Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 5 M 12/21
Tenor
Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache werden die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, der Vollstreckungsschuldnerin auferlegt.
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G r ü n d e :
2Für die zu treffende Entscheidung ist die Berichterstatterin zuständig. Nach § 172 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist für die Vollstreckung eines Verpflichtungsurteils (§ 113 Abs. 5 VwGO) die Zuständigkeit des Gerichts als Spruchkörper gegeben und entsprechend für Entscheidungen im vorbereitenden Verfahren nach § 87a VwGO (hier: Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3) die Zuständigkeit des Berichterstatters anstelle des Vorsitzenden begründet. Die Einzelrichterübertragung im Erkenntnisverfahren erstreckt sich nicht auf das selbständige Vollstreckungsverfahren.
3Vgl. VG Trier, Beschluss vom 22. Oktober 2018 - 1 N 3701/18TR -, juris Rn 1; VG Aachen, Beschluss vom 21. März 2016 - 9 M 26/15 -, juris Rn 1-4, jeweils m.w.N.
4Nachdem die Beteiligten das Vollstreckungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nur noch über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. In der Regel entspricht es billigem Ermessen nach dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre.
5Vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt auch im Hinblick auf die Beurteilung der Zulässigkeit des Vollstreckungsantrags: VG Freiburg, Beschluss vom 7. Juni 2017 - A 7 K 2879/17 -, juris Rn 5.
6Danach sind die Kosten der Vollstreckungsschuldnerin aufzuerlegen, denn der Vollstreckungsgläubiger hätte mit seinem Vollstreckungsantrag voraussichtlich Erfolg gehabt. Im maßgeblichen Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses ‑ hier der Zugang des Bundesamtsbescheides am 18. Juni 2021 - lagen die Vollstreckungsvoraussetzungen vor.
7Gemäß § 172 Satz 1 VwGO kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag durch Beschluss gegen die Behörde unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis 10.000,00 € androhen, wenn die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 5 VwGO der ihr im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Liegen die Vollstreckungsvoraussetzungen vor, besteht ein Anspruch des Vollstreckungsgläubigers auf gerichtliches Tätigwerden; lediglich hinsichtlich der Höhe des Zwangsgelds und der Dauer der Vollstreckungsfrist ist dem Gericht Ermessen eingeräumt.
8Im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses am 18. Juni 2021 hatte der Vollstreckungsgläubiger einen Anspruch darauf, dass die Vollstreckungsschuldnerin durch Androhung eines Zwangsgeldes zur Erfüllung der ihr durch Gerichtsbescheid der Einzelrichterin vom 25. März 2021 - 5 K 2615/20.A - auferlegten Verpflichtungen angehalten wird.
9Ein zu vollstreckender Titel im Sinne des § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO liegt in Gestalt des o.g. Gerichtsbescheides vor, mit dem die Vollstreckungsschuldnerin dazu verpflichtet worden ist, dem Vollstreckungsgläubiger die Asylberechtigung und die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Gerichtsbescheid ist nach Ablauf der Rechtmittelfrist seit 13. April 2021 rechtskräftig im Sinne des § 121 VwGO.
10Der Vorlage einer „vollstreckbaren Ausfertigung“, also einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 724 ZPO) bedarf es in den Fällen der Androhung eines Zwangsgeldes gegen die öffentliche Hand (§ 172 Satz 1 VwGO) nach der analog anzuwendenden Vorschrift des § 171 VwGO nicht.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 8 E 555/10 -, juris Rn 4.
12Der zu vollstreckende Gerichtsbescheid ist der Vollstreckungsschuldnerin gegen Empfangsbekenntnis am 29. März 2021 zugestellt worden, so dass auch die allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung des § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 750 ZPO vorliegt.
13Die Vollstreckungsschuldnerin ist den ihr im Gerichtsbescheid vom 25. März 2021 auferlegten Verpflichtungen nicht in einer angemessenen Frist nachgekommen.
14Eine gesetzliche Regelung zur Frage, welche Frist einer Behörde zur Erfüllung eines Verpflichtungsurteils einzuräumen ist, existiert nicht. Zu prüfen ist insoweit im Einzelfall, innerhalb welcher Frist beginnend mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung es der Vollstreckungsschuldnerin billigerweise zugemutet werden kann, ihrer Verpflichtung nachzukommen. Dabei sind insbesondere die Eigenart der auferlegten Verpflichtung und die Dauer des vorangegangenen gerichtlichen Verfahrens, während dessen die Behörde Zeit hatte, sich vorsorglich auf ihre mögliche Verpflichtung einzustellen, zu berücksichtigen.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember - 2 AV 3/01 -, juris; VG Trier, Beschluss vom 22. Oktober 2018 - 1 N 3701/18TR -, juris m.w.N.
16Mit Blick auf den vorliegend äußerst geringen, insbesondere mit einer Bescheidungssituation nicht vergleichbaren Erfüllungsaufwand der Behörde, der sich in der Erstellung eines Bescheides mit Standardtenor sowie - anstelle einer individuellen Begründung - einem Hinweis auf die rechtskräftige gerichtliche Verpflichtung zum Erlass des Bescheids erschöpft, ist die hier von der Vollstreckungsschuldnerin in Anspruch genommene Zeit von über zwei Monaten ab Eintritt der Rechtskraft des Gerichtsbescheids am 13. April 2021 bis zur Bekanntgabe des Bescheides am 18. Juni 2021 jedenfalls nicht mehr als angemessen zu betrachten. Erfüllungshindernisse sind weder ersichtlich noch von der Vollstreckungsschuldnerin geltend gemacht worden, so dass die Kostenentscheidung zu ihren Lasten geht.
17Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b des Asylgesetzes (AsylG).
18Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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Referenzen
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- ZPO § 724 Vollstreckbare Ausfertigung 1x
- 7 K 2879/17 1x (nicht zugeordnet)
- 1 N 3701/18 2x (nicht zugeordnet)
- 5 K 2615/20 1x (nicht zugeordnet)
- 8 E 555/10 1x (nicht zugeordnet)
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- Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 9 M 26/15 1x
- VwGO § 167 2x
- VwGO § 87a 1x
- ZPO § 750 Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung 1x
- VwGO § 171 1x