Urteil vom Sozialgericht Osnabrück (1. Kammer) - S 1 R 618/13

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird auf 261.115,06 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Beitragsbescheides der Beklagten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 261.115,06 EUR einschließlich Säumniszuschlägen von 56.158,26 EUR.

2

Der im Jahre 1939 in Japan geborene und aufgewachsene Kläger erlernte dort das Sortieren von Küken nach Geschlecht und kam Anfang der 1960er Jahre nach Europa, wo er zunächst für eine belgische Agentur als Kükensortierer (sog. Chickensexer) tätig war. Seit dem 1. April 1967 betreibt der Kläger in Deutschland ein Gewerbe, indem er Geflügelzuchtbetrieben das Sortieren von Küken nach Geschlechtern anbietet, zunächst in K. in L., seit dem 1. Juli 1982 in M. /Landkreis N.. Die tatsächliche Tätigkeit wird ausgeübt von Kükensortierern aus dem asiatischen Raum, die vom Kläger – nachdem er zunächst einige Jahre unter eigenem Namen firmiert hatte – seit Anfang der 1970er Jahre unter dem Briefkopf der „O.“ (P.) angeworben wurden. Der Kläger schloss unter dem Briefkopf der P. mit dem Zusatz "Vertretung für Deutschland Q. " Arbeitsverträge, in denen der Arbeitgeber als "A" und der Arbeitnehmer als "B" bezeichnet wurden. Diese Verträge enthielten überwiegend wortgleich folgende Regelungen:

3

1. "B" ist bei der R. als Kükensortierer/in tätig und verpflichtet sich, von dem Tag seiner/ihrer Ankunft in M. an der Organisationsvertretung gemäß dieses unterschriebenen Vertrags zur Verfügung zu stehen und den Anordnungen des Arbeitgebers genau Folge zu leisten.

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2. Als tägliche Arbeitsdauer wird grundsätzlich eine achtstündige Arbeitszeit von "A" bestimmt. Diese kann aus Zweckmäßigkeitsgründen geändert werden.

5

3. "B" garantiert in der Lage zu sein, mindestens 1200 Küken in einer Stunde mit einer Genauigkeit von 99% Sicherheit zu sortieren.

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4. Die Berechnung ist grundsätzlich nachträglich zum Monatsende fällig. Für den Fall, daß "B" die in diesem Vertrag aufgeführten Punkte einhält, beträgt sein Sortierlohn mindestens 2000 DM im Monat [o.ä., später z.B.: mindestens 13.000,- EUR jährlich].

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5. Die Kosten für den Lebensunterhalt sind von "B" selbst zu tragen.

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6. Der Vertrag wird für ein Kalenderjahr geschlossen und beginnt mit dem Tage des Dienstantritts von "B".

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7. Eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über das vertragliche eine Jahr hinaus, kann mit gegenseitigem Einvernehmen erfolgen.

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8. "B" darf seine Arbeit nicht verweigern. Falls "B" die Abmachungen des Vertrages nicht einhält oder nicht einhalten kann, kann "A" "B" in seine Heimat zurückschicken, dessen Kosten "B" zu tragen hat. Vor der Abreise muß jedoch die Sortierarbeit von "B" so lange fortgesetzt werden, bis der nachfolgende Arbeiter diese Arbeit übernommen hat.

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Derartige Verträge schloss der Kläger im Namen der P. im Laufe der Jahre mit zahlreichen Kükensortierern, darunter auch die Beigeladenen zu 1) und 2). Zudem stellte der Kläger unter dem gleichen Briefkopf für die Angeworbenen eine Arbeitsbescheinigung aus, in der er gegenüber dem Landkreis N. bestätigte, dass die Kükensortierer bei der P. zu einem bestimmten Nettolohn unbefristet beschäftigt seien. Für den Beigeladenen zu 3), der ebenfalls für den Kläger bzw. die P. als Kükensortierer tätig wurde, liegt kein solcher Arbeitsvertrag vor. Der Beigeladene zu 3), wie der Kläger japanischer Staatsangehöriger, kam etwa im Jahre 1985 durch Vermittlung einer für den Kläger bzw. die P. arbeitenden Familie in die Bundesrepublik Deutschland und arbeitete in der Folgezeit über die P. und den Kläger als Kükensortierer. Er heiratete ca. 1993 seine deutsche Ehefrau, kehrte dann zurück nach Japan und kam im Jahre 2002 mit seiner Familie wieder nach Deutschland. Vom 15. September 2002 bis 15. Oktober 2003 war der Beigeladene zu 3) dann bei der Fa. S., einem Brutbetrieb, für den der Kläger und die über die P. beschäftigten Kükensortierer überwiegend tätig waren, sozialversicherungspflichtig beschäftigt und sollte ausweislich eines vom Kläger quittierten Schreibens vom 13. September 2002 in dieser Zeit „unter der Regie des Klägers“ in der Brüterei eingesetzt werden. Der Kläger hatte gegenüber dem Brutbetrieb zuvor schriftlich bestätigt, die dadurch entstehenden Kosten zu übernehmen: Die Kosten in Höhe von ca. 1.200,- EUR monatlich (1.000,- Euro Monatslohn zzgl. Arbeitgeberanteile zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung) sollten monatlich berechnet und mit der Rechnung des Klägers / der P. verrechnet werden. Der Geflügelzuchtbetrieb berechnete dem Kläger anschließend monatlich den obigen Betrag pauschal als „erbrachte Dienstleistungen“ und verrechnete diesen mit der Rechnung der P.. In der Folgezeit war der Beigeladene zu 3) dann wieder über die P. bzw. den Kläger für den Brutbetrieb tätig.

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Neben der Tätigkeit für die Fa. S. waren der Kläger und die über die P. beschäftigten Kükensortierer zudem regelmäßig in einem Putenbrutbetrieb (Fa. T.) sowie aushilfsweise auch in weiteren Geflügelzuchtbetrieben tätig. Dabei firmierte der Kläger ab 2002 für die Fa. T. unter der Bezeichnung U. (V.) oder auch „W.“ (X.), der japanischen Bezeichnung für die P., mit dem Zusatz „Vermittlung: M. Y.“, unter der Adresse des Klägers und seiner Ehefrau Z..

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Ab September 2005 kam es im Zuge von bundesweiten Ermittlungen der Zollverwaltung gegen asiatische Kükensortierunternehmen zu Ermittlungen des Hauptzollamtes N. (Finanzkontrolle Schwarzarbeit in AA.) gegen den Kläger wegen des Verdachts der Vorenthaltung von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung, in deren Folge die Beklagte diesen zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 245.533,72 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2005, einschließlich Säumniszuschlägen von 52.716,91 EUR, anhörte. Die Beklagte bezog sich dabei auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes. Danach wären die Aufenthaltsgenehmigungen für die als Kükensortierer tätigen Personen nicht erteilt worden, wenn nicht sicher gestellt gewesen wäre, dass die jeweils betroffene Person über ein eigenes, gesichertes Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes verfügt hätte. Der Kläger habe den Sortierern Mindestlöhne zwischen 3.000 DM und 2.000 EUR zugesichert. Die getroffenen arbeitsvertraglichen Regelungen und das tatsächliche Verhalten der einzelnen Kükensortierer sprächen unzweifelhaft dafür, dass eine unselbstständige versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden sei. Die Beitragsforderung sei auch nicht verjährt, da für die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen bedingter Vorsatz ausreiche und damit die Verjährungsfrist von 30 Jahren gelte.

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Der Kläger machte daraufhin gegenüber der Beklagten geltend, er sei nicht Arbeitgeber, sondern vielmehr selbst Arbeitnehmer der P. bzw. Mitglied der Gruppe der Kükensortierer gewesen, die ihre Arbeit gemeinsam verschiedenen Auftraggebern angeboten hätten. Nachdem er die Tätigkeit jahrzehntelang sozialversicherungsfrei unbeanstandet ausgeübt habe, verstoße die Geltendmachung von Sozialversicherungsbeiträgen für vergangene Zeiträume gegen Treu und Glauben. Da er zudem von einer möglichen Sozialversicherungspflicht keine Kenntnis gehabt habe, gelte weder die 30jährige Verjährungsfrist, noch seien Säumniszuschläge gerechtfertigt.

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Mit Bescheid vom 16. November 2012 berechnete die Beklagte die Nachforderung von Beiträgen zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen neu und setzte sie für die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von insgesamt sieben Kükensortierern im Prüfzeitraum auf insgesamt 261.115,06 EUR einschließlich Säumniszuschlägen von 56.158,26 EUR fest.

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Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 17. Dezember 2012 Widerspruch und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides. Dies lehnte die Beklagte ab, so dass der Kläger am 23. Januar 2013 beim erkennenden Gericht einstweiligen Rechtsschutz beantragte (Az. S 28 R 37/13 ER). Das Gericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit Beschluss vom 23. August 2013 abgelehnt mit der Begründung, der Beitragsbescheid der Beklagten vom 16. November 2012 sei offensichtlich rechtmäßig, und die Vollziehung stelle für den Kläger keine unbillige Härte dar. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen mit Beschluss vom 6. März 2014 zurückgewiesen (Az. L 1 R 370/13 B ER).

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Zwischenzeitlich hatte die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2013 zurückgewiesen und zur Begründung erneut darauf hingewiesen, dass sich die Kükensortierer in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zum Kläger befunden hätten. So seien z.B. die Pflichten der Kükensortierer in den Arbeitsverträgen fest geregelt worden. Auch aus den vorliegenden Zeugenvernehmungen ergebe sich, dass die einzelnen Kükensortierer an die Arbeitsanweisungen und die Vorgaben über die Bezahlung des Klägers entsprechend den vertraglichen Regelungen gebunden gewesen seien. Kein Sortierer habe direkten Kontakt zu den Auftraggebern unterhalten, und die vom Kläger wöchentlich erstellten Arbeitspläne seien nicht in der Gruppe der Kükensortierer besprochen worden. Nach den Ermittlungen des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland AB. handele es sich bei der P. nicht um eine wirtschaftlich aktive Firma. Selbst wenn es sich jedoch um ein existierendes wirtschaftlich aktives Unternehmen handeln würde, lägen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nicht vor. Die Sozialversicherungsbeiträge seien auch noch nicht verjährt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge billigend in Kauf genommen habe. Zudem sei der Kläger auch zur Zahlung von Säumniszuschlägen verpflichtet.

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Am 4. November 2013 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung der Klage wiederholt und vertieft er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Er macht insbesondere erneut geltend, es habe sich bei der Tätigkeit der Kükensortierer um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt, für die er, ausschließlich im Namen der P., organisatorische Hilfeleistungen erbracht habe. Die Kükensortierer seien insoweit als Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen. Er selbst habe für seine Unterstützungsleistungen, ebenso wie die P., jeweils nur einen Betrag von 4 % des Einkommens der Kükensortierer erhalten. Selbst wenn man jedoch von einer abhängigen Beschäftigung der Kükensortierer ausgehe, sei die P. und nicht er als Arbeitgeber anzusehen, da er selbst nur Arbeitnehmer der P. gewesen sei. Außerdem habe er über Jahrzehnte keine Kenntnis davon gehabt, dass eine Sozialversicherungspflicht vorliegen könnte, und insoweit auf die Auskünfte der Finanzämter vertraut. Auch die Festsetzung der Säumniszuschläge sei rechtswidrig. Der Beklagten fehle bereits die gesetzliche Kompetenz zur Festsetzung von Säumniszuschlägen. Bei ihm, dem Kläger, habe zudem kein Vorsatz zur Hinterziehung der Sozialversicherungsbeiträge bestanden; auch ein bedingter Vorsatz sei nicht feststellbar. Für ein „bewusstes Wegschauen“, wie es das LSG unterstelle, gebe der Sachverhalt nichts her, zumal das erste Präjudiz zur Beschäftigteneigenschaft von Kükensortierern, soweit ersichtlich, aus dem Jahre 2012 stamme. Soweit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf seine Erklärungen gegenüber der Ausländerbehörde abgestellt worden sei, werde verkannt, dass er diese Erklärungen lediglich als Vertreter der P. abgegeben habe und Erklärungen gegenüber anderen Behörden für die abgabenrechtliche Würdigung zwar ein Indiz sein könnten, aber nicht müssten. Vorliegend werde die Bewertung durch die Ausländerbehörde durch die gegenläufige Einordnung der Finanzbehörde in ihrem Aussagewert kompensiert, wenn nicht gar überlagert. Zudem sei die durch die Anwendung der sog. Nettolohnfiktion erfolgte Ausdehnung des Beitragsanspruchs nicht vom Vorsatz umfasst. Die geltend gemachte Beitragsforderung unterliege aus diesen Gründen insgesamt nicht der 30jährigen Verjährungsfrist, und die damit geltende vierjährige Verjährungsfrist für die Nacherhebung von Beiträgen sei abgelaufen. Zudem sei die (auch vom Bundessozialgericht vertretene) Rechtsauffassung abzulehnen, wonach die 30jährige Verjährungsfrist auch dann anzuwenden sei, wenn der Vorsatz zur Vorenthaltung bei Fälligkeit der Beiträge noch nicht vorgelegen habe, aber noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten sei. Schließlich verletze der Umfang der Säumniszuschläge das verfassungsrechtliche Übermaßverbot.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2013 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hält die angegriffenen Bescheide für zutreffend.

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Die vom Bescheid betroffenen Kükensortierer sind, soweit ihre Anschriften ermittelt werden konnten, mit Beschluss vom 1. September 2016 zum Verfahren beigeladen worden (§ 75 Abs. 2 SGG). Die drei Beigeladenen, die (süd)koreanischer (zu 1.), chinesischer (zu 2.) und japanischer (zu 3.) Nationalität sind, haben keine Anträge gestellt.

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In der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2017 sind der Kläger und die Beigeladenen ergänzend befragt worden. Zudem hat die Kammer Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Kükensortierers AC. AD. und des Brutmeisters der Fa.  AE., AF. AG.. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie die des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (S 28 R 37/13 ER / L 1 R 370/13 B ER), die Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft N. (AH. und AI.), die beigezogene Handakte des Hauptzollamtes N. (AJ.) und die beigezogenen, den Kläger betreffenden Akten des Finanzamtes AK..

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Ermächtigungsgrundlage für die Nachforderung ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Der Arbeitgeber hat hierbei nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, d. h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigen zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d SGB IV), zu entrichten. Bei versicherungspflichtig Beschäftigten wird der Beitragsbemessung in allen Zweigen der Sozialversicherung das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde gelegt (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden oder ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

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Die Beigeladenen und die weiteren im Prüfzeitraum über die P. beim Kläger beschäftigten Kükensortierer waren im Prüfzeitraum versicherungspflichtig beschäftigt; zu den einzelnen Beschäftigungszeiten wird auf den Bescheid vom 16. November 2012 Bezug genommen.

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Der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht in der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI und § 25 Abs. 1 SGB III). Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 R 14/10 R – Juris-Rn. 15, m.w.N.).

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Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sowie nach den in den Beiakten befindlichen Unterlagen bestehen aus gerichtlicher Sicht keine Zweifel daran, dass die für den Kläger tätigen Kükensortierer abhängig beschäftigt waren.

33

Schon nach den geschlossenen Arbeitsverträgen bestimmte allein der Kläger die tägliche Arbeitszeit der Kükensortierer und war berechtigt, sie auch über die Acht-Stunden-Grenze hinaus auszudehnen. In der Praxis bestimmte sich die Arbeitszeit nahezu ausschließlich nach den Gegebenheiten der Brutbetriebe, da eine zuverlässige Geschlechtsbestimmung der Küken mit geringer Fehlerquote nur in einem Zeitraum von ca. 24 Stunden nach dem Trocknen der geschlüpften Küken erfolgen kann; das Trocknen dauert nach dem Schlüpfen ca. 5-8 Stunden. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert. Dementsprechend variierte auch die Arbeitszeit entsprechend den Angaben des Klägers zwischen zwei und 9-10 Stunden täglich, je nach Arbeitsanfall in den Brutbetrieben. Die Kükensortierer erhielten laut Vertrag einen Sortierlohn von mindestens 2.000,- DM. Sie durften die Arbeit nicht verweigern, und falls sie die Abmachungen des Vertrages nicht einhalten konnten, war der Kläger berechtigt, sie in ihre Heimat zurückzuschicken und zwar auf deren Kosten. Die Sortierer waren verpflichtet, die Sortierarbeit vor der Abreise so lange fortzusetzen, bis ein nachfolgender Arbeiter diese Arbeit übernommen hatte. Diese Regelungen belegen ein umfassendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber den übrigen Kükensortierern. Auch die Anhörung des Klägers und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung hat das Bild bestätigt, dass jedenfalls in den hier maßgeblichen Jahren 2001 bis 2005 der Kläger allein und nicht etwa alle Kükensortierer gemeinsam als Gruppe für die Verteilung der Arbeit, die Preisgestaltung und den Arbeitseinsatz verantwortlich war. Ansprechpartner der Brutbetriebe war im Prüfzeitraum primär der Kläger, der auch die Preise mit den Betrieben ausgehandelt hatte und der die wöchentlichen Arbeitspläne entsprechend den Anforderungen der Betriebe machte. Die übrigen Sortierer waren schon mangels Sprachkenntnissen gar nicht in der Lage, gegenüber den Geflügelzuchtbetrieben selbst einen bestimmten Arbeitslohn aushandeln oder diesen gegenüber auf die Arbeitspläne Einfluss zu nehmen, die sich im Übrigen vorrangig nach den betrieblichen Notwendigkeiten richteten. Dies haben der Kläger und die beigeladenen Kükensortierer in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt. Die Sortierer können sich hiernach auch untereinander – sofern sie aus verschiedenen asiatischen Ländern stammen (Japan, China, Südkorea) – weder auf Englisch noch auf Deutsch richtig verständigen. Soweit dies überhaupt notwendig ist, erfolgt/e die Verständigung teilweise durch Gesten oder durch minimale schriftliche Angaben. Es gab keinerlei vertragliche Beziehungen zwischen den einzelnen Kükensortierern selbst und den Brütereien. Vielmehr lief alles über den Kläger: Dieser machte die wöchentliche Einsatzplanung, ausgehend von den Anforderungen der Sortierbetriebe, und der Kläger zahlte den Kükensortierern auch den jeweils individuellen Lohn. Allein der Kläger behielt sich zudem die Einschätzung vor, wieviel er den einzelnen Kükensortierern – ausgehend von den monatlichen, von ihm erstellten Rechnungen an die Brutbetriebe – für ihren Einsatz bezahlte. Den Kükensortierern untereinander war die Vergütung der anderen nicht bekannt. Für den Zeugen AD. ging die Verfügungsgewalt des Klägers so weit, dass der Kläger den Zeugen zunächst als „nicht gut genug“ einstufte für die Sortiertätigkeit, so dass er für ihn – trotz Abschluss eines Arbeitsvertrags mit garantiertem Lohn – zunächst nur Kost und Logis, darüber hinaus aber keinen Barlohn zahlte. Erst nachdem der Zeuge AD. schon ca. ein Jahr in Deutschland als Kükensortierer unter der Regie des Klägers tätig war und dann nach dessen Einschätzung „gut genug“, änderte sich dies, und der Zeuge wurde vom Kläger teilweise auch bar und teilweise durch Überweisung von Lohn an seine Verwandten in China vergütet.

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Von einer im Wesentlichen frei gestalteten Tätigkeit und Arbeitszeit der Kükensortierer kann auch gegenüber den Brutbetrieben nicht die Rede sein. Deren Arbeit war und ist vielmehr in hohem Maße in die übrigen Betriebsabläufe der Geflügelzuchtbetriebe eingegliedert. Es lassen sich auch gegenüber den Brutbetrieben keine wesentlichen Gestaltungsspielräume oder sonstige Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit für die Kükensortierer feststellen. Die Tätigkeit des Kükensortierens kann nur im absoluten Gleichklang mit den übrigen Betriebsabläufen in den Geflügelzuchtbetrieben erfolgen. So hat der Zeuge AG., seit dem Jahre 2000 als Brutmeister für die Fa. S. tätig, nachvollziehbar dargelegt, dass die Kükensortierer an einem sogenannten Sortierkarussell stehen, auf dem sich die per Fließband herantransportierten Küken im Kreis drehen; die Sortierer greifen dann die Küken heraus und sortieren sie nach Geschlecht. Dies erfolgt in rasanter Geschwindigkeit, ähnlich einer Akkordarbeit. Soweit Anfang der 2000er Jahre für eine kurze Zeit noch keine Fließbänder bei der Fa. S. existierten, wurden die Küken in Boxen herantransportiert, und die Kükensortierer konnten einen Kippmechanismus betätigen, um die Küken zum Sortieren zu sich heranzuholen. Auch hier waren die Kükensortierer stets auf die Zuarbeit der übrigen Mitarbeiter der Brutbetriebe angewiesen. Arbeitsbeginn und Pausen waren und sind für alle im Betrieb gleich, da die Sortiertätigkeit auf die sonstigen Arbeitsabläufe im Betrieb abgestimmt sein muss. Die im Prüfzeitraum beim Kläger beschäftigten Kükensortierer haben darüber hinaus auch noch andere Tätigkeiten in den Geflügelzuchtbetrieben übernommen, wie die Rechnungen der Betriebe belegen. In Rechnung gestellt wurden Leistungen für Stutzen, Impfen, Produktion, Sprayen, Eier aufladen/auflegen, Eierumhorden und „Eierlager“. Auch insoweit hat der Zeuge AG. als Brutmeister der Fa. S., der die hier betroffenen Kükensortierer überwiegend einsetzte, im Rahmen seiner Arbeitsplanung für den Betrieb mit 20-30 Mitarbeitern entschieden, welche Tätigkeiten die Kükensortierer zusätzlich zur Sortiertätigkeit übernehmen sollten, und hat dies beim Kläger dementsprechend angefordert. Wenn keine weiteren Tätigkeiten zu verrichten waren, hatten die Kükensortierer ihre Arbeitszeit der Anzahl der geschlüpften Küken anzupassen (s.o.). Diese Betriebsabläufe belegen, dass von einer im Wesentlichen frei gestalteten Tätigkeit und Arbeitszeit der Kükensortierer nicht die Rede sein konnte und kann.

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Im Übrigen hat der Kläger selbst in allen Steuererklärungen, die er mit Hilfe seines Steuerberaters abgegeben hat, seit Beginn der 1970er Jahre sogar für sich selbst unterschieden zwischen seiner selbstständigen Tätigkeit als Vertreter der P. und seiner eigenen, nichtselbstständigen Tätigkeit als Kükensortierer für die P.. Auch im Schriftwechsel mit der Finanzverwaltung zu Beginn der 1970er Jahre ging man selbstverständlich davon aus, dass die Kükensortierer abhängig beschäftigt sind. Die Einschätzung einer fehlenden Sozialversicherungspflicht in Deutschland stützte sich zum damaligen Zeitpunkt nicht auf eine vermeintliche Selbstständigkeit, sondern vielmehr darauf, dass die Sortierer nur für kurze Zeit nach Deutschland entsandt seien und nach Rückkehr nach Japan sowohl Steuern als auch Sozialversicherungsbeiträge auf die nach Rückkehr in Japan ausgezahlten Vergütungen entrichtet würden. So hält es bereits der sog. „Übersee-Vertreter-Vertrag“ des Klägers mit der P. vom 1. Januar 1970 in Ziffer 5 fest.

36

Arbeitgeber der Kükensortierer und damit Schuldner der Beitragsforderung ist auch der Kläger und nicht die P..

37

Nach dem Ergebnis der vorliegenden Unterlagen und der Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung lässt sich nicht feststellen, dass die P. tatsächlich als wirtschaftliches Unternehmen auf dem Markt tätig war. Der Name der P. trat gegenüber den Brutbetrieben, der Ausländerbehörde und der Finanzverwaltung lediglich als Arbeitgeber der Kükensortierer in Erscheinung, ohne dass jedoch eine nennenswerte wirtschaftliche Tätigkeit dieses Unternehmens in Deutschland oder in Japan festgestellt werden könnte. Nach Mitteilung des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland AL. -AM. in seinem Bericht vom 15. Oktober 2007 an das Hauptzollamt N. befinden sich die Räumlichkeiten der P. in einem normalen Apartmentwohnblock, wobei als Büro und Versammlungsraum ein Raum in der Wohnung eines der ehrenamtlichen Mitarbeiter der P. genutzt wurde. An der Wohnung außen vor der Tür befand sich ein kleines Schild mit der Firmenbezeichnung. Die Mitarbeiterin des Generalkonsulats hatte beim Besuch den Eindruck, dass einiges der dort vorhandenen Büroeinrichtung für den Besuch dekoriert worden war. Die zwei Gesprächspartner von Seiten der P. verfügten in einem Ordner nur über sehr wenige Papiere, wobei das Papier aussah wie neu ausgedruckt. Auch wenn die P. -Vertreter als Tätigkeitsbereiche des Unternehmens die Suche und Weitervermittlung von neuen Kükensortierern nach Deutschland bei Ausscheiden zurückkehrender Kükensortierer, die Unterstützung der im Ausland beschäftigten Kükensortierer bei der Kommunikation mit der Familie und die Hilfestellung beim Geld-/Gehalttransfer aus Deutschland nach Japan bzw. ins jeweilige Heimatland nannten, entstand bei der zuständigen Mitarbeiterin des Generalkonsulats der nachvollziehbare Eindruck, dass es sich bei der P. in AM. eher um einen ehrenamtlichen Verein als um ein gewinnorientiertes Unternehmen handelt. Die übrigen Ermittlungen des Hauptzollamtes bestätigen diesen Eindruck. Bei den Untersuchungen und den sichergestellten Unterlagen wurden zwar Kontobelege gefunden zu Überweisungen in die Herkunftsländer. Nennenswerter Schriftwechsel zwischen dem Kläger als Vertreter der P. in Deutschland und der P. in Japan wurde jedoch nicht sichergestellt. Eine wirtschaftliche Tätigkeit der P. jenseits der Verteilung der aus Deutschland überwiesenen Beträge an die Verwandten der Kükensortierer ist nicht belegt. Die P. verfügt nach den Ermittlungen des Generalkonsulats in Japan nicht einmal über einen Telefonanschluss.

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Unter diesen Umständen sprechen zur Überzeugung der Kammer alle in den Akten dokumentierten Tatsachen dafür, dass der Kläger im Prüfzeitraum selbst Arbeitgeber im Sinne des deutschen Sozialversicherungsrechts war und die Firmierung unter dem Namen der P. vorrangig dazu dienen sollte, sich im Zweifel darauf berufen zu können, selbst gar nicht Arbeitgeber, sondern Angestellter dieses am Markt überhaupt nicht präsenten Unternehmens in Japan zu sein. In diese Richtung deutet auch die vom Kläger mithilfe seiner – damals in juristischer Ausbildung befindlichen – Tochter durchgeführte „Umfirmierung“ von der P. auf die V. bzw. X. gegenüber der Fa. T. im Jahre 2001/2002, ohne gegenüber dem Brutbetrieb offenzulegen, dass es sich weiterhin um das gleiche Unternehmen handelt.

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Diese Wertung wird unterstützt durch den Umstand, dass der Kläger bereits im Jahre 1971 unter dem Namen der P. firmierte, obwohl die P. ausweislich der Übersetzung des beglaubigten Auszugs aus dem japanischen Handelsregister vom 7. März 2006 erst am 11. September 1981 gegründet worden ist. Vorstandsmitglieder wurden damals die Schwiegereltern des Klägers. Auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger nicht nachvollziehbar erläutern, weshalb er gleichwohl bereits im Jahre 1971 unter dem Namen der P. auftreten konnte. Seine auf mehrfache Nachfrage erfolgten Angaben, dass die P. in den 1960er Jahren in AL. /Japan gegründet und registriert und möglicherweise im Jahre 1981 nach AM. umgezogen und deshalb dort neu registriert worden sei, sind nicht glaubhaft und zudem durch keinerlei Unterlagen belegt. Der vorliegende beglaubigte Handelsregisterauszug verzeichnet für die P. sogar die Sitzverlegung am 1. August 2000 nach AM., so dass dies keinen Grund für die Eintragung der Gesellschaft erst im Jahre 1981 darstellen kann. Auch Herr AN., der hauptsächlich die Geschäfte der P. in den 2000er Jahren geführt haben soll und den das Generalkonsulat im Jahre 2007 in Japan antraf und befragte, hat selbst in einem als „Bestätigung der Arbeitstätigkeit“ bezeichneten Dokument vom 15. Juli 2006 bescheinigt, verschiedene unter seiner Verantwortung stehende Tätigkeiten „seit Gründung des Unternehmens am 7. September 1981 (7. September, Shôwa 56 nach japanischem Kalender)“ durchgeführt zu haben.

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Nachvollziehbar ist lediglich, dass der Kläger nach eigenen Angaben in den 1950er Jahren auf einer Schule der P. das Kükensortieren erlernt haben soll. Diese P. hat dann allerdings im Jahre 1959 bereits mit zwei anderen Kükensortier-Organisationen fusioniert zur AO.. Eine weitere nennenswerte wirtschaftliche Tätigkeit einer Organisation oder eines Unternehmens mit Namen P. ist weder für Japan noch für Deutschland belegt, und zwar weder für die Zeit vor 1981 noch danach.

41

Selbst für den Fall, dass es sich bei der P. um ein wirtschaftlich aktives Unternehmen handeln würde, läge bei dem vorliegenden Sachverhalt zudem kein ausländisches, nicht versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.

42

Nach § 5 Abs. 1 SGB IV ist eine Beschäftigung im Inland im Wege der Einstrahlung nicht versicherungspflichtig in der deutschen Sozialversicherung, wenn es sich um eine Entsendung im Rahmen eines im Ausland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses handelt und die Dauer der Beschäftigung im Voraus zeitlich begrenzt ist. Beide Voraussetzungen lagen jedenfalls im Prüfzeitraum nicht vor. Hierzu wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2013 Bezug genommen, die sich die Kammer zu eigen macht.

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Die damit zu Recht vom Kläger als Arbeitgeber der Kükensortierer geforderten Beiträge sind auch nicht verjährt.

44

Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV liegen vor. Hiernach verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil vom 18.11.2015 - B 12 R 7/14 R - juris-Rn. 27 m.w.N.), der die Kammer aus eigener Überzeugung folgt, ist es insoweit ausreichend, wenn der Kläger als Beitragsschuldner bei Eintritt der Fälligkeit keinen Vorsatz zur Vorenthaltung hatte, er jedoch noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird. Bösgläubigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht erst bei einer absichtlichen bzw. bewusst vorsätzlichen Beitragsvorenthaltung – z.B. bei klassischer „Schwarzarbeit“ – anzunehmen, sondern es reicht vielmehr aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthält, er also seine Beitragspflicht für möglich hält, die
Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt (BSG, a.a.O. m.w.N.).

45

Die Kammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und auf der Grundlage der beigezogenen Unterlagen davon überzeugt, dass der Kläger langjährig – und auch im Prüfzeitraum – seine Beitragspflicht mindestens für möglich und die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge zumindest billigend in Kauf genommen hat.

46

Bereits dem vom Kläger mit unterzeichneten „Übersee-Vertreter-Vertrag“ vom 1. Januar 1970 liegt das Modell zugrunde, dass die Kükensortierer Steuern und Sozialversicherungsabgaben auf die in Japan gezahlten Vergütungen erst nach Rückkehr nach Japan zahlen (vgl. Ziffer 5 des Vertrags). Auf dieser Vorstellung – und nicht etwa auf der Einordnung des Kükensortierens als selbstständige Tätigkeit – basierte auch die Korrespondenz des damaligen Steuerberaters des Klägers mit der Finanzverwaltung zu Beginn der 1970er Jahre. Das Modell der nur kurzzeitigen Entsendung der asiatischen Kükensortierer nach Deutschland, sollte es jemals in dieser Weise durchgeführt worden sein, ist jedoch ausweislich der vorliegenden Unterlagen offenbar schon seit mindestens 20 Jahren nicht mehr so praktiziert worden. Damit entfiel aber auch die Grundlage für die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland, und es fällt schwer anzunehmen, dass dem Kläger dies nicht bewusst gewesen ist.

47

Dies kann aber letztlich offenbleiben, da weitere deutliche Indizien für einen bedingten Vorsatz des Klägers im oben genannten Sinne sprechen.

48

Zum einen war der Kläger im Prüfzeitraum durch seine am AP. geborene Tochter AQ. juristisch beraten, die ihn im Geschäftsverkehr mit Behörden und Betrieben zunehmend unterstützt hat. Die Tochter des Klägers hat in AR. ab Oktober 1995 zehn Semester Rechtswissenschaften studiert, hat anschließend das Rechtsreferendariat im Landgerichtsbezirk AS. absolviert und war ab April 2003 bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AT. in AU. tätig; nach Angaben des Klägers ist sie derzeit im Bankwesen tätig.

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Die Tochter des Klägers hat für diesen mindestens seit 2001 die Korrespondenz z.B. mit dem Arbeitsamt bzw. der Arbeitsagentur AV. übernommen, das wegen der Vermittlung der Kükensortierer verschiedentlich kontaktiert werden musste. So wandte sich AQ. Y. z.B. im August 2001, damals selbst Rechtsreferendarin, in Vertretung ihres Vaters an das Arbeitsamt AV. wegen eines Antrags auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis für einen Kükensortierer (AW.). Die damalige Rechtsreferendarin strich dabei das Wort „Vermittlungsauftrag“ handschriftlich durch und teilte dem Sachbearbeiter in einem Schreiben vom 3. August 2001 zusätzlich mit, die Ausbildung als Kükensortierer werde fast ausschließlich im asiatischen Raum vorgenommen, „so dass wir auf Facharbeiter aus dieser Region angewiesen sind“. Herr AW. erfülle ihre Anforderungen und habe mit ihnen seit einem Jahr einen Vertrag geschlossen, aufgrund dessen er bei ihnen arbeite. Eine „Vermittlung“ sei somit nicht mehr erforderlich. Die Gefahr einer „Arbeitslosigkeit“ bestehe in diesem Fall nicht, da die Arbeiter nach Ende ihrer Arbeitstätigkeit wieder in ihr Heimatland zu ihren Familien zurückkehren würden. Einen vergleichbaren „Vermittlungsauftrag“, vom Kläger mit Firmenstempel der P. unterzeichnet, faxte die Volljuristin im Juli 2004 von ihrer Arbeitsstelle (AX.) der Agentur für Arbeit AV., da die Agentur dies noch für ihre arbeitsmarktrechtliche Stellungnahme benötigte. Bereits im Juli 2001 hat die damalige Rechtsreferendarin für ihren Vater auch eine handschriftliche Bescheinigung für die Ausländerbehörde des Landkreises N. erstellt, die dieser unterzeichnet hat und in der er bestätigt, dass Herr AW. mit der P. einen „Arbeitsvertrag“ habe und dass die P. diesen Vertrag bis zum November 2001 und auch darüber hinaus in absehbarer Zeit nicht „kündigen“ werde. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass seine Tochter die Bescheinigung geschrieben habe. Im Klageverfahren ist mehrfach vom Kläger betont worden, dass die Arbeitsverträge lediglich so formuliert worden seien, weil dies für die Erlangung der Aufenthaltserlaubnisse der Kükensortierer erforderlich gewesen sei, und dass auch primär aus diesem Grunde Arbeitgeberbescheinigungen ausgestellt worden seien. In den Prozess der Verhandlungen mit der Agentur für Arbeit und der Ausländerbehörde war die Tochter des Klägers, wie dargestellt, verschiedentlich eingebunden. Die Kammer hält es für äußerst unwahrscheinlich, dass es dem Kläger angesichts seiner seit mindestens 2001 in den Rechtsverkehr der P. gegenüber Behörden eingebundenen Tochter, die im Prüfzeitraum Rechtsreferendarin und ab 2003 Volljuristin war/ist, verborgen geblieben sein soll, dass für die jahrelang bei ihrem Vater / der P. beschäftigten Kükensortierer aufgrund einer abhängigen Beschäftigung möglicherweise Sozialversicherungsbeiträge abzuführen gewesen wären.

50

Schließlich spricht auch der Umstand, dass der Beigeladene zu 3) nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahre 2002 mit Einverständnis des Klägers zunächst 13 Monate bei der Fa. S. gegen Erstattung des Monatslohns einschließlich Sozialversicherungsbeiträgen durch die P. sozialversicherungspflichtig beschäftigt worden ist, entscheidend gegen eine nur fahrlässige Nichtkenntnis des Klägers von der Beitragspflicht für die Beschäftigung der Kükensortierer. Der Beigeladene zu 3) konnte durch diese Aktion wieder unter den Schutz der deutschen Sozialversicherung, insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherung, gestellt werden. Er hat während dieser Zeit der versicherungspflichtigen Beschäftigung auch die gleichen Arbeiten bei der Fa. S. verrichtet wie die anderen, vermeintlich selbstständigen Kükensortierer (und wie anschließend während seiner weiteren „selbstständigen“ Tätigkeit über die P. bei diesem Geflügelzuchtbetrieb): Ausweislich des Schreibens des Brutbetriebs vom 13. September 2002 an den Kläger persönlich, von diesem mit „Ich bin mit dem Inhalt des Schreibens einverstanden“ und seiner Unterschrift quittiert, wurde der Beigeladene zu 3) im Zeitraum 15. September 2002 bis 15. Oktober 2003 „unter der Regie“ des Klägers in der Brüterei eingesetzt. Es erscheint wenig glaubhaft, wenn der Kläger sich auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung an diesen Vorgang nicht mehr zu erinnern meinte, zumal es den einzigen Fall einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung eines dann gleichwohl der Regie des Klägers überantworteten Kükensortierers darstellt und es sich um die außergewöhnliche Konstellation einer aus familiären Gründen erfolgenden Wiedereinreise eines schon bekannten Kükensortierers und Landsmannes des Klägers mit deutscher Ehefrau handelte, also ohne den sonst üblichen Austausch gegen einen zurückkehrenden Kükensortierer und ohne sonst übliche P. -Einladung, P. -Arbeitsvertrag und behördliche Arbeitsgenehmigung. Maßgeblicher Grund für die direkte, versicherungspflichtige Anstellung des Beigeladenen zu 3) für 13 Monate kann auch nicht gewesen sein, dass in der P. damals kein Platz für einen weiteren Kükensortierer war, weil man den Beigeladenen zu 3) dann nicht einfach als zusätzliches Mitglied der Sortierergruppe unter die Regie des Klägers gestellt hätte. Der Vorgang verdeutlicht vielmehr in besonderem Maße, dass den Mitwirkenden an der bewusst gewählten Konstruktion, darunter dem Kläger, durchaus bekannt war, dass die Tätigkeit des Kükensortierens – ob nun für die P., den Kläger oder für den Brutbetrieb – eigentlich eine abhängige Beschäftigung darstellt und hierfür Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind.

51

Nach allem geht die Kammer davon aus, dass der Kläger im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV jedenfalls bedingt vorsätzlich handelte und damit die Beitragsnachforderung gem. § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV erst nach 30 Jahren verjährt.

52

Im Übrigen wäre der Kläger, selbst wenn man seine völlige Unkenntnis bis zur Durchsuchungsaktion des Hauptzollamtes im Februar 2006 unterstellen würde, jedenfalls aufgrund dieser Aktion und den nachfolgenden Sicherstellungen und Befragungen der Kükensortierer hinsichtlich einer möglichen Beitragspflicht für die Sortierer bösgläubig geworden. Damit würde, ausgehend von der zitierten Rechtsprechung des BSG zum Ausreichen des Eintritts von bedingtem Vorsatz innerhalb der 4jährigen Verjährungsfrist, für einen Großteil der streitigen Beitragsforderung schon deshalb die 30jährige Verjährungsfrist gelten, denn zu diesem Zeitpunkt waren jedenfalls die Beiträge für den Zeitraum ab 2002 noch nicht verjährt.

53

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es auch nicht notwendig, dass die konkrete Höhe der Beitragsforderung vom Vorsatz umfasst ist (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R, Juris-Rn. 25). Soweit die streitige Beitragsforderung für den Zeitraum ab 1. August 2002 auf der zu diesem Zeitpunkt eingeführten Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV basiert (sog. Nettolohnfiktion), hat die Beklagte im Bescheid vom 16. November 2012 zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 09.11.2011 – B 12 R 18/09 R, Juris) dargelegt, dass für die Anwendbarkeit dieser Nettolohnfiktion ein mindestens bedingt vorsätzlicher Verstoß gegen zentrale Arbeitgeberpflichten (z.B. bei nicht oder verkürzt gemeldeten Beschäftigungsverhältnissen) vorliegen muss. Ein zumindest bedingt vorsätzliches Handeln des Klägers in diesem Sinne liegt aus gerichtlicher Sicht vor. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

54

Die Beklagte hat auch zu Recht Säumniszuschläge gem. § 24 Abs. 2 SGB IV erhoben.

55

Der Beklagten als Rentenversicherungsträger – und nicht lediglich der Einzugsstelle – steht entgegen der Rechtsauffassung des Klägers gem. § 24 Abs. 2 SGB IV die Kompetenz zur Erhebung der Säumniszuschläge zu.

56

Abgesehen davon, dass das Bundessozialgericht in zahlreichen Entscheidungen die Erhebung von Säumniszuschlägen bei Beitragsnachforderungen durch den zuständigen Rentenversicherungsträger im Rahmen von Betriebsprüfungen rechtlich nicht beanstandet hat, kann der Argumentation des Klägers, der die Vorschrift des § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV als restriktiv auszulegende Ausnahmeregelung für die Geltendmachung einer Beitragsforderung durch die Rentenversicherungsträger verstanden haben will, auch ansonsten nicht gefolgt werden. Zwar räumt die Regelung des § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV den Trägern der Rentenversicherung abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV eine Sonderzuständigkeit zum Erlass von Verwaltungsakten zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern im Rahmen von Betriebsprüfungen ein. Hieraus lässt sich jedoch entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht folgern, dass diese Norm als „Ausnahmeregelung“ restriktiv auszulegen wäre und daher die Festsetzung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV nicht umfasst. Bereits aus systematischen Gründen greift diese Auslegung zu kurz. Denn § 24 SGB IV gilt als allgemeine Regelung im Zweiten Abschnitt, Zweiter Titel, des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs keineswegs nur für Rentenversicherungsträger, sondern gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV für die gesetzliche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte sowie die soziale Pflegeversicherung (Versicherungszweige). Die Norm stellt damit die zentrale Ermächtigungsgrundlage für alle Sozialversicherungsträger zur verpflichtenden Erhebung von Säumniszuschlägen dar, die bei nicht rechtzeitig gezahlten Beiträgen und Beitragsvorschriften nach § 24 Abs. 2 SGB IV zu erheben sind, sofern der Beitragsschuldner die unverschuldete Unkenntnis der Zahlungspflicht nicht glaubhaft machen kann, und gilt damit nicht nur für Beitragsnachforderungen im Rahmen von Betriebsprüfungen. So nehmen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung insbesondere ihre Aufgaben nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs wahr, wobei sie bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV miterheben (müssen).

57

Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 SGB IV für die Erhebung von Säumniszuschlägen sind auch gegeben.

58

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, Säumniszuschläge zu erheben. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist nach § 24 Abs. 2 SGB IV ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hat. Der unverschuldeten Kenntnis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten im Sinne des § 276 BGB entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2010 - B 13 R 67/09 R, Juris). Die Berechtigung, auch rückwirkend Säumniszuschläge zu erheben, beruht auf der vom Gesetzgeber implizit angestellten Vermutung, dass der Beitragsverpflichtete die Entstehung und Fälligkeit seiner konkreten Beitragspflicht kennt und deshalb für die Rückstände verantwortlich ist. Die Tatsache, dass der Beitragspflichtige unverschuldet keine Kenntnis von der Beitragspflicht hat, ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 23 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch).

59

Nach Vorstehendem hat der Kläger nicht nur fahrlässig, sondern sogar mindestens bedingt vorsätzlich gehandelt. Er hat seine Beitragspflicht zumindest für möglich und die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge mindestens billigend in Kauf genommen. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

60

Die Erhebung der Säumniszuschläge in gesetzlicher Höhe verstößt auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 02.11.2015 – B 13 R 35/14 R, juris-Rn. 21 m.w.N.), der das Gericht aus eigener Überzeugung folgt, sanktionieren Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV die verspätete Beitragszahlung des Arbeitgebers, indem einerseits durch die säumnisbedingte Erhöhung des Zahlbetrags zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel Druck auf den Schuldner ausgeübt, andererseits aber auch ein standardisierter Mindestschadensausgleich für den eingetretenen Zinsverlust und Verwaltungsaufwand vorgenommen wird. Damit soll sichergestellt werden, dass die Sozialleistungsträger die entstandenen Beiträge zum Fälligkeitstermin auch tatsächlich zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten zur Verfügung haben, und zudem soll ausgeschlossen werden, dass sich der Beitragsschuldner durch rechtswidriges Verhalten ein „zinsloses“ Darlehen verschafft oder durch eine verspätete Beitragszahlung selbst einen Zinsvorteil erlangt. In dieser „Doppelfunktion“ dienen Säumniszuschläge somit der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung; hierbei handelt es sich um einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang und ein legitimes gesetzgeberisches Ziel (so im Ganzen: BSG, Urteil vom 02.11.2015 – a.a.O.). Die Kammer vermag angesichts dieser Doppelfunktion nicht zu erkennen, aus welchem Grunde eine „verfassungskonforme“ Auslegung des § 24 Abs. 1 SGB IV die Reduzierung der Säumniszuschläge auf maximal 0,5 % monatlich (statt der gesetzlich geregelten 1 %) erfordern soll, wie vom Kläger vorgetragen. Das BSG (Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 3/11 R – Juris-Rn. 19 ff.) hat sogar die zwischenzeitliche Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von monatlich 5 % (!) für die Fälle des zwischenzeitlich aufgehobenen § 24 Abs. 1a SGB IV für verfassungsgemäß erachtet.

61

Der Kläger trägt, da er unterlegen ist, die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die keinen Antrag gestellt haben und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben; die Erstattung ihrer (etwaigen) außergerichtlichen Kosten entspricht nicht der Billigkeit (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO).

62

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 und 3 GKG.

 


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