Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 61/18

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners, dem Unterhaltungsverband (M.) eine naturschutzrechtliche Ausnahme für die Entfernung von Biberdämmen zu erteilen.

2

Die Antragstellerin betreibt zusammen mit ihrem Ehemann in der Dübener Heide am Standort (E.) eine Köhlerei. An dieser fließt östlich der Hammerbach vorbei. Aufgrund von Bibertätigkeit kam es dort zum Anstau des Hammerbachs. Die Antragstellerin sieht die Bautätigkeit des Biebers als Ursache für eine Erhöhung des Grundwasserstandes an, die zur Vernässung der zur Köhlerei gehörenden Brennöfen führe. Mit Schreiben vom 17.02.2018 beantragte sie bei dem Antragsgegner die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG u.a. für die Wiederherstellung der Durchgängigkeit des Hammerbachsystems. Mit Bescheid vom 13.04.2018 erteilte der Antragsgegner eine an die "Stiftung Köhlerei (E.)" adressierte artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung, mit der u.a. der Unterhaltungsverband (M.) ermächtigt wurde, bestimmte Nahrungsdämme vollständig zu entfernen. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 02.05.2018 Widerspruch ein, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.

3

Mit Beschluss vom 22.05.2018 – 8 B 397/18 HAL – hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Unterhaltungsverband (M.) bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Entfernung aller Biberdämme (Nahrungs- und Wohndämme) in den Biberrevieren "4341-02 Hammerbach (E.)" und "4341-02 Forstgraben (E.)" im Bereich des gesamten Forstgrabens und des Hammerbachs im Bereich zwischen der Einmündung des Forstgrabens und dem (E.)teich zu erteilen, abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Antragstellerin habe keinen Anspruch darauf, dass einem Dritten – hier dem Unterhaltungsverband (M.) – eine artenschutzrechtliche Ausnahme erteilt werde. Aus § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG ergebe sich ein solcher Anspruch nicht. Nach dieser Regelung sei die Zulassung der Ausnahme von demjenigen zu beantragen, dem diese zustehen soll. Die Antragstellerin habe bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG lediglich einen Anspruch darauf, dass ihr selbst die Durchführung der beantragten Maßnahme erlaubt werde. Weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck des § 45 Abs. 7 BNatSchG ergebe sich, dass die Vorschrift einen Anspruch darauf gewähre, dass einer vom Antragsteller verschiedenen Person die Durchführung der beantragten Maßnahmen gestattet werde. Der Schutzzweck des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG könne vollständig dadurch erreicht werden, dass dies dem Antragsteller selbst gestattet werde. Eines darüber hinausgehenden Anspruchs darauf, Dritten die Durchführung der zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden erforderlichen Maßnahmen zu gestatten, bedürfe es nicht, zumal der Dritte in einem solchen Fall nicht verpflichtet wäre, von der Genehmigung auch Gebrauch zu machen. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG führe zu keinem anderen Ergebnis. Weder der Schutz des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG noch der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs erforderten ein Recht des Betroffenen, im eigenen Namen eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG zu beantragen, die dem Grundstückseigentümer oder Gewässerunterhaltungsverpflichteten die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen gestatte. Ein etwaiger Folgenbeseitigungsanspruch könne der Antragstellerin nicht gegen den Antragsgegner zustehen. Sollte – was hier nicht zu prüfen sei – der Antragstellerin ein Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Unterhaltungsverband (M.) zustehen, würde dieser jedenfalls nicht das Recht beinhalten, anstelle des Unterhaltungsverbandes eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zu beantragen.

II.

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1. Die Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

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Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

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Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragstellerin kein Anspruch darauf zusteht, dass der Antragsgegner dem Unterhaltungsverband (M.) eine naturschutzrechtliche Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG erteilt.

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Eine naturschutzrechtliche Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG wird nur auf Antrag erteilt. Zwar enthält § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG – anders als etwa § 30 Abs. 3 BNatSchG – kein ausdrückliches Antragserfordernis. Jedoch ist, soweit sich ein Antragserfordernis nicht ausdrücklich aus der einschlägigen Rechtsvorschrift ergibt, durch Auslegung zu klären, ob ein Offizialverfahren oder ein Antragsverfahren durchzuführen ist (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 22 RdNr. 23). Die Annahme eines Antragsverfahrens liegt nahe, wenn der Anlass für das Verfahren in erster Linie im Interesse des einzelnen liegt, weil er eine Genehmigung benötigt oder eine Leistung erwartet (vgl. Schmitz, a.a.O., § 22 RdNr. 15). Gemessen daran wird eine naturschutzrechtliche Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG nur auf Antrag zugelassen, da sie in der Regel überwiegend im Interesse desjenigen liegt, der die Maßnahme durchführen will, die ohne die Ausnahme wegen der Verbote des § 44 BNatSchG unzulässig wäre.

8

Antragsbefugt für einen Antrag auf Zulassung einer Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG ist nur derjenige, der die Ausnahme für sich selbst begehrt, der also die Zulassung der Ausnahme in eigener Sache beantragt. Es ist anerkannt, dass Popularanträge, also Anträge ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit oder Dritter, unzulässig sind. Eine gewillkürte Verfahrensstandschaft gibt es in der Regel im Verwaltungsverfahren nicht (vgl. Schmitz, a.a.O., § 22 RdNr. 17 und RdNr. 63). Regelungen, die für bestimmte Vorhaben eine Genehmigung vorschreiben, begründen ein Antragsrecht regelmäßig nur für denjenigen, der das Vorhaben ausführen will, nicht für Dritte (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 22 RdNr. 71). So darf beispielsweise die Planfeststellungsbehörde nach §§ 17 ff. FStrG i.V.m. §§ 72 ff. VwVfG ein straßenrechtliches Planfeststellungsverfahren nur auf Antrag des Trägers der Straßenbaulast einleiten; Dritte haben weder gegenüber dem Träger der Straßenbaulast noch gegenüber der Planfeststellungsbehörde einen Rechtsanspruch auf Einleitung und Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.1980 – 4 C 24.77 –, juris RdNr. 25).

9

Gemessen daran kann die Antragstellerin die Zulassung einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG für den Unterhaltungsverband (M.) nicht beanspruchen, weil dieser – soweit ersichtlich – bei dem Antragsgegner keinen entsprechenden Antrag gestellt hat. Der Antragstellerin selbst fehlt nach den oben dargelegten Grundsätzen die Antragsbefugnis für einen Antrag, dem Unterhaltungsverband (M.) – als einem "Dritten" im Sinne des oben dargelegten – eine Ausnahme zu erteilen. Eine solche Antragsbefugnis ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG noch aus dessen Sinn und Zweck, da – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat – diesem hinreichend dadurch Rechnung getragen wird, dass die Antragstellerin die Erteilung einer Ausnahme an sich selbst beantragen kann.

10

Die von der Antragstellerin hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.

11

Ohne Erfolg verweist sie auf die Gewässerunterhaltungspflicht des Unterhaltungsverbandes (M.) gemäß § 54 WG LSA sowie darauf, dass zur Gewässerunterhaltung gemäß § 52 WG LSA auch die Beseitigung der Biberdämme gehöre. Es ist seit langem geklärt, dass die Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht allein in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe des Trägers der Unterhaltungslast (§ 40 WHG) erfolgt. Dritte – wie im vorliegenden Zusammenhang die Antragstellerin – haben demgegenüber keinen Rechtsanspruch auf Erfüllung der Unterhaltungspflicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1973 – 4 C 50.71 –, juris RdNr. 9; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 07.10.2016 – 9 K 5722/14 –, juris RdNr. 24). Demgemäß kann sich aus der Gewässerunterhaltungspflicht auch keine Befugnis der Antragstellerin zur Beantragung einer dem Unterhaltungsverband (M.) zu erteilenden naturschutzrechtlichen Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG und damit auch kein dahingehender Rechtsanspruch ergeben.

12

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Unterhaltungsverband (M.) – wie die Antragstellerin geltend macht – eine ihm erteilte Ausnahmegenehmigung sofort umsetzen würde. Hierbei handelt es sich lediglich um einen Umstand, der sich faktisch zu Gunsten der Antragstellerin auswirken würde, aber nichts daran ändert, dass sie weder die Erfüllung der Pflicht zur Gewässerunterhaltung durch den Unterhaltungsverband (M.) noch die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG an ihn beanspruchen kann.

13

Der Antragstellerin steht auch nicht deshalb ein Anspruch auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG an den Unterhaltungsverband (M.) zu, weil sie – wie sie vorträgt – die Maßnahme selbst überhaupt nicht durchführen dürfte, selbst wenn sie Eigentümerin des Grundstücks wäre, über das die streitgegenständlichen Oberflächengewässer 2. Ordnung führten. Dieser Einwand vermag nicht zu überzeugen. Eine an die Antragstellerin selbst gerichtete naturschutzrechtliche Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG wäre für sie nicht nutzlos, da sie – soweit erforderlich – mit den betroffenen Grundstückseigentümern sowie dem Unterhaltungsverband (M.) zur Durchführung der von ihr für notwendig erachteten Maßnahmen geeignete Absprachen treffen kann. Insoweit gilt nichts anderes als etwa bei einer Baugenehmigung, die gemäß § 71 Abs. 4 BauO LSA unbeschadet der Rechte Dritter erteilt wird.

14

Die Antragstellerin ist hierdurch auch nicht schutzlos gestellt. Dem betroffenen Grundstückseigentümer kann ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Gewässerunterhaltungspflichtigen zustehen, wenn eine Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht zu einem Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Grundeigentum führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1973 – 4 C 50.71 –, a.a.O. RdNr. 9; BayVGH, Beschl. v. 26.06.2007 – 22 ZB 07.214 –, juris RdNr. 15). Ein Anspruch auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG an den Unterhaltungsverband (M.) ergibt sich hieraus jedoch nicht.

15

Ohne Bedeutung für das vorliegende Verfahren ist die von der Antragstellerin genannte Vorschrift des § 34 WHG. Nach § 34 Abs. 1 WHG dürfen die Errichtung, die wesentliche Änderung und der Betrieb von Stauanlagen nur zugelassen werden, wenn durch geeignete Einrichtungen und Betriebsweisen die Durchgängigkeit des Gewässers erhalten oder wiederhergestellt wird, soweit dies erforderlich ist, um die Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG zu erreichen. Entsprechen vorhandene Stauanlagen nicht den Anforderungen nach Absatz 1, so hat die zuständige Behörde gemäß § 34 Abs. 2 WHG die Anordnungen zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit zu treffen, die erforderlich sind, um die Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG zu erreichen. Es liegt auf der Hand, dass es sich – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – bei Biberdämmen nicht um Stauanlagen i.S.d. § 34 Abs. 1 und 2 WHG handelt. Die Vorschrift betrifft ersichtlich allein technische Einrichtungen zur Aufstauung eines Gewässers, gegen deren Betreiber eine Anordnungen zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit ergehen kann, nicht aber durch Biber errichtete Dämme.

16

Ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde führt der Hinweis auf § 37 WHG. Nach § 37 Abs. 1 WHG darf der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil eines höher liegenden Grundstücks behindert und nicht zum Nachteil eines tiefer liegenden Grundstücks verstärkt oder auf andere Weise verändert werden. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 WHG haben Eigentümer oder Nutzungsberechtigte von Grundstücken, auf denen der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers zum Nachteil eines höher liegenden Grundstücks behindert oder zum Nachteil eines tiefer liegenden Grundstücks verstärkt oder auf andere Weise verändert wird, die Beseitigung des Hindernisses oder der eingetretenen Veränderung durch die Eigentümer oder Nutzungsberechtigten der benachteiligten Grundstücke zu dulden. Aus dieser Vorschrift kann sich – in Verbindung mit § 1004 BGB – ein Beseitigungsanspruch ergeben, soweit eine von § 37 WHG erfasste Veränderung oder Behinderung des natürlichen Abflusses von Niederschlagswasser vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 26.01.2017 – III ZR 465/15 –, juris Rdnr. 7 ff.). Für einen Anspruch auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG an einen Dritten gibt die Vorschrift nichts her.

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

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4. Hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes folgt der Senat der Festsetzung des Verwaltungsgerichts.

20

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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