 6 Spalte 2 Abs. 2 Satz 1 REACH-VO ist die Verwendung von Erzeugnissen, die Asbestfasern enthalten, und die - wie hier - schon vor dem 1. Januar 2005 installiert bzw. in Betrieb waren, bis diese Erzeugnisse beseitigt sind oder bis ihre Nutzungsdauer abgelaufen ist, weiterhin erlaubt, wobei der Verbraucher als nicht nachgeschalteter Anwender kein Verwender ist (vgl. Art. 3 Nr. 13 REACH-VO). Den Mitgliedstaaten ist es jedoch aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit erlaubt, die Verwendung des Gefahrstoffes Asbest (vgl. Legaldefinition in Art. 3 Nr. 24 REACH-VO) über die europarechtlichen Regelungen hinaus einzuschränken (vgl. Anhang XVII Nr. 6 Spalte 2 Abs. 2 Satz 2 REACH-VO). Die Bundesrepublik Deutschland hat hiervon Gebrauch gemacht, indem der Verordnungsgeber zum Zwecke der zügigen Ausschleusung des Materials Asbest aus dem Wirtschaftskreislauf die Zulässigkeit von Arbeiten an asbesthaltigen Gebäudeteilen von bestimmten Voraussetzungen (vgl. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 GefStoffV) abhängig gemacht und im Übrigen ein Verwendungsverbot in Form eines Arbeitsverbotes bestimmt hat (vgl. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV). Danach ist ein zulässiger Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest zum Schutz der Gesundheit von Beschäftigten und Dritten auf die sog. ASI-Arbeiten und die messtechnische Begleitung unter Beachtung der TRGS 519 beschränkt, ohne dies von dem Besorgnis einer Exposition abhängig zu machen (siehe vorherige Darstellung). Hiermit ist nicht verknüpft, dass ein Eigentümer eines Gebäudes mit Asbestbelastung eine energetische Modernisierung nicht durchführen, mithin dieser in seinem Bestandsschutz verletzt sein kann. Die Durchführung der energetischen Modernisierung setzt im vorliegenden Fall (lediglich) voraus, dass die Asbestfuge vor ihrer schlichten Überdeckung fachgerecht zu behandeln ist, da nur dies - wie bereits dargestellt - einen Materialkontakt zum Schutz der Gesundheit von Beschäftigten und Dritten rechtfertigt. Dies ist - wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat (vgl. S. 7 des Urteilsabdrucks) - regelkonform, insbesondere unter Beachtung des Gesundheitsschutzes der Beschäftigen und Dritter möglich. Die Klägerin greift indes im Zulassungsverfahren nicht an, dass die vor der energetischen Modernisierung notwendige - den technischen Regeln entsprechende - ASI-Arbeit am asbesthaltigen Gebäudeteil wirtschaftlich nicht vertretbar sei und insbesondere vor der in Art. 14 Abs. 2 GG statuierten Sozialbindung des Eigentums keine Rechtfertigung finde. Zudem ist hinsichtlich des von der Klägerin als "verkapptes Optimierungs-/Sanierungsgebot" bezeichneten Normengefüges ein Verstoß gegen das Übermaßverbot nicht erkennbar. Der Gefahrstoff Asbest soll nach den Vorstellungen der Normgeber dem Wirtschaftskreislauf sukzessive entzogen werden. Dies kann allein dadurch erreicht werden, dass ein über die jeweilige Nutzungsdauer des Asbestprodukts hinausgehendes "Verstecken" durch schlichtes Überbauen ausgeschlossen und ein zulässiger Produktaustausch nicht auf Dauer verhindert wird.

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Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat die Klägerin gleichfalls nicht schlüssig dargelegt. Der bloße Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. Februar 2003 (M 17 K 02.3284) führt nicht weiter, zumal die Entscheidung die Gefahrstoffverordnung in der Fassung vom 26. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1783), die Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2004 beanspruchte, betrifft und in ihrem Anhang IV Nr. 1 noch kein ausdrückliches Überbauungsverbot vorsah. Hierbei ist das Gericht davon ausgegangen, dass ein Beschichten entgegen der TRGS 519 in seiner damaligen Fassung nicht nur bei schwach, sondern unter Verweis auf das Fehlen eines sachlichen Grundes auch bei fest gebundenen Asbestprodukten zulässig sei. Die abstrakte Gefahr, die von Asbest ausgeht, genügt nach dem heutigen - vom Willen des Verordnungsgebers - getragenen Verständnis, um das Verwendungsverbot zu rechtfertigen (siehe Darstellung oben), so dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes München für das hier zu entscheidende Verfahren ohne rechtliche Relevanz ist.

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Dass das Verwaltungsgericht die Verletzung von Verfassungsrecht nicht erwogen habe, verfängt angesichts der vorangegangenen Ausführungen des Senates nicht, zumal festzustellen ist, dass die Klägerin die nunmehr gerügten Verletzungen im erstinstanzlichen Verfahren nicht angebracht hatte.

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Der Einwand der Klägerin, die Entfernung der Asbestfugen diene nicht dem Arbeitsschutz der Beschäftigten, sondern erhöhe deren Gefährdung und die der Bewohner der Wohnblöcke, stellt die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, können die Asbestfugen in einem nach Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV zugelassenen Verfahren (vgl. S. 7 des Urteilsabdrucks) unter Berücksichtigung des Standes der Technik, der Arbeitsmedizin und der Arbeitshygiene sowie sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse entfernt werden (vgl. TRGS 519), so dass die Gefährdungslage weitestgehend herabgesetzt wird, ohne das gesetzgeberische Ziel, mittelfristig den Austausch von Asbestprodukten zu erreichen, zu konterkarieren.

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Soweit die Klägerin schließlich darauf abstellt, dass sich keinerlei Ermessenserwägungen im streitbefangenen Bescheid befänden, begründet dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung. Nach § 23 Abs. 1 ChemG kann zuständige Landesbehörde (§§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Chemikalienrecht des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2011 - ChemZustVO - [GVBl. LSA 2011, 484]) im Einzelfall Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach dem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen notwendig sind. Vorliegend handelt es sich - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - um einen Fall des sog. intendierten Ermessens, da es Aufgabe der zuständigen Landesbehörde ist, in Entsprechung der Zielsetzungen des Chemikaliengesetzes und der Gefahrstoffverordnung, Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigen und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu treffen. Dies kann bei unerlaubtem Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest im Regelfall nur durch die Untersagung der nach der Gefahrstoffverordnung verbotenen Arbeit erfüllt werden. Denn das Vorliegen der tatbestandlichen (Verbots-)Voraussetzungen nach Anhang II Abs. 1 Satz 1 GefStoffV rechtfertigt zum Schutz der Beschäftigten und Dritter den Eintritt der Rechtsfolge regelmäßig. Ein atypischer Fall ist weder erkennbar, noch behauptet die Klägerin, dass ein solcher vorliegt. Mit ihrem Vorbringen, die "sehr streitige Lehre" des intendierten Ermessens sei wegen des grundrechtlichen Einschlags und der Verhältnismäßigkeit offenbar nicht anwendbar, legt sie Entsprechendes schon nicht schlüssig dar, zumal der Senat an der Verfassungskonformität der Auslegung keine Zweifel hat.

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b) Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht wegen der unter B. II der Zulassungsbegründungsschrift gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

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„Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 L 166/07 -, juris [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. „Dargelegt" im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt (vgl. OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961, BVerwGE 13, 90, vom 9. März 1993, Buchholz 310 § 133 n. F. VwGO Nr.11, Beschluss vom 10. November 1992, Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hiernach ist es zunächst erforderlich, dass in der Antragsschrift eine konkrete - entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige - rechtliche oder tatsächliche Frage „aufgeworfen und ausformuliert” wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995, Der Personalrat 1996, 27). Darüber hinaus obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden, im Einzelnen darzulegen, inwiefern die aufgeworfene Frage im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinaus einer fallübergreifenden Klärung bedarf und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Hierbei sind - neben der Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes, welche die Begründung erkennen lassen muss - die genannten Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Weise unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung, der einschlägigen Rechtsprechung sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und/oder rechtlichen Überlegungen zu erläutern und aufzuarbeiten, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist (vgl. OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 VwGO § 133 (n. F.) Nr. 26, Beschluss vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 -, NJW 1993, 2825).

27

In Anlegung dieser Maßstäbe ist eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache von der Klägerin nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden. Hinsichtlich der als klärungsbedürftig erachteten Frage 1:

28

"Ist insbesondere bei verfassungskonformer Auslegung Anhang II Nr. 1 Abs. 1 zu § 16 Abs. 2 GefStoffV dahingehend auszulegen, dass Sachverhalte, bei denen konkret keine Gefahren entstehen, nicht unter das Verwendungsverbot fallen bzw. als nicht gefährliche Sanierungsmaßnahmen nach Anh II Nr. 1 Abs. 1 und § 16 Abs. 2 GefStoffV zulässig sind?"

29

wird auf die vorstehenden Ausführungen des beschließenden Senates zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (siehe oben unter 1. lit. a]) verwiesen. Danach lässt sich die Fragestellung der Klägerin - ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf - ohne Weiteres dahingehend beantworten, dass Arbeiten an asbesthaltigen Teilen unabhängig von dem Bestehen einer von dem Gefahrstoff Asbest ausgehenden konkreten Gefahr für die Beschäftigen und andere Personen verboten sind, soweit es sich nicht um solche Tätigkeiten handelt, die nach Satz 2 und 3 der Vorschrift erlaubt sind. Unabhängig davon stellt sich diese Frage nicht in entscheidungserheblicher Weise, da die Klägerin das Fehlen einer konkreten Gefahr - wie ausgeführt (siehe Seite 5 [unten f.] der Beschlussabschrift - nicht plausibel aufgezeigt hat.

30

Überdies kommt es auf die von der Klägerin ebenfalls als klärungsbedürftig erachtete Frage 2:

31

"Werden in den technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 519) als normenkonkretisierende Verwaltungsvorschrift Abbruch-, Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten im Sinne von bzw. zu Anhang II Nr. 1 Abs. 1 zu § 16 Abs. 2 GefahrstoffVO definiert?"

32

- wie der Senat bereits zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (siehe oben unter 1. lit. a]) dargestellt hat - vorliegend schon nicht entscheidungserheblich an. Die Begriffe der Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten im Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV sind im Übrigen unbestimmte Rechtsbegriffe ohne Beurteilungsspielraum, deren Auslegung vollständig gerichtlich überprüfbar ist. Ihre Auslegung ist ohne Bezugnahme auf die TRGS 519 möglich, so dass deren konkrete rechtliche Einordnung für das vorliegende Verfahren nicht von Relevanz ist. Nach der Regelungssystematik und dem Wortlaut der Regelung in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV sind Arbeiten (u. a.) an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden verboten, soweit es sich hierbei nicht um Abbrucharbeiten, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten im Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV an asbesthaltigen Teilen handelt (Unterstreichung durch das Gericht). Dient damit eine Tätigkeit - wie vorliegend die schlichte Überbauung eines asbesthaltigen Gebäudeteils - weder dem Abriss, der Sanierung noch der Instandhaltung des asbesthaltigen Teiles eines Gebäudes, ist der Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen nicht gestattet (vgl. im Einzelnen: Darstellung unter 1. lit. a]).

33

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

34

3. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 40, 47 GKG.

35

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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