Beschluss vom Sozialgericht Hildesheim (42. Kammer) - S 42 AY 157/10 ER

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 18. September 2010 wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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Der nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner des Inhalts, diesen einstweilen zu verpflichten, der 1952 in Syrien geborenen, derzeit mangels Pass-/ Passersatzpapieren von der als Ausländerbehörde zuständigen Stadt D. geduldeten Antragstellerin kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens, die wohl zu Beginn des Jahres 2005 in die Bundesrepublik ohne Identitätsnachweis zum Zwecke der Beantragung von Asyl mit der Begründung eingereist ist, sie sei staatenlose Kurdin (ihr Asylantrag blieb erfolglos, vgl. Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12.05.2005), und derzeit nach § 1a Nr. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nur eingeschränkte Grundleistungen bezieht sowie gemeinsam mit ihren beiden Söhnen E. und F. in einer 2 Zimmer sowie Küche, Bad und Flur umfassenden Wohnung im Untergeschoss der Notunterkunft für Obdachlose der Stadt D. in der G. in D. kostenfrei untergebracht ist (vgl. dazu die die Leistungsgewährung bestätigenden Beschlüsse der 39. Kammer des erkennenden Gerichtes vom 13.08.2009 - S 39 AY 143/09 ER - und vom 10.06.2010 - S 39 AY 33/10 ER -; die Beschwerde des Antragsgegners gegen diesen Beschluss ist, soweit er dem Antrag des Sohnes der Antragstellerin, H., stattgegeben hat, derzeit beim LSG Niedersachsen-Bremen unter dem Aktenzeichen L 8 AY 57/10 B ER anhängig),

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ihr unverzüglich angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen und diesbezüglich die notwendigen angemessenen Miet- und Heizkosten zu übernehmen,

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weil die Stadt D. die derzeit von ihr bewohnte Einrichtung für Obdachlose und Asylbewerber in der G. verkommen lasse, sich die bewohnten Räumlichkeiten nur spärlich heizen ließen und mit Parasiten befallen seien, sodass durch die derzeitige Unterbringung ihr Gesundheitszustand gefährdet sei, wie die vorgelegten Ärztlichen Atteste des Dr. I. belegten, ist unbegründet, denn die Antragstellerin hat für ihr e.g. Begehren keinen Anordnungsanspruch und keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO).

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Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Falle des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 19.10.1977 - 2 BvR 42/76 -, BVerfGE 46 [166, 179, 184]). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist es ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet. Eine aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfahren ist jedoch nur dann zulässig, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache hohe Erfolgsaussichten prognostiziert werden können (Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.09.2004 - L 7 AL 103/04 ER -). Sowohl die hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile (Anordnungsgrund) müssen glaubhaft gemacht werden, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO. Dies ist der Antragstellerin nicht gelungen.

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Wie die Kammer bereits in ihrem den Sohn der Antragstellerin, H., betreffenden Beschluss vom 03.09.2010 - S 42 AY 147/10 ER - ausgeführt hat, entscheidet, soweit - wie vorliegend die Antragstellerin - der Leistungsberechtigte nicht schon aus ordnungsrechtlichen Gründen zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet ist, der nach dem AsylbLG zuständige Leistungsträger über die Art und Weise der Deckung des laufenden Bedarfs des Leistungsberechtigten an Unterkunft und Heizung nach seinem Ermessen. Die Ausübung dieses Ermessens hat sich vorrangig an den das Leistungsrecht des AsylbLG tragenden Prinzipien zu orientieren. In der Regel werden es das Sachleistungsprinzip und der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz (vgl. § 2 SGB XII) bedingen, dass der Unterkunftsbedarf des Leistungsberechtigten durch kostenlose Bereitstellung von Wohnraum in einer Gemeinschaftsunterkunft der Kommune gedeckt werden kann; dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass einem nach § 2 Abs. 1 AsylbLG Leistungsberechtigten die Hilfe zum Lebensunterhalt regelmäßig - d.h. vorbehaltlich einer anderweitigen ermessensfehlerfreien Entscheidung des Leistungsträgers nach § 2 Abs. 2 AsylbLG - in Geld zu gewähren ist (Hohm in: Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG, Stand: 41. Erg.Lfg. Juli 2010, § 2 Rn. 127 unter Bezugnahme auf VG Weimar, Beschluss vom 13.03.1997 - 5 E 2449/96.We -, n.v.). In der Rechtsprechung ist deshalb bereits entschieden, dass selbst der nach § 2 Abs. 1 AsylbLG privilegiert Leistungsberechtigte allein mit dem Hinweis auf den Bezug von sog. Analog-Leistungen nicht automatisch die Unterbringung in einer von ihm privat angemieteten Wohnung auf Kosten des Leistungsträgers beanspruchen kann (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16.02.2006 - 21 CS 06.230 -, juris Rn. 4). Diese Grundsätze müssen vorliegend erst Recht Geltung beanspruchen, denn die Antragstellerin ist lediglich zum Bezug sog. eingeschränkter Grundleistungen nach §§ 1a, 3 AsylbLG berechtigt, weil mangels Mitwirkung der Antragstellerin an der Aufklärung ihrer wahren Identität und Staatsangehörigkeit sowie an der Beschaffung von Pass-/ oder Passersatzpapieren aufenthaltsbeendende Maßnahmen von der Stadt D. seit mehreren Jahren nicht vollzogen werden können. Lediglich in begründeten Einzelfällen kann etwa aus gesundheitlichen Gründen im Wege der Ermessensreduzierung auf Null ein Anspruch auf dezentrale Unterbringung des nach § 1a AsylbLG Leistungsberechtigten etwa in privat angemietetem Wohnraum bestehen.

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Die gegenwärtige Unterbringung der Antragstellerin in der 2-Zimmer-Wohnung im Untergeschoss des Gebäudes G. in D. gemeinsam mit ihren beiden Söhnen E. und F. begegnet nach Auffassung der Kammer keinen rechtlichen Bedenken. Denn die Antragstellerin wird durch diese Form der familiären Einzel-Unterbringung in einer separat abschließbaren Wohneinheit bereits gegenüber den übrigen Leistungsberechtigten, die von der Stadt D. im 2. Obergeschoss des e.g. Gebäudes in mehrfach belegten Zimmern unter Verweis auf die gemeinschaftliche Nutzung von Sanitär-, Aufenthalts- und Waschräumlichkeiten untergebracht sind, wesentlich besser gestellt, ohne dass sie diese großzügige Unterbringung beanspruchen könnte. Ob die im Verfahren S 39 AY 143/09 ER von der Antragstellerin geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden beim Treppensteigen glaubhaft sind und darüber hinaus auch gegenwärtig noch die Unterbringung der Antragstellerin im Unter- oder Erdgeschoss des Gebäudes erfordern, kann deshalb hier dahinstehen, denn der Antragsgegner hat mit der durch die Stadt D. im September 2009 geschaffenen Abhilfe durch Bezug der gegenwärtigen Wohnung im Untergeschoss diesem Begehren der Antragstellerin mehr als nur Rechnung getragen.

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Die von der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift geltend gemachten Mängel des Gebäudes G. in D. liegen zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Insoweit wird auf die Niederschrift über den am 19.11.2010 von der Kammer durchgeführten Ortstermin mit Beweisaufnahme verwiesen. Die Kammer hat sich insbesondere davon überzeugen können, dass die zentrale Heizungsanlage des Gebäudes voll funktionstüchtig ist, die von der Antragstellerin bewohnte Wohnung im Untergeschoss, die mit voll funktionstüchtigen Heizkörpern (ein Heizkörper wurde noch während des Ortstermins vom Hausmeister der Einrichtung entlüftet) und dicht schließenden Fenstern ausgestattet ist, in allen Räumen auf übliche Zimmertemperatur beheizt werden kann und ein Parasitenbefall oder vergleichbare unhygienische Zustände nicht vorliegen; eine Gesundheitsgefahr für die Antragstellerin durch die gegenwärtige Unterbringung ist deshalb schon ansatzweise nicht erkennbar. Die in der Vergangenheit kurzfristig aufgetretenen Mängel sind von den Verantwortlichen des Gebäudemanagements zeitnah abgestellt worden (Ameisenbefall im Sommer, Ausfall der zentralen Heizungsanlage für 2 Tage); sie können daher einen Anspruch auf anderweitige Unterbringung in der Gegenwart nicht begründen. Im Übrigen sind die Antragstellerin und ihre beiden Söhne gehalten, im Wege der Selbsthilfe etwa durch regelmäßige Reinigung ihrer Wohnung unerwünschten Zuständen wie der vor Ort geltend gemachten Spinnwebenbildung an der Decke entgegenzuwirken. Dazu wären sie nämlich auch bei anderweitiger Unterbringung etwa in privat angemietetem Wohnraum angehalten. Bei zukünftigem Auftreten von Mängeln haben sie die Möglichkeit, sich jederzeit an den Hausmeister des Objekts zu wenden. Die Kammer konnte insoweit nicht den Eindruck gewinnen, dass die Verantwortlichen des Gebäudemanagements auf Bitten oder Beschwerden der Antragstellerin oder anderer Bewohner des Gebäudes nicht reagieren.

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Der durchgeführte Ortstermin und die hieraus gewonnenen Erkenntnisse zur Deckung der notwendigen Bedarfe der Leistungsberechtigten bietet für den Antragsgegner allerdings Anlass, die im vorliegenden Verfahren nicht gerügte und damit nicht streitgegenständliche Höhe der Leistungsgewährung nach §§ 1a, 3 AsylbLG gegenüber der Antragstellerin zu überprüfen. Denn der Bedarf der in der G. untergebrachten Leistungsberechtigten an Verbrauchsgütern des Haushalts (z.B. Putz- und Reinigungsmittel) wird weder von der Stadt D. noch von der örtlichen Betreiberin der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber, Fa. J., durch kostenfrei bereitgestellte Sachleistung gedeckt. Dagegen wird der Bedarf an Haushaltsenergie durch Sachleistung gedeckt; Abzüge von dem Betrag nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG für diese Bereitstellung von Haushaltsenergie als Sachleistung oberhalb des in dem Betrag enthaltenen Anteils für Haushaltsenergie i.H.v. 20,45 € bzw. 23,01 € gemäß den in stetiger Verwaltungspraxis von dem Antragsgegner herangezogenen Vorgaben des früheren Erlasses des Nds. Innenministeriums zur Durchführung des AsylbLG vom 14.08.1995 sind nach Auffassung der Kammer indes nicht gerechtfertigt.

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Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Unterliegen der Antragstellerin.

 


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