Beschluss vom Sozialgericht Magdeburg (43. Kammer) - S 43 R 546/15 ER

Tenor

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 18.705,84 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Verpflichtung zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013 nach Feststellung der Versicherungspflicht ihres Geschäftsführers im Rahmen einer Betriebsprüfung.

2

Die Antragstellerin betreibt eine Bau- und Möbeltischlerei. Sie schloss mit ihrem Geschäftsführer zum 6. Januar 1995 einen Geschäftsführervertrag. Danach ist er berechtigt, die Gesellschaft allein nach außen zu vertreten und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit.

3

Nach § 1 des Vertrages hat er die Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen. Für die in § 3 Buchstabe a) bis n) aufgezählten Geschäfte und Maßnahmen benötigt er die Einwilligung der Gesellschafterversammlung. Er erhält ein festes Jahresgehalt, eine Weihnachtsgratifikation bei kalenderjährlich fortbestehendem Dienstverhältnis sowie eine Tantieme in Höhe von 5 % des Jahresüberschusses. Im Krankheitsfall oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung wird das Gehalt für die Dauer von sechs Monaten fortgezahlt. Der Erholungsurlaub ist nach den Bedürfnissen der Geschäftsführung auszurichten. Nicht genommener Urlaub wird mit dem ersten Gehalt des Folgejahres abgegolten. Die Kündigungsfrist beträgt 13 Wochen zum Quartalsende. Änderungen des Vertrages bedürfen der Schriftform und der ausdrücklichen Zustimmung der Gesellschafterversammlung.

4

Der Geschäftsführer ist von Beruf Tischlermeister und übt diese Tätigkeit auch im Betrieb aus. Er war zunächst selbst Gesellschafter der Antragstellerin mit einem hälftigen Geschäftsanteil von 25.000 DM. Zweiter Gesellschafter war dessen Vater mit gleichem Geschäftsanteil. Diesen übertrug er ihm im Wege vorweggenommener Erbfolge im Dezember 2003. Am selben Tag verkaufte der Geschäftsführer beide Geschäftsanteile seiner Ehefrau zu einem Kaufpreis von 1.000 EUR.

5

Die Antragsgegnerin führte bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013 durch. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung gab der Geschäftsführer an, er habe der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe von 67.000 EUR gewährt und eine Bürgschaft über 180.000 EUR übernommen. Seine Vergütung betrage 3.700 EUR monatlich, werde als Lohn/Gehalt verbucht und im Falle der Arbeitsunfähigkeit für sechs Monate fortgezahlt. Außerdem erhalte er Tantiemen. Seine Tätigkeit unterliege keinem Direktionsrecht der Gesellschaft. Er könne diese frei bestimmen und gestalten, selbstständig Personal einstellen oder entlassen, müsse Urlaub nicht genehmigen lassen und könne nur aus wichtigem Grund abberufen werden.

6

Der Steuerberater der Antragstellerin teilte der Antragsgegnerin in einem Schreiben vom 8. Januar 2015 mit, der Geschäftsführer lebe mit der Alleingesellschafterin in einer intakten Ehe und sei daher nicht in einer von fremder Seite vorgegebenen Betriebsorganisation eingegliedert. Vielmehr gebe er die Betriebsorganisation allein und ohne Zutun der Gesellschafterin vor. Er sei der einzige, der über die notwendigen Kenntnisse und Befähigungen verfüge, um das Unternehmen zu leiten. Außerdem habe er der Gesellschaft Darlehen aus eigenen Mitteln zur Verfügung gestellt.

7

Ihm gehörten die Grundstücke und Gebäude, welche die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Unternehmens seien. Damit habe er unmittelbaren Zugriff auf die Produktionsmittel und die Mietereinbauten. Sollte es zu einem Zerwürfnis gekommen, so sei er in der Lage, den ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb zu verhindern. Er habe dadurch gegenüber seiner Ehefrau eine starke Machtposition.

8

Mit Bescheid vom 9. Februar 2015 stellte die Antragsgegnerin die Versicherungspflicht des Geschäftsführers der Antragstellerin in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung fest.

9

Sie forderte diese auf, für den Prüfzeitraum Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 74.823,36 EUR nachzuzahlen. Die Antragstellerin legte Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung trug sie im Wesentlich vor, die Ehefrau des Geschäftsführers sei aufgrund einer Empfehlung des Steuerberaters Gesellschafterin geworden. Sie sei Lehrerin und erst seit Anfang 2015 im Unternehmen tätig. Sie habe nicht ansatzweise das erforderliche Fachwissen zur Leitung des Unternehmens. Ein Weisungsrecht übe sie gegenüber ihrem Ehemann tatsächlich nicht aus. Dieser nehme alle für die Unternehmensleitung relevanten Leitungsaufgaben wahr. Er trage auch das wesentliche wirtschaftliche Risiko, da aus seinen Einkünften die verschiedenen Einlagen und Darlehen mit einem Gesamtvolumen von 207.000 EUR finanziert seien.

10

Mit Bescheid vom 8. September 2015 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Der Geschäftsführervertrag sowie das fixe monatliche Gehalt, die vereinbarte Tantieme, die Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall, der Urlaubsanspruch und die vereinbarte Kündigungsfrist sprächen für arbeitnehmertypische Regelungen. Der Geschäftsführer unterliege kraft Gesetzes den Weisungen der Gesellschafterversammlung. Bei der Beurteilung seien die tatsächlichen Verhältnisse nicht unabhängig von der den Beteiligten zustehenden Rechtsmacht zu berücksichtigen. Die Ehefrau als Alleingesellschafterin habe jederzeit die Rechtsmacht, dem Fremdgeschäftsführer Weisungen zu erteilen. Es komme nicht darauf an, ob und wie sie diese wahrnehme. Die familiäre Verbundenheit sei nicht geeignet, diese rechtlichen Befugnisse zu negieren. Auch die Gewährung der Darlehen und Bürgschaften schränke die gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit nicht ein. Sie begründeten kein Unternehmerrisiko, sondern lediglich ein Haftungsrisiko. Im Konfliktfall, bei Meinungsverschiedenheiten oder einem Zerwürfnis sei letztlich entscheidend, was vertraglich vereinbart wurde.

11

Die Antragstellerin hat am 21. September 2015 Klage erhoben (Az. S 43 R 470/15) und um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Die Ehefrau als Alleingesellschafterin sei keine fremde Dritte. Gesellschafterin sei sie nur aus steuerlichen Gründen geworden. Es solle die durch die Erbschaft anstehende Umqualifikation des Grundstücks von Privat- in Betriebsvermögen umgangen und aus der Haftung genommen werden. Zudem sei das Risiko der Erbauseinandersetzung von der GmbH ferngehalten worden. Der Kaufpreis von 1.000 EUR sei ein bloß symbolischer Betrag und damit eine unbenannte Zuwendung unter Eheleuten. Damit habe der Geschäftsführer zudem Verluste nach § 17 des Einkommensteuergesetzes generieren wollen. Selbst wenn die Ehe scheitere, könne er die Rückabwicklung der Schenkung verlangen und damit das Unternehmen fortführen. Entscheidend sei nicht, wer formal Inhaber sei, sondern wer über Anlagevermögen, Kundenbeziehungen und das nötige Know-How verfüge. Überdies stelle der Vollzug der Beitragsforderung für die Antragstellerin eine unbillige Härte dar. Ihr drohe die Insolvenz. Der Jahresabschluss 2013 weise einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 153.225 EUR auf. Für das Jahr 2014 zeige die vorläufige Abrechnung ein Ergebnis von 19.429 EUR. Selbst diesen Betrag könne sie derzeit nicht aufwenden, ohne die Vorfinanzierung laufender Bauvorhaben zu gefährden. Eine zusätzliche Kreditaufnahme durch die GmbH sei so gut wie ausgeschlossen. Eine private Kreditierung der Gesellschafterin und des Geschäftsführers sei aufgrund der aktuellen Verschuldung in Höhe von 375.000 EUR nicht mehr möglich. Die Vollstreckung der Forderung treibe damit sowohl die GmbH als auch die Eheleute in eine persönliche Insolvenz.

12

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß), die aufschiebende Wirkung der Klage vom 21. September 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2015 anzuordnen.

13

Die Antragsgegnerin hat unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Antragstellerin den Vollzug eines Teilbetrags in Höhe von 55.393,47 EUR bis zum Abschluss des Klageverfahrens (Az. S 43 R 470/15) ausgesetzt.

14

Bezüglich des verbleibenden Betrages in Höhe von 19.428,89 EUR beantragt sie, den Antrag abzulehnen.

15

An der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides bestehe kein Zweifel. Maßgeblich seien die Regelungen des Gesellschaftsvertrages sowie des Geschäftsführervertrages. Danach fehle dem Geschäftsführer die Rechtsmacht, Beschlüsse in seinem Sinne herbeizuführen und nicht genehme Weisungen abzuwenden. Die formale Gesellschafterstellung der Ehefrau schließe dies nicht aus. Sollte sie nicht in der Lage sein, die Beitragsforderung auszugleichen, könne sie die Stundung bei der Einzugsstelle beantragen.

16

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf deren Inhalt verwiesen.

II.

17

Der statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

18

Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

19

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist statthaft. Die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2015 (Az. S 43 R 470/15) hat keine aufschiebende Wirkung. Diese entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Antragsgegnerin nach einer Betriebsprüfung im Sinne des § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) eine Entscheidung über die Versicherungspflicht des Geschäftsführers und die daraus folgenden Beitragspflichten getroffen.

20

Die aufschiebende Wirkung der Klage tritt nicht schon aufgrund von § 7a Abs. 7 SGB IV ein. Danach haben Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung. Die Regelung findet nur im Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV, nicht im Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p Abs. 1 SGB IV Anwendung (Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.11.2008, Az. L 16 B 7/08 R ER, Rn. 15 ff.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Mai 2010, Az. L 11 KR 1125/10 ER B, Rn. 17; LSG Hamburg, Beschluss vom 16.04.2012, Az. L 3 R 19/12 B ER, Rn. 2 f.; Hessisches LSG, Beschluss vom 22.04.2013, Az. L 1 KR 228/13 B ER, Rn. 22 ff.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 30.08.2013, Az. L 1 KR 129/13 B ER, Rn. 28 ff.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 29.10.2014, Az. L 5 R 868/14 B ER, Rn. 31 ff.; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 07.09.2015, Az. L 5 KR 147/15 B ER, Rn. 16; andere Ansicht: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.03.2013, Az. L 1 R 454/12 B ER, Rn. 15; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.09.2009, Az. L 4 R 196/09 B ER, Rn. 19, zitiert jeweils nach juris).

21

§ 7a Abs. 7 SGB IV ist eine (Rück-)Ausnahmeregelung. Grundsätzlich haben Widerspruch und Klage gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über (u.a.) Versicherungs- und Beitragspflichten. § 7a Abs. 7 SGB IV ordnet wiederum die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über das Bestehen von Versicherungspflicht an. Als Ausnahmeregelung ist sie – entsprechend ihrem Charakter als Abweichung von der Regel – eng auszulegen und auf Entscheidungen im Anfrageverfahren zu beschränken. Für einen weiten Anwendungsbereich der Norm spricht zwar die Gesetzesbegründung, nach der sie nicht nur für Statusentscheidungen der (damaligen) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, sondern auch der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV gelten solle (vgl. Bundestagsdrucksache [BT-Drs]. 14/1855 S. 8). Dieser Wille der Verfasser des Gesetzentwurfs findet sich jedoch nicht im Wortlaut der Norm, als äußerste Grenze der möglichen Auslegung wieder. Danach haben lediglich Rechtsbehelfe gegen die Feststellung, "dass Beschäftigung vorliegt", aufschiebende Wirkung. Der Sprachgebrauch des § 7a SGB IV ist uneinheitlich. Die in Absatz 1 und Absatz 7 der Norm verwendete spezielle Formulierung "ob" bzw. "dass Beschäftigung vorliegt" spricht dafür, dass in dem Verfahren nur festzustellen ist, ob eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV in Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit vorliegt. Insoweit unterscheidet sich die Norm jedenfalls sprachlich von 28h Abs. 2 Satz 1 oder § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, in denen über die Versicherungspflicht zu entscheiden ist. Darauf deutet auch das in der Gesetzesbegründung zur Förderung der Selbstständigkeit verfolgte Ziel hin, divergierende Entscheidungen über die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, zu vermeiden. Das Anfrageverfahren soll den Beteiligten Rechtssicherheit verschaffen, ob die selbständig tätig oder abhängig beschäftigt sind (BT-Drs. 14/1855, S. 1, 7). Erst die teleologische und systematische Auslegung ergibt, dass auch im Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV nicht nur die Beschäftigung als ein Element der Versicherungspflicht, sondern das Bestehen derselben in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen (dazu BSG, Urteil vom 11.03.2009,

22

Az. B 12 R 11/07 R, Rn. 19 ff., zitiert nach juris). Insoweit besteht erst in der Rechtsanwendung kein Unterschied. Der Wortlaut des § 7a Abs. 7 SGB IV stellt aber eine spezifische Verknüpfung lediglich zu dem Anfrageverfahren her, weil er die in § 7a Abs. 1 Satz SGB IV gewählte (spezielle) Formulierung, "ob eine Beschäftigung vorliegt" und nicht den in § 7a Abs. 6 SGB IV verwendeten Begriff der Versicherungspflicht, aufgreift.

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Dieses Anfrageverfahren unterscheidet sich zudem systematisch von dem Prüfverfahren nach § 28p SGB IV. Es soll den Status des Beteiligten für die Zukunft klären und ist deshalb in der Regel zu Beginn einer Tätigkeit eröffnet. Das macht § 7a Abs. 6 SGB IV deutlich, wonach der Eintritt der Versicherungspflicht abweichend von § 22 Abs. 1 SGB IV auf den Tag der Bekanntgabe der Entscheidung im Verwaltungsverfahren verschoben werden kann, wenn der Antrag innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung gestellt wird. Ein späterer Antrag wird beitragsrechtlich nicht mehr honoriert, selbst wenn sonst ausreichender anderweitiger sozialer Schutz besteht. Darin kommt der Zweck des Anfrageverfahrens zum Ausdruck. Es soll den gutgläubigen Beteiligten schützen (BT-Drs. 14/1855, Seite 6), der mit der Einleitung des Statusfeststellungsverfahrens bestehende Unsicherheiten beseitigen und Rechtssicherheit herbeiführen will. Hat jedoch bereits eine Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger ein Verfahren zur Feststellung des Status eingeleitet, ist für ein Anfrageverfahren kein Raum mehr, § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Es fehlt an der Gutgläubigkeit des Beteiligten. Eine Bevorzugung der erst durch eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV entdeckten säumigen, ggfs. schuldhaft handelnden Arbeitgeber kann durch § 7a Abs. 7 SGB IV nicht gewollt sein (Bayerisches LSG, Beschluss vom 29.10.2014, Az. L 5 R 868/14 B ER, Rn. 39, LSG Hamburg, Beschluss vom 16.04.2012, Az. L 3 R 19/12 B ER, Rn. 2; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 5. November 2008 – L 16 B 7/08 R ER; Bayerisches LSG, Beschl. vom 16. März 2010 – L 5 R 21/10 B ER sowie in Abweichung zur Vorauflage Keller in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86a Rn. 13b).

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Ferner ist zu beachten, dass die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm die Ausnahme der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Beitragsbescheide – selbst für den bösgläubigen Arbeitgeber – zur Regel macht. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG liefe damit in den nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV getroffenen Entscheidungen weitestgehend leer (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 07.09.2015, Az. L 5 KR 147/15 B ER, Rn. 18, zitiert nach juris). Die Regelung wurde indes mit dem 6. SGG-Änderungsgesetz vom 17. August 2001, also in Kenntnis der zu § 7a Abs. 7 SGB IV (eingeführt durch Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999, BGBl. I, 2 ff.) vertretenen Auffassungen, eingeführt, um die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger, insbesondere der Sozialversicherung zu sichern (BT-Drs. 14/5943, S. 25). Die Beiträge sind deshalb auch dann zu leisten, wenn gegen die Entscheidung ein Rechtsbehelf eingelegt wurde. Eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung kommt nach § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Gerade den rückständigen Beitragsforderungen kommt die hohe Bedeutung der Norm zur Sicherung der Einnahmesituation der Leistungsträger zu (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 07.09.2015, Az. L 5 KR 147/15 B ER, Rn. 18, zitiert nach juris).

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Hiernach ist § 7a Abs. 7 SGB IV als lex specialis gegenüber § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG auf das Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV beschränkt.

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2. Der Antrag hat jedoch, soweit der Antragsteller sich noch gegen den Vollzug der Forderung in Höhe von 19.428,89 EUR wendet, keinen Erfolg.

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Nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG kann die Behörde die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie bei der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben soll dies gemäß § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG nur dann geschehen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Maßstäbe gelten in gleicher Weise für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage durch das Gericht nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.

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Nach dem Ergebnis der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig gebotenen summarischen Überprüfung begegnet der angegriffene Bescheid keinen ernstlichen Zweifeln hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht des Antragstellers. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die im Verfahren der Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen zur Beitragshöhe rechnerisch unzutreffend sind. Das behauptet die Antragstellerin auch selbst nicht.

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a) In der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) und § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Das gilt gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) auch nach dem Recht der Arbeitsförderung.

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Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt "eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen" (BSG, Urteil vom 29.08.2012, Az. B 12 KR 25/10 R, Rn. 15, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung, zitiert nach juris). Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die "rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29.08.2012, Az. B 12 KR 25/10 R, Rn. 15, zitiert nach juris).

31

Ausgangspunkt der Gesamtbetrachtung ist zunächst die Tätigkeit des Geschäftsführers der Antragstellerin in einem fremden Betrieb. Alleinige Unternehmensinhaberin ist die Antragstellerin, die als GmbH eine juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (BSG, Urteil vom 29.07.2015, Az. B 12 KR 23/13, Rn. 24, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung, zitiert nach juris).

32

In diesem Betrieb ist der Geschäftsführer auf der Grundlage eines Geschäftsführervertrags tätig. Dieser enthält arbeitnehmertypische Regelungen. Er hat wie ein Arbeitnehmer Anspruch auf ein festes Gehalt, das im Krankheitsfall fortgezahlt wird. Das wirtschaftliche Risiko trägt nach der Vertragsgestaltung allein das Unternehmen. Zwar wird er darüber hinaus mit einer Tantieme am wirtschaftlichen Gewinn, nicht aber am Verlust der Gesellschaft beteiligt. Zwar hat er ein gesteigertes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, da er für die Antragstellerin eine Bürgschaft übernommen und ihr Darlehen in nicht unerheblicher Höhe gewährt hat. Dies vermag jedoch seine weisungsgebundene Stellung in einem fremden Betrieb nicht ausschließen. Seine Tätigkeit als Geschäftsführer ist in dem Vertrag nochmals ausdrücklich an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden. Das ergibt sich ohnehin bereits aus der gesetzlichen Stellung der Gesellschafterversammlung als höchstes Organ der Gesellschaft. Überdies bedarf er für die in § 3 Buchstaben a) bis n) genannten Geschäfte und Maßnahmen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Zwar entspricht insbesondere die Bindung an die Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie die Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis nach dem Vortrag der Antragstellerin nicht (mehr) der tatsächlichen Handhabung. Allerdings ändert dies die vertragliche Stellung des Geschäftsführers und die rechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG sind die tatsächlichen Umstände nur maßgeblich, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 m.w.N). Der schriftliche Anstellungsvertrag verlangt für Vertragsänderungen die Schriftform. Diese kann auch nicht mündlich abbedungen werden.

33

Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ergeben sich auch nicht aus der tatsächlich beherrschenden Position des Geschäftsführers im Unternehmen. Er ist zwar dessen "Kopf und Seele", weil er allein über die notwendigen fachlichen Kenntnisse, Anlagevermögen und die Kundenbeziehungen verfügt und tatsächlich keinerlei Weisungen von seiner Ehefrau erhält. Allerdings ist die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen, die im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sind, gehört unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (st. Rspr. BSG vgl. Urteil vom 29.08.2012, Az. B 12 KR 25/10 R, Rn. 16). Das BSG hat dazu erst kürzlich erneut ausgeführt:

34

"Die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung von den dafür zuständigen Senaten des BSG entwickelte sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs 1 SGB IV nicht heranzuziehen. Soweit der Senat in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat (BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448), wird hieran nicht festgehalten. Nach dieser Rechtsprechung soll für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch für einen Angestellten unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht kommen, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem "Gutdünken" führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (Nachweise bei BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31). ( ...) Eine Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG aaO).

35

Zugleich verringert das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht. Andernfalls stünde es nämlich gerade bei kleinen (Familien-)Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen. Dass gerade bei Familienunternehmen die Feststellung der ggf zur Sozialversicherungspflicht führenden Umstände schwierig ist, hat der Gesetzgeber anerkannt (zusätzliche Meldepflicht bei einer verwandtschaftlichen Beziehung zum Arbeitgeber nach § 28a Abs 3 S 2 Nr 1 Buchst d SGB IV; obligatorische Antragstellung durch die Einzugsstelle nach § 7a Abs 1 S 2 SGB IV).

36

Darüber hinaus vermeidet das Abstellen auf die dem Beteiligten zukommende Rechtsmacht anderenfalls zwingend auftretende Abgrenzungsschwierigkeiten zu leitenden Angestellten" (BSG, Urteil vom 29.07.2015, Az. B 12 R 1/15 R, Rn. 23-25, zitiert nach juris).

37

Dem schließt sich das Gericht nach eigener Prüfung an. Es wirkt sich daher auch nicht entscheidend aus, ob der Geschäftsführer im Falle eines Zerwürfnisses die Übertragung der Geschäftsanteile rückgängig machen und den Tischlereibetrieb als einen eigenen fortsetzen kann. Sollte dieser Fall eintreten, ändern sich die Grundlagen der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die bloße Möglichkeit wirkt sich jedoch nicht vorgreiflich auf die derzeit bestimmenden rechtlichen Verhältnisse im Unternehmen aus.

38

Auch die steuer- und erbrechtlichen Motive für die Übertragung des Unternehmens auf die Ehefrau des Geschäftsführers können sich hiernach nicht gestaltend auf die sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Unternehmensgestaltung auswirken (vgl. BSG, Urteil vom 29.07.2015, Az. B 12 R 1/15 R, Rn. 26, zitiert nach juris).

39

b) Die aufschiebende Wirkung ist auch nicht zur Vermeidung einer unbilligen Härte anzuordnen. Die Antragsgegnerin hat bereits den Vollzug für einen Großteil der Beitragsforderung in Höhe von 55.393,47 EUR bis zum Abschluss des Klageverfahrens (Az. S 43 R 470/15) ausgesetzt.

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Hinsichtlich des Restbetrages in Höhe von 19.428,89 EUR ist eine unbillige Härte nicht glaubhaft gemacht. Eine solche liegt nur vor, wenn dem Betroffenen Nachteile entstehen, die über die eigentlichen Zahlungen hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder ausgeglichen werden können. Eine drohende Insolvenz kann – zumindest bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit – eine unbillige Härte begründen. Dabei sind aber auch die gewichtigen Interessen für eine umgehende Vollziehung des Beitragsbescheids zu berücksichtigen. Die Einnahmen der Sozialversicherung sind durch zeitnahen Beitragseinzug sicherzustellen und die geltend gemachten Versicherungszeiten begründen sozialrechtliche Anwartschaften und Ansprüche für die Beschäftigten (Bayerisches LSG, Beschluss vom 07.12.2015, Az. L 7 R 832/15 B ER, Rn. 19, zitiert nach juris).

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Die Antragstellerin hat, soweit es den nicht vom Sofortvollzug ausgenommenen Betrag in Höhe von 19.428,89 EUR betrifft, keine unbillige Härte glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass durch die Forderung Zahlungsunfähigkeit eintreten sollte. Sie hat Unterlagen vorgelegt, aus denen sich vier abzuarbeitende Aufträge sowie ein erwarteter Auftrag mit einem Gesamtvolumen von 1.716.408,15 EUR ergeben. Davon ist noch ein Volumen in Höhe von 1.148.442,67 EUR abzuarbeiten. Nach diesen Zahlen kann für das Jahr 2016 von einer guten Auftragslage ausgegangen werden. Das zeigt ein Vergleich mit dem Geschäftsjahr 2014. Die Umsatzerlöse beliefen sich nach der dafür eingereichten vorläufigen betriebswirtschaftlichen Auswertung auf 948.981,05 EUR und das vorläufige Betriebsergebnis auf 19.428,89 EUR.

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Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie müsse den Betrag von 1.148.442,67 EUR vorfinanzieren, begegnet dies Zweifeln. Nach § 16 Abs. 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen - Teil B 2012 (VOB/B-2012) kann der Auftragnehmer von dem Besteller eine Abschlagszahlung in Höhe des Wertes der jeweils nachgewiesenen, vertragsgemäßen Leistungen verlangen. Auch wenn die Antragstellerin nicht nach der VOB anrechnet, steht ihr nach § 632a BGB für eine vertragsgemäß erbrachte Leistung eine Abschlagszahlung in Höhe des durch die Leistung erbrachten Wertzuwachses beim Besteller zu. Sie muss daher daher nicht das vollständige Vorfinanzierungs- und Insolvenzrisiko tragen. Zudem steht ihr die unabdingbare Bauhandwerkersicherung nach § 17 VOB/B-2012 bzw. § 648a BGB zur Seite.

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Soweit der Geschäftsführer in einer E-Mail an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ausführt, es sei sehr schwierig, die laufenden Aufträge mit einem geringen Kontokorrent von nur 20.000 EUR abzuarbeiten, begründet dies keine unbillige Härte. Belastbare Nachweise über den aktuellen Stand der Vorfinanzierung und des Kontokorrents hat die Antragstellerin nicht vorgelegt. Sollte sie tatsächlich und nachgewiesenermaßen in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten kommen, kann die Einzugsstelle die Restforderung nach Maßgabe des § 76 Abs. 2 SGB IV stunden.

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3. Gemäß § 197a Abs. 1 SGG sind im vorliegenden Verfahren Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu erheben, da weder die Antragstellerin noch die Antragsgegnerin zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

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Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat keinen Erfolg. Auch soweit die Antragsgegnerin den Vollzug einer Teilforderung ausgesetzt hat, sind ihr nach dem Rechtsgedanken des § 156 VwGO keine Kosten aufzuerlegen. Sie hat nach erstmalig substantiiertem Vortrag zur wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin die Beitreibung der Forderung unverzüglich ausgesetzt.

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Die Höhe des nach Anhörung der Beteiligten festgesetzten Streitwertes ergibt sich gemäß § 52 Abs. 1 GKG aus dem Begehren der Antragstellerin, den Vollzug der Beitragsforderung in Höhe von 74.823,36 EUR einstweilen auszusetzen. Der Streitwert wird im vorläufigen Rechtschutzverfahren auf ¼ des Hauptsachestreitwertes begrenzt und beträgt hiernach 18.705,84 EUR.


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