Urteil vom Sozialgericht Düsseldorf - S 33 KA 625/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Löschung von Daten bzw. zur Entfernung von Bestandteilen der beim Beklagten über ihn geführten Akten.
3Der Kläger war seit 1995 in E als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit hat der Berufungsausschuss mit seit Oktober 2014 bestandskräftigem Bescheid vom 25.10.2012 die Zulassung entzogen. In den Jahren 2011 und 2012 hatte sich der Kläger mehrfach in anderen KV-Bezirken, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Oberfranken und Karlsruhe, erfolglos um Zulassungen bemüht. Im Rahmen der entsprechenden Verfahren hatte der Beklagte die ihm vorliegenden Akten den auswärtigen Zulassungsgremien zur Verfügung gestellt. Die Akten des Beklagten enthalten unter anderem Informationen aus mehreren Strafverfahren sowie aus Verfahren über die Anordnung des Ruhens der Approbation und Entscheidungen des Zulassungs- und des Berufungsausschusses aus den Jahren ab 2000, in denen unter anderem festgehalten ist, dass der Kläger nach Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein mehrfach bzw. kontinuierlich seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt habe.
4Der Kläger ist der Auffassung, Akten über Sachverhalte, die mehr als zehn Jahre zurück lägen, dürften innerhalb der vertragsärztlichen Institutionen nicht weiter gegeben werden. Auch für Ärzte dürfe die Aktenführung und Weitergabe von Akten nicht über die in anderen Lebensbereichen üblichen Bestimmungen hinausgehen, wie z. B. im Führerscheinrecht, hinsichtlich des polizeilichen Führungszeugnisses oder bei der Schufa. Auch für ärztliche Befunde gelte eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren. Die Gefahr einer Weiterleitung nicht mehr aktueller Vorwürfe sei die einer Vorverurteilung oder die Fällung eines Pauschalurteils bis hin zu einer üblen Nachrede oder einer falschen Verdächtigung. Eine Bewährungsstrafe und eine kriminelle Energie hätten beim Kläger, trotz gelegentlicher kleinerer strafrechtlicher Verfehlungen, zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Insbesondere habe in mehr als 20 Jahren vertragsärztlicher Tätigkeit keine Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vorgelegen. Eine Weitergabe von negativen Merkmalen durch die öffentlich-rechtliche Behörde Kassenärztliche Vereinigung sei im Falle einer Änderung der Zulassung nach zehn Jahren unzulässig. Das gleiche gelte für den Zulassungsausschuss, der negative Merkmale aus einem Zeitraum länger als zehn Jahre nicht berücksichtigen dürfe.
5Der Kläger, der zunächst schriftsätzlich die Feststellung begehrt hatte, dass es dem Beklagten nicht erlaubt sei, persönliche Daten älter als zehn Jahre an andere gleichartige Institutionen des öffentlichen Rechts weiter zu geben, beantragt nunmehr,
6den Beklagten zu verpflichten, Daten aus berufsrechtlich relevanten Verfahren, die nicht unmittelbar mit der Ausübung des ärztlichen Berufs in Zusammenhang stehen, in Fällen ohne Gerichtsverhandlung nach vier Jahren und in Fällen mit Gerichtsverhandlung nach zehn Jahren zu löschen.
7Der Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Der Beklagte macht geltend, die vom Kläger zunächst erhobene Feststellungsklage sei unzulässig, da der Kläger die Klärung abstrakter Rechtsfragen begehre. Im Übrigen sei die Verwertung von Tatsachen aus rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zulässig und unterliege keinen Einschränkungen. Das gleiche gelte für die Feststellungen der Bezirksregierung in Verfahren über den Widerruf der Approbation.
10Wegen weiterer Einzelheiten der Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auf eine isolierte Leistungsklage umgestellte Klage ist nach Auffassung der Kammer bereits unzulässig. Die Entscheidung über die Löschung von Daten stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar, weshalb im Klageverfahren nicht die allgemeine Leistungsklage statthaft ist, sondern eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, § 84 Rd Nr 9; BSG Urteil vom 21.03.2006 – B 2 U 24/04 R -). Dass der Kläger einen entsprechenden Antrag an den Beklagten gerichtet und dieser hierüber entschieden hätte, ist jedoch nicht ersichtlich, sodass es an einem abgeschlossenen Verwaltungs- und Vorverfahren als notwendiger Prozessvoraussetzung fehlt. Ob die ursprünglich formulierte Feststellungsklage zulässig gewesen wäre, kann dahin gestellt bleiben, nachdem der Kläger trotz entsprechender Hinweise auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage auf der Stellung des in der mündlichen Verhandlung formulierten Antrages bestanden hat.
13Selbst wenn man aber die allgemeine Leistungsklage als zulässig erachten würde, wäre diese darüber hinaus auch unbegründet, da das Begehren des Klägers – unabhängig davon, ob von einem hinreichend bestimmten Antrag auszugehen ist – einer rechtlichen Grundlage entbehrt. Weder die für die Aktenführung des Beklagten in erster Linie maßgebliche Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) noch das SGB X oder das Datenschutzgesetz NRW enthalten Regelungen, die in Abhängigkeit vom Ablauf bestimmter Fristen einen Anspruch auf Löschung von Daten vorsehen. § 43 Ärzte-ZV schreibt allein vor, dass die Akten des Zulassungsausschusses fünf Jahre und Niederschriften und Urschriften von Beschlüsse zwanzig Jahre aufzubewahren sind. Die Begründung von Mindestaufbewahrungsfristen ist indes nicht gleichzusetzen mit einer Verpflichtung zur Löschung von Daten bzw. Vernichtung von Akten nach Ablauf der festgelegten Aufbewahrungsfristen. Auch § 84 SGB X sowie § 19 Datenschutzgesetz NRW enthalten keine Regelung, nach der Daten oder Aktenbestandteile nach Ablauf konkreter Fristen – jedenfalls auf Antrag – zu löschen wären. Beiden Vorschriften ist allein der Rechtssatz zu entnehmen, dass Daten dann zu löschen sind, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Insoweit ist hier indes zu berücksichtigen, dass die Zulassungsgremien jederzeit in der Lage sein müssen, das Vorliegen bzw. Fortbestehen der Zulassungsvoraussetzungen, namentlich der Geeignetheit des Vertragsarztes, zu überprüfen, wobei sie auf die möglichst umfassende Kenntnis aller relevanter Umstände angewiesen sind. Ein Rechtssatz, dass einzelne Informationen nach Ablauf bestimmter Fristen für diese Beurteilung keine Relevanz mehr haben, existiert dabei nicht. Ob und welche rechtlich vertretbaren Schlüsse aus länger zurück liegenden Sachverhalten insbesondere hinsichtlich der Geeignetheit des Vertragsarztes gezogen werden können, ist vielmehr in Abhängigkeit von den konkreten Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und daher Gegenstand des jeweiligen, die Zulassung betreffenden Verfahrens.
14Auch die dem vom Kläger formulierten Antrag zu Grunde liegenden Vorschrift des § 58 a Heilberufsgesetz NRW, nach der Akten über berufsrechtliche Maßnahmen, die nicht zu einem berufsgerichtlichen Verfahren geführt hat, drei Jahre nach Bestandskraft der Entscheidung und in berufsgerichtlichen Verfahren zehn Jahre nach Rechtskraft der Entscheidung aufzubewahren und anschließend zu vernichten sind, vermag den geltend gemachten Anspruch des Klägers nicht zu begründen. Die Regelung bezieht sich allein auf die Verfahren zur Ahndung berufsrechtswidrigen Verhaltens von Angehörigen der Kammern für Heilberufe. Es handelt sich um eine spezialgesetzliche Regelung, die keine Allgemeingültigkeit beansprucht und nicht auf andere Rechtsbereiche übertragen werden kann. Entsprechendes gilt auch für die weiteren vom Kläger herangezogenen Rechtsbereiche. Vorschriften über die Aufbewahrung ärztlicher Befunde, über Eintragungen in polizeiliche Führungszeugnisse oder bei der Schufa sowie im Führerscheinrecht stehen in völlig anderen Regelungszusammenhängen und haben für die Aufbewahrung von Akten der Zulassungsgremien keinerlei Relevanz.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO. Ein Anlass, dem Kläger gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen aufzugeben, hat nicht bestanden, da diese nicht erfolgreich Anträge gestellt oder sonst wesentlich zur Förderung des Verfahrens beigetragen haben.
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Referenzen
- § 31 SGB X 1x (nicht zugeordnet)
- § 84 SGB X 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 43 Ärzte-ZV 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 197a 1x
- 2 U 24/04 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x