Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 6 L 836/19
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 6 K 1926/19 gegen die Tierseuchenverfügung der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2019 in der erweiterten Fassung vom 28. Juni 2019 wird hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer 3.) angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin zu 4/5, die Antragsgegnerin zu 1/5.
Der Streitwert wird auf 1.750,- € festgesetzt.
1
Gründe
2Der sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 6 K 1926/19 gegen die Tierseuchenverfügung der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2019 in der erweiterten Fassung vom 28. Juni 2019 in Bezug auf Ziffer 1. und 3. anzuordnen,
4ist zulässig.
5Der Antrag war hinsichtlich der Erweiterung vom 28. Juni 2019, mit der die Tötung des Tieres mit der Ohrmarkennummer angeordnet wurde (Bl. 391 des Verwaltungsvorgangs), zu ergänzen, da bei verständiger Würdigung davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin die Tötungsanordnung aller betroffenen Rinder gerichtlich überprüft wissen will.
6Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, weil einer Klage gegen Ziffer 1. (Tötungsanordnung) und 3. (Androhung der Ersatzvornahme) der Verfügung der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs.2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 37 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz - TierGesG) (Ziffer 1.) und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW (Ziffer 3.) keine aufschiebende Wirkung zukommt. Diese Anordnungen sind kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Einer weitergehenden Begründung der Antragsgegnerin bedurfte es nicht.
7Der Antrag ist jedoch nur im tenorierten Umfang begründet.
8Maßgebliches Kriterium innerhalb der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich dagegen als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Hat der Gesetzgeber - wie vorliegend - durch eine gesetzliche Regelung einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet, ist eine Aussetzung nur gerechtfertigt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen oder andere gleichermaßen gewichtige besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise für den Vorrang des privaten Aussetzungsinteresses sprechen. "Ernstliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung sind anzunehmen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg.
9Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 9. Dezember 2003 ‑ 6 L 1161/03 ‑, juris, Rn. 22 f. m.w.N.
10Davon ausgehend lässt sich bei der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht feststellen, dass die Rechtmäßigkeit von Ziffer 1. der Tierseuchenverfügung ernstlichen Zweifeln begegnet (hierzu I.). In Bezug auf die Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer 3.) erweist sich der Bescheid hingegen bei summarischer Bewertung als rechtswidrig (hierzu II.).
11Die Tierseuchenverfügung ist zunächst in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Zwar fehlte es vor ihrem Erlass an der nach § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) erforderlichen Anhörung der Antragstellerin. Diese hat die Antragsgegnerin jedoch mit Schreiben vom 8. Oktober 2019 bzw. 14. Oktober 2019 unter Fristsetzung bis zum 18. Oktober 2019 nachgeholt. Es fehlt aber weiterhin an einer inhaltlichen Auseinandersetzung der Antragsgegnerin mit den umfangreichen Ausführungen, die der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin im Nachgang zur Anhörung vorgenommen hat und einem Überdenken der getroffenen Entscheidung.
12Vgl. hierzu Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 45 Rn. 26.
13Gleichwohl führt dieser weiterhin bestehende Verfahrensfehler nicht zur Rechtswidrigkeit der Tierseuchenverfügung, da der Mangel gemä3; § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW noch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz geheilt werden kann (§ 45 Abs. 2 VwVfG NRW).
14I. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist Ziffer 1. der Tierseuchenverfügung nicht zu beanstanden.
151. Es liegt zunächst kein Verstoß gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW vor.
16Hinreichende inhaltliche Bestimmtheit im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft ersehen lässt. Unter diesen Voraussetzungen bildet der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage auch für seine zwangsweise Durchsetzung.
17Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 7 VR 10.12 -, juris Rn. 10 und Urteil vom 20. April 2005 - 4 C 18.03 -, juris Rn. 53; OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2019 - 13 B 1056/19 -, juris Rn. 22.
18Diesen Anforderungen genügt die Tötungsanordnung der Antragsgegnerin unter Bezeichnung der betroffenen Rinder anhand der Ohrmarken. Die Angabe des genauen Standorts und die Betriebsregisternummer, zu der die Tiere gehören, ergeben sich unzweifelhaft aus der Begründung der angefochtenen Verfügung. Es ist auch nicht vorgetragen, dass die Antragstellerin ein weiteres Gehöft betreibt. Im Übrigen dienen die Ohrmarkennummern gerade der eindeutigen Identifizierung der jeweiligen Tiere. Dass die Antragstellerin drei der insgesamt sieben Rinder bereits auf den Hof ihrer Schwester N. 0; verbracht hat, steht der hinreichenden Bestimmtheit der Anordnung ebenfalls nicht entgegen, da diese sich jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses der Tierseuchenverfügung noch auf dem Gehöft der Antragstellerin befanden.
192. Rechtsgrundlage für die Tötungsanordnung in Ziffer 1. der tierseuchenrechtlichen Verfügung ist § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG i.V.m. § 7 der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO).
20Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachtes, eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich sind. Dabei kann sie nach § 24 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 TierGesG insbesondere die Tötung eines Tieres anordnen. Gemäß § 7 BHV1-VO kann die zuständige Behörde die Tötung der seuchenkranken und seuchenverdächtigen Rinder anordnen, wenn der Verdacht des Ausbruchs oder der Ausbruch der BHV1-Infektion in einem Gehöft oder an einem sonstigen Standort amtlich festgestellt ist.
21Die BHV1-Verordnung ist eine aufgrund von § 6 Abs. 1 TierGesG erlassene Rechtsverordnung, wobei auch die Rechtsgrundlagen betreffend die Tötung von Tieren von der Verordnungsermächtigung umfasst sind. Nach § 6 Abs. 1 TierGesG können, soweit es zur Erfüllung der Zwecke des § 1 Satz 1 TierGesG erforderlich ist, durch Rechtsverordnung Vorschriften erlassen werden, darunter nach § 6 Abs. 1 Nr. 20 a) TierGesG solche über das Töten seuchenkranker oder verdächtiger Tiere.
22lass="absatzLinks">Zweck des Tiergesundheitsgesetzes ist nach § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TierGesG die Vorbeugung von Tierseuchen und deren Bekämpfung sowie in diesem Rahmen die Erhaltung und Förderung der Gesundheit von Vieh, soweit es der landwirtschaftlichen Erzeugung dient. Tierseuchen im Sinne dieses Gesetzes sind Infektionen oder Krankheiten, die von einem Krankheitserreger oder Teil eines Krankheitserregers unmittelbar oder mittelbar verursacht werden, bei Tieren auftreten und auf Tiere oder Menschen übertragen werden können (§ 2 Nr. 1 und 2 TierGesG). Unter "verdächtig" versteht der Gesetzgeber sowohl seuchenverdächtige als auch ansteckungsverdächtige Tiere (§ 2 Nr. 6 TierGesG). Seuchenverdächtig sind diejenigen, an denen sich Erscheinungen zeigen, die den Ausbruch einer Seuche befürchten lassen (§ 2 Nr. 7 TierGesG), ansteckungsverdächtig diejenigen, die zwar nicht seuchenverdächtig sind, bei denen aber nicht auszuschließen ist, dass sie den Tierseuchenerreger aufgenommen haben (§ 2 Nr. 8 TierGesG).
23Bei der Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1) handelt es sich um eine Tierseuche in diesem Sinne. Die Infektion ist eine überwiegend akut verlaufende, hoch kontagiöse virusbedingte Allgemeinerkrankung des Rindes. Sie manifestiert sich vorwiegend respiratorisch als Infektiöse Bovine Rhinotracheitis (IBR) und kann im Ausbruchsfall zu erheblichen Leiden, Schmerzen und Schäden führen. Sie kann sich insbesondere in Form von Fieber, Nasenausfluss, Rötung der Schleimhäute von Flotzmaul und Nase sowie im späteren Stadium durch Atemnot, Husten, Nasen- und Augenausfluss zeigen. Bei Milchkühen kann es zudem zu einer verminderten Milchleistung, Fruchtbarkeitsstörungen, Fehlgeburten oder Geburtsdefekten kommen. Die Krankheit kann einen tödlichen Verlauf nehmen. Die genitale Form der Infektion tritt als Infektiöse Pustuläre Vulvovaginitis (IPV) beim weiblichen Rind und als Infektiöse Balanoposthitis (IBP) beim Bullen auf. Sie geht mit Fieber, Rötung und Schwellung der Schleimhaut der äußeren Genitalien, Unruhe und schmerzhaftem Harndrang einher. Die Übertragung von Tier zu Tier erfolgt meist direkt, kann aber auch indirekt über Vektoren (Personen, Kleidung, Gerätschaften, Instrumente) erfolgen. Die Besonderheit des Virus liegt darin, dass ein einmal infiziertes Tier lebenslang Virusträger bleibt, auch wenn es gesund erscheint. Die Krankheit selbst kann in Stresssituationen (z.B. Kalbung, Stallwechsel etc.) jederzeit ausbrechen und weiterverbreitet werden. Häufig verläuft sie klinisch inapparent (unauffällig). Eine Übertragung auf den Menschen findet nicht statt.
24Vgl. Friedrich-Löffler-Institut (FLI), Amtliche Methodensammlung, BHV1-Infektion, Stand: 21. Dezember 2016, Ziffer 1.2.
25a) Die BHV1-Verordnung ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere entspricht sie der gesetzlichen Ermächtigung in § 6 Abs. 1 Nr. 20 a) TierGesG. Sie ist zur Erfüllung der Zwecke des § 1 Satz 1 TierGesG erforderlich, denn sie dient der Gesunderhaltung der deutschen Rinderbestände durch die Vorbeugung und Bekämpfung dieser Tierseuche.
26Vgl. BR-Drs. 94/15, S. 22; OVG NRW, Beschlüsse vom 27. September 2019 - 13 B 1056/19 -, Rn. 30, und vom 28. Oktober 2016 - 13 B 904/16 -, Rn. 34, beide juris.
27Daneben dient sie auch der Anerkennung von Regionen als BHV1-frei nach Art. 10 der Richtlinie 64/432/EWG zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen (Richtlinie 64/432/EWG).
28Vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2017/888 der Kommission vom 22. Mai 2017 zur Änderung der Entscheidung 2003/467/EG in Bezug auf den Status der Region Umbrien (Italien) als amtlich anerkannt tuberkulosefrei sowie auf den Status Polens als amtlich anerkannt rinderleukosefrei, zur Änderung der Entscheidung 2004/558/EG in Bezug auf den Status Deutschlands als frei von der infektiösen bovinen Rhinotracheitis sowie zur Änderung der Entscheidung 2008/185/EG in Bezug auf den Status bestimmter Regionen Polens als frei von der Aujeszky-Krankheit und zur Genehmigung des Programms zur Tilgung der Aujeszky-Krankheit in der Region Venetien (Italien) - C(2017) 3239 -.
29Gleichwohl erfolgt das Bemühen um die BHV1-Freiheit nicht, wie die Antragstellerin geltend macht, allein aufgrund dieser Handelsinteressen.
30Bereits seit 1986 wird IBR in der Bundesrepublik auf freiwilliger Basis bekämpft. Die BHV1-Verordnung wurde im Jahre 1996 erlassen, um die Bekämpfung voranzutreiben. Dies, obwohl für den Export ausreichend BHV1-freie Tiere zur Verfügung standen. Die Verbesserung der Exportchancen war lediglich eines der ursprünglich angestrebten Ziele.
31Vgl. BR-Drs. 814/96, S. 1.
32Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Infektionen mit BHV1 häufig einen subklinischen Verlauf nehmen und die Bekämpfung allein der Symptome nicht zur Gesunderhaltung der Rinderbestände beiträgt.
33Vgl. Erwägungsgrund (1) der Entscheidung der Kommission 2004/558/EG vom 15. Juli 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 64/432/EWG des Rates hinsichtlich ergänzender Garantien im innergemeinschaftlichen Handel mit Rindern in Bezug auf die infektiöse bovine Rhinotracheitis und der Genehmigung der von einigen Mitgliedstaaten vorgelegten Tilgungsprogramme.
34Gerade die Erhaltung und Förderung der Gesundheit von Tieren, die zur landwirtschaftlichen Erzeugung genutzt werden, ist Ziel des Tiergesundheitsgesetzes. Ohne die BHV1-Verordnung und die darin vorgesehene, im Ermessen der Behörde stehende Möglichkeit der Anordnung einer Tötung von seuchenkranken und seuchenverdächtigen (§ 7 BHV1-VO) Rindern kann die Tierseuche im betroffenen Bestand nicht angemessen bekämpft und ihr in anderen Beständen nicht vorgebeugt werden. Dabei ist es unerheblich, dass Infektionen häufig klinisch inapparent verlaufen. Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass es zu einem klinischen Ausbruch kommen kann, wie auch die von der Antragstellerin vorgelegte Statistik der Landwirtschaftskammer NRW (Bl. 186 GA) belegt, wonach es im Zeitraum vom 1. März 2017 bis 30. August 2018 in Nordrhein-Westfalen 40 Ausbrüche gab, von denen zwei klinisch auffällig waren. Gleiches zeigt die vorgelegte Karte des FLI (Bl. 196 GA), wonach es zwischen dem 1. Januar 2018 und dem 25. April 2019 deutschlandweit zu insgesamt zehn Ausbrüchen gekommen ist.
35Dass daneben auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Rinderzucht gesichert werden soll,
36vgl. BR-Drs. 741/00, S. 1,
37steht dem nicht entgegen. Insofern ist es auch unbeachtlich, dass BHV1 in den Niederlanden und Belgien nicht bekämpft wird. Den Mitgliedstaaten steht es frei, ein Bekämpfungsprogramm zu erstellen (Art. 9 Richtlinie 64/432/EWG). Jedenfalls nach deutschem Recht handelt es sich um eine Tierseuche, die im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten des Tiergesundheitsgesetzes bekämpft werden soll.
38Soweit die Antragstellerin Bezug nimmt auf eine Stellungnahme des Städteregionsveterinärdirektors i.R. F. (Bl. 177 ff. GA) vermag die von diesem vorgenommene Unterscheidung zwischen den in Anhang E Teil I und Anhang E Teil II der Richtlinie 64/432/EWG aufgeführten Tierseuchen nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sämtliche in der Richtlinie bezeichneten Tierseuchen, unabhängig von ihrer Kategorisierung, aus Sicht des Europäischen Rates aus Gründen des innergemeinschaftlichen Handels bekämpft werden sollen. Auch nach der Richtlinie handelt es sich bei allen dort aufgeführten Krankheiten um Tierseuchen. So spricht insbesondere Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 64/432/EWG von "Tierseuchen gemäß Anhang E Teil II". Eine Unterscheidung in Teil I und Teil II folgt daraus, dass die in Anhang E Teil I genannten Tierseuchen gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. n) der Richtlinie anzeigepflichtig sind.
39Die BHV1-Verordnung erweist sich aller Voraussicht nach auch nicht aus anderen Gründen als nichtig. Mit dem Vorbringen, indem die Verordnung die Tötung der betroffenen Tiere nicht an den klinischen Ausbruch der Seuche knüpfe, sondern den Nachweis von Antikörpern gegen das gE-Glykoprotein des Virus der BHV1-Infektion (gE-Antikörper) ausreichen lasse, missachte sie die Belange des Tierschutzes und ermögliche nicht zu rechtfertigende Eingriffe in das Grundrecht auf Eigentum, dringt die Antragstellerin nicht durch.
40Die von der Antragstellerin gerügte Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BHV1-VO ist vom Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers umfasst. Nach dieser Norm besteht der Verdacht des Ausbruchs der BHV1-Infektion, wenn das Ergebnis der klinischen oder serologischen Untersuchung den Ausbruch einer BHV1-Infektion befürchten lässt. Ein Ausbruch hingegen erfordert die Feststellung der Infektion entweder durch virologische Untersuchung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) BHV1-VO) oder durch klinische und serologische Untersuchung auf gE-Antikörper (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) BHV1-VO). Bereits die Feststellung des Verdachts eines Ausbruchs rechtfertigt nach § 7 BHV1-VO die Tötung der seuchenkranken und -verdächtigen Rinder.
41Mit der Anknüpfung an den im Rahmen einer serologischen Untersuchung vorgenommenen Antikörpernachweis sollen alle diagnostischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um - unter Beachtung des häufig subklinischen Verlaufs - die effektive Erkennung des BHV1-Virus und letztlich die BHV1-Freiheit des Rinderbestands gewährleisten zu können.
hts">42Vgl. BR-Drs. 94/15, S. 23.
43Dass der Verordnungsgeber damit seinen Gestaltungsspielraum überschritten hat, ist nicht erkennbar. Aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr muss er sich nicht darauf verweisen lassen, Eingriffsbefugnisse erst für den Fall des nachgewiesenen klinischen Ausbruchs mit entsprechenden Krankheitsanzeichen vorzusehen. Zu diesem Zeitpunkt kann sich die Infektion durch den Handel mit - unerkannt - betroffenen Rindern, aber auch durch die o.g. Vektoren bereits weiter verbreitet haben. Aus den gleichen Gründen und unter Beachtung der Inkubationszeit von lediglich zwei bis sechs Tagen ist auch ein allein virologischer Nachweis (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) BHV1-VO) zur effektiven Gefahrenabwehr nicht ausreichend.
44Auch die in § 7 BHV1-VO bestimmte Rechtsfolge der Tötung der seuchenkranken bzw. -verdächtigen Rinder erweist sich zur Zweckerreichung nicht als generell unverhältnismäßig, da sie in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt ist und diese das gesetzliche Ziel der Seuchenbekämpfung zu berücksichtigen hat.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2019 - 13 B 1056/19 -, juris Rn. 43 ff.
46b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG i.V.m. § 7 BHV1-VO sind erfüllt.
47§ 7 BHV1-VO setzt zunächst die amtliche Feststellung eines Ausbruchs oder eines Verdachts des Ausbruchs der BHV1-Infektion voraus. Ein solcher Verdacht wurde aufgrund der serologischen Untersuchung der am 2. Mai 2019 bei 50 Rindern aus dem Bestand der Antragstellerin entnommenen Blutproben festgestellt. Dabei wurde bei fünf Rindern der Nachweis von gE-Antikörpern und von Antikörpern gegen das gB-Glykoprotein des Virus der Bovinen Herpesvirus Typ 1-Infektion (gB-Antikörper) erbracht. Bei einem weiteren, nicht geimpften Rind wurden nur gB-Antikörper nachgewiesen. Es handelt sich dabei um eine frühe Phase der BHV1-Infektion (vgl. Seite 3 der angefochtenen Verfügung). Ein klinischer Nachweis der Infektion ist für den Verdacht eines Ausbruchs gerade nicht erforderlich. Dass die Antikörper auch auf andere Weise in den Körper der betroffenen Rinder gelangt sein könnten, wie die Antragstellerin meint, ist eine reine Behauptung, die nicht belegt wurde. Bei dem hier angewandten ELISA-Test handelt es sich zudem um das nach der amtlichen Methodensammlung des FLI anerkannte Testverfahren.
48Vgl. FLI, Amtliche Methodensammlung, BHV1-Infektion, Stand: 21. Dezember 2016, Ziffer 3.3.
49Diese Rinder der Antragstellerin sind seuchenverdächtig im Sinne des § 7 BHV1-VO i.V.m. § 2 Nr. 7 TierGesG. Mit den nachgewiesenen Antik46;rpern zeigen sich an ihnen Erscheinungen, die nach dem gesetzlichen Regelungssystem den Ausbruch der Seuche befürchten lassen. Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, den Verdacht aufzuklären und einen Virusnachweis vorzunehmen. Bereits der amtlich festgestellte Verdacht des Ausbruchs erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen.
50Soweit in der von der Antragstellerin vorgelegten "Gutachterlichen Stellungnahme" des landwirtschaftlichen Sachverständigen C. vom 4. Juli 2019 (Bl. 39 ff. GA) thematisiert wird, dass der Antragstellerin keine Fehler vorzuwerfen seien, die zu der BHV1-Infektion geführt haben, ist dies rechtlich unerheblich. Maßnahmen auf der Grundlage des § 24 Abs. 3 TierGesG sind solche der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Satz 1 TierGesG) und damit verschuldensunabhängig.
51Vgl. VG Münster, Beschluss vom 15. Februar 2016 - 5 L 88/16 -, juris Rn. 23
52Ebenso wenig kommt es darauf an, ob im Regierungsbezirk Köln der Status nach Art. 10 Richtlinie 64/432/EWG tatsächlich noch besteht. Unstreitig ist die ganze Bundesrepublik Deutschland als entsprechendes Gebiet formal anerkannt (s.o.). Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen, da für die hier in Rede stehende Rechtsgrundlage des § 7 BHV1-VO der Status - anders als in Fällen der Tötungsanordnung nach § 9 Abs. 3 BHV1-VO - nicht Tatbestandsmerkmal ist.
53Das der Antragsgegnerin eingeräumte Ermessen hat diese ordnungsgemäß ausgeübt (§ 40 VwVfG NRW, § 114 Satz 1 VwGO).
54Sie hat insbesondere von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung des § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG i.V.m. § 7 BHV1-VO entsprechenden Weise Gebraucht gemacht. So hat sie ihre Verfügung ausdrücklich damit begründet, dass sowohl der eigene Bestand der Antragstellerin als auch die Rinderbestände in der engeren und weiteren Umgebung vor den schwerwiegenden tiergesundheitlichen und in der Konsequenz tierschutzrechtlichen Folgen einer BHV1-Infektion zu schützen seien (vgl. Seite 4 der angefochtenen Verfügung).
55Die angeordnete Tötung der insgesamt sieben betroffenen Rinder, soweit möglich im Wege der Schlachtung, erweist sich zu diesem Zweck als verhältnismäßig. Durchgreifende Zweifel an der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme bestehen nicht.
56Die Maßnahme ist geeignet, eine weitere Verbreitung der BHV1-Infektion im eigenen Bestand der Antragstellerin sowie auf andere Bestände zu verhindern. Auch wenn eine BHV1-Infektion keine Auswirkungen auf den Menschen hat, da Fleisch und Milch weiterhin konsumiert werden können, ist jedenfalls die mit der Tierseuchenverfügung verfolgte Tiergesundheit durch Bekämpfung der Infektion ein legitimer Zweck. Hinsichtlich des daneben ebenfalls verfolgten Zwecks der Erleichterung des innergemeinschaftlichen Handels wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Dass die Antragsgegnerin ausschließlich deshalb auf den Antikörpernachweis abstellt und die Tötung betroffener Rinder anordnet, um Ausbrüche nicht "nach Brüssel melden" zu müssen, ist reine Spekulation. Dass durch die Maßnahme zukünftige Infektionen nicht vermieden werden können, mag zutreffend sein, ist aber für die hier allein zu beurteilende konkrete Tötungsanordnung irrelevant.
57Die Maßnahme erweist sich auch als erforderlich. Mildere Mittel gleicher Eignung sind nicht ersichtlich. Bezüglich der von der Antragstellerin angestrebten Impfung des Bestands hat die Antragsgegnerin ihre Erwägungen mit Schriftsatz vom 22. Juli 2019 hinreichend und in nach § 114 Satz 2 VwGO prozessual zulässiger Weise ergänzt. Dabei hat sie unter Verweis auf die von der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin herausgegebene Leitlinie zur Impfung von Rindern und kleinen Wiederkäuern dargelegt, dass die BHV1-Infektion durch die Impfung nicht verhindert wird, sondern auch geimpfte Tiere sich mit dem Feldvirus infizieren und eine latente Infektion ausbilden können. Impfungen können eine klinische Erkrankung und die Erregerausbreitung verringern, aber nicht stoppen.
58Vgl. Ständige Impfkommission Veterinärmedizin, Leitlinie zur Impfung von Rindern und kleinen Wiederkäuern, Stand: 1. März 2018, S. 33.
59Diese Erkenntnis liegt auch den Regelungen des § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BHV1-VO zugrunde, die Kriterien dafür aufstellen, wann bei geimpften Rindern von einem Ausbruch der BHV1-Infektion auszugehen ist.
60Die Antragsgegnerin hat sich im Rahmen der Antragserwiderung vom 22. Juli 2019 auch plausibel mit dem Einwand der Antragstellerin befasst, dass der Kreis C1. offenbar in mehreren Fällen Impfungen angeordnet hat. Unabhängig von der hier nicht zu prüfenden Frage, ob diese Vorgehensweise rechtmäßig war, hat die Antragsgegnerin jedenfalls nachvollziehbar dargelegt, dass Impfungen der hier konkret betroffenen Rinder, die nach Übergabe in den Betrieb der Frau N. als Milchkühe gehalten werden, - anders als im Falle einer Mastbullenhaltung wie im Kreis C1. - nicht ausreichend wären, um die gesunden, von der Antragstellerin gehaltenen sowie weitere Tiere in der Umgebung vor einer Infektion zu schützen.
61Aus der Begründung des Verordnungsgebers zu der Möglichkeit einer Impfung nach § 2 Abs. 3 BHV1-VO lässt sich ebenfalls nichts herleiten. Danach ist zwar im Falle der Feststellung eines Ausbruchs eine "Notimpfung" in Betracht zu ziehen. Allerdings gilt dies nur für solche Rinder, die nicht - wie diejenigen, die von der Tötungsanordnung erfasst werden - als infiziert erkannt wurden.
62Vgl. BR-Drs. 94/15, Seite 24.
63Die in Ziffer 1. der Tierseuchenverfügung getroffene Regelung ist auch angemessen.
64Soweit die Ausführungen der Antragstellerin hinsichtlich einer möglichen Enteignung überhaupt den hiesigen Fall der Anordnung zur Tötung von lediglich sieben Rindern erfassen sollen (in der Antragsschrift heißt es offensichtlich unzutreffend "Tötung sämtlicher Tiere des gesamten Bestandes"), gilt Folgendes:
65Es handelt sich bei der Tötung seuchenkranker oder seuchenverdächtigter Tiere aufgrund einer Tierseuchenverfügung entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht um eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern um eine Maßnahme, die in Begrenzung des Eigentums nach dem Tiergesundheitsgesetz ergeht.
66Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1961 - I C 54.57 -, juris Rn. 61, m.w.N. (zum Viehseuchengesetz).
67Als solche erweist sie sich - ebenso wie der geltend gemachte Eingriff in das von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfasste Recht am eingerichteten und ausgeübten (landwirtschaftlichen) Gewerbebetrieb - als gerechtfertigt. Die für die Antragstellerin eintretenden Nachteile stehen zu dem verfolgten Ziel der Gesundheit ihres Rinderbestands sowie der weiteren Bestände im Gebiet der Antragsgegnerin nicht außer Verhältnis. Die wirtschaftlichen Nachteile für die Antragstellerin sind - gemessen an den von der Verfügung allein betroffenen sieben Rindern - zwar vorhanden, gleichwohl aber nicht existenzbedrohend. Dies gilt umso mehr als der wirtschaftliche Verlust durch Schlachterlöse und eine Entschädigung aus der Tierseuchenkasse reduziert wird. Inwieweit es hier zu einem Verlust der Milcherzeugung kommen soll, wie die Antragstellerin ausführt, ist im Hinblick darauf, dass der Betrieb der Antragstellerin allein ein Aufzuchts- und Pensionsbetrieb ist, nicht ersichtlich.
lass="absatzRechts">68pan>Dass es Monate dauern kann, bis die Antragstellerin wieder Rinder zur Aufzucht vom Betrieb N. , gegenüber dem eine Tötung des gesamten Bestands angeordnet wurde, erhält, mag zutreffend sein. Allerdings steht dies nicht im Zusammenhang mit der hier streitgegenständlichen Anordnung zur Tötung von sieben Rindern, die allein Gegenstand der vorliegenden Prüfung ist.
69Den der Antragstellerin voraussichtlich verbleibenden finanziellen Verlusten steht die Ansteckungsgefahr gegenüber, die von einem Teil ihres Rinderbestands für die serologisch unauffälligen Tiere ihres eigenen Bestands sowie die Rinderbestände in der Umgebung ausgeht. Diese Gefahr ist umso gravierender als mit ihr wegen des nach § 2 Abs. 1a BHV1-VO und § 3 Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO NRW grundsätzlich geltenden Impfverbots nicht nur das Risiko einer weiteren Verbreitung des Virus, sondern auch eines Ausbruchs der Seuche einhergeht. An der Ausmerzung der Seuche besteht schon im Interesse der Tiergesundheit im Gebiet der Antragsgegnerin ein erhebliches öffentliches Interesse. Dieses Interesse lässt die wirtschaftlichen und persönlichen Belange der Antragstellerin in der Gesamtbetrachtung zurücktreten. Ob und gegebenenfalls mit welchem Gewicht in der Abwägung zu Lasten der Antragstellerin darüber hinaus auch die wirtschaftlichen Belange des Rinderhandels, der in nach Art. 10 der Richtlinie 64/432/EWG als BHV1-frei anerkannten Gebieten von Erleichterungen profitiert, berücksichtigt werden können, kann dahinstehen.
70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2019 - 13 B 1056/19 -, juris Rn. 64.
71Links">Die A
nordnung zur Tötung der betroffenen Rinder erfüllt weder den von der Antragstellerin angeführten Straftatbestand des § 17 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG), noch verstößt sie gegen § 1 Satz 2 TierSchG, der verbietet, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Der Schutz der Gesundheit des BHV1-freien Rinderbestands vor dem Virus stellt einen vernünftigen Grund nach § 17 Nr. 1 TierSchG bzw. § 1 Satz 2 TierSchG dar, der es rechtfertigt, auch hochträchtige Tiere zu töten. 72Auch die bislang fehlende Durchführung des mit Blick auf die Entschädigung nach §160;15 Nr. 1 TierGesG gemäß §§ 16 ff. des Ausführungsgesetzes zum Tiergesundheitsgesetz und zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (AG TierGesG TierNebG NRW) durchzuführende Schätzungsverfahren steht der Rechtmäßigkeit der Tötungsanordnung nicht entgegen. § 17 Abs. 1 Satz 2 AG TierGesG TierNebG NRW sieht vor, dass die Schätzung bei Tieren, die auf Grund einer Tierseuchenverfügung zu töten sind, vor der Tötung vorgenommen werden „soll“. Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Tötungsanordnung ist diese Reihenfolge damit nicht. Dass der Antragstellerin, wie sie geltend macht, erhebliche Beweisprobleme entstünden, wenn die Tiere getötet würden, obwohl über deren Wert kein Einvernehmen bestehe oder das Schätzungsverfahren fehlerhaft durchgeführt worden sei, stellt dies nicht durchgreifend in Frage.
73Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2019 - 13 B 1056/19 -, juris Rn. 66 f.
74Dass die Antragsgegnerin die Einrichtung eines Sperrbezirks sowie die Überprüfung anderer möglicherweise betroffener Betriebe nicht auf das belgische und niederländische Hoheitsgebiet erstreckt, folgt allein daraus, dass ihr auf diesen Gebieten keine Kompetenz zukommt, um entsprechende Maßnahmen vorzunehmen. Hinsichtlich der Effektivität möglicher "Pufferzonen" entlang der Grenzen zu Belgien und den Niederlanden hat das OVG NRW bereits ausgeführt, dass durch eine solche die Infektionsgefahr lediglich von der Grenzregion weiter in das sich anschließende Inland verlagert würde.
75Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2019 - 13 B 1056/19 -, juris Rn. 57.
76II. Die Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer 3. der Tierseuchenverfügung) erweist sich hingegen - auch unter Einbeziehung der "Ergänzung" vom 25. Juli 2019 - voraussichtlich als rechtswidrig.
77Die ursprüngliche in Ziffer 3. der Tierseuchenverfügung vom 31. Mai 2019 vorgenommene Androhung der Ersatzvornahme war rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin die Regelung des § 63 Abs. 4 VwVG NRW nicht berücksichtigt hat. Nach dieser Vorschrift sollen im Fall der Androhung einer Ersatzvornahme die voraussichtlichen Kosten angegeben werden.
78Die Vorschrift des § 63 Abs. 4 VwVG NRW ist zwar nicht - wie auf Bundesebene § 13 Abs. 4 Satz 1 VwVG ("ist zu veranschlagen") - als zwingende Norm formuliert. Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen begründet eine Soll-Vorschrift allerdings ebenfalls eine Verpflichtung, wenn nicht ausnahmsweise ein atypischer Fall gegeben ist.
"absatzRechts">79>Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 24. Juli 2019 - 7 L 835/19 -, juris Rn. 73 m.w.N.
80Eine entsprechende Angabe findet sich in der angefochtenen Verfügung nicht. Dort heißt es lediglich, eine genaue Bezifferung der Kosten für die Schlachtung der schlachtfähigen Tiere bzw. die Euthanasie der nicht schlachtfähigen Tiere könne zurzeit nicht erfolgen. Ein atypischer Fall, der eine Ausnahme von der vom Gesetzgeber gewählten Soll-Vorschrift begründet, liegt nicht vor.
81Die Antragsgegnerin verfasste unter dem 25. Juli 2019 eine "Ergänzung" zu der angefochtenen Tierseuchenverfügung mit einer Übersicht über die voraussichtlich anfallenden Kosten bei Durchführung der angedrohten Ersatzvornahme. Diese Schreiben versandte sie mittels Telefax und einfachen Briefs an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin.
82Eine solche Ergänzung der zunächst unvollständigen Androhung ist nach Landesrecht grundsätzlich möglich.
lass="absatzRechts">83</span>Hinsichtlich der im Bundesrecht zwingend vorgeschrieben Angabe der voraussichtlichen Kosten ist streitig, ob diese bei Fehlen nachgeholt werden kann,
84vgl. Lemke, in: Danker/Lemke, VwVG, 1. Aufl. 2012, § 13 Rn. 23,
85oder ob eine vollständig neue Androhung erforderlich ist.
86Vgl. Troidl, in: Engelhardt/App/Schlatmann/Troidl, VwVG, 11. Aufl. 2017, § 13 Rn. 6; Sadler, in: Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 13 VwVG Rn. 103.
Da es sich bei der Vorschrift des § 63 Abs. 4 VwVG NRW - anders als im Bundesrecht - lediglich um eine Soll-Vorschrift handelt, ist die Angabe der voraussichtlichen Kosten nicht wesentlicher Bestandteil des Verwaltungsakts und führt das Fehlen dieser Angabe nicht zur Nichtigkeit der Androhung, sondern lediglich zu ihrer Rechtswidrigkeit, die durch Nachholung beseitigt werden kann.
88Vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 25. Juli 2006 - 11 TG 1465/06, juris Rn. 4, zu der entsprechenden Regelung in § 53 Abs. 4 HSOG.
89Voraussetzung ist jedoch, dass die Warnfunktion der Androhung berücksichtigt wird. Die Androhung der Ersatzvornahme soll dem Adressaten vor Augen führen, dass er nach Ablauf der gesetzten Frist (§ 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW) mit einer zwangsweisen Durchsetzung der gegen ihn gerichteten Anordnung zu rechnen hat und dass ihn dies etwas kosten kann. Er muss in der Lage sein, die finanziellen Auswirkungen seines Nichthandelns überblicken zu können und gegebenenfalls die ihm obliegende Handlung ausführen und damit die Ersatzvornahme abwenden k46;nnen.
<span class="absatzRechts">90Vgl. Lemke, in: Danker/Lemke, VwVG, 1. Aufl. 2012, § 13 Rn. 23; Sadler, in: Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 13 VwVG Rn. 103.
91Diesen Anforderungen genügt die ergänzte Androhung der Ersatzvornahme nicht. Nach Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist, die bis zum 12. Juni 2019 lief, nahm die Antragsgegnerin mit der Ergänzung keine erneute Fristsetzung vor.
92Darüber hinaus mangelt es auch im Hinblick auf die unterlassene Zustellung des Schreibens vom 25. Juli 2019 an einer rechtmäßigen Androhung. Wie bereits ausgeführt, kann eine rechtmäßige Androhung erst in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem dem Adressaten die voraussichtlichen Kosten mitgeteilt werden. Sinn und Zweck der gesetzlich angeordneten Zustellung (§ 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW) ist neben der Nachweisfunktion über den Zugang auch die Verdeutlichung der Bedeutsamkeit des von dem Adressaten in den Händen gehaltenen Schriftstücks. Gerade im Hinblick auf die Funktion der Androhung, auf den Adressaten entsprechenden Druck auszuüben, ist auch die Nachholung der Angabe voraussichtliche bei der Ersatzvornahme anfallender Kosten zuzustellen.
93Ein Verstoß gegen die gesetzlich vorgesehene Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Androhung,
94vgl. zum insoweit identischen Bundesrecht: Sadler, in: Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 13 VwVG Rn. 145,
95bzw. hier - weil allein die "Ergänzung" nicht zugestellt wurde - zur Rechtswidrigkeit der Androhung insgesamt.
96Die Verfügung vom 25. Juli 2019 wurde der Antragstellerin über ihren Prozessbevollmächtigten mittels Telefax und mittels einfachen Briefs bekanntgegeben. Eine Zustellung nach den Vorschriften des Landeszustellungsgesetzes (LZG NRW) erfolgte nicht. Eine Heilung dieses Zustellungsmangels gemäß § 8 LZG NRW kommt nicht in Betracht. Zwar ist nichts dafür ersichtlich, dass das Schreiben der Antragstellerin bzw. ihrem Bevollmächtigten nicht tatsächlich zugegangen ist. Eine Heilung scheitert gleichwohl daran, dass die Antragsgegnerin keinen Zustellungswillen hatte. Dieser ist jedoch unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung.
97Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 6 B 65/05 -, juris Rn. 7; Sadler, in: Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 8 VwZG, Rn. 28
98Daran fehlt es hier, da die Antragsgegnerin das Schreiben dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nicht - wie im Falle der Zustellung gemäß § 5 Abs. 4 LZG NRW vorgesehen - gegen Empfangsbekenntnis übermittelte.
99Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
100Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OVG NRW geht die Kammer von einem Wert von 500,- € pro betroffenem Tier aus. Dieser Betrag in Höhe von 3.500,- € (sieben betroffene Rinder) wird wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung nur zur Hälfte angesetzt. Die Zwangsmittelandrohung bleibt außer Betracht (vgl. Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs).
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- § 13 VwVG 2x (nicht zugeordnet)
- § 8 LZG 1x (nicht zugeordnet)
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- VwVfG § 45 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern 1x
- VwVfG § 37 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes; Rechtsbehelfsbelehrung 1x
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