Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 Ws 36/19

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Verfügung des Vorsitzenden der 1. Großen Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. Januar 2019 wird kostenfällig als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Gegen den Angeklagten findet seit dem 12. Dezember 2017 - erneut - die Hauptverhandlung vor der 1. Großen Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) u.a. wegen des Vorwurfs des Mordes statt, nachdem die - erste - Hauptverhandlung am 28. September 2017 wegen der Erkrankung der Vorsitzenden ausgesetzt werden musste. Der Angeklagte hat sich vom 14. Mai 2016 bis 31. Januar 2019 in Untersuchungshaft befunden. Hauptverhandlungstermine waren zuletzt bestimmt bis 31. Januar 2019.

2

Mit Verfügung vom 23. Januar 2019 hat der Vorsitzende des Schwurgerichts 18 weitere Fortsetzungstermine in der Zeit vom 12. Februar 2019 bis 18. April 2019 bestimmt. In vier dieser Termine - 12. und 19. Februar 2019 sowie 19. und 26. März 2019 - besteht eine Kollision mit Hauptverhandlungsterminen in einem anderen umfangreichen Strafverfahren vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz), in dem der dem Angeklagten bestellte Verteidiger als Nebenklagevertreter tätig ist. Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2019 hat der Verteidiger die Aufhebung dieser Termine beantragt, nachdem sein Antrag auf Terminsverlegung in der anderen Strafsache vom Vorsitzenden der 3. Großen Strafkammer abgelehnt worden war. Der Verteidiger hat mitgeteilt, dass er aufgrund seiner Tätigkeit als bestellter Nebenklagevertreter an diesen vier Tagen, an denen die Terminskollision besteht, im hiesigen Verfahren nicht zur Verfügung stehen werde, weil seine Anwesenheit für die Nebenkläger erforderlich sei und die dortigen Termine bereits längere Zeit vor der Bestimmung der Fortsetzungstermine anberaumt gewesen seien.

3

Der Vorsitzende des Schwurgerichts hat mit Verfügung vom 28. Januar 2019 den Antrag auf Aufhebung der Termine zurückgewiesen. Gegen diese Verfügung hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 30. Januar 2019 Beschwerde eingelegt. Diese hat er im Wesentlichen damit begründet, dass der Vorsitzende das ihm zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe, indem er dem Recht des Angeklagten auf eine wirksame Verteidigung, die im derzeitigen Verfahrensstadium nur noch von ihm sachgerecht ausgeführt werden könne, keine Bedeutung beigemessen habe.

4

Mit Beschluss vom 31. Januar 2019 hat die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

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Die Beschwerde gegen die Verfügung des Vorsitzenden vom 28. Januar 2019, mit der er die Aufhebung der Fortsetzungstermine zurückgewiesen hat, ist unzulässig.

6

Gem. § 305 Satz 1 StPO sind Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen, grundsätzlich nicht anfechtbar. Ausgenommen vom Anfechtungsausschluss sind die in § 305 Satz 2 StPO genannten Entscheidungen, die mit einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff verbunden sind. Über diese Fälle hinaus wird die Statthaftigkeit der Beschwerde jedoch auch in Fällen bejaht, in denen entweder gegen das Urteil kein Rechtsmittel mehr statthaft ist oder wenn dem Angeklagten zwar ein Rechtsmittel gegen das Urteil zusteht, die angefochtene Entscheidung hiermit aber nicht überprüft werden kann (OLG Koblenz, Beschluss vom 17. März 2011 - 1 Ws 154/11 -; juris Rn. 6; OLG Koblenz, Beschluss vom 16. August 2005 - 1 Ws 501/05 -, juris Rn. 5; KG Berlin, Beschluss vom 12. Mai 1997 - 1 AR 594/97 - 5 Ws 313/97 -, juris Rn. 2; OLG Hamm, Beschluss vom 30. Januar 1986 - 6 Ws 23/86 -, juris Orientierungssatz 1; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 305 Rn. 1; Neuheuser in MüKo-StPO, 1. Aufl., § 305 Rn. 3).

7

Bei der Entscheidung, mit der ein Terminsverlegungsantrag abgelehnt wird, handelt es sich um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung. Ob eine hiergegen gerichtete Beschwerde grundsätzlich gem. § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen (so Arnoldi in MüKo-StPO, a.a.O., § 213 Rn. 16 m.w.N.) oder ausnahmsweise vor Beginn der Hauptverhandlung statthaft ist, wenn sie in rechtsfehlerhafter Ausübung des dem Vorsitzenden zustehenden Ermessens getroffen wurde und daher für die Verfahrensbeteiligten eine besondere, selbständige Beschwer bewirkt (so u.a. OLG Dresden, Beschluss vom 28. Juni 2004 - 1 Ws 121/04 -, juris Rn. 6; OLG Nürnberg, Beschluss vom 5. April 2005 - 1 Ws 361/05 -, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 213 Rn. 8 m.w.N.), bedarf für den vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung. Der Anfechtungsausschluss des § 305 Satz 1 StPO greift jedenfalls ein, wenn die Hauptverhandlung bereits begonnen hat und sich der Verlegungsantrag wie hier auf während der Verhandlung bestimmte zusätzliche Fortsetzungstermine bezieht. Den Verfahrensbeteiligten während einer bereits begonnenen Hauptverhandlung eine Beschwerdemöglichkeit gegen Entscheidungen des Vorsitzenden über die Gestaltung der Hauptverhandlung und insbesondere die Bestimmung von Fortsetzungsterminen zu eröffnen, wäre mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zu vereinbaren. Durch die Regelung des § 305 Satz 1 StPO soll zum einen die Verzögerung des Verfahrens vermieden werden, die entstehen würde, wenn der Bestand einer Entscheidung des erkennenden Gerichts bis zur Entscheidung der Beschwerdeinstanz unsicher wäre (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 305 Rn. 1; Zabeck in KK-StPO, 7. Aufl., § 305 Rn. 1). In der Regel wird ein effektiver Rechtsschutz vor der Durchführung eines Fortsetzungstermins zeitlich nicht erreichbar sein, ohne dass es zwangsläufig zu einer Verfahrensverzögerung kommt. Zum anderen soll das erkennende Gericht vor Eingriffen des sachferneren Beschwerdegerichts in seine Verfahrensherrschaft geschützt werden (Neuheuser in MüKo-StPO, a.a.O., § 305 Rn. 2).

8

Durch den Ausschluss der Beschwerde werden die Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen nicht verkürzt. Die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrages kann in der Revision auf eine entsprechende Rüge überprüft werden. Eine ermessensfehlerhafte Entscheidung des Vorsitzenden und die anschließende Durchführung des Termins in Abwesenheit des an der Terminswahrnehmung verhinderten Verteidigers kann einen Verstoß gegen das Recht des Angeklagten auf Verteidigung durch den gewählten Verteidiger aus Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK, § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO und den Grundsatz des fairen Verfahrens darstellen (BGH, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 StR 415/17 -, juris Rn. 7 und 9; BGH, Beschluss vom 9. November 2006 - 1 StR 474/06 -, juris Rn. 16 und 17; BGH, Beschluss vom 06. Dezember 2000 - 1 StR 492/00 -, juris; BGH, Beschluss vom 6. November 1991 - 4 StR 515/91 -, juris Rn. 5 und 6; OLG Braunschweig, Beschluss vom 4. Mai 2004 - 1 Ss (S) 5/04 -, juris Rn. 8; Arnoldi in MüKo-StPO, a.a.O., § 213 Rn. 18; Gmel in KK-StPO, 7. Aufl., § 213 Rn. 9). Liegt - wie hier - ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, stellt die Verhandlung in Abwesenheit des Verteidigers zudem einen absoluten Revisionsgrund gem. § 338 Nr. 5 StPO dar.

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