Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 O 183/16

Gründe

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Die gemäß § 146 Abs. 1 und 2 VwGO statthafte Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 5. Oktober 2016, soweit darin die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgte, wird verworfen. Sie ist unzulässig, weil dem Kläger die notwendige Beschwer fehlt.

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Zwar ist der Kläger beschwerdebefugt, weil die Beschränkung der Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts auch ihn in seinen Rechten verletzen könnte, etwa weil ein an sich vertretungsbereiter, ihm besonders vertrauter Rechtsanwalt sich unter dieser seinen Kostenanspruch einschränkenden Bedingung weigern könnte, das Mandat zu übernehmen. Dem Kläger muss selbst die Möglichkeit offenstehen, für die unbeschränkte Beiordnung des von ihm gewählten Prozessbevollmächtigten zu streiten (vgl. zu Zweifeln an der Beschwerdebefugnis des Klägers beispielsweise: OLG Hamburg, Beschl. v. 15.02.2000 - 12 WF 25/00 -, juris).

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Er ist jedoch durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg nicht beschwert (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., Vorb § 124 Rdnr. 28 und 39 f.). Denn soweit er mit der Beschwerde das Ziel verfolgt, die Beiordnung zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts zu erreichen, bedarf es hierzu der Beschwerde nicht. Der vom Verwaltungsgericht verwendete (veraltete) Tenor ist einer sachgerechten Auslegung dahin zugänglich, dass lediglich eine Beschränkung der Beiordnung zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts erfolgt.

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Ausgangspunkt ist § 121 Abs. 3 ZPO. Danach kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt dem Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen (F. vom 26. März 2007, gültig ab 1. Juni 2007). In der bis zum 31. Mai 2007 geltenden Fassung des § 121 Abs. 3 (bzw. Abs. 2 Satz 2) ZPO war die Beiordnung begrenzt auf einen "bei dem Prozessgericht zugelassenen" Rechtsanwalt. Dies führte zusammen mit dem Lokalisierungsgebot der Rechtsanwälte entsprechend § 78 Abs. 1 ZPO, § 18 BRAO (jeweils in der bis zum 31. Mai 2007 geltenden Fassung) zur Herausbildung des Begriffs "ortsansässig", womit in der Regel in der Zivilgerichtsbarkeit der Sitz der Kanzlei des Rechtsanwalts am Gerichtsort gemeint war (Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 121 Rdnr. 36).

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§ 121 Abs. 3 ZPO gilt gemäß § 166 VwGO in verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur entsprechend. Schon nach der alten Rechtslage war für verwaltungsgerichtliche Verfahren aufgrund des fehlenden Lokalisierungsgebots anerkannt, dass anstelle der engen Begrenzung auf die Beiordnung eines am Gerichtsort ansässigen auch die Beiordnung eines am Wohnort des Antragstellers ansässigen Rechtsanwalts möglich war. Ebenso bestand die Möglichkeit, anstelle einer solchen Begrenzung auf eine bestimmte Örtlichkeit eine Beiordnung eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts vorzunehmen (zum Meinungsstand: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.10.2006 - 13 S 1799/06 -, juris; Münchener Kommentar, ZPO, 1992, § 121 Rdnr. 9 nimmt eine auf den Gerichtsbezirk abstellende Auslegung offenbar auch schon für den zivilrechtlichen Prozess an). War danach das Verständnis des Begriffs "ortsansässig" in der Verwaltungsgerichtsbarkeit schon vor der Neufassung des § 121 Abs. 3 ZPO ein weiteres als in der Zivilgerichtsbarkeit, hat sich dieses Verständnis mit der Neufassung nicht geändert. Es ist nunmehr lediglich die Möglichkeit einer Begrenzung auf den Gerichts- oder Wohnort entfallen (a. A. für die vergleichbare Rechtslage in der Sozialgerichtsbarkeit: LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 07.06.2011 - l 8 AY 1/11 B -, juris Rdnr. 10; für die Arbeitsgerichtsbarkeit: LAG München, Beschl. v. 07.01.2010 - 6 Ta 1/10 -, juris Rdnr. 30).

6

Verlangte danach die Formulierung "ortsansässig" für die Verwaltungsgerichtsbarkeit schon vor der Rechtsänderung eine weitere Eingrenzung, wenn damit etwas anderes als der Gerichtsbezirk des entscheidenden Gerichts gemeint sein sollte, hat sich dies durch die Neufassung des § 121 Abs. 3 ZPO nicht geändert. Der bloßen Formulierung der "Ortsansässigkeit" kam und kommt keine eigenständige, von der Beschränkung auf den Gerichtsbezirk abweichende Bedeutung zu.

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Es ist nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht näher dargelegt, dass das Verwaltungsgericht mit der gleichwohl gewählten Formulierung, dass eine Beiordnung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" erfolge, etwas anderes als diese nunmehr ausdrückliche gesetzliche Begrenzung tenorieren wollte. Das Verwaltungsgericht hat die "Ortsansässigkeit" weder auf den Sitz des Gerichts noch auf den Wohnsitz des Klägers begrenzt. Eine solche Beschränkung gibt auch die Rechtslage nicht her. Für die Annahme, dass das Verwaltungsgericht bewusst hiervon abweichen wollte, ist nichts ersichtlich.

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Erreicht danach der Kläger das von ihm mit der Beschwerde verfolgte Ziel schon durch ein sachgerechtes Verständnis des Beschlusstenors, ist er durch den angefochtenen Beschluss schon nicht beschwert.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Gerichtskosten sind nach § 21 Abs. 1 GKG nicht zu erheben, da die Beschwerde auf einer unrichtigen Sachbehandlung beruht. Durch die Verwendung einer veralteten, wenn auch auslegungsfähigen Tenorierung hat das Verwaltungsgericht dem Kläger Anlass zur Beschwerde gegeben.

10

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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