Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 10 K 1637/20
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheids vom 27. Mai 2020 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 25. März 2019 zur Aufstellung von Altkleidersammelcontainern an den dort bezeichneten Standorten im öffentlichen Straßenraum der Beklagten mit Ausnahme der Standorte „A-straße“, „B-straße“, „C-straße 0“, „D-straße 00“, „E-straße 0“, „F-straße 00“, „G-straße“, „H-straße 00“ und „I-straße 0“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 9/20 und die Beklagte zu 11/20.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung. Insoweit darf die Klägerin die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin, die ein Unternehmen betreibt, welches sich auf die professionelle Sammlung von Alttextilien spezialisiert hat, begehrt die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von Altkleidersammelcontainern an verschiedenen Standorten im öffentlichen Straßenraum der Beklagten.
3Am 21. September 2016 beschloss der Rat der Beklagten, dass keine Altkleidersammelcontainer im öffentlichen Straßenraum aufgestellt werden sollen und illegal aufgestellte Altkleidersammelcontainer durch die Stadt entfernt werden.
4Unter dem 25. März 2019 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von 20 Altkleidersammelcontainern auf öffentlichen Verkehrsflächen im Gebiet der Beklagten für den Zeitraum von drei Jahren. Hinsichtlich der einzelnen Standorte erklärte sie unter Nennung des Straßennamens bzw. Bezeichnung der Örtlichkeit sowie des Stadtteils, dass es sich um Altglassammelstellen handle. Sie führte zudem aus, dass sie ausschließlich neue Metallcontainer mit den Maßen 1,15 m x 1,15 m x 2,15 m verwende, so dass eine Grundfläche von 1,15 m² pro Standort in Anspruch genommen werde. Die Container seien in verschiedenen Farben sowie mit diversen Beschriftungen verfügbar und sie gehe bei der konkreten Gestaltung der Container auf die Wünsche der Beklagten ein, um eine gelungene Anpassung an das Umgebungsbild zu gewährleisten. Die Container würden mindestens einmal pro Woche angefahren und geleert. Im Bedarfsfall könnten die Container auch innerhalb von ein bis zwei Tagen angefahren werden. Für Verschmutzungsmeldungen stünden der Außendienst sowie die Zentrale der Klägerin zur Verfügung.
5Mit Schreiben vom 16. September 2019 teilte die Beklagte mit, dass der Antrag aus organisatorischen Gründen noch nicht habe bearbeitet werden können. Die Standorte würden noch hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse und der Eignung geprüft. Zudem sei ggf. noch eine Entscheidung des Rates einzuholen, da bei der großen Anzahl von gewünschten Standorten eine Grundsatzentscheidung erforderlich sein könne, wie in Zukunft mit den Anträgen auf Sondernutzungserlaubnis umgegangen werden solle.
6Der Rat der Beklagten beschloss in seiner Sitzung am 19. Februar 2020, die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern auf städtischen Flächen generell nicht zuzulassen. Dies gelte sowohl für privatrechtliche Vereinbarungen als auch für Anträge auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für öffentliche Straßen und Wege. In der Begründung der Beschlussvorlage heißt es:
7„Die Verwaltung geht davon aus, dass eine generelle Ablehnung von Anträgen auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von Altkleidersammelcontainern aus folgenden Erwägungen möglich ist:
81. Größe und Erscheinungsbild von dauerhaft aufgestellten Altkleidersammelcontainern beeinträchtigen das Orts- und Straßenbild der Stadt auf negative Weise. Zusätzlich zu den bereits aufgestellten Altglassammelcontainern würde eine übermäßige Überfrachtung des öffentlichen Straßenraums eintreten.
92. Nach allgemeiner Lebenserfahrung kommt es an Wertstoffsammelstellen immer wieder zu Verschmutzungen des Straßenraums durch außerhalb der Container unsachgemäß abgelagerten Abfall. Derartige Verschmutzungen des Straßenraums sind insbesondere aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Verkehrssicherheit zu vermeiden.
103. Es bestehen innerhalb des Stadtgebiets für die Bewohner ausreichend Entsorgungsmöglichkeiten für Altkleider, so dass eine Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums dafür nicht erforderlich ist. Die Verwaltung hat (Stand 12/2019) insgesamt 35 Altkleidercontainer an 23 Standorten auf privatem Grund im Stadtgebiet ermittelt (vermutlich liegt die tatsächliche Anzahl noch etwas höher). Dies entspricht einer Abdeckung von 1 Container auf knapp 900 Einwohner. Dazu werden Altkleider auch von caritativen Einrichtungen im Stadtgebiet, etwa der Kleiderstube, entgegengenommen. Weiter finden zudem regelmäßig gewerbliche oder caritative Abholsammlungen statt.
114. Insbesondere eine gleichzeitige Nutzung der Standorte für Altglassammelcontainer scheidet aus mehreren Gründen aus:
12a. Eine Vergrößerung der Containeranlagen durch weitere Sammelcontainer beeinträchtigt das Orts- und Straßenbild aufgrund der Dimension der entstehenden Anlagen in negativer Weise.
13b. An den meisten Standorten sind Gefahren für die Verkehrssicherheit nicht auszuschließen, wenn weiterer Anlieferungsverkehr entsteht.
14c. Die Sauberhaltung der Containerstandorte ist nicht mehr gewährleistet, wenn mehrere Firmen Behälter an einem Standort abstellen, da sich im Zweifelsfall nicht eindeutig feststellen lässt, wer für die Beseitigung von dort abgelagertem Abfall zuständig ist.“
15Unter dem 16. März 2020 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtige den Antrag abzulehnen, und wiederholte zur Begründung die Ausführungen in der Beschlussvorlage. Aus diesen Gründen könne die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern generell nicht genehmigt werden. Grundlage sei ein entsprechender Beschluss des Rates.
16Mit Schreiben vom 22. April 2020 führte sie überdies auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus, dass sich die Gefahren für die Verkehrssicherheit daraus ergeben würden, dass sich die Standorte für die Altkleidersammelcontainer in der weit überwiegenden Zahl der Fälle am Straßenrand befänden. Die Anlieferung von Altglas erfolge sowohl von Autofahrern als auch von Fußgängern und Radfahrern. Die Anlieferung von Altkleidern werde wegen des Gewichts vermutlich nahezu ausschließlich von Autofahrern erfolgen. Durch das Halten am Fahrbahnrand bestehe automatisch eine Beeinträchtigung des fließenden Verkehrs mit Gefahren für die Beteiligten. Eine Vergleichsbereitschaft bestehe nicht. Im Übrigen sei der Verwaltung ein entsprechender Entscheidungsspielraum durch die eindeutige Grundsatzentscheidung des Rates ohnehin nicht gegeben.
17Mit Bescheid vom 27. Mai 2020 lehnte die Beklagte den Antrag schließlich ab. Unter Abwägung der (wirtschaftlichen) Interessen der Klägerin mit den allgemeinen Interessen der sonstigen Straßennutzer könne eine Erlaubnis nicht erteilt werden. Zur Begründung wiederholte sie die Ausführungen ihrer vorherigen Schreiben und verwies erneut auf den Ratsbeschluss. Auch seien keine Gründe ersichtlich oder vorgebracht, warum im Einzelfall der Klägerin Besonderheiten zu berücksichtigen seien.
18Die Klägerin hat am 2. Juli 2020 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt, dass die Grundlage des Ablehnungsbescheids der Ratsbeschluss sei, dessen Argumentation lediglich wiederholt werde. Der Beschluss sei seinerseits rechtswidrig, daher nichtig und falle als taugliche Ermessensrichtlinie aus. Das Straßenrecht stelle die Sondernutzung lediglich unter ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Ein repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt sei damit unvereinbar. Der Gemeinde stehe hinsichtlich der Zulässigkeit des „Ob“ der Nutzung einer Straße oder eines Platzes pauschal keine Regelungsbefugnis von Gesetzes wegen zu, die zu einem generellen Verbot von Sondernutzungen gelange. Zudem liege eine mangelhafte Tatsachenaufklärung vor. Für die Feststellung einer Übermöblierung bzw. der Beeinträchtigung des Straßen- und Ortsbildes wäre eine Ermittlung und nachvollziehbare Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort erforderlich gewesen. Ohne konkrete Tatsachenermittlung bzgl. des konkreten Straßen- und Ortsbildes bleibe „Übermöblierung“ eine bloße inhaltsleere Floskel und diene als Totschlagargument zur Durchsetzung einer Verhinderungsabsicht. Es sei die Vorlage eines konkreten Standortkonzepts erforderlich, das die jeweilige städtebauliche Situation in den Blick nehme. Vorliegend handle es sich jedoch lediglich um eine pauschale Untersagung für das gesamte Stadtgebiet. Die Erwägung der drohenden Vermüllung sei ebenso wenig konkret und standortbezogen erfolgt. Dass es bei mehreren Sammlern an einer Wertstoffinsel zu Schwierigkeiten der Zuordnung und daher Problemen der Sauberhaltung kommen könne, trage - wie die Realität zeige - nicht, zumal dieser Gefahr durch Auflagen begegnet werden könne. Ein angeblich fehlender Bedarf für die Altkleidersammelcontainer sei kein straßen-, sondern ein abfallrechtlicher Belang. Auch die mögliche Verkehrsgefährdung sei für die einzelnen Standorte nicht konkret dargelegt worden, sondern lediglich pauschal behauptet. Soweit die Beklagte hinsichtlich der Standorte „P-straße“, „O-straße“ und „Q-straße“ nachträglich weitere Ausführungen bzgl. des fehlenden Platzes für die Aufstellung eines Altkleidersammelcontainers gemacht habe, sei dieser Vortrag weiterhin unsubstantiiert. Ein Platzmangel ergebe sich gerade nicht aus den örtlichen Verhältnissen. Soweit sie sich hinsichtlich der Standorte „J-straße“ und „K-straße“ darauf berufe, dass ein Parkplatz entfalle, sei auch dies nicht nachvollziehbar. Es sei der Sondernutzung vielmehr inhärent, dass eine dem Gemeingebrauch überlassene Fläche diesem entzogen werde. Soweit sie sich hinsichtlich der Standorte „L-straße“ und „M-straße“ auf Brandgefahr berufe, stelle dies eine unspezifische Gefahr dar, die zudem nicht konkret dargelegt sei.
19Während des Klageverfahrens hat die Klägerin für die beantragten Standorte, mit Ausnahme der Standorte „A-straße“, „B-straße“, „C-straße 0“, „F-straße 00“, „G-straße“ und „I-straße 0“, jeweils ein Foto vorgelegt, auf welchem sie den gewünschten konkreten Platz für den Container mit einem Kreuz markiert hat. Bezüglich der Standorte „N-straße“, G-straße“, „H-straße“ und „M-straße“ hat sie jeweils zwei Kreuze gesetzt und diese als 1. Wahl und 2. Wahl beschriftet. Hinsichtlich des Standorts „N-straße“ hat sie zudem erklärt, dass das Straßengrundstück einen ausreichend breiten Randstreifen des bepflanzten Bereichs umfasse, auf den ein Altkleidersammelcontainer gestellt werden könne, ohne hierdurch auf dem Grundstück des Wasserverbandes Eifel-Rur zu stehen. Der Altkleidersammelcontainer stehe dann nicht direkt neben den Altglassammelcontainern, sondern leicht nach vorne versetzt. Hinsichtlich des Standorts „O-straße“ hat sie zusätzlich ausgeführt, dass sich die dortige Wertstoffinsel auf einer Fläche zwischen Fahrbahn und Gehweg befinde und die dem Gehweg zugewandte Seite ausreichend Aufstellfläche für einen Altkleidersammelcontainer biete.
20Nachdem die Klägerin ursprünglich eine Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung eines Altkleidersammelcontainers auch für insgesamt 20 Standorte beantragt hatte, beantragt sie nunmehr schriftsätzlich noch sinngemäß,
21die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 27. Mai 2020 zu verpflichten, über ihren Antrag vom 25. März 2019 auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von Altkleidersammelcontainern an den dort konkret bezeichneten Standorten im öffentlichen Straßenraum der Beklagten mit Ausnahme der Standorte „A-straße“, „B-straße“, „C-straße 0“, „D-straße 00“, „E-straße 0“, „F-straße 00“, „G-straße“, „H-straße 00“ und „I-straße 0“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
22Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
23die Klage abzuweisen.
24Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Ablehnungsbescheid und führt ergänzend aus, dass der Standort „N-straße 0“ bereits keine öffentliche Verkehrsfläche sei, weil diese im Eigentum des Wasserverband X-Y stehe. Eine Aufstellung des Containers allein auf dem städtischen Grundstück sei nicht möglich, weil der Container dann unmittelbar an der Fahrbahn stehe und eine Unfallgefahr darstelle. Unabhängig vom Ratsbeschluss sprächen weitere Gründe im Einzelfall gegen die Aufstellung zusätzlicher Container. An den Standorten „P-straße“, „O-straße“ und „Q-straße“ sei kein ausreichender Platz für einen (weiteren) Container vorhanden bzw. würde an dem Standort „P-straße“ ein weiterer Container außerhalb der eingegrünten Wertstoffinsel das Erscheinungsbild massiv beeinträchtigen, der Bereich sei extra durch die Hecke vom Dorfplatz abgetrennt worden. Zudem hätte dies eine Beeinträchtigung der dort vorhandenen Boulebahn zur Folge. An dem Standort „J-straße“ würden Parkplätze wegfallen sowie an dem Standort „K-straße“ eine private Parkbucht blockiert. An den Standorten „L-straße“ und „M-straße“ gehe von den Altkleidern eine Brandgefahr für die Umgebung aus.
25Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
27A. Soweit die Klägerin die Klage hinsichtlich der Standorte „A-straße“, „B-straße“, „C-straße 0“, „D-straße 00“, „E-straße 0“, „F-straße 00“, „G-straße“, „H-straße 00“ und „I-straße 0“ zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (vgl. § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]).
28B. Die aufrechterhaltene Klage wird unter Berücksichtigung des klägerischen Begehrens (vgl. § 88 VwGO) dahingehend ausgelegt, dass die Klägerin die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zukunftsorientiert für einen Zeitraum von drei Jahren begehrt und nicht etwa für den Zeitraum von drei Jahren beginnend mit dem Tag der Antragstellung bei der Beklagten oder lediglich für die Jahre 2019-2021.
29Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln. Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2019 - 2 B 58.18 -, juris, Rn. 8, m. w. N.
31Die für § 88 VwGO entwickelten Grundsätze sind auch auf die Auslegung der Anträge bei der Behörde (vgl. § 22 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen [VwVfG NRW]) anzuwenden.
32Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 21. Auflage 2020, § 22, Rn. 59.
33Die Klägerin hat in ihrem Antrag vom 25. März 2019 angegeben, die Altkleidersammelcontainer „für drei Jahre“ aufstellen zu wollen, ohne eine Einschränkung hinsichtlich bestimmter Jahre getroffen zu haben.
34Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. Dezember 2017 - 11 A 566/13 -, juris, Rn. 32.
35Die offene Formulierung zeigt, dass es dem Interesse der Klägerin entspricht, generell für einen dreijährigen Zeitraum Container im Gebiet der Beklagten aufzustellen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das klägerische Begehren zur Aufstellung der Container mit einem fixen Jahr endet.
36Vgl. zu einem - wortgleichen - Antrag der Klägerin auch VG Aachen, Urteil vom 21. Juli 2021 - 10 K 1524/19 -, juris, Rn. 14 ff.
37C. Die so verstandene Klage hat im noch aufrechterhaltenen Umfang Erfolg; sie ist zulässig und begründet.
38I. Die Klage ist zulässig. Sie ist als Verpflichtungsklage in Form einer Bescheidungsklage gem. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO statthaft. Das Begehren der Klägerin hat sich insbesondere nicht durch Zeitablauf erledigt, denn die Klägerin beansprucht mit ihrem Antrag vom 25. März 2019 - wie ausgeführt - die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von Altkleidersammelcontainern generell für einen Zeitraum von drei Jahren.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 -, juris, Rn. 36 (dort allerdings eine Teilerledigung annehmend).
40II. Die Klage ist auch begründet.
41Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags vom 25. März 2019 hinsichtlich der dort benannten und noch im Streit befindlichen Standorte. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2020 ist im (noch) angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
42Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Verpflichtungsklage ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
43Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 113, Rn. 102.
44Hier ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich, denn es liegt kein Fall vor, in dem ausnahmsweise aufgrund des materiellen Rechts ein früherer Zeitpunkt maßgeblich wäre.
45Rechtsgrundlage für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen ist § 18 Abs. 1 Satz 2 des Straßen- und Wegegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW). Danach bedarf die Benutzung öffentlicher Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis der Straßenbaubehörde.
461. Die von der Klägerin beabsichtigte Aufstellung von Altkleidersammelcontainern an Standorten, die sämtlich im öffentlichen Straßenraum liegen, stellt eine Sondernutzung dar.
47Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 8. Dezember 2017 - 11 A 566/13 -, juris, Rn. 38 f., m. w. N.
48Insbesondere stellen auch die begehrten Aufstellflächen an den Standorten „N-straße 0“ und „Gerhart-Hauptmann- Straße“ öffentliche Verkehrsflächen dar.
49Zwar trägt die Beklagte hinsichtlich des Grundstücks an der „N-straße 0“ vor, dass dieses keine städtische Fläche sei, sondern im Eigentum des Wasserverbands X-Y stehe. Allerdings sind die Eigentumsverhältnisse für die Beurteilung der Öffentlichkeit einer Verkehrsfläche grundsätzlich unerheblich. Unabhängig davon begehrt die Klägerin die Aufstellung auf einer Teilfläche, die nicht mehr zum Grundstück des Wasserverbands zählt. Die konkret begehrte Aufstellfläche an dem Standort „K-straße“ ist ebenfalls öffentliche Straßenfläche. Soweit die Beklagte hier geltend macht, dass durch die Aufstellung eine private Parkbucht blockiert werde, ist dies für die Beurteilung, ob eine Sondernutzung vorliegt, unerheblich.
502. Der von ihr gestellte und im Laufe des Klageverfahrens auf 11 Standorte beschränkte Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ist hinreichend bestimmt und prüffähig.
51Die Sondernutzungserlaubnis wird nur auf Antrag erteilt (§ 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG NRW); im Verwaltungsverfahren besteht gemäß § 26 Abs. 2 VwVfG NRW eine Mitwirkungspflicht des Antragstellers.
52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 -, juris, Rn. 47 f., m. w. N.
53Damit die Behörde prüfen kann, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis vorliegen, muss der Antragsteller sie insbesondere über Ort, zeitliche Dauer und Umfang seines Vorhabens in Kenntnis setzen.
54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 -, juris, Rn. 49 f., m. w. N.
55Erforderlich ist, dass der jeweilige Standort für die Altkleidersammelcontainer durch eine konkrete räumliche Eingrenzung dem Antrag zu entnehmen ist. Für eine hinreichende Identifizierung des Standorts ist es vielfach nicht ausreichend, lediglich den Straßennamen mit Hausnummer zu benennen. Vielmehr ist eine Präzisierung etwa durch Lagepläne, Flurkarten oder Lichtbilder mit in Frage kommendem und gekennzeichnetem Standort regelmäßig notwendig.
56Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014 - 11 A 1986/13 -, juris, Rn. 9 und vom 15. September 2014 - 11 A 624/14 -, juris, Rn. 6 ff., vgl. auch Urteil vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 - juris, Rn. 51; Bay. VGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2018 - 8 ZB 17.1590 -, juris, Rn. 3 f., und vom 1. August 2017 - 8 ZB 17.1015 -, juris, Rn. 7; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kapitel 26, Rn. 53, m. w. N.; wohl a. A.: OVG Saarl., Urteil vom 3. Februar 2021 - 1 A 308/19 -, juris, Rn. 45.
57Es ist - unbeschadet der Amtsermittlungspflicht nach § 24 Abs. 1 VwVfG NRW - nicht Aufgabe der Beklagten, für die Klägerin einen genehmigungsfähigen Standort auszusuchen.
58Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Juni 2020 - 11 A 4178/18 -, juris, Rn. 52, und Beschluss vom 27. Januar 2014 - 11 A 1986/13 -, juris, Rn. 9; VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Dezember 2018 - 16 K 15140/17 -, unveröffentlicht, Urteilsabdruck S. 7, m. w. N; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 22, Rn. 77; Heßhaus, in: BeckOK, VwVfG, 51. Edition, Stand: 1. April 2021, § 22 VwVfG, Rn. 28; vgl. zu einer „alternativen“ Antragstellung aber: OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 - juris, Rn. 51.
59Dieser Pflicht ist die Klägerin hinsichtlich der noch beantragten 11 Aufstellungsorte nachgekommen. Sie hat Straßennamen, Straßenecken und zusätzliche Beschreibungen der Örtlichkeiten angegeben und diese im Klageverfahren um Fotos ergänzt, auf welchen sie jeweils die konkrete Aufstellfläche mittels Kreuzmarkierungen und durch zusätzliche Beschriftungen gekennzeichnet hat. Für den Fall mehrerer gesetzter Kreuze hat sie durch Beschriftung „1. Wahl“ und „2. Wahl“ für die Beklagte hinreichend nachvollziehbar gemacht, in welcher Reihenfolge sie die jeweiligen Aufstellflächen begehrt. Durch die Strukturierung in Haupt- und Hilfsantrag hat sie der Beklagten eine konkrete Prüfreihenfolge an die Hand gegeben.
603. Die Sondernutzungserlaubnis wird auf Grund einer Ermessensentscheidung erteilt (vgl. § 18 Abs. 2 StrWG NRW).
61a. Das der Behörde eingeräumte Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Vorschrift unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen, insbesondere des Gebots der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), auszuüben (§ 40 VwVfG NRW). Die gerichtliche Kontrolle der Ermessensentscheidung beschränkt sich auf die Einhaltung dieses rechtlichen Rahmens (§ 114 Satz 1 VwGO). Dabei sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässig nachgeschobene Ermessenserwägungen im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO vom Gericht zu berücksichtigen.
62Eine ordnungsgemäße Ermessensausübung setzt zunächst voraus, dass der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt wird und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt werden. Für die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung genügt es grundsätzlich, wenn bei einer auf mehrere Gründe gestützten Ermessensentscheidung nur einer der herangezogenen Gründe sie trägt, es sei denn, dass nach dem Ermessen der Behörde nur alle Gründe zusammen die Entscheidung rechtfertigen sollen.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 -, juris, Rn. 55 ff., m. w. N.
64Entsprechend dem Zweck des § 18 Abs. 2 StrWG NRW hat sich die behördliche Ermessensausübung an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen Gründen können insbesondere zählen ein einwandfreier Straßenzustand (Schutz des Straßengrunds und des Zubehörs), die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger (etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen) oder Belange des Straßen- und Stadtbilds, d. h. baugestalterische oder städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße (Vermeidung einer „Übermöblierung“ des öffentlichen Straßenraums, Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbilds und Ähnliches).
65Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 -, juris, Rn. 58 f., m. w. N.
66Ob die Sondernutzung durch einen Altkleidersammelcontainer eines gemeinnützigen oder gewerblichen Aufstellers geschieht, ist straßenrechtlich ohne Belang. Das Sondernutzungsrecht ist im Grundsatz wirtschafts- und wettbewerbsneutral. Straßenrechtlich zu beanstanden sind etwa rein subjektive oder geschäftsbezogene Merkmale. So fehlt auch dem im Marktrecht entwickelten Grundsatz „bekannt und bewährt“ der straßenrechtliche Bezug. Die Zuverlässigkeit ist grundsätzlich ebenfalls ein subjektives Merkmal, das einen straßenrechtlichen Bezug nicht aufweist.
67Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 -, juris, Rn. 60 f., m. w. N.
68Die Kommune darf ihr Ermessen zur Bewirkung einer gleichmäßigen Handhabung durch die Straßenbaubehörde auch generell ausüben, etwa durch den Erlass ermessenslenkender Verwaltungsvorschriften (Ermessensrichtlinien). Hierdurch bewirkt sie eine Selbstbindung, die im Grundsatz von der gesetzlichen Ermessensermächtigung zugelassen wird. Die durch eine Verwaltungsvorschrift bewirkte Ermessensbindung der Behörde geht aber nicht so weit, dass wesentlichen Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr Rechnung getragen werden könnte. In atypischen Fällen, in denen die generelle Ermessensausübung die individuellen Besonderheiten des konkreten Einzelfalls nicht (hinreichend) berücksichtigt, ist der Behörde ein Abweichen von den ermessenslenkenden Vorschriften möglich.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Juni 2020 - 11 A 4178/18 -, juris, Rn. 64 f., m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 19. März 1996 - 1 C 34.93 -, juris, Rn. 22; Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 114, Rn. 22, 74 ff.
70b. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft.
71Die Begründung, dass der Rat am 19. Februar 2020 beschlossen habe, die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern generell nicht zuzulassen, trägt nicht.
72aa. Zwar erfüllt der Ratsbeschluss formell die Anforderungen an eine vorweggenommene generelle Ermessensentscheidung.
73Denn die Entscheidung über die Ausübung generellen Ermessens bedarf in der Regel eines vorherigen Ratsbeschlusses. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) ist der Rat der Gemeinde für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Abgesehen von den in § 41 Abs. 1 Satz 2 GO NRW enumerativ aufgezählten Fällen kann der Rat die Entscheidung über bestimmte Angelegenheiten auf Ausschüsse oder den Bürgermeister übertragen (§ 41 Abs. 2 Satz 1 GO NRW). Geschäfte der laufenden Verwaltung gelten im Namen des Rats als auf den Bürgermeister übertragen, soweit nicht der Rat sich, einer Bezirksvertretung oder einem Ausschuss für einen bestimmten Kreis von Geschäften oder für einen Einzelfall die Entscheidung vorbehält (§ 41 Abs. 3 GO NRW). Bei den „Geschäften der laufenden Verwaltung“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Nach gefestigter Rechtsprechung fallen die nach Regelmäßigkeit und Häufigkeit üblichen Geschäfte darunter, deren Erledigung nach feststehenden Grundsätzen „auf eingefahrenen Gleisen“ erfolgt und die für die Gemeinde unter Berücksichtigung ihrer Größe und Finanzkraft weder wirtschaftlich noch grundsätzlich von wesentlicher Bedeutung sind.
74Ausgehend hiervon zählt zwar u. a. die Entscheidung über die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen regelmäßig zu den Geschäften der laufenden Verwaltung. Der Erlass allgemeiner Richtlinien oder Anweisungen, die die Ermessenspraxis einer Gemeinde bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen im öffentlichen Straßenraum bestimmen sollen, gehört jedoch regelmäßig nicht mehr zu den Geschäften der laufenden Verwaltung. Eine solche Entscheidung ist vielmehr wegen des grundlegenden Charakters, den eine generelle Ermessensausübung mit Blick auf künftige Entscheidungen über entsprechende Erlaubnisanträge entwickelt, dem Gemeinderat vorbehalten, wenn nicht die zu regelnde Angelegenheit für die Gemeinde ausnahmsweise von untergeordneter Bedeutung ist.
75Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 2019 - 11 A 2057/17 -, juris, Rn. 41 ff., m. w. N.; Hebeler, Auslegung des kommunalrechtlichen Normmerkmals „Geschäfte der laufenden Verwaltung“, JA 2020 159-160; OVG Saarl., Urteil vom 3. Februar 2021 - 1 A 198/20 -, juris, Rn. 48.
76Die hiesige Entscheidung, eine bestimmte Art der Sondernutzung - die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern - generell auszuschließen, stellt eine Vorentscheidung für alle zukünftigen Anträge auf Genehmigung einer solchen Sondernutzung dar.
77Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 2019 - 11 A 2057/17 -, juris, Rn. 49 ff.
78Die Entscheidung erweist sich unter Berücksichtigung der Größe der Beklagten und der Bedeutung der ausgeschlossenen Sondernutzung mit einer Vielzahl möglicher, von der Grundsatzentscheidung potentiell betroffener Containerstandplätze im Gebiet der Beklagten auch nicht ausnahmsweise als unbedeutend.
79bb. Allerdings steht der Ratsbeschluss materiell-rechtlich nicht in Einklang mit dem Straßenrecht, insbesondere dem Regelungsregime des § 18 Abs. 1 StrWG NRW.
80Der generelle Ausschluss der Aufstellung von Altkleidersammelcontainern im gesamten Stadtgebiet der Beklagten steht nicht in Einklang mit dem Leitbild des Straßenrechts.
81(1) § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW unterwirft die über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung der Straße dem Bedürfnis einer Erlaubnis der Straßenbaubehörde. Bei dieser Regelung handelt sich um ein „präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ und nicht etwa um ein „repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt“.
82Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12. April 2004 - 1 BvR 78.02 -, juris, Rn. 33 ff.; OVG NRW, Urteil vom 23. November 2011 - 11 A 2325/20 -, juris, Rn. 56; OVG Saarl., Urteil vom 3. Februar 2021 - 1 A 308/19 -, juris, Rn. 57 f.; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn. 382.
83Letzteres ist für besonders gefährliche Verhaltensweisen vorgesehen, die grundsätzlich verboten und an sich auch nicht erlaubnisfähig sind, und nur im Ausnahmefall, bei Vorliegen ganz besonderer Umstände, gestattet werden können. Demgegenüber gilt in weniger gefahrenträchtigen Bereichen lediglich ein präventives Verbot, welches mit einer Kontrollerlaubnis versehen wird.
84Vgl. etwa zum Waffenrecht: Heinrich, in: Steindorf, Waffenrecht, 10. Auflage 2015, Vorbemerkungen, Rn. 3, m. w. N.
85Durch das von § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW vorgesehene Erlaubnisverfahren soll sichergestellt werden, dass die für die Ordnung der Benutzung der Straßen zuständigen Behörden von vorneherein erkennbare Störungen verhindern oder in zumutbaren Grenzen halten und bei der Kollision von Rechtsgütern verschiedener Rechtsträger einen Interessenausgleich schaffen können. Die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens verlangt, dass die Behörde in den ihr obliegenden Abwägungsvorgang nicht allein die gegen, sondern auch die für eine Erlaubniserteilung sprechenden Gründe einbezieht. Die Nutzung der Straße ist nicht Selbstzweck, sondern hat eine dienende Funktion für die politischen, künstlerischen, gewerblichen, privaten oder anderen Betätigungen, die ihrerseits grundrechtlich geschützt sein können. Der jeweilige Nutzer hat einen Anspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis, wenn straßenrechtliche Erwägungen nicht entgegenstehen. Mit anderen Worten darf die Behörde die Erlaubnis nur aus spezifischen straßenrechtlichen Erwägungen versagen.
86Vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn. 382, m. w. N.; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kapitel 26, Rn. 24.
87Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Systematik ist der generelle Ausschluss einer bestimmten Art der Sondernutzung für das gesamte Stadtgebiet in aller Regel unzulässig. Das gesetzlich vorgegebene Konzept des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt wird hierdurch missachtet und vom Regelfall zum Ausnahmefall umgewandelt. Es wird ein repressives Verbot geschaffen, für die vorgesehene, allein an straßenbezogenen Gesichtspunkten ausgerichtete Einzelfallentscheidung der Behörde bleibt kein Raum.
88Vgl. Thür. OVG, Urteil vom 21. November 2000 - 2 N 163/97 -, juris, Rn. 53 ff.; OVG NRW, Urteil vom 23. November 2011 - 11 A 2325/10 -, juris, Rn. 58; Stuchlik, Städte- und Gemeinderat, März 2008, S. 11; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn. 455; VG Dresden, Urteil vom 17. März 2017 - 3 K 2279/15 -, juris, Rn. 42¸ Majcherek, in: Hengst/Majcherek, Straßen- und Wegegesetz NRW, 17. EL Februar 2020, § 18, Ziffer 2.3; Grupp, in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 6. Auflage 2012, § 8, Rn. 29; offen gelassen: VG Saarland, Beschluss vom 18. Mai 2011 - 10 L 333/11 -, juris, Rn. 22 ff.; a. A.: VG Braunschweig, Urteil vom 26. November 2014 - 6 A 6/14 -, juris, Rn. 36 ff.; VG Gießen, Urteil vom 2. November 2009 - 10 K 1099/09.GI -, juris, Rn. 21.
89Ein repressives Verbot mag aufgrund der Art einer etwa besonders gefahrträchtigen Sondernutzung ausnahmsweise mit der gesetzlichen Systematik des § 18 Abs. 1 StrWG NRW in Einklang zu bringen sein. Auch ist grundsätzlich denkbar, dass dies auf Fälle zutreffen kann, in denen der Ausschluss für ein Gebiet erfolgt, welches aufgrund seiner Homogenität hinsichtlich entgegenstehender straßenrechtlicher Belange tatsächlich und zweifelsfrei einheitlich bewertet werden kann. Dies kann etwa auf einzelne Straßenzüge, einen bestimmten Stadtteil oder auch ein historisches Stadtzentrum zutreffen, also Gebiete, die insgesamt die gleichen örtlichen Bedingungen aufweisen.
90Eine generelle Beurteilung bezüglich der Erlaubnisfähigkeit einer Sondernutzung ist nach der gesetzlichen Systematik im Übrigen, nämlich mit Blick auf § 19 StrWG NRW, allein zu Gunsten einer Sondernutzung, nicht jedoch zu ihrem Nachteil denkbar. Nach § 19 StrWG NRW wird den Gemeinden erlaubt, durch Satzung bestimmte Sondernutzungen in den Ortsdurchfahrten und in den Gemeindestraßen von der Erlaubnispflicht zu befreien und die Ausübung zu regeln. Diese Vorschrift erlaubt es jedoch nicht, diese auszuschließen.
91(2) Gemessen hieran wird die Entscheidung des Rates der Beklagten, die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern im gesamten Stadtgebiet generell nicht zuzulassen, dem gesetzlich vorgegebenen Konzept des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt nicht gerecht.
92Der Rat hat eine Art der Sondernutzung, namentlich die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern, pauschal für sämtliche Fälle und das gesamte Stadtgebiet ausgeschlossen. Damit hat er das gesetzlich vorgesehene präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt umgewandelt. Hierzu ist er jedoch nicht ermächtigt.
93Im Übrigen bestehen vorliegend ohnehin auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein genereller Ausschluss dieser bestimmten Art der Sondernutzung ausnahmsweise im gesamten Stadtgebiet zulässig wäre. Bei der Containeraufstellung handelt es sich nicht etwa um eine besonders gefahrträchtige Sondernutzung, die ein generelles Verbot rechtfertigen könnte. Dies zeigt bereits der Umstand, dass im Stadtgebiet der Beklagten Container, in denen andere Abfallfraktionen gesammelt werden, durchaus aufgestellt sind. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Stadtgebiet der Beklagten derart homogen ist, dass sich die der Sondernutzung ggf. entgegenstehenden straßenrechtlichen Erwägungen in generalisierender Weise auf das gesamte Stadtgebiet übertragen ließen und somit eine vorweggenommene generelle Beurteilung denkbar sein könnte. Eine Abwägung der straßenrechtlichen Belange - namentlich die auch hier herangezogene Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes und der Verkehrssicherheit - kann regelmäßig nur für einzelne Standorte unter Berücksichtigung der konkreten Bedingungen vor Ort erfolgen.
94Vgl. hierzu allerdings auch: OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 - juris, Rn. 74 f.
95Bei der Beklagten handelt es sich jedoch um eine Stadt mit knapp 30.000 Einwohnern und einer Fläche von 83 km². Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass die vom Rat herangezogenen Erwägungen für jeden Teilbereich des Stadtgebietes in gleicher Weise zutreffen. Dies hat auch der Rat nicht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Vielmehr führt die Verwaltung in der Beschlussvorlage pauschal die aus ihrer Sicht entgegenstehenden (straßenrechtlichen) Erwägungen an, ohne auf die tatsächlichen Verhältnisse im Stadtgebiet der Beklagten einzugehen.
96cc. Die zusätzlichen - erst während des Klageverfahrens ergänzten - Ermessenserwägungen der Beklagten führen nicht zu einer Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung.
97(1) Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen bestimmt sich nach dem materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht. § 114 Satz 2 VwGO regelt lediglich, unter welchen Voraussetzungen derart veränderte Ermessungserwägungen im Prozess zu berücksichtigen sind. Neue Gründe für einen Verwaltungsakt dürfen nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht nur nachgeschoben werden, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird. Dies gilt grundsätzlich auch für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, wie die hier in Streit stehende Versagung einer Sondernutzungserlaubnis, und jedenfalls dann, wenn die Ermessenserwägungen nur für die zukünftige Dauer des Verwaltungsakts ergänzt werden. Denn die Versagung muss einer Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung tragen. Sie ist deshalb auf eine Anpassung an jeweils neue Umstände angelegt und wird dadurch nicht zwangsläufig in ihrem Wesen verändert. So wie die Behörde die Untersagung mit neuer Begründung neu erlassen könnte, kann sie das Verbot auch mit geänderter Begründung für die Zukunft aufrechterhalten. Die Rechtsverteidigung des Betroffenen wird durch eine Änderung (nur) für die Zukunft nicht beeinträchtigt. Da für die rechtliche Beurteilung von Dauerverwaltungsakten grundsätzlich die jeweils aktuelle Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, muss das Prozessverhalten des Betroffenen sich ohnehin auf zukunftsbezogene Veränderungen einstellen.
98Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 -, juris, Rn. 33; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. April 2021 - 5 S 1996/19 -, juris, Rn. 54 f.
99Hingegen kann ein wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidriger Verwaltungsakt im gerichtlichen Verfahren nicht im Wege einer Ergänzung nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt werden. Die genannte Norm setzt nämlich voraus, dass bereits bei Erlass der behördlichen Entscheidung „Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes“ angestellt worden sind, das Ermessen also in irgendeiner Weise betätigt worden ist. Eine Ausnahme wird nur in den Fällen angenommen, in denen sich wegen einer im materiellen Recht begründeten Verlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage von der behördlichen zur gerichtlichen Entscheidung hin aufgrund nachträglich eingetretener Umstände erstmals die Notwendigkeit einer Ermessensausübung ergibt. Kommt ein Nachschieben von Ermessenserwägungen nach dem Vorstehenden in Betracht, muss dies genügend bestimmt geschehen.
100Vgl. BVerwG, Urteile vom 5. September 2006 - 1 C 20.05 -, juris, Rn. 22, m. w. N., und vom 13. Dezember 2011 - 1 C 14.10 -, juris, Rn. 9; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. April 2021 - 5 S 1996/19 -, juris, Rn. 56.
101(2) Gemessen hieran konnte die Beklagte die weiteren Erwägungen hinsichtlich einzelner Standorte nicht im Wege der Ermessensergänzung gemäß § 114 Satz 2 VwGO zulässigerweise zum Gegenstand ihrer Ablehnung der begehrten Sondernutzungserlaubnis machen. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid kein Ermessen ausgeübt, vielmehr hat sie sich offenkundig an den Ratsbeschluss gebunden gefühlt. Dieser allein war für sie entscheidungstragend. Auch wenn sie in ihrem Bescheid ausführt, dass im Rahmen von § 18 Abs. 2 StrWG NRW ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Erlaubniserteilung bestehe sowie, dass im Fall der Klägerin keine Besonderheiten zu berücksichtigen seien, zeigen der Bescheid in seiner Gesamtheit sowie das Verhalten der Beklagten im Verwaltungsverfahren, dass sie eine Erlaubniserteilung von vornherein nicht in Betracht gezogen hat. Eine Erlaubniserteilung hätte vielmehr im offenen Widerspruch zu dem die Erlaubnisbehörde bindenden Grundsatzbeschluss des Rats gestanden.
102Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. März 2019 - 11 A 1166/16 -, juris, Rn. 73.
103Dies wird insbesondere daran deutlich, dass die Beklagte in ihrem Anhörungsschreiben vom 22. April 2020 ausführt, dass einem etwaigen Vergleich hinsichtlich der Anzahl der Standorte für die Aufstellung der Altkleidersammelcontainer der Ratsbeschluss entgegenstehe und der Verwaltung „ein entsprechender Entscheidungsspielraum durch die eindeutige Grundsatzentscheidung des Rates ohnehin nicht gegeben“ sei. Im Bescheid selbst und in dem weiteren Anhörungsschreiben vom 16. März 2020 führt sie insoweit aus, Anträge auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zur Aufstellung von Altkleidersammelcontainern könnten vor diesem Hintergrund „generell nicht genehmigt werden“. Auch die wortgleiche Wiederholung der allgemeinen Erwägungen der Beschlussvorlage gegen die Erlaubniserteilung ist Beleg dafür, dass sie allein den Ratsbeschluss zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat.
104C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 VwGO. Das Gericht berücksichtigt dabei, dass die Klägerin im Umfang von 9/20 die Klage zurückgenommen hat und die Beklagte hinsichtlich der aufrechterhaltenen Klage unterliegt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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