Beschluss vom Sozialgericht Mainz (3. Kammer) - S 3 KR 112/18 ER

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist somalische Staatsangehörige und wurde im Rahmen des Asylverfahrens dem … zugewiesen. Mit Bescheid vom 20.02.2017 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei der Antragstellerin ein Abschiebeverbot iSd § 60 ABs. 7 S. 1 AufenthaltsG festgestellt. Infolgedessen erhielt die Antragstellerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthaltsG. Ab dem 01.03.2017 bezog die Antragstellerin zunächst Leistungen nach dem SGB II und war auf Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V bei der Antragsgegnerin gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Nachdem die Erwerbsunfähigkeit der Antragstellerin festgestellt wurde, bezog diese ab dem 01.02.2018 Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII.

2

Mit Schreiben vom 27.12.2017 beantragte die Antragstellerin die Durchführung einer freiwilligen Versicherung auf Grundlage von § 188 Abs. 4 SGB V.

3

Mit Schreiben vom 16.02.2018 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie diesem Begehren nicht entsprechen könne. Die Mitgliedschaft der Antragstellerin habe zum 31.01.2018 geendet. Eine Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 S. 3 SGB V sei für Personen ausgeschlossen, für die ein Anspruch nach § 19 SGB V und im Anschluss eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestehe. Dies sei vorliegend der Fall, weil die Antragstellerin seit dem 01.02.2018 Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII beziehe. Auch eine freiwillige Krankenversicherung auf Grundlage von § 9 SGB V könne nicht durchgeführt werden, da die erforderlichen Vorversicherungszeiten in der Person der Antragstellerin nicht erfüllt seien.

4

Mit Schreiben vom 31.01.2018 legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass sich die Mitgliedschaft der Antragstellerin als freiwillige Mitgliedschaft fortsetze, da sei keine Austrittserklärung § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V abgegeben habe. Auf das Vorliegen der Vorversicherungszeiten iSd § 9 SGB V komme es nicht an.

5

Mit Schriftsatz vom 06.03.2018 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Zur Begründung nahm die Antragstellerin Bezug auf ihren Widerspruch und führte ergänzend aus, dass sie dringend auf eine engmaschige ärztliche Behandlung und daher auf eine zeitnahe Entscheidung angewiesen sei.

6

Die Antragstellerin beantragt,

7

die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Antragstellerin auf Grundlage von § 188 Abs. 4 SGB V ab dem 01.02.2018 freiwillig zu versichern.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Schreiben vom 16.02.2018. Ergänzend führt die Antragsgegnerin aus, dass die in § 188 Abs. 4 S. 3 SGB V verwendete Formulierung „anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall“ sich auch in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V finde. Letztgenannte Vorschrift greife nicht bei laufenden Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII. Dies müsse dann auch für § 188 Abs. 4 S. 3 SGB V gelten.

11

Die Beigeladene nahm zum Antrag der Antragstellerin dahingehend Stellung, dass letzterer ein vorrangiger Anspruch auf eine freiwillige Krankenversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V zustehe. Ab dem 01.02.2018 werde von der Beigeladenen die Hilfe zum Lebensunterhalt laufend sichergestellt. Dieser Umstand verhindere jedoch nicht den Eintritt der Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V. Während die Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V durch den Bezug von Sozialhilfeleistungen verdrängt werden könne (§ 190 Abs. 13 SGB V), fehle eine entsprechende Regelung für die Anschlussversicherung iSd § 188 Abs. 4 SGB V. Soweit im Zusammenhang mit der Anschlussversicherung auf § 5 Abs. 8a SGB V verwiesen werde, könne dem nicht gefolgt werden: Bei der Anschlussversicherung handele es sich nämlich um eine freiwillige Versicherung, während § 5 SGB V stets eine Pflichtversicherung zum Gegenstand habe.

12

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

13

Der gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zulässige Antrag ist unbegründet.

14

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen (auch schon vor Klageerhebung, § 86b Abs. 3 SGG) zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO sowohl der durch die Anordnung zu regelnde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache geregelt werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen.

15

Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht auf Grund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und er deshalb im Hauptsacheverfahren mit demselben Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde.

16

Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers unzumutbar erscheinen lässt, diesen zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung einer drohenden Gefahr oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint.

17

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sein, desto geringer sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und umgekehrt. Ist die Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antragsteller auch nicht schutzwürdig. Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist in diesem Fall – auch wenn ein Anordnungsgrund gegeben ist – abzulehnen. Ist die Klage offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Abzuwägen sind die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erschließe und sich im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch besteht, und auf der anderen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch nicht besteht (zu alledem ausführlich Keller, in: Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Auflage 2017, § 87b SGG, Rn 27-29a mwN).

18

1. Vorliegend ist schon kein Anordnungsanspruch der Antragstellerin ersichtlich. Nach summarischer Prüfung hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin glaubhaft gemacht. Zwar liegen die in § 188 Abs. 4 S. 1 SGB V normierten Voraussetzungen für eine obligatorische Anschlussversicherung vor (hierzu unter a), jedoch greift in Bezug auf die Antragstellerin der Ausschlussgrund des § 188 Abs. 4 S. 3 Alt. 2 SGB V (hierzu unter b).

19

a) Für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, setzt sich die Versicherung gemäß § 188 Abs. 4 S. 1 SGB V mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung regelmäßig als freiwillige Mitgliedschaft fort, sofern das Mitglied nicht innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt erklärt. Diese Voraussetzungen liegen vor.

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aa) Ab dem 01.03.2017 bezog die Antragstellerin zunächst Leistungen nach dem SGB II und war somit auf Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin.

21

bb) Mit dem Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ab dem 01.02.2018 endete die Versicherungspflicht der Antragstellerin.

22

Wer versicherungspflichtig ist, bestimmt sich nach § 5 Abs. 1 SGB V. Keiner der dort aufgezählten Tatbestände ist in Bezug auf die Antragstellerin einschlägig. Insbesondere ist die Antragstellerin nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig. Die zuvor benannte Vorschrift greift nur in Bezug auf Personen, die „keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall“ haben. Dies sind nach der Vorstellung des Gesetzgebers (BT-Drs. 16/3100, S. 94) insbesondere Personen, die keinen Anspruch auf Hilfe bei Krankheit gemäß § 40 SGB VIII, § 48 SGB XII oder § 264 SGB V haben und auch nicht durch andere Schutzsysteme (Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz, Beihilfe, Krankenbehandlung nach dem BVG) geschützt sind oder dort jedenfalls nur teilweise abgesichert werden. Mittelbar wurde die Formulierung einer „anderweitigen Absicherung“ in § 5 Abs. 8a SGB V konkretisiert: Eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V besteht danach nicht für Personen, die in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder familienversichert sind (§ 5 Abs. 8a S. 1 SGB V). Entsprechendes gilt für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII sowie für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 AsylbLG (§ 5 Abs. 8a S. 2 SGB V). Nach dem Gesetzesentwurf sollte mit der letztgenannten Vorschrift erreicht werden, dass der Sozialhilfeträger weiterhin für die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches zuständig bleibt (siehe Bundestags-Drucksache 16/3100, S. 95). Dass sich der Anwendungsbereich von § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V nur auf „Übergangsfälle“ – also auf solche Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vorschrift bereits entsprechende Leistungen bezogen haben – beschränkt (dies Auffassung vertretend Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 48 SGB XII, Rn 7), kann weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung entnommen werden. Das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbes in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 verfolgte auch nicht den Zweck, für alle in Deutschland lebende Menschen Versicherungsschutz in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung zu gewährleisten (so aber Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 48 SGB XII, Rn 7), sondern diente zuvörderst der Vermeidung von Fällen, in denen überhaupt keine Absicherung im Krankheitsfall bestand (siehe Bundestags-Drucksache 16/3100, S. 86, 94).

23

Dies zugrunde gelegt, greift der Auffangtatbestand in Bezug auf die Antragstellerin nicht. Mit Bescheid vom 27.12.2017 wurden der Antragstellerin Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII gewährt. Damit hätte die Antragstellerin gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII grundsätzlich einen Anspruch auf die im Fünften Kapitel des SGB XII normierten Leistungen einschließlich der Krankenhilfe iSd § 48 SGB XII. Ihr steht somit ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall zu, sodass die Voraussetzungen für ein Eingreifen des Auffangtatbestandes des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht vorliegen.

24

cc) Eine wirksame Austrittserklärung iSd § 188 Abs. 4 S. 1 seitens der Antragstellerin liegt nicht vor. Diese hat vielmehr ausdrücklich eine weitere Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin beantragt.

25

b) Aufgrund des zuvor aufgezeigten Anspruchs auf Hilfe bei Krankheit ist die obligatorische Anschlussversicherung gemäß § 188 Abs. 4 S. 3 Alt. 2 SGB V ausgeschlossen.

26

Nach der zuvor benannten Vorschrift soll die obligatorische Anschlussversicherung nicht in Bezug auf Personen greifen, denen ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 zusteht und im Anschluss daran das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieses Ausnahmefalls sind vorliegend erfüllt.

27

aa) Personen, die während des Bezugs von Arbeitslosengeld II gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig in der GKV sind, stehen gemäß § 19 Abs. 2 SGB V bis zu einen Monat nach Beendigung ihrer Pflichtmitgliedschaft weiterhin Leistungsansprüche gegenüber ihrer bisherigen Krankenkasse zu, sofern keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Letzteres ist in Bezug auf die Antragstellerin der Fall.

28

bb) Für den nachgelagerten Zeitraum ist das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen. Die Antragstellerin hat – wie bereits dargelegt – einen Anspruch auf Leistungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII. Diese stellen – wie ebenfalls bereits dargelegt wurde – nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers einen „anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall“ dar. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen vermag die Tatsache, dass § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eine Versicherungspflicht normiert und § 180 Abs. 4 S. 1 SGB V eine freiwillige Versicherung zum Gegenstand hat, nichts daran zu ändern, dass der Gesetzgeber eine identische Formulierung verwendet hat, was darauf schließen lässt, dass er diese auch inhaltsgleich interpretiert wissen wollte.

29

cc) Eine systematische Auslegung von § 188 Abs. 4 SGB V unter Berücksichtigung (des Fehlens einer) der Vorschrift des § 190 Abs. 13 SGB V (vergleichbaren Regelung) führt zu keinem anderen Ergebnis. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen bestimmt die letztgenannte Vorschrift nicht, dass die Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V durch den Bezug von Sozialhilfeleistungen verdrängt werden kann (vgl. die Ausnahmevorschrift des § 190 Abs. 3 S. 2 SGB V). Die Vorschrift bestimmt vielmehr, dass eine bereits eingetretene Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch dann bestehen bleibt, wenn der Versicherte zukünftig Leistungen nach dem SGB XII bezieht. Die gesetzgeberische Wertung eines grundsätzlichen Vorrangs des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber dem Bezug von Leistungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII vermag die erkennende Kammer dieser Vorschrift gleichwohl nicht zu entnehmen. Die Existenz einer Ausnahmevorschrift von dem in § 190 Abs. 13 S. 1 Nr. 1 SGB V normierten Grundsatz („Die Mitgliedschaft der in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V genannten Personen endet mit Ablauf des Vortages, an dem ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall begründet wird“) stützt unter systematischen Gesichtspunkten vielmehr die Auffassung, dass Leistungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII den in § 188 Abs. 4 S. 3 SGB V geforderten „anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall“ darstellen.

30

dd) Nicht zuletzt widerspricht die von der erkennenden Kammer vorgenommene Auslegung des § 188 Abs. 4 S. 3 Alt. 2 SGB auch nicht dem Telos der Vorschrift. Die obligatorische Anschlussversicherung wurde mit dem Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15. Juli 2013 (BGBl. I S. 2423 ff) eingeführt und hatte zum Ziel, die Probleme, die sich mit Einführung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in der Praxis gezeigt hatten (namentlich erhebliche Beitragsrückstände vieler Versicherter; exemplarisch hierzu Leopold, Die allgemeine Versicherungspflicht: Nicht nur ein "Segen" – "Rückkehrer" können vielfach ihre Beiträge nicht zahlen, in: SuP 2008, 435 ff), abzumildern. Das Ziel, mehr in Deutschland lebenden Menschen Versicherungsschutz in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung zu gewähren, wurde nach Auffassung der erkennenden Kammer mit Einführung des § 188 Abs. 4 SGB V nicht verfolgt. dd) Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass sich mit Fug und Recht bezweifelt lässt, ob es sozialpolitisch sinnvoll und wirtschaftlich ist, das System der Hilfen zur Gesundheit im SGB XII fortzuführen (kritisch Ottersbach, in: Jahn, SGB XII, Vorbem. zum Fünften Kapitel Rn 9b; beipflichtend Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 48 SGB XII, Rn 7). Eine eventuell erforderliche Korrektur der aktuellen gesetzlichen Lage obliegt jedoch nicht der erkennenden Kammer, sondern allein dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber. An einer anderslautenden Entscheidung sah sich das Gericht daher gehindert.

31

2. Da die Klage in der Hauptsache nach summarischer Prüfung keinen Erfolg haben wird, ist die Antragstellerin nicht schutzwürdig. Der Antrag auf einstweilige Anordnung war daher – selbst wenn ein Anordnungsgrund gegeben wäre – abzulehnen.

32

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. In Bezug auf die Antragstellerin reflektiert die Entscheidung den Ausgang des Verfahrens. Der Beigeladenen sind ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten, da sie keine Anträge gestellt hat und mithin kein Prozessrisiko eingegangen ist (Rechtsgedanke des § 162 Abs. 3 VwGO).

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