Urteil vom Sozialgericht Duisburg - S 60 KR 1558/18
Tenor
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
- 3.
Der Streitwert wird auf 1.023,92 € festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
3Die Beklagte betreibt ein gemäß § 108 SGB V zugelassenes, in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH praktizierendes Plankrankenhaus. Die gesetzlich bei der Klägerin versicherte (* 1930) wurde vom 17.08.2015 bis 11.09.2015 (Fallzusammenführung 17.08.2015 bis 19.08.2015 und 09.09.2015 bis 11.09.2015) im Hause der Beklagten wegen chronischen Lumbalgien stationär behandelt, wobei am 10.09.2015 in Lokalanästhesie bei der Versicherten eine temporäre Multifunktionselektrode zur epiduralen gepulsten Radiofrequenzstimulation (ePRF) implantiert wurde.
4Die Beklagte stellte der Klägerin diesen stationären Aufenthalt am 12.10.2015, eingegangen bei der Klägerin am 14.10.2015, mit einem Gesamtbetrag von 2.965,57 € in Rechnung (Rechnungsnummer 314909273, Bl. 20 der Gerichtsakte). Die Rechnung legte die Diagnosis Related Group (DRG) I10F [= Andere wenig komplexe Eingriffe an der Wirbelsäule] zu Grunde, wobei die Beklagte den OPS 5-039.38 [Implantation oder Wechsel einer Neurostimulationselektrode zur Rückenmarkstimulation] kodierte. Die Klägerin beglich die Rechnung zunächst vollständig.
5Mit Prüfanzeige vom 05.02.2016 zeigte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) der Beklagten die Prüfung u. a. einer primären und sekundären Fehlbelegung sowie der Prozeduren an. Der Facharzt für Chirurgie Dr. des MDK gelangte in seiner gutachterlichen Einschätzung vom 04.04.2016 (Bl. 2/7 der Verwaltungsakte) zu dem Ergebnis, dass eine medizinische Notwendigkeit für die stationäre Aufnahme bestanden habe und die Überschreitung bzw. das Erreichen der unteren Grenzverweildauer medizinisch begründet sei. Allerdings sei die Prozedur 5.039.38 nicht korrekt, sondern OPS 5-789.6 [Andere Operationen am Knochen: Destruktion, durch Radiofrequenzablation, perkutan] zu kodieren. Die verwendete Pasha-Sonde sei unabhängig von ihrer eigentlichen Funktion zur Radiofrequenztherapie genutzt worden; die Implantation einer Neurostimulationselektrode könne nicht nachvollzogen werden. Dies führe zur niedriger vergüteten DRG I10G [Andere Eingriffe an der Wirbelsäule ohne wenig komplexe Eingriffe].
6Am 08.04.2016 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die Begutachtung ergeben habe, dass eine Berichtung der Abrechnung erforderlich sei und bat um Übermittlung einer Gutschrift bis 06.05.2016.
7Die Klägerin hat am 05.11.2018 Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben. Zur Begründung hat sich die Klägerin zunächst auf das MDK-Gutachten vom 04.04.2016 bezogen und ausgeführt, dass die Pasha-Elektrode zweckentfremdet wurde und nicht zur Verödung von Nervenbahnen verwendet wurde, sondern zur Freilegung des verengten Spinalkanals und der Destruktion des Knochenmaterials. Diesen Vortrag hat sie im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht mehr aufrechterhalten und ausgeführt, dass die Implantation einer Multifunktionselektrode in den Epidural- und Spinalraum zur gepulsten Radiofrequenztherapie nicht den Anforderungen des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) an die Qualität- und Wirtschaftlichkeit der Behandlung entsprochen habe. Zur Stützung ihres Vortrags hat sie ein MDK-Gutachten zur spinalen epiduralen gepulsten Radiofrequenzbehandlung vom 30.06.2017 der Fachärztin für Anästhesie Dr. med. , der Methodikerin PD Dr., des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. und des Facharztes für Neurochirurgie Dr. med. übersandt. Nach diesen lasse sich wegen der insgesamt eingeschränkten Interpretierbarkeit der Studienergebnisse nicht abschätzen, ob für die Methode der spinalen epiduralen PRF das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative für Patienten mit (chronischen) lumbalen/thorakalen/zervikalen Schmerzen nach erfolgloser konventioneller Schmerztherapie gegenüber anderen Therapiealternativen bestehe. Für die Bejahung eines Potenzials einer Behandlungsalternative im Sinne des § 137c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) genüge es gerade nicht, dass lediglich Anhaltspunkte für eine positive Wirkung gegeben seien. Auch nach dem Urteil des BSG vom 25.03.2021 – B 1 KR 25/20 R – lägen die Voraussetzungen einer Potenzialleistung nicht vor, da innovative Behandlungsmethoden nur zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung eingesetzt werden sollen, für die im Einzelfall keine Standardbehandlung verfügbar sei. Das BSG definiere die schwerwiegende Erkrankung als eine lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigende Erkrankung. Die Versicherte habe lediglich an einer Spinalkanalstenose im Lumbalbereich gelitten. Hierbei handele es sich nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder vergleichbare Erkrankung. Der Eingriff erfolgte überdies elektiv und sei ein Mal verschoben worden, was nicht für eine besondere Dringlichkeit spräche. Die Klägerin bestreite, dass vorliegend keine andere Standardtherapie zur Verfügung gestanden habe. Ausweislich des Entlassberichtes seien bei der Versicherten lediglich zweimal vor Durchführung der streitgegenständlichen gepulsten Radiofrequenztherapie Facettengelenkinfiltrationen erfolgt sowie eine analgetische Schmerztherapie eingeleitet worden. Hinweise auf die Durchführung von Physiotherapie, Rückenschule, Wärmetherapie oder Elektrotherapie fänden sich indes nicht. Nach dem Dafürhalten der Klägerin hätte vorrangig eine multimodale Schmerztherapie erfolgen müssen. Überdies habe die Versicherte unter einer erheblichen Fettleibigkeit mit einem BMI von 39,5 gelitten, was zur Rückenschmerzproblematik beigetragen haben dürfte. Weiter hat die Klägerin ein Sachverständigengutachten des Prof. Dr. vom 06.01.2021 aus dem Verfahren – S 17 KR 1557/18 – übersandt, nach dem die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben habe.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.023,92 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2018 zu zahlen.
10Die Beklagtenvertreter beantragen,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung führen sie aus, dass der MDK unzutreffend von einer Radiofrequenztherapie ohne Implantation einer Elektrode ausgehe. Vorliegend habe die im OPS 5-789.6 beschriebene Destruktion durch Radiofrequenz-Thermoablation nicht stattgefunden, sondern eine Neuromodulation in Form einer gepulsten Radiofrequenztherapie, die beklagtenseits zutreffend mit 5-039.38 abgebildet worden sei. Soweit die Klägerin nunmehr Qualität und Wirtschaftlichkeit der erbrachten Leistung bestreite, ändere sie offensichtlich ihre Argumentationsstrategie, die vorgerichtlich nicht vorgebracht wurde und vorliegend zunächst nicht streitgegenständlich gewesen sei. Überdies hätten mehrere Sozialgerichte nach Einholung gerichtlicher Sachverständigengutachten der Klägerin nicht folgen können, wie etwa das Sozialgericht Nürnberg, Urt. v. 12.12.2018 – S 11 KR 629/16 –, das Sozialgericht Berlin, Urteil vom 07.02.2019 – S 72 KR 2402/13 – und das Sozialgericht Gotha, Urt. v. 26.03.2018 – S 38 KR 3050/16 –. Das Sozialgericht Berlin habe die Frage des Qualitätsgebotes dahinstehen lassen können, da die streitige Behandlungsmaßnahme bereits im Juli 2012 das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative aufgewiesen habe. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe das von der Klägerin übersandte MDS-Gutachten inhaltlich stark kritisiert und das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bei der Versicherten nach Ausschöpfung multipler anderer schmerztherapeutischer Verfahren und im Sinne einer gestuften Versorgungsstrategie sowie als Alternative zu weiteren teureren Methoden als risikoärmere und wirtschaftlichere Versorgungsform im Sinne einer Behandlungsalternative bestätigt, ohne dass die Klägerin diesbezüglich dem Gutachten inhaltlich entgegengetreten wäre.
13Die Vorsitzende hat der Klägerin die Patientenakte zur Weiterleitung an den MDK übersandt, der am 02.08.2019 durch Dr. med. eine weitere gutachterliche Stellungnahme erstattete (Bl. 38/40 der Gerichtsakte). Dieser bestätigte nunmehr die Kodierbarkeit des OPS 5-039.38 und führt aus, dass die Radiofrequenztherapie eine Möglichkeit darstelle, Rückenschmerzen effektiv und für lange Zeit zu lindern. Den ärztlichen Ausführungen der Beklagten zur Funktion der Pasha-Elektrode könne zugestimmt werden. Unter Hinweis auf die Grundsatzstellungnahme zur gepulsten Radiofrequenzbehandlung des MFB Methodenbewertung des MDK Nordrhein seien indes die Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit der Behandlung nicht erfüllt.
14Mit richterlichem Hinweis vom 13.12.2019 (Bl. 127 der Gerichtakte) hat die Vorsitzende im Hinblick auf den verhältnismäßig geringen Streitwert und die hohen Sachverständigenkosten eine vergleichsweise Einigung angeregt, die die Klägerin unter Hinweis auf die Grundsatzthematik mit Schriftsatz vom 19.02.2020 (Bl. 130 der Gerichtsakte) abgelehnt hat.
15Die Vorsitzende hat daraufhin den Leiter der Sektion für Funktionelle Neurochirurgie & Stereotaxie der Neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Düsseldorf Prof. mit einem Sachverständigengutachten nach Aktenlage beauftragt, dass dieser am 28.07.2020 (Bl. 145/165 der Gerichtsakte) erstattet hat. Er gelangt zu der Einschätzung, dass die Wirksamkeit der Therapie mit mehr als ausreichenden wissenschaftlichem Nachweis belegt worden sei. Die Gesamtschau der wissenschaftlich vorliegenden Ergebnisse lege nahe, dass es sich bei der ePRF um eine sinnvolle, wirksame, risikoarme und im Vergleich zu den Alternativen der Neuromodulation wirtschaftliche Behandlung handele. Die behandelnden Kollegen hätten große medizinische Sorgfalt an den Tag gelegt und sich dem Schmerzbild der Versicherten schrittweise angenähert. Bei der Versicherten habe eine im Vergleich einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung vergleichbare Situation vorgelegen, was die Sonderregelungen zur COVID-19-Krise belegen, nach denen chronische Schmerzen wie in dem Ausprägungsgrad bei der Versicherten nicht-elektiv, also dringlich zu versorgen seien.
16Die Vorsitzende hat entsprechend mit Verfügung vom 03.08.2020 die Rücknahme der Klage angeregt (Bl. 166 der Gerichtsakte).
17Daraufhin hat die Klägerin vorgetragen, dass die Versicherte nicht ordnungsgemäß im Sinne des Urteils des BSG vom 19.03.2020 – B 1 KR 20/19 R – aufgeklärt worden sei, woraufhin die Vorsitzende die Patientenakte der Klägerin zur erneuten Auswertung durch den MDK übersandt hat. Eine diesbezügliche Stellungnahme erfolgte auch nach mehrfacherer Erinnerung und Terminsladung nicht.
18Die Vorsitzende hat im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 25.03.2021 – B 1 KR 24/20 R –, juris mit Verfügung vom 22.04.2021 das Ruhen des Verfahrens angeregt. Nach diesbezüglichen Anträgen der Beteiligten hat die Vorsitzende mit Beschluss vom 28.04.2021 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz vom 22.09.2021 haben die Bevollmächtigten der Beklagten das Verfahren wieder aufgenommen.
19Mit ausführlichem Hinweis vom 03.11.2021 hat die Vorsitzende auf § 8 Satz 4 Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V Prüfverfahrensverordnung (PrüfvV 2014) in der seit dem 01.09.2014 bis zum 31.12.2016 gültigen Fassung hingewiesen und auch im Hinblick auf das Gutachter von Amts wegen des Prof. Dr. erneut die Rücknahme der Klage angeregt.
20Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Klägerin sowie der Beklagten Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22Die zulässige Klage ist unbegründet.
23A. Die Klägerin hat mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die richtige Klageart gewählt (vgl. zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R – = BSGE 117, 82-94, SozR 4-2500 § 109 Nr. 40, Rn. 7 m.w.N.). Es handelt sich um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakte nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen ist und eine Klagefrist nicht zu beachten ist.
24B. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von 1.023,92 € aus öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall der Versicherten (* 1930) vom 17.08.2015 bis 11.09.2015.
25I. Denn die Klägerin hat es versäumt, ihren Erstattungsanspruch innerhalb der neunmonatigen Frist des § 8 Satz 3 PrüfvV 2014 der Beklagten mitzuteilen. Zur Überzeugung der Kammer war der klagweise geltend gemachte Erstattungsanspruch bei Klageerhebung am 05.11.2018 bereits gemäß § 8 Satz 4 PrüfvV ausgeschlossen.
261. Die PrüfvV 2014 war vorliegend anwendbar.
27a) Der zeitliche Anwendungsbereich ist im Hinblick auf die Behandlung der Versicherten im Jahr 2015 eröffnet.
28b) Weiter ist zur Überzeugung der Kammer der sachliche Anwendungsbereich der PrüfvV 2014 eröffnet. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die PrüfvV 2014 ebenso wie § 275 Absatz 1c SGB V in der 2015 geltenden Fassung nur auf Auffälligkeitsprüfungen betreffend die Wirtschaftlichkeit der Behandlung, nicht indes auf sachlich-rechnerische Prüfungen anzuwenden (BSG, Urt. v. 23.05.2017 – B 1 KR 24/16 –, juris, Rn. 30). Maßgeblich für die Beurteilung des Vorliegens einer Auffälligkeitsprüfung oder einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung ist gemäß § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der wirkliche Wille der Klägerin vor dem Empfängerhorizont des MDK (LSG NRW, Urt. v. 03.12.2020 – L 16 KR 505/17 –, juris, Rn. 32; BSG, Urt. v. 23.05.2017 – B 1 KR 24/16 –, juris, Rn. 30).
29Die Prüfanzeige vom 02.02.2016 umfasste die Frage „Bestand die medizinische Notwendigkeit der Aufnahme in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung?“, „War die Überschreitung der unteren Grenzverweildauer bzw. das Erreichen der UGVD medizinisch begründet?“, „Sind die Prozeduren korrekt?“ und „Ist die DRG korrekt?“. Nach dem Empfängerhorizont des MDK war von der Klägerin eine Vollprüfung der Abrechnung beabsichtigt. Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der Vollprüfung der Abrechnung um eine Auffälligkeitsprüfung im Sinne von § 275 Absatz 1c SGB V und der PrüfvV 2014. Denn mit ihr wird auch die Wirtschaftlichkeit der Behandlung – vorliegend die primäre und sekundäre Fehlbelegung – geprüft, weshalb zur Überzeugung der Kammer die Prüfung dem Regime der PrüfvV 2014 unterfällt, soweit nicht die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung betroffen ist (BSG, Urt. v. 10.11.2021 – B 1 KR 43/20 R –, Terminbericht Nr. 42/21; so in der Tendenz auch LSG NRW, Urt. v. 03.12.2020 – L 16 KR 505/17 –, juris, Rn. 35). Das LSG NRW hat in seinem Urt. v. 03.12.2020 – L 16 KR 505/17 –, juris, Rn. 35 zutreffend darauf hingewiesen, dass es bei gegenteiliger Auslegung die Krankenkasse in der Hand hätte, durch Ergänzung jedweder (isolierter) Auffälligkeitsprüfung um sachlich-rechnerische Einwendungen im Prüfauftrag, die Anwendbarkeit der PrüfvV 2014 zu hindern und etwa den in der PrüfvV 2014 geregelten Ausschlussfristen zu entgehen. Dies muss umso mehr gelten, als dass die Frage nach der Änderung der DRG sich an bloße Wirtschaftlichkeitsprüfungen anschließt, etwa wenn sich infolge der gekürzten Verweildauer die DRG ändert. Überdies war vorliegend ausweislich der Fragestellungen nach primärer und sekundärer Fehlbelegung von der Klägerin schwerpunktmäßig eine Wirtschaftlichkeitsprüfung beabsichtigt, was zudem die neuerliche Rüge der Wirtschaftlichkeit der Behandlung in hiesigem Verfahren unterstreicht. Bei der Frage nach Qualität und Wirtschaftlichkeit der Behandlung im Sinne von §§ 2, 12 SGB V handelt es sich zur Überzeugung der Kammer um eine Auffälligkeitsprüfung und nicht um eine solche der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung, weshalb für die vorliegende Prüfung das Regime der PrüfvV 2014 anwendbar ist.
302. In ihrem Schreiben vom 08.04.2016 hat die Klägerin weder die wesentlichen Gründe ihrer abschließenden Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung noch den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitgeteilt.
31a) Nach § 8 Satz 1 PrüfvV 2014 hat die Krankenkasse ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch dem Krankenhaus mitzuteilen. Im Fall, dass die Leistung nicht in vollem Umfang wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war, sind gemäß § 8 Satz 2 PrüfvV 2014 dem Krankenhaus die wesentlichen Gründe darzulegen.
32Dies hat nach § 8 Satz 3 PrüfvV 2014 innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige zu erfolgen. Hierbei handelt es sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 um eine Ausschlussfrist. Diese Ausschlussfrist wirkt zur Überzeugung der Kammer auch im gerichtlichen Verfahren fort (so bereits das rechtskräftige Urteil des SG Duisburg vom 17.06.2020 – S 60 KR 566/19 –, Rn. 24 ff.; ebenfalls SG Aachen, Urt. v. 07.07.2020 – S 14 KR 560/19 –, Rn. 56 ff.; SG Duisburg, Urt. v. 14.09.2021 – S 54 KR 1609/19 –; SG Dresden, Urt. v. 24.06.2020 – S 38 KR 219/18 –, juris, Rn. 28 f.).
33Vorliegend stellt zur Überzeugung der Kammer das Schreiben der Klägerin an die Beklagte bereits keine abschließende Leistungsentscheidung im Sinne des § 8 PrüfvV 2014 dar. Denn in dem Schreiben vom 08.04.2016 hat die Klägerin lediglich mitgeteilt, dass die Begutachtung des MDK eine Berichtigung erforderlich mache. Es wird weder ersichtlich, ob die Klägerin die Einschätzung des MDK teilt, noch, ob die Berichtigung der Abrechnung aus Gründen der Wirtschaftlichkeit oder aus Gründen der Korrektur im Sinne einer sachlich-rechnerischen Prüfung erfolgen soll und in welcher Höhe die Klägerin Erstattung begehrt.
34b) Dies führt zur Überzeugung der Kammer dazu, dass nach Ablauf der neunmonatigen Frist nach Übermittlung der Prüfanzeige vom 05.02.2016, vorliegend am 05.11.2016, Erstattungsansprüche der Klägerin aus dem Behandlungsfall der vom 17.08.2015 bis 11.09.2015 jedenfalls im Hinblick auf die geprüfte und nunmehr erneut gerügte Wirtschaftlichkeit der Behandlung ausgeschlossen sind.
35aa) Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich im vorliegenden Fall, in dem die Kasse insgesamt eine fristgerechte Anmeldung ihres Erstattungsanspruchs unterlässt, um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, mit der Folge, dass der Erstattungsanspruch der Klägerin allein wegen des Fristablaufs untergeht.
36Im Unterschied zu den materiell-rechtlichen Präklusionsvorschriften in § 7 Absatz 2 Satz 4 PrüfvV 2014 (Unterlagenaufforderung) und in § 7 Absatz 5 PrüfvV 2014 (nachträgliche Rechnungskorrektur) bezeichnet § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 die geregelte Neunmonatsfrist ausdrücklich als Ausschlussfrist (vgl. BSG, Urt. v. 18.05.2021 – B 1 KR 34/20 R –, juris, Rn. 24; LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 26.08.2020 – L 5 KR 13/19 –, juris, Rn. 31). Die abschließende Leistungsentscheidung mit Anmeldung eines Erstattungsanspruchs schließt das Prüfverfahren ab, mit der Folge, dass bis dato nicht angemeldete bzw. nicht hinreichend konkretisierte Erstattungsansprüche bzgl. des gesamten Behandlungsfalles mit Ablauf der Frist untergehen. Denn ohne Benennung der Gründe für die Rechnungskürzung und Bezifferung des Erstattungsanspruchs kann eine Konkretisierung nicht erfolgen. Es bleibt unklar, in welchem Umfang das Prüfverfahren durch eine Rechnungskürzung beendet wurde, was zu Lasten der Krankenkasse geht. Nur eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist wird zur Überzeugung der Kammer dem prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot in diesem Fall gerecht. Diesem würde es widersprechen, wenn die Krankenkasse den nach Art und Umfang nicht konkretisierten Erstattungsanspruches nunmehr im gerichtlichen Verfahren konkretisieren und weiterverfolgen könnte. Die durch das Prüfverfahren intendierte Klärung des Anspruchs würde so wieder zu nichte gemacht (vgl. BSG, Urt. v. 18.05.2021 – B 1 KR 34/20 R –, juris, Rn. 29; SG Dresden, Urt. v. 24.06.2020 – S 38 KR 219/18 –, juris, Rn. 29).
37bb) Jedenfalls gebietet das Gebot der Waffengleichheit, dass § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 – wie § 7 Absatz 2 Satz 4 PrüfvV 2014 und § 7 Absatz 5 PrüfvV 2014 – zumindest eine materielle Präklusion regelt. Nach dieser ist es zur Überzeugung der Kammer der Krankenkasse verwehrt, Erstattungsansprüche auf Umstände zu stützen, die der MDK bereits in der von ihr veranlassten Prüfung geprüft hat.
38Dies korrespondiert mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beschränkung nachträglicher Rechnungskorrekturen durch Krankenhäuser, nach der das Krankenhaus das Recht verliert, den Rechnungsdatensatz zu ändern, soweit er Prüfgegenstand der von der Krankenkasse veranlassten MDK-Prüfung geworden ist und zwar auch mit Wirkung für das gerichtliche Verfahren (BSG, Urt. v. 18.05.2021 – B 1 KR 34/20 R –, juris, Rn. 15). Wenn die Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens nicht bereits durch wiederholte und unzeitige Datenänderungen in die Länge gezogen werden soll, damit der gesamte Abrechnungsfall zügig seinen Abschluss finden kann (BSG, Urt. v. 18.05.2021 – B 1 KR 34/20 R –, juris, Rn. 28), dann darf erst recht nicht die versäumte Anmeldung eines Erstattungsanspruchs im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Auch das MDK-Reformgesetz 2019 hat diese Logik fortgeschrieben und durch u. a. die Einführung quartalsbezogener Prüfquoten und einer vorgelagerten Strukturprüfung eine Entlastung des Prüfverfahrens und der Sozialgerichte in quantitativer Hinsicht eingeführt.
39cc) Zur Überzeugung der Kammer wirkt die in § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 geregelte Ausschlussfrist, jedenfalls aber materielle Präklusionsregelung in das gerichtliche Verfahren fort.
40Zwar bestimmt § 2 Absatz 2 PrüfvV 2014, dass die Inhalte dieser Vereinbarung für die Krankenkassen, den MDK und die zugelassenen Krankenhäuser unmittelbar verbindlich sind. Dies impliziert indes geradezu eine mittelbare Wirkung für das gerichtliche Verfahren und über das MDK-Verfahren hinaus. Entscheidend für die Auslegung des § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 als Ausschlussfrist ist der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille, den Parteien eine stärkere Eigenverantwortung bei ihren Modalitäten der Konfliktlösung einzuräumen und so gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und Bürokratie abzubauen (BT-Drs. 17/13947, S. 38; SG Köln, Urt. v. 04.05.2016 – S 23 KN 108/15 KR –, Rn. 38). Dies kommt zum einem dadurch zum Ausdruck, dass in der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 17c Absatz 2 Krankenhausgesetz (KHG) die Regelungsinhalte "nicht abschließend" benannt sind (BT-Drs. 17/13947, S. 37; SG Aachen, Urt. v. 07.07.2020 – S 14 KR 560/19 –, Rn. 64, juris; SG Hildesheim, Urt. v. 27.07.2017 – S 40 KR 445/15 –) und Vereinbarungen durch die Selbstverwaltungsparteien "insbesondere" zu den ebenda geregelten Sachverhalten zu treffen sind. Der Gesetzgeber ermächtigt die Selbstverwaltungsparteien in § 17c Absatz 2 Satz 1 2. Hs. KHG gar zu einer Abweichung von den Regelungen des SGB V. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber den Beteiligten, die sich auf Gleichordnungsebene gegenüberstehen, einen großen Spielraum in der eigenverantwortlichen Regelung ihrer Belange einräumt. Ausweislich des Gesetzeszweckes sollen die Beteiligten durch die PrüfvV möglichst früh, Klarheit über die gegenseitigen Ansprüche erhalten und Streitigkeiten möglichst einer frühzeitigen und endgültigen Klärung zugeführt werden. Diese Beschleunigungsmaxime würde konterkariert, wenn den Beteiligten das gerichtliche Verfahren offen stünde, um dieses Versäumnis nachzuholen (SG Duisburg, Urteil vom 08.10.2019 – S 60 KR 158/18 –, Rn. 31, juris).
41dd) Eine solche Auslegung der Vorschrift überschreitet weder die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage noch schränkt sie untergesetzlich die gerichtliche Amtsermittlung nach § 103 SGG unzulässig ein.
42(1) Die Regelung des § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 ist weiter in der Auslegung als materiell-rechtliche Ausschlussfrist und erst recht als bloß materielle Präklusionsregelung von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHG) gedeckt. Danach regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V. In der Vereinbarung sind abweichende Regelungen zu § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V möglich. Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über den Zeitpunkt der Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen; die §§ 275 bis 283 SGB V bleiben im Übrigen unberührt. Bereits der Wortlaut der Regelung des § 17c Abs. 2 KHG legt nahe, dass den Vertragsparteien ein gewisser Spielraum eingeräumt worden ist, welche Inhalte sie für regelungsbedürftig und -relevant halten, indem das "Nähere zum Prüfverfahren nach § 275c SGB V" geregelt werden kann. Die Gesetzesbegründung weist wie bereits ausgeführt darauf hin, dass die Benennung der zu vereinbarenden Regelungsinhalte in § 17c Abs 2 KHG nicht abschließend ist (BT-Drs 17/13947, S. 38). Außerdem nennt die Gesetzbegründung beispielhaft die Abwicklung von Rückforderungen (BT-Drs 17/13947, S. 38), was Regelungen zur Mitteilung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs umfasst. Es liegt im Interesse beider Beteiligten, in absehbarer Zeit Klarheit über etwaige Rückforderungsansprüche zu erhalten und eine zügige endgültige Abrechnung zu gewährleisten. Um die Einhaltung von Fristen durch die Vertragsparteien sicher zu stellen, können zur Überzeugung der Kammer Folgen von Fristversäumnissen vereinbart werden (SG Aachen, Urt. v. 07.07.2020 – S 14 KR 560/19 –, Rn. 63, juris; SG Dortmund, Urt. v. 25.05.2020 – S 48 KR 1115/17 –, Rn. 38, juris; SG Duisburg, Urt. v. 08.10.2019 – S 60 KR 158/18 –, Rn. 33, juris; SG Köln, Urt. v. 04.05.2016 – S 23 KN 108/15 KR –, Rn. 39; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.04.2018 – L 11 KR 936/17 –, Rn. 54, juris). Das Bundessozialgericht hat bereits in seinem Obiter dictum in der Rechtssache – B 1 KR 33/18 –, Rn. 16 für die „materiell-rechtliche“ Ausschlussfrist nach § 7 Absatz 2 PrüfvV 2014 eine „hinreichende Ermächtigung“ gesehen. In seinem Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 24/20 R –, juris, Rn. 33 hat es die Ermächtigung der Vertragsparteien bestätigt, an die Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten im Prüfverfahren Rechtsfolgen zu knüpfen, die auch die Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruches respektive des Erstattungsanspruchs betreffen.
43(2) Weiter ist zur Überzeugung der Kammer eine unzulässige Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 103 SGG durch die untergesetzlichen Vereinbarungen der Selbstverwaltungspartner nicht gegeben. Zunächst ist zu bemerken, dass Vergütungsstreitigkeiten im Gleichordnungsverhältnis ausgetragen werden. Der Gesetzgeber ermächtigt – wie bereits ausgeführt –, die Selbstverwaltungspartner gar zum Abweichen vom formellen Parlamentsgesetz und gesteht Ihnen damit eine hohe Autonomie an der eigenverantwortlichen Regelung ihrer Streitigkeiten zu. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird insbesondere die Beschleunigungsmaxime und die Vermeidung gerichtlicher Streitigkeiten akzentuiert. Dem sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Verfahrensbeschleunigung nicht fremd, wie z. B. § 106a Absatz 2 SGG zeigt. Die von den Vertragsparteien sowie vom Gesetzgeber beabsichtigte Beschleunigung des Verfahrens würde konterkariert, wenn der Krankenkasse die Möglichkeit eröffnet würde, Erstattungsansprüche erst im Gerichtsverfahren zu konkretisieren und einen abschließend beurteilten Behandlungsfall durch das Gericht erneut bewerten zu lassen (vgl. für die Nichtvorlage von Unterlagen nach § 7 Absatz 2 Satz 6 PrüfvV: SG Duisburg, Urteil vom 08.10.2019 – S 60 KR 158/18 –, juris und für § 8 Satz 4 PrüfvV die rechtskräftige Entscheidung des SG Duisburg vom 17.06.2020 – S 60 KR 566/19 –, Rn. 28, juris).
44b) Zur Überzeugung der Kammer bewirkt die Ausschlussfrist nach § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 nicht lediglich einen Ausschluss einzelfallbezogener Einwendungen, wenn nach Ablauf der neunmonatigen Frist keinerlei abschließende Leistungsentscheidung ergeht, sondern verhindert überdies, dass die wesentlichen Gründe der Leistungsentscheidung im gerichtlichen Verfahren ausgetauscht werden können (SG Dresden, Urt. v. 24.06.2020 – S 38 KR 219/18 –, juris, Rn. 28; SG Duisburg, Urt. v. 14.09.2021 – S 54 KR 1609/19 –). Selbst wenn man die Mitteilung der Klägerin vom 08.04.2016 so verstehen würde, dass die Klägerin sich die Gründe des MDK-Gutachtens zu eigen macht und den Erstattungsanspruch in der aus dem MDK-Gutachten ersichtlichen Höhe zu Grunde legen würde, so hat die Klägerin in der von ihr veranlassten Vollprüfung lediglich die Kodierbarkeit des OPS 5-039.38 und damit die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung beanstandet. Die Wirtschaftlichkeit der Behandlung hat sie indes bestätigt. Vorliegend streiten die Beteiligten in medizinischer Hinsicht indes nicht mehr darum, ob die Klägerin den OPS-Code 5-039.38 [Implantation oder Wechsel einer Neurostimulationselektrode zur Rückenmarksstimulation] dem Grunde nach kodieren durfte. Nach dem Gutachten des Dr. vom 02.08.2019 ist zwischen den Beteiligten die Kodierbarkeit des genannten OPS nicht mehr streitig. Es erfolgte erst im gerichtlichen Verfahren weit nach Ablauf der elfmonatigen Frist eine Beanstandung der Wirtschaftlichkeit der Leistung, die zur Überzeugung der Kammer durch § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 ausgeschlossen ist. Denn im von der Klägerin eingeleiteten Prüfverfahren wurde die medizinische Notwendigkeit für die stationäre Aufnahme sowie die Verweildauer explizit durch den Gutachter des MDK bestätigt, weshalb der Erstattungsanspruch der Klägerin nicht mehr darauf gestützt werden kann, dass die von der Beklagten durchgeführte epidural gepulste Radiofrequenzstimulation nicht dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht.
45Dies ergibt bereits die Wortlautauslegung. § 8 Satz 1 PrüfvV 2014 fordert von der Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Leistungsentscheidung und den „daraus folgenden Erstattungsanspruch“ mitzuteilen. Ein Austausch der wesentlichen Gründe wird in aller Regel den Erstattungsanspruch modifizieren, weshalb der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht mehr aus der abschließenden Leistungsentscheidung folgen wird. So führte etwa die ursprünglich beanstandete OPS-Kodierung zu einer Erstattungsforderung in Höhe der vorliegend streitgegenständlichen 1.023,92 €. Unter Berücksichtigung des Einwands der Klägerin die angewandte Methode der gepulsten Radiofrequenztherapie würde dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot widersprechen, würde der Vergütungsanspruch der Beklagten in Höhe von 2.965,57 € insgesamt entfallen. Es fehlt mithin an der Kongruenz zwischen Rechnungskürzungsgrund und Erstattungsanspruch, von der § 8 Satz 1 PrüfvV 2014 offensichtlich ausgeht. Überdies muss sich nach Satz 2 des § 8 aus den mitgeteilten Gründen ergeben, in welchem Umfang die Leistung nicht wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war. Dies steht ebenfalls einem Austausch der wesentlichen Gründe entgegen. Denn in diesem Fall wirkt sich die Änderung der Begründung in aller Regel auf den Umfang der Unwirtschaftlichkeit der Leistung bzw. Fehlerhaftigkeit der Abrechnung aus und modifiziert ebenfalls den Erstattungsanspruch.
46Weiter widerspricht die Möglichkeit eines Austausches wesentlicher Gründe dem Sinn und Zweck der Regelung. Denn die Vorschrift soll zum einen – im Sinne der Beschleunigungsmaxime – der PrüfvV 2014 den Beteiligten eine möglichst frühzeitige und endgültige Klärung ihrer gegenseitigen Ansprüche ermöglichen. Dies ist indes nur dann der Fall, wenn die abschließende Leistungsentscheidung tatsächlich eine endgültige Regelung des Vergütungsanspruches der Beteiligten trifft und Kürzungen oder Erhöhungen des Anspruches nicht auf weitere erst nach Durchführung des Prüfverfahrens geltend gemachte Gründe gestützt werden dürfen. Zum anderen ist das Krankenhaus erst dann in der Lage, die Erfolgsaussichten gerichtlicher Klärung abzuschätzen, wenn die abschließende Leistungsentscheidung die Gründe für die Kürzung des Vergütungsanspruches final benennt. Überdies wäre die durch die PrüfvV 2014 und das MDK-Reformgesetz bezweckte Entlastung der Sozialgerichte obsolet, wenn im Gerichtsverfahren wieder Aspekte neu thematisiert und zu diesen erneut ermittelt werden müsste, obschon diese nach Durchführung des Prüfverfahrens zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig waren. Wenn schon im Prüfverfahren nicht vorgelegte Unterlagen von der Verwertung im gerichtlichen Verfahren materiell präkludiert sind, so muss dies im Sinne eines a maiore ad minus Schluss erst Recht für das Nachschieben von Gründen im gerichtlichen Verfahren gelten.
47Darüber hinaus hat zur Überzeugung der Kammer § 8 PrüfvV 2014 eine Steuerungswirkung über den konkreten Abrechnungsfall hinaus, indem es das Krankenhaus möglichst frühzeitig in die Lage versetzen soll, mögliche Abrechnungsschwierigkeiten zu erkennen. Diesen kann es durch Änderung ihres Verhaltens etwa durch das zur Verfügung stellen weiterer Unterlagen, die Durchführung zusätzlicher Untersuchungen oder der Änderung der Dienstpläne Rechnung tragen. Persistierende Meinungsverschiedenheiten lassen sich durch eine präzise Mitteilung des Rechnungskürzungsgrundes frühzeitig austauschen und nicht etwa erst dann, wenn bereits eine Vielzahl von Verfahren bei den Sozialgerichten zu exakt der gleichen Fragestellung anhängig sind. So liegt der Fall auch hier: Hätte die Klägerin der Beklagten von Anfang an kommuniziert, dass sie die Methode der gepulsten Radiofrequenztherapie als nicht abrechnungsfähig betrachtet, hätte die Beklagte zur Vermeidung von Abrechnungsschwierigkeiten die Abrechnungsfähigkeit der Leistung mit der Klägerin klären können und ggf. die Anwendung der Methode bis zur Klärung zurückstellen können. So hätte eine (gerichtliche) Auseinandersetzung in einer Vielzahl von weiteren Behandlungsfällen vermieden werden können.
48Dieser Auslegung steht weiter nicht entgegen, dass das Verwaltungsverfahrensrecht nach § 41 Absatz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) das Nachschieben von Gründen im Verwaltungsverfahren zulässt. Denn ausweislich des ausdrücklichen Wortlautes der PrüfvV 2014 ist – wie oben ausgeführt – die Darlegung der wesentlichen Gründe gerade als zwingende Voraussetzung der abschließenden Leistungsentscheidung ausgestaltet, was einem Austausch der Gründe entgegensteht. Die vom Gesetzgeber beschleunigte Abwicklung von Vergütungsstreitigkeiten erfüllt die Mitteilung wesentlicher Gründe nur dann, wenn das Krankenhaus aus der Leistungsmitteilung erkennen kann, welche tragenden Erwägungen die Krankenkasse zur Rechnungskürzung veranlasst haben. Nur so kann sie – soweit im Rahmen der PrüfvV 2014 zulässig – den Konflikt durch weitere Angaben und ggf. weitere Informationen bereits außergerichtlich klären und die Erfolgsaussichten einer Klage abschätzen (vgl. die rechtskräftige Entscheidung des SG Duisburg vom 17.06.2020 – S 60 KR 566/19 –, Rn. 29, juris).
493. Vor diesem Hintergrund kann es offenbleiben, ob die durchgeführte gepulste Radiofrequenztherapie mittels Implantation einer Multifunktionselektrode dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V entsprach (a). Jedenfalls wies die ePRF zum Zeitpunkt der Behandlung der Versicherten im September 2015 zu Überzeugung der Kammer das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative im Sinne von § 137c Absatz 3 SGB V auf (b).
50a) Es bestehen Zweifel, ob die im Zeitpunkt des Eingriffs vorhandene Datenlage ausreichte, um die von der Beklagten angewandte Methode der ePRF als anerkannt zu qualifizieren.
51Festzustellen ist insoweit zunächst, dass die Vergabe einer OPS-Ziffer für die Annahme der erforderlichen Evidenz nicht genügt (SG Berlin, Urteil vom 07.02.2019 – S 72 KR 2402/13 –, juris, Rn. 53 mit Hinweis auf SG Detmold, Urteil vom 19.11.2017, S 3 KR 486/15; a.A. SG Berlin, Urteil vom 03.05.2017, S 111 KR 2403/13, n.v.). Der Vergabe einer OPS-Ziffer geht keine Bewertung von Nutzen und Schaden der Methode voraus.
52Zur erforderlichen Datenlage hat das BSG in seinem Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 17/17 R –, Rn. 14 ausgeführt, dass „das Qualitätsgebot grundsätzlich fordert, dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürworte und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode – die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist – zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein.“
53Diesbezüglich hat das SG Berlin in seinem Urteil vom 07.02.2019 – S 72 KR 2402/13 –, juris, Rn. 58 bis 59 für die im Behandlungsjahr 2012 durchgeführte epidurale gepulste Radiofrequenztherapie wie folgt ausgeführt:
54„Maßgeblich dürften demzufolge die ‚praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz‘ sein. Dies entspricht auch den Ausführungen in dem Informationsblatt des Gemeinsamen Bundesausschusses über verfahrenstechnische und methodische Anforderungen an die Bewertung einer Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Dort wird auf Seite 3 erläutert: ‚Der Nutzen einer Methode ist durch qualitativ angemessene Unterlagen zu belegen. Dies sollen, soweit möglich, Unterlagen der Evidenzstufe I mit patientenbezogenen Endpunkten (z.B. Mortalität, Morbidität, Lebensqualität) sein. Bei seltenen Erkrankungen, bei Methoden ohne vorhandene Alternative oder aus anderen Gründen kann es unmöglich oder unangemessen sein, Studien dieser Evidenzstufe durchzuführen oder zu fordern.‘
55Das Krankheitsbild der Versicherten dürfte unstreitig nicht als seltene Erkrankung einzustufen sein. Weiterhin dürfte schon angesichts der von der Klägerin selbst dargelegten Verkaufszahlen – seit 2005 seien weit über 20.000 Multifunktionselektroden verkauft worden – die Möglichkeit zur Durchführung wissenschaftlich einwandfreier Studien eines hohen Evidenzlevels bestehen und dürften solche Studien erwartet werden können. Dafür sprechen auch die von der Klägerin selbst vorgelegten bisherigen Forschungsergebnisse, in denen teilweise in den ermittelten Ergebnissen eine Rechtfertigung für eine kontrollierte Studie mit größerem Patientenkollektiv gesehen wird (vgl. die Bemerkungen zu Lindner R., Sluijter ME, Schleinzer, W., aufgeführt in der als Anlage K16 vorgelegten Evidenztabelle).
56Soweit sich die Klägerin unter Bezugnahme auf die von ihr eingereichte Evidenztabelle darauf beruft, es lägen Studien der Evidenzstufe I vor, ist festzustellen, dass sich hieraus nicht ohne weiteres entnehmen lässt, dass die Methode der pulsierten Radiofrequenz allgemein anerkannt wäre. So konnten die zitierten Studien teilweise gerade keine Wirksamkeit der gepulsten Radiofrequenztherapie feststellen (Studien von Erdine S, Ozyalcin NS, Cimen A, Celik M, Talu GK, Disci R. sowie von Kroll HR, Kim D, Danic MJ, Sankey SS, Gariwala M, Brown M). Teilweise wurden nur sehr geringe Fallzahlen umfasst, was eine nur sehr geringe Aussagekraft bedeutet (zwischen 18 und 60 Teilnehmern). Teilweise wurde festgestellt, dass eine Alternativmethode bessere Ergebnisse lieferte (so bei der Studie von Eyigor C, Eyigor S, Korkmaz OK, Uyar M). Schließlich betrifft, soweit ersichtlich, keine der von der Klägerin in Bezug genommenen Studien der Evidenzklasse I die im konkreten Behandlungsfall angewandte Methode der spinalen gepulsten Radiofrequenztherapie.“
57Auch aus der von dem Gutachter von Amts wegen Prof. Dr. in seinem Gutachten vom 28.07.2020 für das Behandlungsjahr 2015 erstellten Evidenztabelle ergibt sich der vom BSG geforderte Evidenzgrad nicht. Prof. Dr. führt zudem aus, dass nicht viele Level 1 Empfehlungen vorliegen. Soweit er auf die drei vom MDK begutachten Publikation von u. a. von Vigneri und Omar-Pasha verweist, hat er ausgeführt, dass sich aus diesen Studien „eigentlich fantastische Ergebnisse bei einer eigentlich minimalinvasiven Methodik“ ergeben würden, „die ja bei therapieresistenten Schmerzsyndromen durchgeführt wird, und die im Vergleich zu einer dauerhaften Stimulatorimplantation um das 20-fache kostengünstiger ist“. Den geforderten Evidenzgrad begründet dies nicht, was zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung unstreitig war.
58b) Zur Überzeugung der Kammer weist die ePRF indes das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative im Sinne der zum 23.07.2015 neugefassten Vorschrift des § 137c Absatz 3 SGB V auf. Nach dieser Vorschrift dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 SGB V getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, die Behandlungsalternative insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist.
59Zu dieser partiellen Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebotes hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 25/20 R –, Rn. 25 bis 42 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung wie folgt ausgeführt:
60„cc) Die partielle Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V durch § 137c Abs 3 SGB V folgt aus dem Wortlaut der Regelung sowie ihrer Entstehungsgeschichte und befindet sich im Einklang mit dem Regelungssystem des SGB V.
61(1) Nach dem Wortlaut der Regelung dürfen Krankenhäuser für Versicherte auch Leistungen erbringen, die nur das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative haben, das heißt Leistungen, deren Methoden noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankenhäuser dürfen die Potentialleistungen auch dann erbringen, wenn die Versicherten nicht an einer Erp-RL teilnehmen, ja sogar dann, wenn eine solche noch nicht existiert oder noch nicht einmal ein Bewertungsverfahren nach § 137c Abs 1 Satz 1 SGB V eingeleitet wurde.
62Der Entstehungsgeschichte des § 137c Abs 3 SGB V, die den Wortlaut der Norm unterstreicht, kommt für das Verständnis der Vorschrift zentrale Bedeutung zu. Seit Einfügung des § 137e SGB V durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) vom 22.12.2011 zum 1.1.2012 (BGBl I 2983) kann der GBA zur Überprüfung von Methoden, die nicht dem Qualitätsgebots entsprechen, aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative besitzen, Erp-RLn erlassen. Zugleich hat das GKV-VStG § 137c Abs 1 und 2 SGB V an die Möglichkeit, Erp-RLn erlassen zu können, textlich angepasst. Das BSG hat hierzu entschieden, dass dieser früheren Gesetzesfassung außerhalb der Teilnahme an Erp-RLn eine Einschränkung des Qualitätsgebots nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist (vgl BSG vom 21.3.2013 - B 3 KR 2/12 R - BSGE 113, 167 = SozR 4-2500 § 137c Nr 6, RdNr 22; BSG vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R - BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 19; BSG vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R - BSGE 125, 76 = SozR 4-5562 § 6 Nr 1, RdNr 21 ff; BSG vom 8.10.2019 - B 1 KR 4/19 R - SozR 4-2500 § 12 Nr 16 RdNr 15). Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung reagiert und mit dem GKV-VSG ab 23.7.2015 einen Abs 3 in § 137c SGB V eingefügt. Damit hat er hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei dieser Vorschrift um eine partielle Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) für den Bereich der Krankenhausbehandlung handelt. Im GKV-VSG-Entwurf der Bundesregierung wird zusammenfassend formuliert: ‚Im neuen Absatz 3 wird daher nun ausdrücklich geregelt, dass innovative Methoden, für die der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen einer nach § 39 erforderlichen Krankenhausbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden können‘ (BT-Drucks 18/4095 S 122). Auch der zuständige Ausschuss hat an dieser Begründung festgehalten (vgl BT-Drucks 18/5123 S 135).
63Die Gesetzesmaterialien gehen nicht nur davon aus, dass die Krankenhäuser Potentialleistungen erbringen ‚dürfen‘, sondern auch davon, dass mit diesem ‚Dürfen‘ ein Rechtsanspruch (§ 38 SGB I) der Versicherten auf solche Leistungen korrespondiert. Dies entspricht dem Regelungssystem und der Rechtsprechung des Senats zum Leistungsanspruch Versicherter. Welche Leistungen die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben, bemisst sich grundsätzlich nach dem Zusammenspiel von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht (stRspr; so ausdrücklich BSG vom 2.9.2014 - B 1 KR 3/13 R - BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 14 mwN). § 137c Abs 3 SGB V formt den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5, § 39 SGB V) näher aus und modifiziert bereichsspezifisch zugleich das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V.
64(2) Das Gesetz zur Errichtung des Implantateregisters Deutschland und zu weiteren Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Implantateregister-Errichtungsgesetz - EIRD) vom 12.12.2019 (BGBl I 2494) stellt das in § 39 Abs 1 Satz 1 und § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V nochmals ergänzend klar, ohne dass damit eine substantielle Änderung des Regelungsgehalts der Ausgangsfassung des § 137c Abs 3 SGB V verbunden wäre (vgl BT-Drucks 19/13589 S 64 und 65). Krankenhausbehandlung ‚umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten‘ (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB V idF des EIRD). Potentialleistungen ‚dürfen im Rahmen der Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden‘ (§ 137c Abs 3 Satz 1 SGB V idF des EIRD).
65[…]
66b) Der Potentialmaßstab des § 137c Abs 3 SGB V gilt für Leistungen, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten (dazu aa). Der Anwendungsbereich von Potentialleistungen ist zur Gewährleistung eines ausreichenden Patientenschutzes für den Fall einer noch nicht existierenden Erp-RL wegen des transitorischen, auf eine abschließende Klärung ausgerichteten Methodenbewertungsverfahrens eng auszulegen (dazu bb). Versicherte haben danach vor Erlass einer Erp-RL Anspruch auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, wenn es um innovative Methoden zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht, für die im Einzelfall keine andere Standardbehandlung verfügbar ist (dazu cc).
67aa) Ein auf § 137c SGB V gestützter Anspruch setzt voraus, dass die begehrte Leistung das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative iS des § 137c Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V bieten muss. Die daran zu stellenden Anforderungen hat der GBA in seiner Verfahrensordnung konkretisiert (2. Kap § 14 Abs 3 und 4 der Verfahrensordnung des GBA; s ferner BSG vom 18.12.2018 - B 1 KR 11/18 R - BSGE 127, 188 = SozR 4-2500 § 137e Nr 2, RdNr 32 f mwN; BSG vom 11.9.2019 - B 6 KA 17/18 R - SozR 4-2500 § 137e Nr 4 RdNr 69 f). Die dort festgeschriebenen Maßstäbe sind auch für die Auslegung des § 137c Abs 3 SGB V heranzuziehen.
68bb) Die gesetzlichen Reglungen zur Erprobung neuer Behandlungsmethoden ermöglichen den Versicherten die Teilhabe an medizinischen Innovationen, räumen dabei aber auch dem Patientenschutz einen breiten Raum ein (dazu 1). Diesem ist auch bei der Auslegung des § 137c Abs 3 SGB V angemessen Rechnung zu tragen (dazu 2).
69(1) Eine Erp-RL ist das Ergebnis eines strukturierten GBA-Bewertungsverfahrens. Davor besteht immer die Möglichkeit, dass der GBA rechtmäßig die Durchführung einer Erp-RL ablehnt, weil die neue Methode doch kein hinreichendes Potential aufweist. Erst die auf dem Bewertungsverfahren aufbauende Erp-RL steckt evidenzbasiert den Rahmen ab, innerhalb dessen zu erwarten ist, dass in dem sich anschließenden Erprobungsverfahren weitere medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse generiert werden können. Der Patientenschutz wird während der Erprobungsverfahren noch weiter verstärkt. Denn an Erprobungsverfahren werden besondere personelle, sachliche und sonstige qualitätssichernde Anforderungen gestellt (§ 137e Abs 2 Satz 1 und 2 SGB V), die den daran teilnehmenden Versicherten ein ‚geschütztes Setting‘ einschließlich einer wissenschaftlichen Begleitung bieten. Dies eröffnet einerseits im Hinblick auf das Ziel, neue Erkenntnisse zu gewinnen, erweiterte therapeutische Handlungsspielräume. Andererseits besteht auch die Möglichkeit bei sich abzeichnenden Gefährdungen schnell zu intervenieren, etwa wenn Komplikationen bei einzelnen Teilnehmern auftreten, die dann umgehend bei den anderen Teilnehmern Berücksichtigung finden können.
70Dies trifft auf Behandlungen, die nicht dem allgemeinen Qualitätsgebot entsprechen, dann nicht zu, wenn es - wie hier - mangels einer Erp-RL schon an konkreten Vorgaben des GBA für einen auf gesicherten und unabhängig bewerteten Erkenntnissen beruhenden Potentialbereich einer Methode fehlt. Es fehlt damit auch an einem zeitnah einzuleitenden Erprobungsverfahren und ist nicht absehbar, ob und wann ein solches eingeleitet werden wird. Es gibt in diesen Fällen keine (vorläufigen) Erkenntnisse aus einem Erprobungsverfahren, die allgemein kommuniziert werden können.
71(2) Der Gesetzgeber hat in § 137c SGB V sächliche, personelle und sonstige Anforderungen an die Erbringung von Potentialleistungen nicht vorgegeben. Er hat jedoch kompensatorisch mit dem GBA-Verfahren eine institutionelle Absicherung der Erprobung einer Methode mit Potential vorgesehen, die er als normativen Regelfall versteht. Diese kompensatorische Absicherung weist die Richtung auch für die Zeit vor Erlass einer Erp-RL. Auch insofern kann auf Qualitätsanforderungen nicht weitgehend verzichtet werden.
72Dem Potentialmaßstab kommt zudem hinsichtlich einer neuen Methode nur eine zeitlich begrenzte Bedeutung zu. Potentialleistungen haben im Hinblick auf die im Gesetz angelegte Klärung einer endgültigen Etablierung oder aber eines Ausschlusses aus der Versorgung zu Lasten der GKV transitorischen Charakter. Die Formulierungen in § 137c Abs 3 SGB V ‚bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen‘, ‚Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde‘ und ‚Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist‘ machen deutlich, dass der Gesetzgeber auch in Absatz 3 von einer grundsätzlich zu treffenden Entscheidung des GBA über die Wirksamkeit der jeweils neuen Methode ausgeht (iE ebenso Wahl in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 39 RdNr 109; Propp in BeckOK Sozialrecht, § 137c SGB V RdNr 33, Stand 1.3.2021). Auch Potentialleistungen sind in ein strukturiertes System der Qualitätssicherung eingebettet, das im Regelfall auf eine Entscheidung des GBA über die Wirksamkeit neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ausgerichtet ist. § 137c Abs 1 Satz 4 SGB V stellt zudem ausdrücklich auf das allgemeine Qualitätsgebot als Prüfmaßstab für die Aufnahme der erprobten neuen Methode in den GKV-Leistungskatalog ab. Während allerdings für zwei von drei Fallgruppen die abschließende Entscheidung des GBA zwingend vorgegeben ist, nämlich dann, wenn ein Bewertungsverfahren - wie hier - bereits eingeleitet (Fallgruppe 1) oder eine Erp-RL sogar schon beschlossen wurde (Fallgruppe 2), fehlt es für eine dritte Fallgruppe an ausdrücklichen Sicherheitsvorkehrungen oder auch nur einem strukturierten Verfahren, das auf eine abschließende Bewertung der Potentialmethode hinauslaufen könnte. Auch in der Fallgruppe 1 fehlt es bis zum Erlass einer Erp-RL geraume Zeit an den oben benannten Sicherungen. Gerade das Bewertungsverfahren der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems zeigt anschaulich die erhebliche Zeitspanne, die verstreichen kann, bis es überhaupt zum Erlass einer Erp-RL kommt.
73Es gibt jedoch keinen sachlichen Grund anzunehmen, vor Erlass einer Erp-RL bei bestimmten, als Potentialleistungen bezeichneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf angemessene Maßnahmen zum Schutz der Versicherten zu verzichten.
74Dies ergibt sich mit hinreichender Klarheit auch aus der Begründung des GKV-VSG-Entwurfs zu § 137c SGB V (BT-Drucks 18/4095 S 121): ‚Der Gemeinsame Bundesauschuss ist in einem solchen Fall
Die Gesetzesbegründung beschreibt sehr deutlich die Unsicherheit über die Eignung der noch zu überprüfenden Methode. In welcher Weise das allgemeine Qualitätsgebot im Spannungsfeld von innovativen, aber noch nicht gesicherten Methoden und Patientenschutz zu konkretisieren ist, bleibt aber auch nach der Gesetzesbegründung offen. Der Umstand, dass eine Methode mit Potential zu Lasten der GKV ‚angewandt werden kann‘, bedeutet noch nicht, dass sie - die Standardmethoden gleichsam beiseite schiebend - jederzeit angewandt werden darf. Dem steht auch entgegen, dass der Gesundheitsausschuss die in § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V Gesetz gewordene Formulierung empfohlen hat, dass die Anwendung der Methode mit Potential nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen, sie insbesondere medizinisch indiziert und notwendig sein muss. Diese Regelung hat nicht nur haftungsrechtliche Bedeutung, sondern soll auch der Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung entsprechend § 12 Abs 1 SGB V dienen (zum Ganzen vgl BT-Drucks 18/5123 S 135).“
76Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an. Die Kammer entnimmt der Entscheidung insbesondere, dass Potenzialleistungen nach Ansicht des BSG grundsätzlich im „geschützten Setting“ einer Erprobungsrichtlinie des G-BA erbracht werden sollen, die für die vorliegende gepulste epidurale Frequenztherapie nicht existiert. Dies soll sowohl dem Patientenschutz dienen, als auch die Wirtschaftlichkeit der Behandlung sicherstellen. Aus der Entscheidung ergibt sich zur Überzeugung der Kammer indes, dass Potenzialleistungen vor dem Hintergrund der Innovationsförderung und um Patienten am medizinischen Fortschritt teilhaben zu lassen, auch außerhalb einer Erprobungsrichtlinie erbracht werden können, was vor dem Hintergrund des Patientenschutzes und dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot allerdings nur in engen Grenzen zulässig sein soll.
77Diesbezüglich hat das BSG in seinem Urteil vom 25.03.2021 – B 1 KR 25/20 R –, juris Rn. 40 bis 43 wie folgt ausgeführt:
78„cc) Im Widerstreit zwischen Innovation und Patientenschutz ist bei fehlenden kompensatorischen Sicherungen in Gestalt des GBA-Verfahrens dem Patientenschutz Vorrang einzuräumen. Potentialleistungen dürfen demnach vor Erlass einer Erp-RL nur dann angewendet werden, wenn die Abwägung von Chancen und Risiken zugunsten der Potentialleistung ausfällt. Dies ist dann der Fall, wenn im einzelnen Behandlungsfall eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt (vgl zu den Anforderungen hieran BSG vom 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R - BSGE 89, 184, 191 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36, dort zum Off-Label-Use), für die nach dem jeweiligen Behandlungsziel eine Standardtherapie nicht oder nicht mehr verfügbar ist.
79Der Gesetzgeber selbst hat in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht, dass die Regelung vordringlich für schwerer erkrankte Versicherte mit einem besonderen Bedarf an innovativen Behandlungsalternativen gedacht ist (vgl BT-Drucks 18/4095 S 121).
80Nach dem Wortlaut des § 137c SGB V muss es sich zudem bei der neuen Methode um eine ‚erforderliche‘ Behandlungsalternative handeln. An dieser ‚Erforderlichkeit‘ fehlt es, solange eine Standardtherapie zur Verfügung steht und Risiken existieren, die sich aus dem Einsatz innovativer Methoden (nur) mit dem Potential, nicht aber mit der Gewissheit einer erforderlichen Behandlungsalternative für die Patienten ergeben können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie nicht hinreichend durch eine vorläufige Einschätzung des GBA sowie durch besondere Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität abgesichert sind. Eine andere Standardtherapie ist dann nicht verfügbar, wenn alle in Betracht kommenden Standardbehandlungen kontraindiziert sind oder sich als unwirksam erwiesen haben. § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V verlangt, dass die Potentialleistungen medizinisch indiziert und notwendig sein müssen. Das damit insgesamt angesprochene Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V erfordert bei mehreren zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen, den Weg des gesicherten Nutzens zu wählen. Das Individualinteresse der Versicherten an einer wirkungsvollen und qualitätsgesicherten Behandlung und an einem Schutz vor vermeidbaren Gesundheitsgefahren korrespondiert insofern mit dem öffentlichen Interesse an einem verantwortungsvollen Umgang mit den beschränkten Mitteln der Beitragszahler (vgl Hauck in Festschrift für Wolfhard Kothe, 2016, 577, 592; vgl auch BVerfG vom 16.7.2004 - 1 BvR 1127/01 - SozR 4-2500 § 135 Nr 2 = juris RdNr 25; Quaas in Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 4. Aufl 2018, § 9 RdNr 22).“
81Zunächst ist festzustellen, dass das Bundessozialgericht – anders als die Klägerin meint und dies im Terminsbericht zur oben genannten Entscheidung noch ersichtlich war – die Erbringung von Potenzialleistungen zur Überzeugung der Kammer nicht auf Versicherte beschränkt, die an einer lebensbedrohlich oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung erkrankt sind. Diese Formulierung findet sich in den Entscheidungsgründen nicht mehr. Zwar findet sich in Rn. 40 ein Verweis auf die Rechtsprechung zum Off-Label-Use, auf den die Klägerin ausdrücklich hingewiesen hat. Zur Überzeugung der Kammer lässt sich eine solche erhebliche Einschränkung des Kreises der Versicherten, die im Sinne der Innovationsförderung an Potenzialleistungen teilhaben dürfen, den Entscheidungsgründen indes nicht entnehmen. Von innovativen Behandlungsmethoden sollen ausdrücklich auch „schwerer erkrankte Versicherte“ bzw. Versicherte mit einer „schwerwiegenden Erkrankung“ profitieren dürfen. Für diese Annahme spricht im Übrigen, dass der Entscheidung eine Liposuktionsbehandlung zu Grunde lag. An einem Lipödem erkrankte Versicherte dürften zur Überzeugung der Kammer nicht an einer lebensbedrohlichen Erkrankung und in aller Regel auch nicht um eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung leiden. Der Sachverständige Prof. hat in seinem Gutachten vom 28.07.2020 nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass es sich bei den chronischen Schmerzen im Ausprägungsgrad wie bei der Versicherten seiner Ansicht nach um eine einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung vergleichbare Krankheit handelt. Jedenfalls stellen zur Überzeugung der Kammer die chronischen Schmerzen der Versicherten eine schwerwiegende Erkrankung im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dar. Die Versicherte hat bei ihrer Aufnahme anamnestisch permanente intensive lumbale Schmerzen beidseits mit noch weiterer Zunahme beim Gehen angegeben. Das Gehen der Versicherten war schmerzbedingt deutlich eingeschränkt und mit Rollator nur über kurze Strecken möglich und nach unter 50 Metern mit einer Pause zu verbinden, weshalb die Kammer bei der Versicherten im August/September 2015 – ebenso wie der Gutachter – von einer die Lebensqualität der Versicherten auf Dauer nachteilig beeinträchtigenden Erkrankung ausgeht.
82Zur Überzeugung der Kammer war die Behandlung zudem erforderlich im Sinne der oben genannten BSG-Rechtsprechung. Zwar hat die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass es an der „Erforderlichkeit“ der innovativen Behandlungsmethode fehle, solange eine Standardtherapie zur Verfügung steht und Risiken existieren, die sich aus dem Einsatz innovativer Methoden (nur) mit dem Potential, nicht aber mit der Gewissheit einer erforderlichen Behandlungsalternative für die Patienten ergeben können. Vorliegend hat die Versicherte indes – ausweislich des Entlassberichtes vom 14.08.2015 – bereits im Oktober 2014 und im Dezember 2014 stationäre Schmerztherapien mit Facettengelenkinfiltrationen mit mäßigen Erfolg durchgeführt, die im August 2015 erneut versucht wurden, ebenso wie eine Beeinflussung der chronischen Schmerzen mit Schmerzinfusionen. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. hat die zunächst durchgeführte analgetische Therapie der Schmerzen, die auf eine osteoporotische Sinterungsfraktur des LWK 3 zurückzuführen sind, bei der Versicherten zu massiven Nebenwirkungen geführt. Im Zusammenhang mit den Nebenerkrankungen der Versicherten wie Diabetes und Hypertonus habe diese Therapie nicht dauerhaft hochdosiert nebenwirkungsfrei durchführt werden können. Zur Überzeugung der Kammer waren aus diesem Grund bei der Versicherten im August/September 2015 keine anderen Standardtherapien mehr verfügbar, da diese sich als unwirksam erwiesen hatten. Der Gutachter Prof hat für die Kammer überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass die behandelnden Ärzte sich dem chronischen Schmerzbild der Versicherten zunächst durch weniger invasive Methoden wie die PRT und die Facetteninfiltration genähert haben und erst als diese sich als nicht nachhaltig erfolgsversprechend erwiesen hatten, die streitgegenständliche ePRF-Therapie angewandt haben. In der Gesamtschau der von dem Gutachter referierten Publikationen hat sich im Behandlungsfall der Versicherten vom 17.08.2015 bis 11.09.2015 bei der durchgeführten ePRF-Therapie um eine sinnvolle, wirksame, risikoarme und wirtschaftliche (im Vergleich zu den Alternativen der Neuromodulation) Behandlung gehandelt. Zur Überzeugung der Kammer fällt vorliegend die Abwägung des Individualinteresses der Versicherten an einer wirkungsvollen und qualitätsgesicherten Behandlung und an einem Schutz vor vermeidbaren Gesundheitsgefahren sowie dem öffentlichen Interesse an einem verantwortungsvollen Umgang mit den beschränkten Mitteln der Beitragszahler zu Gunsten des Individualinteresses der Versicherten aus.
83Im Hinblick auf die substantiierten diesbezüglichen Äußerungen des Sachverständigen konnte die Klägerin das zur Verfügung stehen einer Standardtherapie nicht mehr ohne substantiierte, auf Mutmaßungen beruhende Behandlungsalternativen bestreiten. Insbesondere der Hinweis der Klägerin auf die medizinische Indikation einer multimodalen Schmerztherapie geht zur Überzeugung der Kammer ins Leere gehen, da diese eine psychische zumindest Mitverursachung der Schmerzen voraussetzt, für die es bei der Versicherten keine Anhaltspunkte geben hat, ebenso wie die Mutmaßungen der Klägerin zur Verursachung der Schmerzen durch Übergewicht. Der Gutachter Prof. Dr. hat in seinem Gutachten vom 28.07.2020 ausdrücklich die Sinterungsfraktur im LWK 3 als Ursache der chronischen Schmerzen herausgestellt, die sich nicht durch eine Gewichtsabnahme beseitigen lassen dürfte.
844. Weiter steht anders als die Beklagte meint, dem Vergütungsanspruch der Beklagten kein Aufklärungsmangel entgegen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 19. 03.2020 – B 1 KR 20/19 R –, juris, Rn. 35 zu den Aufklärungspflichten der Krankenhäuser wie folgt ausgeführt:
85„Die ordnungsgemäße Aufklärung über Chancen und Risiken hat in erster Linie Bedeutung im zivilrechtlichen Haftungsrecht (vgl jetzt § 630c Abs 2 Satz 1, § 630d und § 630e BGB, jeweils in der seit 26.2.2013 geltenden Fassung durch Art 1 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013, BGBl I 277). Im Recht der GKV dient sie aber auch der Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V) und hat insofern Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Krankenhauses. Das Wirtschaftlichkeitsgebot erfordert, dass der Versicherte die Entscheidung für die Inanspruchnahme der Leistung auf der Grundlage von ausreichenden Informationen trifft. Die Aufklärung muss dem Versicherten die Spanne denkbarer Entscheidungen aufzeigen, sodass ihm Für und Wider der Behandlung bewusst sind und er Chancen und Risiken der jeweiligen Behandlung selbstbestimmt abwägen kann. Denn im Sachleistungssystem entscheidet letztlich der Versicherte, ob er die ihm ärztlich angebotene, medizinisch notwendige Leistung abruft. Von einer ordnungsgemäßen Aufklärung kann bei objektiv medizinisch erforderlichen Behandlungen im Sinne einer widerlegbaren Vermutung regelmäßig ausgegangen werden. Das gilt jedoch nicht, wenn mit der in Rede stehenden Behandlung ein hohes Risiko schwerwiegender Schäden, insbesondere eine hohes Mortalitätsrisiko verbunden ist. In diesen Situationen ist regelmäßig nicht auszuschließen, dass der Versicherte bei ordnungsgemäßer Aufklärung von dem Eingriff Abstand genommen hätte (Fortentwicklung von BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 1 KR 3/19 R - RdNr 32, und BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 1 KR 4/19 R - RdNr 32).“
86Dem schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. handelt es sich bei der Methode der epiduralen gepulsten Radiofrequenztherapie um eine risikoarme und minimalinvasive Behandlungsmethode. Zur Überzeugung der Kammer wird die ordnungsgemäße Aufklärung der Versicherten vermutet. Die Klägerin hat trotz Einräumung einer mehrmonatigen diesbezüglichen Stellungnahmefrist in keiner Weise substantiiert, aus welchen Gründen sie die vermutete ordnungsgemäße Aufklärung im vorliegenden Behandlungsfall widerlegt sieht. Gerade vor dem Hintergrund der erheblichen und nachhaltigen Beeinträchtigung der Versicherten durch ihre Erkrankung durch permanente intensive lumbale Schmerzen, die auch ihr Gehen deutlich einschränken, ist es zur Überzeugung der Kammer fernliegend, dass die Versicherte – nachdem sie bereits drei Mal Facettengelenkinfiltrationen versucht hatte – auf die risikoarme, minimalinvasive, wenn auch innovative und in ihrer Wirksamkeit noch nicht eindeutig belegte Methode der epiduralen gepulsten Radiofrequenztherapie verzichtet hätte. Zumal als Alternative nach den überzeugenden und für die Kammer nachvollziehbaren Ausführungen des Prof. Dr. nur noch die mit einem höherem Risiko verbundene Rückenmarkstimulation in Betracht gekommen wäre, die auch weniger Aussicht auf Langzeiterfolg geboten hätte und zudem etwa 20-Mal so teuer gewesen wäre.
875. Die unbegründete Klage war abzuweisen.
88III. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 197a Abs. 1 SGG, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer hat ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass der Klägerin die Kosten für die Vergütung des Sachverständigen vollständig auferlegt werden und eine Übernahme der Kosten durch die Staatskasse nicht zu veranlassen ist. Die Sachverständigenkosten werden von den Beteiligten in Verfahren iSd § 197a SGG nach § 3 Abs. 2 GKG iVm Nr. 9005 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) und §§ 8 ff JVEG erhoben. Maßgebend ist, welche Beträge das Gericht an den Sachverständigen zahlen muss bzw. musste (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Februar 2016 – L 5 KR 269/15 B –, Rn. 10, juris). Zwar hat die Kammer ihre Entscheidung – worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat – maßgeblich auf eine Rechtsfrage gestützt. Die getätigten medizinischen Ermittlungen waren jedoch vollumfänglich durch den ausführlichen Prozessvortrag der Klägerin unter Vorlage der 49 Seiten umfassenden Stellungnahme des MDK SEG 7 zum Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot veranlasst. Im Falle der Akzeptanz des Gutachtens durch die Klägerin oder im Falle eines anderen Ausgangs des Gutachtens durch ein Anerkenntnis der Beklagten wäre Rechtsfrieden bereits durch eine unstreitige Erledigung des Rechtsstreites eingetreten und es hätte keiner Entscheidung der Rechtsfrage bedurft.
89IV. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 GKG festgesetzt, wobei sich der geltend gemachte Zinsanspruch gemäß § 43 GKG nicht streitwerterhöhend auswirkt.
90Rechtsmittelbelehrung
91Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
92Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
93Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
94schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
95Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
96Sozialgericht Duisburg, Mülheimer Straße 54, 47057 Duisburg
97schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
98Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
99Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
100- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
101- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
102Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
103Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
104Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Duisburg schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
105Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
106Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- §§ 275 bis 283 SGB V 9x (nicht zugeordnet)
- § 108 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 103 1x
- § 137e SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 137c SGB V 4x (nicht zugeordnet)
- § 38 SGB I 1x (nicht zugeordnet)
- § 39 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 43 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 Satz 1 PrüfvV 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Absatz 2 PrüfvV 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 Satz 4 PrüfvV 1x (nicht zugeordnet)
- KHG § 17c Prüfung der Abrechnung von Pflegesätzen, Schlichtungsausschuss 1x
- § 7 Absatz 2 Satz 6 PrüfvV 1x (nicht zugeordnet)
- § 137c Abs 3 SGB V 7x (nicht zugeordnet)
- § 137c Abs 1 Satz 1 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 137c Abs 1 und 2 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V 2x (nicht zugeordnet)
- § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V 3x (nicht zugeordnet)
- § 137c Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 137c Abs 1 Satz 4 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 197a 1x
- VwGO § 154 1x
- § 63 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 25/20 3x (nicht zugeordnet)
- 17 KR 1557/18 1x (nicht zugeordnet)
- 11 KR 629/16 1x (nicht zugeordnet)
- 72 KR 2402/13 3x (nicht zugeordnet)
- 38 KR 3050/16 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 20/19 2x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 24/20 2x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 27/13 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 24/16 2x (nicht zugeordnet)
- 16 KR 505/17 3x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 43/20 1x (nicht zugeordnet)
- 60 KR 566/19 3x (nicht zugeordnet)
- 14 KR 560/19 3x (nicht zugeordnet)
- 54 KR 1609/19 2x (nicht zugeordnet)
- 38 KR 219/18 3x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 34/20 4x (nicht zugeordnet)
- 5 KR 13/19 1x (nicht zugeordnet)
- 23 KN 108/15 2x (nicht zugeordnet)
- 40 KR 445/15 1x (nicht zugeordnet)
- 60 KR 158/18 3x (nicht zugeordnet)
- 48 KR 1115/17 1x (nicht zugeordnet)
- 11 KR 936/17 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 33/18 1x (nicht zugeordnet)
- 3 KR 486/15 1x (nicht zugeordnet)
- 111 KR 2403/13 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 17/17 2x (nicht zugeordnet)
- 3 KR 2/12 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 70/12 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 4/19 2x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 3/13 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 11/18 1x (nicht zugeordnet)
- 6 KA 17/18 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 37/00 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1127/01 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 3/19 1x (nicht zugeordnet)
- 5 KR 269/15 1x (nicht zugeordnet)