Urteil vom Sozialgericht Karlsruhe - S 1 SO 1039/09

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird - endgültig - auf 10.952,42 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Kläger dem Beklagten zum Ersatz von Aufwendungen der Sozialhilfe verpflichtet sind.
Der 1948 geborene Kläger ist der Bruder, die 1952 geborene Klägerin die Schwester der 1944 geborenen und zwischen dem 15. und dem 16.01.2008 verstorbenen ... (Hilfeempfängerin) und zu je 1/2 Erbe auf Ableben der Hilfeempfängerin (vgl. gemeinschaftlicher Erbschein des Notariats - Nachlassgericht - ... vom 25.02.2008 - 1 NG 13/2008).
Der vormalige Landeswohlfahrtsverband Baden gewährte der Hilfeempfängerin ab dem 01.07.2003 bis zum 31.12.2004 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in Form einer Kostenpauschale für betreutes Wohnen (Bescheid vom 25.08.2003). Aufgrund des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 01.07.2004 (GBl. S. 469) wurde der Landeswohlfahrtsverband mit Ablauf des 31.12.2004 aufgelöst. Ab dem 01.01.2005 trat der zuständige örtliche Träger der Sozialhilfe als Rechtsnachfolger in die Rechte und Pflichten des Landeswohlfahrtsverbandes ein (Art. 177 § 12 Abs. 1 Satz 1 VRG). Der Beklagte bewilligte deshalb nach dem Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) ab dem 01.01.2005 bis zum 31.12.2005 der Hilfeempfängerin ebenfalls Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form einer Betreuungspauschale für betreutes Wohnen (Bescheide vom 11.04. und 24.05.2005). Die Gesamtaufwendungen für den Zeitraum Juli 2003 bis Dezember 2005 betrugen 13.034,43 EUR.
Gegenüber dem Nachlassgericht gaben die Kläger die Nachlassmasse wie folgt an:
- Eigentumswohnung im Anwesen im Fuchsloch 80, ..., Verkehrswert: 160.000,--EUR
- Haus- und Küchengeräte: 10.000,-- EUR
- Pkw: 6.000,-- EUR
- Bankguthaben: 50.000,-- EUR
- Verbindlichkeiten (Beerdigungskosten): ca. 5.000,-- EUR
Durch Bescheide vom 22.04.2008 forderte der Beklagte von den Klägern einen Kostenersatz für die von ihm bzw. seinem Rechtsvorgänger erbrachten Hilfeleistungen unter Abzug eines Freibetrages (2.082,00 EUR) in Höhe von jeweils 5.476,21 EUR: Seine Aufwendungen (13.034,43 EUR) überstiegen den 3-fachen Grundbetrag (2.082,00 EUR) und bei Weitem den Nachlasswert. Die Kläger seien deshalb entsprechend ihrem Erbanteil von 1/2 erstattungspflichtig.
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trugen die Kläger im Wesentlichen vor, die Erbenhaftung setze einen entsprechenden Anspruch in der Person der Hilfeempfängerin voraus. Die Leistungsgewährung an die Hilfeempfängerin sei jedoch unabhängig von deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen und ohne Kostenbeteiligung erfolgt. Die Hilfeempfängerin selbst sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, Kosten der Hilfe ganz oder teilweise zu tragen oder zu erstatten. Hieran ändere sich durch den Eintritt des Erbfalls nichts. § 102 SGB XII, auf den der Beklagte seinen Anspruch stütze, sei eine Haftungsnorm; eine Haftung beziehe sich jedoch immer auf eine bestehende Schuld. Da die Hilfeempfängerin zu einer Kostenbeteiligung nicht verpflichtet war, gebe es auch keine Verbindlichkeiten, die im Rahmen der Haftung auf die Kläger als Erben übergegangen seien. Es handle sich im Anwendungsbereich des § 102 SGB XII um Ansprüche, die nicht originär gegenüber den Erben entstünden, sondern sich zu Lebzeiten des Betreuten gegen diesen gerichtet hätten und nach dessen Tod als Nachlassverbindlichkeit von diesem herrühre (Hinweis auf Bay. ObLG, NJW-RR 2005, 1315). Der Beklagte wies die Widersprüche zurück (Widerspruchsbescheide vom 10.02.2009).
Deswegen erhoben die Kläger am 10.03.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe, mit dem sie ihre Begehren weiterverfolgen. Zur Begründung wiederholen sie im Wesentlichen ihr Widerspruchsvorbringen. Ergänzend verweise sie auf den Beschluss des OLG Stuttgart vom 29.06.2007 - 8 W 245/07 - (= NJW-RR 2007, 1593).
Die Kläger beantragen - teilweise sinngemäß -,
10 
die Bescheide vom 22. April 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10. Februar 2009 aufzuheben.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Er erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
14 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
15 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die (reine Anfechtungs-)Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu Recht fordert der Beklagte von den Klägern als (Mit-)Erben auf Ableben der Hilfeempfängerin einen Kostenersatz entsprechend ihrem jeweils hälftigen Erbanteil zu seinen und den Aufwendungen seines Rechtsvorgängers an die Hilfeempfängerin.
17 
Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist u.a. der Erbe der leistungsberechtigten Person vorbehaltlich des Abs. 5 zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht nach Satz 2 der genannten Bestimmung nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen. Die Ersatzpflicht des Erben gehört zu den Nachlassverbindlichkeiten. Der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses (§ 102 Abs. 2 SGB XII). Der Anspruch auf Kostenersatz erlischt in drei Jahren nach dem Tod u.a. der leistungsgerechten Person (§ 102 Abs. 4 Satz 1 SGB XII). Der Ersatz durch die Erben gilt nicht für Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII und für die vor dem 1. Januar 1987 entstandenen Kosten der Tuberkulosehilfe (§ 102 Abs. 5 SGB XII).
18 
Gemessen an diesen rechtlichen Bestimmungen sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
19 
1.) Die Bescheide sind zunächst formell rechtmäßig:
20 
1.1) Der Erstattungsanspruch des Beklagten richtet sich - auch soweit er Aufwendungen seines Rechtsvorgängers nach den Bestimmungen des BSHG für die Zeit bis zum 31.12.2004 umfasst - allein nach § 102 SGB XII. Denn das BSHG ist zum 01.01.2005 ohne Übergangsvorschriften außer Kraft getreten (Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl. I S. 3022 -). Außerdem ist bei - wie hier - reinen Anfechtungsklagen für die maßgebliche Sach- und Rechtslage grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen (vgl. u.a. BSG SozR 3-3870 § 4 Nrn. 13 und 21 und SozR 3-2200 § 708 Nr. 1; ferner BVerwGE 35, 249 und NVwZ 1990, 653). Überdies sieht § 102 Abs. 1 Satz 2 SGB XII seit seinem Inkrafttreten am 01.01.2005 eine Ersatzpflicht für Leistungen im Zeitraum von zehn Jahren vor Eintritt des Erbfalls vor und schließt Absatz 5 der genannten Bestimmungen allein die vor dem 01.01.1987 angefallenen Kosten der Tuberkulosehilfe von der Ersatzpflicht aus. Beide Bestimmungen dokumentieren damit hinreichend deutlich den Willen des Gesetzgebers, auch vor dem 01.01.2005 entstandenen Hilfeleistungen der Sozialhilfe wirtschaftlich über den Erstattungsanspruch auszugleichen (vgl. insoweit LSG Nordrhein-Westfalen, FEVS 57, 529, 530).
21 
1.2) Der formellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide steht ferner nicht entgegen, dass der Beklagte die Kläger vor deren Erlass nicht - wie erforderlich (§ 24 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - < SGB X >) - angehört hat. Denn die fehlende Anhörung ist durch das Widerspruchsverfahren, in dem die Kläger Gelegenheit hatten, sich zu allen entscheidungsrelevanten Umständen zu äußern und dies auch getan haben, geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 41 Abs. 2 SGB X; vgl. insoweit u. a. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 11; SozR 3-1300 § 24 Nr. 4 und Breithaupt 2003, 154 ff; vgl. für den Fall einer bewussten Unterlassung der rechtzeitigen Anhörung BSG, Breithaupt 2009, 389 ff).
22 
2.) Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.
23 
2.1) Die Kläger sind Miterben mit einem Erbanteil zu je 1/2 auf Ableben der Hilfeempfängerin, wie sich aufgrund des Erbscheins des Notariats - Nachlassgerichts - ... vom 20.02.2008 ergibt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
24 
2.2) Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte bzw. dessen Rechtsvorgänger die Hilfeleistungen nicht rechtmäßig erbracht hätte, was dem Erstattungsanspruch des Beklagten entgegenstünde (vgl. hierzu BVerwGE 78, 165; Bay. VGH, FEVS 55, 211; VGH Baden-Württemberg, FEVS 46, 338, 342 und OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 2002, 695, 696), sind weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst ersichtlich. Der Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung steht insbesondere nicht entgegen, dass sie - abweichend von § 28 Abs. 1 Satz 1, §§ 88ff BSHG und § 19 Abs. 3, §§ 90ff SGB XII - ohne Berücksichtigung von Vermögen der Hilfeempfängerin erfolgte; denn dies beruhte auf der bis zum 31.12.2005 gültig gewesenen Regelung in Nr. 8 Satz 1 der Richtlinien des Landeswohlfahrtsverbandes Baden über die Förderung fachlich betreuter Wohnformen für volljährige behinderte Menschen (BWB-RL) vom 27.09.2002 (veröffentlicht im Internet unter http://www.psychiatrienetz-bw.de/Recht/amb_betr_Wohnen.PDF), derzufolge eine Kostenbeteiligung des Hilfeempfängers an der Maßnahmenpauschale nicht erfolgte. Auch die Höhe der insgesamt beim Beklagten und dessen Rechtsvorgänger angefallenen Aufwendungen für die Hilfeleistungen (13.034,43 EUR) haben die Kläger nicht beanstandet.
25 
2.3) Weiter steht dem streitigen Erstattungsanspruch des Beklagten nicht entgegen, dass die Hilfeleistungen gegenüber der Hilfeempfängerin ohne Berücksichtigung deren Einkommens und Vermögens erbracht worden sind. Denn entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich bei § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII um eine selbständige Kostenersatzpflicht der Erben, die nicht von einem originären Anspruch gegen den verstorbenen Hilfeempfänger abhängt (vgl. Schoenfeld a.a.O.; § 102, Rdnrn. 3 und 4; Steimer in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand September 2008, § 102, Rdnrn. 1 und 4; Wolf in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 4. Auflage 2009, § 102, Rdnrn. 3 und 4 sowie Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 102, Rdnr. 6; zur Vorgängernorm in § 92c BSHG vgl. Schaefer in Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl. 2003, § 92c, Rdnr. 3 und Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 92c, Rdnr. 5). Die Verpflichtung zum Kostenersatz durch den Erben stellt mithin eine sog. Erbfallschuld dar (vgl. Steimer in Mergler/Zink, a.a.O., Rdnr. 4 sowie Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., Rdnr. 15). Angesichts dessen können sich die Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die verstorbene Hilfesuchende selbst zu einer Kostenbeteiligung nicht verpflichtet war und insoweit auch keine Nachlassverbindlichkeiten auf sie als Erben übergegangen seien. Zu Unrecht berufen sich die Kläger insoweit auf den Beschluss des ehemaligen Bay. Obersten Landesgerichts vom 03.03.2005 - 3 Z BR 192/04 - (= NJW-RR 2005, 1315). Denn entgegen der Ansicht der Kläger hat das ehemalige Bay. Oberste Landesgericht in dieser Entscheidung nicht ausgeführt, dass § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bzw. die Vorgängernorm in § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG einen abgeleiteten, sich zu Lebzeiten des Hilfeempfängers gegen diesen gerichteten Ersatzanspruch beinhaltet, der nach dem Tod des Hilfeempfängers als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben übergegangen sei. Vielmehr hat im Gegenteil das Gericht unter Ziff. II. 2 Buchst. d) Doppelbuchstabe cc) ebenfalls ausgeführt, dass es sich bei den genannten Bestimmungen um einen eigenständigen Erstattungsanspruch gegen den Erben handelt, der erst in der Person des Erben entsteht. Die Entscheidung des Bay. Obersten Landesgerichts erging auch nicht zu § 92 c BSHG bzw. 102 SGB XII, sondern zu § 1836 e des Bürgerlichen Gesetzbuches; hier lag mithin ein anderer Sachverhalt zugrunde, nämlich inwieweit die Staatskasse berechtigt ist, vom Erben des betreuten Sozialhilfeempfängers eine gewährte Betreuungsvergütung neben dem sozialhilferechtlichen Kostenersatz zu fordern. Ein gleichgelagerter Sachverhalt war auch Gegenstand des Beschlusses des OLG Stuttgart vom 29.06.2007 - 8 W 245/07 - (= NJW-RR 2007, 1593), auf den die Kläger in der Klagebegründung abgestellt haben. Auch das OLG Stuttgart hat in Bezug auf das Verhältnis von § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB zu § 92 c BSHG bzw. § 102 SGB XII allein ausgeführt, dass gleiche Ansprüche gleichrangig nebeneinander stehen. Eine Aussage des Inhalts, dass es sich bei § 102 SGB XII bzw. der Vorgängernorm im BSHG um einen von dem Hilfeempfänger abgeleiteten Anspruch handele, der auf den Erben übergegangen sei, enthält die Entscheidung des OLG Stuttgart demgegenüber nicht. Die Kläger haften als Miterben hinsichtlich des streitigen Erstattungsanspruchs als Gesamtschuldner (§ 2058 des Bürgerlichen Gesetzbuches), jedoch - wie von dem Beklagten verfügt - nur in Höhe des ihrem Erbteil entsprechenden Anteils (vgl. VGH Baden-Württemberg, FEVS 25, 107).
26 
2.4) Der Beklagte hat überdies den Freibetrag aus § 102 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 85 Abs. 1 SGB XII mit 2.082,00 EUR zutreffend berechnet. Dieser ergibt sich aus dem Doppelten des im Zeitpunkt der Erbfalls im Januar 2008 maßgebenden (vgl. insoweit BVerwGE 57, 26, 27 sowie Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 102, Rdnr. 14 und Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 102, Rdnr. 10) Regelsatzes von 347,00 EUR, das sind 694,00 EUR, multipliziert mit 3. Bei mehreren Erben ist der Freibetrag auch nur einmal abzusetzen (vgl. BVerwGE 57, 26ff und LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2008 - L 20 SO 10/05 -, veröffentlicht in juris). Die Kläger haben insoweit auch substantiiert keine Einwände erhoben.
27 
2.5) Auch die Zehnjahres-Grenze hinsichtlich der erstattungsfähigen Aufwendungen (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) ist vorliegend unproblematisch gewahrt, nachdem die Hilfeleistungen gegenüber der Hilfeempfängerin erst am 01.07.2003 eingesetzt hatten.
28 
2.6) Die aus § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII erfolgende Begrenzung des Erstattungsanspruches des Beklagten auf den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls steht vorliegend dem Erstattungsanspruch ebenfalls nicht entgegen; denn der von den Klägern gegenüber dem Nachlassgericht angegebenen Nachlasswert von insgesamt 221.000,00 EUR (226.000,00 EUR Vermögenswerte abzgl. 5.000,00 EUR Verbindlichkeiten) übersteigt den gegen sie geltend gemachten Erstattungsanspruch im (Gesamt-)Umfang von rd. 11.000,00 EUR um ein Vielfaches.
29 
2.7) Darüber hinaus findet die Ausschlussregelung in § 102 Abs. 3 SGB XII vorliegend keine Anwendung, denn weder liegt der Wert des Nachlasses unter dem Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII (§ 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII) noch handelt es sich bei den Klägern um den Ehegatten oder Lebenspartner der verstorbenen Hilfeempfängerin und haben die Kläger bis zum Tod der Hilfeempfängerin auch nicht mit dieser in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder sie gepflegt (§ 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII). Anhaltspunkte dafür, dass die Inanspruchnahme der Kläger nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine besondere Härte bedeuten würde (§ 102 Abs. 3 Satz 3 SGB XII) - in Betracht kämen insoweit allein atypische Fallgestaltungen -, sind weder vorgetragen noch für die Kammer aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst ersichtlich.
30 
2.8) Schließlich hat der Beklagte den Anspruch auf Kostenersatz innerhalb der Ausschlussfrist von 3 Jahren (§ 102 Abs. 4 Satz 1 SGB XII) geltend gemacht.
31 
Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Das Klagebegehren musste deshalb erfolglos bleiben.
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 § 159 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.
33 
Die endgültige Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes.

Gründe

 
16 
Die (reine Anfechtungs-)Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu Recht fordert der Beklagte von den Klägern als (Mit-)Erben auf Ableben der Hilfeempfängerin einen Kostenersatz entsprechend ihrem jeweils hälftigen Erbanteil zu seinen und den Aufwendungen seines Rechtsvorgängers an die Hilfeempfängerin.
17 
Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist u.a. der Erbe der leistungsberechtigten Person vorbehaltlich des Abs. 5 zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht nach Satz 2 der genannten Bestimmung nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen. Die Ersatzpflicht des Erben gehört zu den Nachlassverbindlichkeiten. Der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses (§ 102 Abs. 2 SGB XII). Der Anspruch auf Kostenersatz erlischt in drei Jahren nach dem Tod u.a. der leistungsgerechten Person (§ 102 Abs. 4 Satz 1 SGB XII). Der Ersatz durch die Erben gilt nicht für Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII und für die vor dem 1. Januar 1987 entstandenen Kosten der Tuberkulosehilfe (§ 102 Abs. 5 SGB XII).
18 
Gemessen an diesen rechtlichen Bestimmungen sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
19 
1.) Die Bescheide sind zunächst formell rechtmäßig:
20 
1.1) Der Erstattungsanspruch des Beklagten richtet sich - auch soweit er Aufwendungen seines Rechtsvorgängers nach den Bestimmungen des BSHG für die Zeit bis zum 31.12.2004 umfasst - allein nach § 102 SGB XII. Denn das BSHG ist zum 01.01.2005 ohne Übergangsvorschriften außer Kraft getreten (Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl. I S. 3022 -). Außerdem ist bei - wie hier - reinen Anfechtungsklagen für die maßgebliche Sach- und Rechtslage grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen (vgl. u.a. BSG SozR 3-3870 § 4 Nrn. 13 und 21 und SozR 3-2200 § 708 Nr. 1; ferner BVerwGE 35, 249 und NVwZ 1990, 653). Überdies sieht § 102 Abs. 1 Satz 2 SGB XII seit seinem Inkrafttreten am 01.01.2005 eine Ersatzpflicht für Leistungen im Zeitraum von zehn Jahren vor Eintritt des Erbfalls vor und schließt Absatz 5 der genannten Bestimmungen allein die vor dem 01.01.1987 angefallenen Kosten der Tuberkulosehilfe von der Ersatzpflicht aus. Beide Bestimmungen dokumentieren damit hinreichend deutlich den Willen des Gesetzgebers, auch vor dem 01.01.2005 entstandenen Hilfeleistungen der Sozialhilfe wirtschaftlich über den Erstattungsanspruch auszugleichen (vgl. insoweit LSG Nordrhein-Westfalen, FEVS 57, 529, 530).
21 
1.2) Der formellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide steht ferner nicht entgegen, dass der Beklagte die Kläger vor deren Erlass nicht - wie erforderlich (§ 24 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - < SGB X >) - angehört hat. Denn die fehlende Anhörung ist durch das Widerspruchsverfahren, in dem die Kläger Gelegenheit hatten, sich zu allen entscheidungsrelevanten Umständen zu äußern und dies auch getan haben, geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 41 Abs. 2 SGB X; vgl. insoweit u. a. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 11; SozR 3-1300 § 24 Nr. 4 und Breithaupt 2003, 154 ff; vgl. für den Fall einer bewussten Unterlassung der rechtzeitigen Anhörung BSG, Breithaupt 2009, 389 ff).
22 
2.) Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.
23 
2.1) Die Kläger sind Miterben mit einem Erbanteil zu je 1/2 auf Ableben der Hilfeempfängerin, wie sich aufgrund des Erbscheins des Notariats - Nachlassgerichts - ... vom 20.02.2008 ergibt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
24 
2.2) Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte bzw. dessen Rechtsvorgänger die Hilfeleistungen nicht rechtmäßig erbracht hätte, was dem Erstattungsanspruch des Beklagten entgegenstünde (vgl. hierzu BVerwGE 78, 165; Bay. VGH, FEVS 55, 211; VGH Baden-Württemberg, FEVS 46, 338, 342 und OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 2002, 695, 696), sind weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst ersichtlich. Der Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung steht insbesondere nicht entgegen, dass sie - abweichend von § 28 Abs. 1 Satz 1, §§ 88ff BSHG und § 19 Abs. 3, §§ 90ff SGB XII - ohne Berücksichtigung von Vermögen der Hilfeempfängerin erfolgte; denn dies beruhte auf der bis zum 31.12.2005 gültig gewesenen Regelung in Nr. 8 Satz 1 der Richtlinien des Landeswohlfahrtsverbandes Baden über die Förderung fachlich betreuter Wohnformen für volljährige behinderte Menschen (BWB-RL) vom 27.09.2002 (veröffentlicht im Internet unter http://www.psychiatrienetz-bw.de/Recht/amb_betr_Wohnen.PDF), derzufolge eine Kostenbeteiligung des Hilfeempfängers an der Maßnahmenpauschale nicht erfolgte. Auch die Höhe der insgesamt beim Beklagten und dessen Rechtsvorgänger angefallenen Aufwendungen für die Hilfeleistungen (13.034,43 EUR) haben die Kläger nicht beanstandet.
25 
2.3) Weiter steht dem streitigen Erstattungsanspruch des Beklagten nicht entgegen, dass die Hilfeleistungen gegenüber der Hilfeempfängerin ohne Berücksichtigung deren Einkommens und Vermögens erbracht worden sind. Denn entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich bei § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII um eine selbständige Kostenersatzpflicht der Erben, die nicht von einem originären Anspruch gegen den verstorbenen Hilfeempfänger abhängt (vgl. Schoenfeld a.a.O.; § 102, Rdnrn. 3 und 4; Steimer in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand September 2008, § 102, Rdnrn. 1 und 4; Wolf in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 4. Auflage 2009, § 102, Rdnrn. 3 und 4 sowie Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 102, Rdnr. 6; zur Vorgängernorm in § 92c BSHG vgl. Schaefer in Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl. 2003, § 92c, Rdnr. 3 und Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 92c, Rdnr. 5). Die Verpflichtung zum Kostenersatz durch den Erben stellt mithin eine sog. Erbfallschuld dar (vgl. Steimer in Mergler/Zink, a.a.O., Rdnr. 4 sowie Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., Rdnr. 15). Angesichts dessen können sich die Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die verstorbene Hilfesuchende selbst zu einer Kostenbeteiligung nicht verpflichtet war und insoweit auch keine Nachlassverbindlichkeiten auf sie als Erben übergegangen seien. Zu Unrecht berufen sich die Kläger insoweit auf den Beschluss des ehemaligen Bay. Obersten Landesgerichts vom 03.03.2005 - 3 Z BR 192/04 - (= NJW-RR 2005, 1315). Denn entgegen der Ansicht der Kläger hat das ehemalige Bay. Oberste Landesgericht in dieser Entscheidung nicht ausgeführt, dass § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bzw. die Vorgängernorm in § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG einen abgeleiteten, sich zu Lebzeiten des Hilfeempfängers gegen diesen gerichteten Ersatzanspruch beinhaltet, der nach dem Tod des Hilfeempfängers als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben übergegangen sei. Vielmehr hat im Gegenteil das Gericht unter Ziff. II. 2 Buchst. d) Doppelbuchstabe cc) ebenfalls ausgeführt, dass es sich bei den genannten Bestimmungen um einen eigenständigen Erstattungsanspruch gegen den Erben handelt, der erst in der Person des Erben entsteht. Die Entscheidung des Bay. Obersten Landesgerichts erging auch nicht zu § 92 c BSHG bzw. 102 SGB XII, sondern zu § 1836 e des Bürgerlichen Gesetzbuches; hier lag mithin ein anderer Sachverhalt zugrunde, nämlich inwieweit die Staatskasse berechtigt ist, vom Erben des betreuten Sozialhilfeempfängers eine gewährte Betreuungsvergütung neben dem sozialhilferechtlichen Kostenersatz zu fordern. Ein gleichgelagerter Sachverhalt war auch Gegenstand des Beschlusses des OLG Stuttgart vom 29.06.2007 - 8 W 245/07 - (= NJW-RR 2007, 1593), auf den die Kläger in der Klagebegründung abgestellt haben. Auch das OLG Stuttgart hat in Bezug auf das Verhältnis von § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB zu § 92 c BSHG bzw. § 102 SGB XII allein ausgeführt, dass gleiche Ansprüche gleichrangig nebeneinander stehen. Eine Aussage des Inhalts, dass es sich bei § 102 SGB XII bzw. der Vorgängernorm im BSHG um einen von dem Hilfeempfänger abgeleiteten Anspruch handele, der auf den Erben übergegangen sei, enthält die Entscheidung des OLG Stuttgart demgegenüber nicht. Die Kläger haften als Miterben hinsichtlich des streitigen Erstattungsanspruchs als Gesamtschuldner (§ 2058 des Bürgerlichen Gesetzbuches), jedoch - wie von dem Beklagten verfügt - nur in Höhe des ihrem Erbteil entsprechenden Anteils (vgl. VGH Baden-Württemberg, FEVS 25, 107).
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2.4) Der Beklagte hat überdies den Freibetrag aus § 102 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 85 Abs. 1 SGB XII mit 2.082,00 EUR zutreffend berechnet. Dieser ergibt sich aus dem Doppelten des im Zeitpunkt der Erbfalls im Januar 2008 maßgebenden (vgl. insoweit BVerwGE 57, 26, 27 sowie Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 102, Rdnr. 14 und Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 102, Rdnr. 10) Regelsatzes von 347,00 EUR, das sind 694,00 EUR, multipliziert mit 3. Bei mehreren Erben ist der Freibetrag auch nur einmal abzusetzen (vgl. BVerwGE 57, 26ff und LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2008 - L 20 SO 10/05 -, veröffentlicht in juris). Die Kläger haben insoweit auch substantiiert keine Einwände erhoben.
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2.5) Auch die Zehnjahres-Grenze hinsichtlich der erstattungsfähigen Aufwendungen (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) ist vorliegend unproblematisch gewahrt, nachdem die Hilfeleistungen gegenüber der Hilfeempfängerin erst am 01.07.2003 eingesetzt hatten.
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2.6) Die aus § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII erfolgende Begrenzung des Erstattungsanspruches des Beklagten auf den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls steht vorliegend dem Erstattungsanspruch ebenfalls nicht entgegen; denn der von den Klägern gegenüber dem Nachlassgericht angegebenen Nachlasswert von insgesamt 221.000,00 EUR (226.000,00 EUR Vermögenswerte abzgl. 5.000,00 EUR Verbindlichkeiten) übersteigt den gegen sie geltend gemachten Erstattungsanspruch im (Gesamt-)Umfang von rd. 11.000,00 EUR um ein Vielfaches.
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2.7) Darüber hinaus findet die Ausschlussregelung in § 102 Abs. 3 SGB XII vorliegend keine Anwendung, denn weder liegt der Wert des Nachlasses unter dem Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII (§ 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII) noch handelt es sich bei den Klägern um den Ehegatten oder Lebenspartner der verstorbenen Hilfeempfängerin und haben die Kläger bis zum Tod der Hilfeempfängerin auch nicht mit dieser in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder sie gepflegt (§ 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII). Anhaltspunkte dafür, dass die Inanspruchnahme der Kläger nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine besondere Härte bedeuten würde (§ 102 Abs. 3 Satz 3 SGB XII) - in Betracht kämen insoweit allein atypische Fallgestaltungen -, sind weder vorgetragen noch für die Kammer aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst ersichtlich.
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2.8) Schließlich hat der Beklagte den Anspruch auf Kostenersatz innerhalb der Ausschlussfrist von 3 Jahren (§ 102 Abs. 4 Satz 1 SGB XII) geltend gemacht.
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Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Das Klagebegehren musste deshalb erfolglos bleiben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 § 159 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.
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Die endgültige Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes.

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