Urteil vom Sozialgericht Mainz (8. Kammer) - S 8 KA 164/14


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung von Laborleistungen im Quartal 3/2013.

2

Die Klägerin ist eine Laborgemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und hat ihren Sitz im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Sie rechnet die von ihren Mitgliedern erbrachten vertragsärztlichen Leistungen gegenüber der Beklagten ab.

3

Mit Honorarbescheid vom 27.01.2014 stellte die Beklagte das vertragsärztliche Honorar der Klägerin im Quartal 3/2013 in Höhe von 577.419,28 € fest. Ausweislich der Anlage 3b zum Honorarbescheid lag die Vergütungsquote für Laboruntersuchungen nach Kapitel 32.2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) – ausgenommen GO-Nrn. 32025 bis 32027, 32035 bis 32039, 32097 und 32150 EBM – und der Laboruntersuchungen der Laborärzte nach Kapitel 32.3 EBM bei 91,81 %.

4

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

5

Die Klägerin beanstandete die Quotierung von Leistungen auf Basis von Teil E der Vorgaben der beigeladenen Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) i.V.m. dem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten. Die Quotierung der in Punktwerten ausgedrückten Ziffern des EBM sowie des Kostenersatzes des Kapitels 32 EBM durch den Honorarbescheid sei rechtswidrig, weil die Kostenerstattung von Laborleistungen gegenüber der Erstattung anderer Leistungen unverhältnismäßig begrenzt werde. Dies widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Honorarverteilungsgerechtigkeit.

6

Der Widerspruch wurde mit Teilwiderspruchsbescheid vom 08.07.2014 zurückgewiesen, soweit er sich gegen die Quotierung von Laborleistungen richtete.

7

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Honorarbescheid rechtmäßig sei. Die Beigeladene habe gemäß § 87b Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Vorgaben für die Honorarverteilung zu bestimmen, die für die Beklagte bindend seien. Die Vergütung laboratoriumsmedizinischer Leistungen sei in Teil E der Vorgaben der Beigeladenen zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V geregelt. Danach erfolge die Vergütung von Leistungen und Kostenpauschalen der Laboratoriumsmedizin innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV). Vor der Trennung der MGV für den hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereich sei unter anderem ein Vorwegabzug für die Vergütung von Leistungen und Kostenpauschalen der Laboratoriumsmedizin vorgesehen.

8

Die Vergütung der Ärzte sei in Ziffer 3 der Vorgaben der Beklagten geregelt. Die GO-Nrn. 32025 bis 32027, 32035 bis 32039, 32097 und 32150 EBM würden zum Preis der regionalen Euro-Gebührenordnung aus dem ermittelten Vergütungsvolumen vergütet. Die weiteren Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.2 EBM würden – sofern diese nicht außerhalb der MGV vergütet würden – mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung multipliziert mit der bundeseinheitlichen Abstaffelungsquote Q vergütet (Ziffer 3.4 der Vorgaben).

9

Bei Erbringung von laboratoriumsmedizinischen Leistungen des Abschnitts 32.2 EBM durch Laborgemeinschaften hätten diese Anspruch auf die Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten höchstens bis zum Höchstpreis (Ziffer 1 Satz 2 zum Abschnitt 32.2 EBM).

10

Die von der Beigeladenen ermittelte Vergütungsquote Q liege für das Quartal 3/2013 bei 91,81 % und gelte für alle Laborleistungen nach Abschnitt 32.2 und 32.3 EBM mit Ausnahme der GO-Nrn. 32025 bis 32027, 32035 bis 32039, 32097 und 32150 EBM.

11

Die Beklagte habe die Vorgaben der Beigeladenen im HVM ab 01.01.2013 korrekt umgesetzt. Eine Vergütung der Laborleistungen nach Abschnitt 32.2 EBM ohne Quotierung sei insofern nicht möglich.

12

Die Klägerin hat am 01.08.2014 Klage erhoben.

13

Mit Bescheid vom 31.03.2015 hat die Beklagte der Klägerin eine Nachvergütung für die Quartale 4/2012, 3/2013 und 4/2013 aufgrund einer rückwirkenden Anhebung der Laborquote „Q“ bewilligt. Für das Quartal 3/2013 wurde die Quote von 91,81 % auf 92,58 % angehoben und eine Nachvergütung in Höhe von 4.726,30 € gewährt.

14

Der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch wurde durch die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016 zurückgewiesen. Die Beklagte hat den Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016 in der mündlichen Verhandlung insoweit aufgehoben, als sich dieser auf das Quartal 3/2013 bezieht.

15

Die Klägerin bezieht sich auf ihre Begründung im Widerspruchsverfahren.

16

Sie ist der Ansicht, dass der Honorarbescheid rechtswidrig ist, da eine Quotierung von Kostenersatz unzulässig sei. Bei den im EBM ausgewiesenen Kostensätzen handele es sich um nicht quotierbare Festbeträge, die weder von der Beigeladenen noch von der Beklagten im Rahmen der Honorarvereinbarung kürzbar seien. Die von der Beklagten vorgenommene Quotierung verstoße gegen die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) und gegen die Honorarverteilungsgerechtigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG.

17

Die bundeseinheitliche Quotierung stelle einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar. Für diesen Eingriff fehle es an einer rechtmäßigen Rechtsgrundlage. Die Beigeladene sei nicht zuständig, die bundeseinheitlichen Regelungen der in Kapitel 32 EBM geregelten Festpreise zu verändern. Die Festpreise würden gemäß § 82 Abs. 1 SGB V durch die Partner der Bundesmantelverträge festgelegt. Die KVen seien hieran gebunden und dürften im HVM keine abweichenden Vereinbarungen treffen (vgl. Bundessozialgericht , Beschluss vom 23.05.2007 – B 6 KA 91/06 B), da es sich bei den Bestimmungen des EBM um höherrangiges Recht handele.

18

§ 87b Abs. 4 SGB V, der vorsehe, dass die Beigeladene Vorgaben zur Honorarverteilung zu machen habe, erfasse nicht die Einführung einer bundeseinheitlichen Quotierung bei der Vergütung von Laboratoriumsuntersuchungen der Abschnitte 32.2 und 32.3 EBM. § 87b Abs. 4 Satz 2 SGB V sei nicht zu entnehmen, dass von den vertraglichen Vereinbarungen abgewichen werden dürfe.

19

Die Entscheidungen des BSG vom 19.08.2015 (B 6 KA 34/14 R u.a.) könnten nicht überzeugen, da kein sachlicher Grund dafür bestehe, die gleichmäßige Vergütung aller ärztlichen Leistungen über die Kalkulationssicherheit der Ärzte zu stellen, deren Kosten zu einem relevanten Teil über Kostenerstattung finanziert würden. Die Entscheidung des BSG vom 23.05.2007 (a.a.O.) habe nach wie vor Gültigkeit.

20

Die Vorgaben der Beigeladenen seien darüber hinaus nicht mit § 87b Abs. 4 SGB V vereinbar. Dieser ermächtige die Beigeladene nicht ausdrücklich zu einer Quotierung. Die Formulierung „insbesondere“ in § 87b Abs. 4 Satz 2 SGB V sei nicht bestimmt genug, um eine Berufsausübungsregelung vorzunehmen. Die Vorschrift sei einschränkend im Sinne der in § 87b Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB V genannten Ziele auszulegen. Teil E der Vorgaben der Beigeladenen gemäß § 87b Abs. 4 SGB V dienten indes nicht der Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung, sondern ausdrücklich der „bundesweiten Vereinheitlichung der Vergütung von Leistungen und Kostenpauschalen der Laboratoriumsmedizin“. Die Herstellung eines bundeseinheitlichen Vergütungsniveaus stelle gegenüber der Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung jedoch ein Aliud dar. Eine bundeseinheitliche Vergütung sei im Übrigen aufgrund der Vereinbarung der Kostenerstattungen als Teil der Bundesmantelverträge bereits geregelt.

21

Die Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg (Urteil vom 25.06.2014 – S 27 KA 152/11) betreffe einen anderen Sachverhalt. Nach dieser Entscheidung sei aber die Quotierung von Laborleistungen einer Laborgemeinschaft rechtwidrig.

22

Die Vorgaben der Beigeladenen stellten auch deshalb keine Regelung zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung des Leistungsumfangs dar, weil die Höhe der Quotierung bundeseinheitlich und nicht abhängig von der konkreten Leistungsentwicklung innerhalb einer KV erfolge. Eine mengensteuerende Wirkung könne die Regelung nicht entfalten, weil nicht die für die Mengenentwicklung verantwortlichen Ärzte gezielt zur Verantwortung gezogen würden.

23

Auch bleibe im Fall einer Quotierung von der in § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V geforderten Kalkulationssicherheit für den Leistungserbringer hinsichtlich der Höhe der zu erwartenden Honorierung nichts mehr übrig, zumal die Quote jedes Quartal neu festgelegt werde und der Höhe nach nicht begrenzt sei.

24

Auch für den Fall der Annahme, dass für den Eingriff eine Rechtsgrundlage bestehe, sei der Eingriff aber rechtswidrig wegen Unverhältnismäßigkeit.

25

Die Quotierung sei zur Erreichung der verfolgten Ziele ungeeignet. Es werde hierdurch nicht die Menge der erbrachten Leistungen begrenzt, sondern lediglich die Höhe der Kostenerstattungen. Die Euro-Beträge der Kostenerstattungen des Kapitels 32 EBM stellten betriebswirtschaftlich kalkulierte Pauschalbeträge dar, die der Abdeckung tatsächlich entstandener Kosten dienten. Würden diese Kostenerstattungen quotiert, seien sie nicht mehr wirtschaftlich. Es widerspreche daher dem Sinn und Zweck von Kostenerstattungen, diese zu quotieren. Die Beigeladene habe mittlerweile eingeräumt, dass im Bereich des Basislabors (Abschnitt 32.2 EBM), die erwarteten Wirtschaftlichkeitsreserven nicht vorhanden seien. Eine Quotierung der Kostenerstattungen führe daher zu einer Unterdeckung.

26

Es sei zwischen Laborleistungen, die als Eigenleistung erbracht werden, und Laborleistungen, die als Auftragsleistung erbracht werden, zu unterscheiden. Während der Eigenerbringer über die Art und Anzahl der Leistungen entscheiden könne, sei der Laborarzt als überweisungsnehmender Arzt an den Ziel-Auftrag gebunden. Obwohl Laborärzte somit nicht für die Leistungsmengenzunahme im Rahmen von Überweisungsleistungen verantwortlich seien, werde durch die Quotierung in ihr Honorar eingegriffen. Dies widerspreche den Grundsätzen der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Eine Quotierung der festen Euro-Beträge widerspreche dem Sinn und Zweck der Laborreform 1999. Eine Steuerung von Laborleistungen habe veranlasserbezogen bei den Überweisern zu erfolgen, die Laborleistungen in Auftrag geben, da es bereits an einem Verhalten der Laborärzte fehle. Die Quotierung sei auch unangemessen, da ein Vertragsarzt einer Behandlungspflicht unterliege.

27

Für die Ungleichbehandlung von Laborleistungen mit anderen Leistungen sei kein sachlicher Grund ersichtlich. Die bundesweite Vereinheitlichung der Vergütung stelle kein in § 87b Abs. 4 SGB V definiertes Gemeinwohlziel dar. Es sei auch der in § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V genannte Aspekt der Kalkulationssicherheit zu berücksichtigen. Die Einführung einer allgemeinen Quotierung von Kostenerstattungen verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, weil der Normgeber damit gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Systemgerechtigkeit verstoße und er die ihm obliegende Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht nicht beachtet habe.

28

Gemäß § 25 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) habe eine Erstattung auf Basis der nachgewiesenen Kosten der Laborgemeinschaft zu erfolgen. Eine Quotierung nachgewiesener Kosten scheide damit aus und führe zu einer finanziellen Unterdeckung der Laborgemeinschaften. Die Ausführungen des BSG (Urteile vom 19.08.2015 – B 6 KA 34/14 R u.a.), dass diese Regelung nicht streng nach ihrem Wortlaut auszulegen sei, vermöge nicht zu überzeugen. Der Höchstsatz stelle nach dem Wortlaut bereits eine Begrenzung der abrechenbaren Kosten dar. Mit der Quotierung werde eine doppelte Reduzierung vorgenommen.

29

Die Klägerin beantragt,

30

1. den Honorarbescheid betreffend das Quartal 3/2013 vom 27.01.2014 in Gestalt des Teilwiderspruchsbescheides vom 08.07.2014, abgeändert durch den Nachvergütungsbescheid vom 31.03.2015, insoweit aufzuheben, als das durch die Klägerin abgerechnete vertragsärztliche Honorar einer Quotierung unterworfen wurde;

31

2. die Beklagte zu verpflichten, das durch die Klägerin abgerechnete vertragsärztliche Honorar für das Quartal 3/2013 mit der Maßgabe neu festzusetzen, dass der Klägerin die Kostenerstattungen für die laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen des Kapitels 32 EBM zum vollen Betrag der im Anhang zu Kapitel 32 EBM bundesmantelvertraglich vereinbarten Euro-Kostensätze vergütet werden, ohne die Euro-Kostensätze einer Honorarquotierung zu unterwerfen;

32

3. hilfsweise zu Ziffer 2.,

33

die Beklagte zu verpflichten, das durch die Klägerin abgerechnete vertragsärztliche Honorar für das Quartal 3/2013 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.

34

Die Beklagte beantragt,

35

die Klage abzuweisen,

36

hilfsweise, die Sprungrevision zuzulassen.

37

Die Beklagte verweist auf die Begründung im Widerspruchsbescheid.

38

Sie macht geltend, dass sie an die Vorgaben der Beigeladenen gebunden sei gemäß § 87b Abs. 4 Satz 3 SGB V. Eine Normverwerfungskompetenz stehe ihr nicht zu.

39

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

40

Sie hält die Quotierung von Laborleistungen des Kapitels 32 aufgrund der im HVM der Beklagten umgesetzten Vorgaben der Beigeladenen für rechtmäßig. Die Vorgaben der Beigeladenen seien von der Rechtsgrundlage des § 87b Abs. 4 Satz 2 SGB V erfasst. Aus § 87b Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 87b Abs. 2 SGB V ergebe sich für die Beigeladene eine umfassende Regelungskompetenz für Vorgaben zur Honorarverteilung. Von der Formulierung „Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit“ würden alle Konstellationen erfasst, in denen honorarbegrenzende Maßnahmen erforderlich würden.

41

Der Abstaffelungsquote Q liege das klassische Instrument der Mengensteuerung in Form der Bildung eines Honorartopfes bzw. Vergütungsvolumens zugrunde. Die Mengenbegrenzung knüpfe an das angeforderte Honorarvolumen des Vorjahresquartals und die bereitgestellten Finanzmittel der MGV an. Im Fall einer starken Mengenentwicklung im Bereich Labor erfolge zum Schutz der anderen Arztgruppen eine entsprechende Abstaffelung. Die arztgruppenspezifischen Vergütungsvolumen dienten dem Zweck, die Folgen einer Leistungsmengenausweitung auf die jeweilige Teilgruppe zu beschränken.

42

Honorartöpfe für Versorgungsgebiete oder Leistungsbereiche seien zulässig. Auch Leistungen, die überweisungsgebunden sind, könnten einem Honorartopf zugeordnet werden. Auch für den Laborbereich sei die Zulässigkeit der Bildung von Honorartöpfen anerkannt. Honorartöpfe könnten auch an Abrechnungsvolumina aus früheren Zeiträumen anknüpfen.

43

Laborärzte könnten trotz ihrer Bindung an den Überweisungsauftrag den Umfang der von ihnen erbrachten Leistungen selbst mitbestimmen, weshalb Mengenbegrenzungen auch bei ihnen ansetzen dürften.

44

Die Bildung von Honorartöpfen habe stets die Konsequenz, dass vertragsärztliche Leistungen nicht entsprechend dem EBM im selben Verhältnis, sondern, abhängig von der Mengenentwicklung im jeweiligen Leistungsbereich, unterschiedlich hoch vergütet würden.

45

Die besondere Situation im Bereich der Laborvergütung erfordere eine bundeseinheitliche Regelung. Hierdurch werde verhindert, dass es aufgrund dauerhaft unterschiedlicher Preise für Laborleistungen in den einzelnen KV-Bezirken zu einer Versendung der Laborleistungen in die KV-Bezirke mit den höchsten Preisen kommt (sog. Proben-Tourismus).

46

Einer Quotierung der Laborleistungen des Kapitels 32 EBM stehe nicht entgegen, dass diese durch die Bundesmantelvertragspartner als einheitliche Kostenpauschalen vereinbart worden seien. Das BSG (Urteil vom 23.05.2007 – B 6 KA 91/09 B) habe lediglich eine regionale Quotierung für rechtswidrig erachtet. Die Vorgabe einer Quotierung durch den Bewertungsausschuss sei dagegen als rechtmäßig angesehen worden. Die Kompetenz des Bewertungsausschusses zu bundesweit geltenden Honorarverteilungsregelungen sei zum 01.01.2012 auf die Beigeladene übergegangen. Die Vorgaben der Beigeladenen seien damit an die Stelle der Regelungen des Bewertungsausschusses getreten. Für die Partner der Bundesmantelverträge bestehe dagegen keine Regelungskompetenz im Bereich der Honorarverteilung. Dementsprechend bestehe auch kein Vorrang bundesmantelvertraglicher Regelungen gegenüber den Vorgaben der Beigeladenen in diesem Bereich.

47

Der Bewertungsausschuss habe zudem in den Präambeln zu den Abschnitten 32.2 und 32.3 EBM klargestellt und bestätigt, dass die Leistungen des Kapitels 32 EBM gemäß den Vorgaben der Beigeladenen gemäß § 87b Abs. 4 SGB V zu vergüten seien. Die in den Abschnitten 32.2 und 32.3 ausgewiesenen Euro-Beträge seien daher nicht als Festpreise zu verstehen, sondern entsprechend der Vorgaben der Beigeladenen quotiert zu vergüten.

48

Ein genereller Ausschluss der Laborleistungen von jeglichen Honorarbegrenzungsmaßnahmen sei mit der gesetzlichen Grundkonzeption des geltenden Vergütungssystems unvereinbar. Der Vertragsarzt habe keinen Anspruch auf ein Honorar in einer bestimmten Höhe, sondern nur auf einen angemessenen Anteil an der Gesamtvergütung. Mengenentwicklungen im Bereich der Laborleistungen zulasten anderer Arztgruppen sei daher im Sinne des Gleichgewichts des vertragsärztlichen Vergütungssystems entgegenzuwirken.

49

Die Vorgaben der Beigeladenen zur Vergütung laboratoriumsmedizinischer Leistungen gewährleisteten schließlich eine Kosten- und Kalkulationssicherheit. Die bundeseinheitliche Abstaffelungsquote werde den betroffenen Ärzten mit einem ausreichenden zeitlichen Verlauf vor Quartalsbeginn bekannt gegeben.

50

Die Beklagte schließt sich der Stellungnahme der Beigeladenen an.

51

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

52

Die Klage ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der Honorarbescheid vom 27.01.2014 in der Gestalt des Teilwiderspruchsbescheides vom 08.07.2014 und abgeändert durch den Nachvergütungsbescheid vom 31.03.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung der von ihr erbrachten laboratoriumsmedizinischen Leistungen des Kapitels 32 EBM im Quartal 3/2013.

53

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist als Laborgemeinschaft in der Rechtsform einer GbR nach § 70 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig und auch prozessführungsbefugt, da ihr selbst ein Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten zusteht (vgl. BSG, Urteile vom 19.08.2015 – B 6 KA 34/14 R, juris Rn 18, und vom 13.05.2015 – B 6 KA 27/14 R, juris Rn 11 ff.).

54

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die Beklagte eine Quotierung der von der Klägerin abgerechneten Laboratoriumsuntersuchungen nach Kapitel 32 EBM im Quartal 3/2013 vornehmen durfte. Nur hierüber wurde mit dem Teilwiderspruchsbescheid vom 08.07.2014 entschieden. Der Bescheid vom 31.03.2015, mit dem die Vergütungsquote abgeändert wurde, ist, soweit er sich auf das Quartal 3/2013 bezieht, gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden.

55

Die Beklagte hat den Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016 aufgehoben, soweit er sich auf das im vorliegenden Rechtsstreit streitgegenständliche Quartal 3/2013 bezog. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 31.03.2015, soweit er sich auf das Quartal 3/2013 bezog, als unzulässig zu verwerfen gewesen wäre (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 96 Rn 11c m.w.N.).

56

Rechtsgrundlage für die von der Beklagten vorgenommene Quotierung der von der Klägerin abgerechneten Leistungen der Abschnitte 32.2 und 32.3 EBM sind § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 i.V.m. Ziffer 2.4 der Anlage 1 des HVM der Beklagten in der seit 01.01.2013 geltenden Fassung.

57

Demnach werden die vertragsärztlichen Leistungen nach den jeweils aktuellen gesetzlichen, vertraglichen und sonstigen Bestimmungen, insbesondere nach dem jeweils gültigen EBM, für das Quartal vergütet, für das sie eingereicht wurden (§ 3 Abs. 2 Satz 2 HVM).

58

Laborleistungen werden gemäß Ziffer 2 der Anlage 1 zum HVM innerhalb der MGV vergütet und es wird ein Honorarfonds Labor gebildet. Die Grundleistungen nach Abschnitt 32.1, d.h. der Wirtschaftlichkeitsbonus nach der GO-Nr. 32001 EBM, werden in Höhe des Punktwerts nach § 87a Abs. 2 Satz 1 SGB V (in 2013: 3,5363 Cent) vergütet (Ziffer 2.4.2 der Anlage 1 zum HVM). Bestimmte Laborleistungen des Abschnitts 32.2 EBM (GO-Nrn. 32025 bis 32027, 32035 bis 32039 und 32039,32097 und 32150 EBM) werden gemäß Ziffer 2.4.4 der Anlage 1 zum HVM entsprechend den Kostensätzen des EBM vergütet. Die Vergütung der übrigen Laborleistungen der Abschnitte 32.2 und 32.3 EBM richtet sich nach Ziffer 2.4.5 der Anlage 1 zum HVM.

59

Ziffer 2.4.5 Abs. 1 der Anlage 1 zum HVM, der auf Laborärzte, wie die Mitglieder der Klägerin, Anwendung findet, lautet wie folgt:

60

„Aus dem Honorarfonds Labor werden die speziellen Laborleistungen gemäß Abschnitt 32.2. und Abschnitt 32.3. EBM gemäß den Kostensätzen des EBM multipliziert mit der bundeseinheitlichen und von der KBV ermittelten Vergütungsquote Q honoriert. Ausgenommen hiervon sind die Leistungen gemäß Ziffer 2.4.4 HVM.“

61

Die vorgenannten Regelungen zum Honorarverteilung im Bereich der Laborleistungen sind rechtmäßig. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere eine Verletzung der Grundrechte der Klägerin aus den Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

62

Die von der Klägerin beanstandete Regelung nach Ziffer 2.4.5 Abs. 1 der Anlage 1 zum HVM sieht eine Quotierung der Vergütung von Laborleistungen nach den Abschnitten 32.2 und 32.3 EBM vor. Für diese sind im EBM feste Euro-Beträge vertraglich vereinbart worden.

63

Das BSG hat in seinen Urteilen vom 19.08.2015 (B 6 KA 34/14 R u.a.) entschieden, dass es zulässig ist, die Vergütung von Kostenpauschalen und Pauschalkostenerstattungen nach den Abschnitten 32.2 und 32.3. EBM, für die im EBM feste Euro-Beträge vorgesehen sind, zu quotieren. Des Weiteren wurde entschieden, dass eine Quotierung der Kostenerstattungen bei Laborleistungen auch dann zulässig ist, wenn die Leistungen von Laborgemeinschaften erbracht und abgerechnet werden. Dieser überzeugenden Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.

64

Demnach war es auch im vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht möglich, durch Regelungen der Honorarverteilung eine nur quotierte Vergütung der Euro-Beträge nach den Abschnitten 32.2 und 32.3 EBM vorzunehmen und damit die Bestimmungen des EBM zu modifizieren. Dies hat im Übrigen auch der Normgeber des EBM anerkannt, indem er zum 01.01.2013 in den Präambeln Nr. 1 der Abschnitte 32.2 und 32.3 EBM aufgenommen hat, dass sich der tatsächliche Vergütungsanspruch aus den vereinbarten Euro-Beträgen multipliziert mit der für das entsprechende Quartal gültigen Abstaffelungsquote gemäß den Vorgaben der Beigeladenen errechnet (Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 294. Sitzung zur Änderung des EBM).

65

Auch die besonderen Regelungen für Laborgemeinschaften wie die Klägerin in § 25 BMV-Ä bzw. § 28 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) und in der Präambel Nr. 1 des Abschnitts 32.2 EBM, die eine Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten höchstens bis zum Höchstpreis vorsehen, führen nicht dazu, dass die Klägerin einen Anspruch auf eine nicht quotierte Erstattung ihrer Laborleistungen nach den Höchstsätzen beanspruchen kann (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2015 – B 6 KA 34/14 R, juris Rn 63 ff.).

66

Der HVM der Beklagten nimmt in Ziffer 2.4.5 der Anlage 1 zum HVM Bezug auf die von der Beigeladenen ermittelte Vergütungsquote Q. Dies unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Die Beigeladene war nämlich durch § 87b Abs. 4 SGB V in der seit 01.01.2012 geltenden Fassung zuständig, den KVen entsprechende Vorgaben zu machen.

67

Gemäß § 87b Abs. 4 SGB V in der seit 01.01.2012 geltenden Fassung hat die Beigeladene Vorgaben zur Honorarverteilung für näher bestimmte Bereiche zu treffen. Ausdrücklich kann die Beigeladene hierbei Vorgaben zu den Regelungen des § 87b Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB V bestimmen, d.h. auch Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der ärztlichen Tätigkeit nach § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V. Zudem zeigt die Verwendung des Wortes „insbesondere“, dass die Beigeladene auch weitere Vorgaben treffen kann, soweit sie dies als sachgerecht erachtet oder die KVen es für notwendig halten (vgl. Freudenberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 87b SGB V Rn 118 m.w.N.). Die Vorgaben der Beigeladenen sind von den KVen, mithin auch von der Beklagten, gemäß § 87b Abs. 4 Satz 3 SGB V zu beachten. Die Formulierung „zu beachten“ ist so zu verstehen, dass die Vorgaben der Beigeladenen für die KVen verbindlich sind (vgl. Freudenberg, a.a.O., Rn 120 m.w.N.). Auch wenn man davon ausginge, dass keine strikte Verbindlichkeit besteht, ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn eine KV die Vorgaben der Beigeladenen im Rahmen ihrer Regelungen zur Honorarverteilung als maßgeblich ansieht, wie dies die Klägerin vorliegend getan hat.

68

Die Beigeladene hat für den streitgegenständlichen Zeitraum Vorgaben zur Vergütung laboratoriumsmedizinischer Leistungen getroffen (vgl. Teil E der Vorgaben in der Fassung vom 01.07.2013 bis 30.09.2013; abrufbar unter http://www.kbv.de/html/2753.php).

69

Demnach wird die Abstaffelungsquote Q für Laboratoriumsuntersuchungen der Abschnitte 32.2. und 32.3 EBM aufgrund näher bestimmter Berechnungsvorschriften ermittelt (vgl. Teil E, Ziffer 1.1.5 der Vorgaben). Hierbei findet ein Bezug zum angeforderten Honorarvolumen des Vorjahresquartals aufgrund der bundesweiten Datenlage statt. Die ermittelte Abstaffelungsquote Q wird vor Beginn des jeweiligen Quartals durch die Beigeladene bekannt gegeben (Teil E, Ziffer 1.2 der Vorgaben). Die Vergütung der Ärzte ist in Teil E, Ziffer 3 der Vorgaben geregelt, wobei die Vergütung der Laboratoriumsuntersuchungen der Abschnitte 32.2 und 32.3 EBM in Ziffer 3.4 vorgegeben wird.

70

Die Abstaffelungsquote Q lag im streitgegenständlichen Quartal 3/2013 bei 91,81 % (später korrigiert auf 92,58 %). Mit Ausnahme des ersten Halbjahres 2013, in dem die Quote bei 89,18 % lag, lag die Quote bisher immer über 90 %.

71

Die quotierte Vergütung bestimmter Laborleistungen ist geeignet und notwendig, um angesichts einer begrenzten Gesamtvergütung die Auswirkungen von erhöhten Ausgaben in diesem Bereich innerhalb der verschiedenen Arztgruppen zu begrenzen. In der Sache wird die Bildung eines leistungsbezogenen Honorarkontingentes bewirkt (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2015 – B 6 KA 34/14 R, juris Rn 54). Die Regelung dient damit letztlich der Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Vergütung (vgl. BSG, a.a.O., Rn 49). Die in § 87b Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. SGB V erwähnte Kalkulationssicherheit wird damit für die Leistungserbringer im möglichen Ausmaß gewährleistet (vgl. BSG, a.a.O., Rn 33 und 49). Mit der bundeseinheitlichen Laborquote Q wird zudem der Problematik einer unterschiedlichen Vergütung der Laborleistungen je nach KV-Bezirk begegnet (vgl. BSG, a.a.O., Rn 58).

72

Die Vorgaben der Beigeladenen zur Vergütung laboratoriumsmedizinischer Leistungen sind daher von der gesetzlichen Ermächtigung nach § 87b Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB V umfasst.

73

Eine Verletzung von Grundrechten der Klägerin liegt nicht vor.

74

Die vorgenannten Regelungen stellen Berufsausübungsregelungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt durch § 87b SGB V eine ausreichende gesetzliche Grundlage vor. Angesichts der Höhe der Abstaffelungsquote ist die Regelung auch als verhältnismäßig anzusehen. Für den Fall des Vorliegens eines Härtefalles ist mit Ziffer 9 der Anlage 1 zum HVM der Beklagten eine ausreichende Absicherung gegeben (Begrenzung des Honorarverlustes auf 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal).

75

Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Die Klägerin rügt eine Ungleichbehandlung von Laborleistungen mit anderen vertragsärztlichen Leistungen. Eine solche Ungleichbehandlung vermag die Kammer bereits nicht zu erkennen, da auch die anderen vertragsärztlichen Leistungen – von einzelnen begründeten Leistungsbereichen abgesehen (z.B. Leistungen des organisierten Notfalldienstes) – durch § 87b SGB V und den HVM der Beklagten einer mengensteuernden Wirkung unterzogen werden. Dies entspricht dem Grundsatz, dass angesichts begrenzter Gesamtvergütungen kein Leistungsbereich generell von Steuerungsmaßnahmen ausgenommen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2015 – B 6 KA 34/14 R, juris Rn 42).

76

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie keine Anträge gestellt hat (§ 197 Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO).

77

Die Sprungrevision wird zugelassen gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 SGG. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Der Umstand, dass die unterlegene Klägerin die Zulassung der Sprungrevision nicht (hilfsweise) beantragt hat, hindert deren Zulassung nicht, da hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen zu entscheiden ist (vgl. Leitherer, a.a.O., § 161 Rn 6 m.w.N.).

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