Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 5 K 1858/21.A
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, die Asylanträge der Kläger zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
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T a t b e s t a n d:
2Die Kläger begehren die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung ihrer Asylanträge.
3Der am 00.00.0000 in S. /Syrien geborene Kläger zu 1. und die am 8. Oktober 1985 ebenfalls in S. /Syrien geborene Klägerin zu 2. sind syrische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und islamischen Glaubens.
4Nach ihren Angaben im Verwaltungsverfahren verließen sie ihr Heimatland am 20. März 2018 und reisten am 28. Dezember 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Unter dem 2. Januar 2020 ermittelte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für die Kläger; danach hatten die Kläger auf ihre bereits am 28. Juni 2018 in Griechenland gestellten Asylanträge dort unter dem 25. Februar 2019 internationalen Schutz erhalten.
5Am 6. Februar 2020 stellten die Kläger beim Bundesamt einen förmlichen Asylantrag. Am gleichen Tag führte das Bundesamt ein Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates sowie die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags und ein Gespräch zum Reiseweg durch. Am 11. Februar 2020 hörte das Bundesamt die Kläger erneut zur Zulässigkeit der Asylanträge an. Die Kläger erklärten:
6Sie seien am 16. April 2018 nach Griechenland eingereist und hätten sich dort ca. 1 Jahr und 8 Monate aufgehalten. Auf ihre am 28. Juni 2018 gestellten Asylanträge hätten sie am 25. Februar 2019 Schutz erhalten. Das Aufenthaltsdokument für Griechenland sei bis 25. Februar 2022, also für drei Jahre gültig. Sie seien einen Monat lang in Thessaloniki in Zelten untergebracht gewesen, dann 6 Monate in Drama in einem Camp und anschließend 11 Monate in Kilkis. Zehn Monate habe ihnen eine Wohnung mit zwei anderen Familien zur Verfügung gestanden und sie seien unterstützt worden. Nach der Zuerkennung des Schutzstatus hätten sie keinerlei Unterstützung mehr erhalten, also weder in finanzieller noch in sonstiger Art und Weise. Sie hätten die Wohnung verlassen müssen und seien auf der Straße gestanden. Trotz seines Bemühens sei es dem Kläger zu 1. nicht gelungen, Arbeit zu finden. Er habe Geld von seinem in der Türkei lebenden Bruder geliehen. Manchmal hätten sie kein Geld für das Essen gehabt. Es habe auch keine Möglichkeit gegeben die Sprache zu erlernen. Sie seien die vergangenen drei Monate völlig auf sich selbst gestellt gewesen. Die Klägerin zu 2. habe keinerlei ärztliche Behandlung erhalten. Es sei ihnen damit gedroht worden, sie in die Türkei zurückzuschieben.
7Mit Bescheid vom 26. März 2020 lehnte die Beklagte die Anträge als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2.), und forderte die Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Griechenland oder einen anderen Staat, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei, auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziffer 3. Sätze 1-3). Die Kläger dürften nicht nach Syrien abgeschoben werden (Ziffer 3. Satz 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf dreißig Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4.). Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung setzte die Beklagte aus (Ziffer 5.).
8Am 26. Mai 2020 wurde die syrische ID-Karte der Klägerin zu 2. einer - beanstandungsfreien - Urkundenvorprüfung unterzogen.
9Mit Urteil vom 27. Juli 2020 hob die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen die Ziffern 1., 2. und 3. Sätze 1-3 des Bescheids vom 26. März 2020 auf (Az. 10 K 867/20.A). Die Kammer führte im Wesentlichen aus: Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sei aus unionsrechtlichen Gründen ausgeschlossen, weil die Lebensverhältnisse, die die Kläger als anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland erwarteten, sie der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta (GRC) zu erfahren. Dieses Urteil ist seit 1. September 2020 rechtskräftig.
10Am 13. November 2020 hörte das Bundesamt die Kläger gemäß § 25 AsylG an. Der Kläger zu 1. führte zu seinen Asylgründen im Wesentlichen aus: Er habe bis zur Ausreise zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Eltern in seinem Heimatdorf in S. gelebt. Das Haus gehöre seinen Eltern; diese lebten auch noch dort. Bis 2012 habe er in Aleppo Hotel und Tourismus studiert. Während dieser Zeit habe er sich vom Wehrdienst zurückstellen lassen. Ausweislich des vom Kläger in der Anhörung vorgelegten und teilweise übersetzten Wehrpasses datiert die letzte Zurückstellung vom 11. Februar 2012. Einen Reisepass habe er nie besessen und den verlorengegangenen Personalausweis habe er aus Angst vor der Einziehung zum Wehrdienst nicht neu beantragt. Als er 2012 sein Studium abgeschlossen habe, sei der Krieg bereits in Gang gewesen. Von 2012 bis zur Ausreise 2018 habe er seinem Vater in S. in der Landwirtschaft geholfen. 2015 habe er in S. seine Frau, die Klägerin zu 2. geheiratet. Da die Region damals nicht von den Regierungstruppen, sondern von den Kurden kontrolliert worden sei, habe man ihn trotz der abgelaufenen Zurückstellung nicht zum Wehrdienst eingezogen. Er sei mit seiner Frau geflohen, nachdem S. zuletzt zwei Monate lang von der Türkei bombardiert worden sei. Ungefähr 5.000 Menschen seien getötet worden. Erdogan wolle S. von den Kurden säubern. Wenn er in eine andere, von der Regierung kontrollierte Region geflohen wäre, wäre er eingezogen worden. In den Regionen, die die Türkei und die - angeblich - Freie Syrische Armee (FSA) kontrollierten, wäre er als Kurde verfolgt worden. Vor drei Monaten habe die FSA seinen Vater und seinen Onkel gefangen genommen. Die Soldaten hätten 2.000 US-Dollar gefordert, die sein Bruder schließlich beschafft habe. Die Verhaftung sei willkürlich erfolgt.
11Die Klägerin zu 2. erklärte: Sie sei in Aleppo aufgewachsen, habe aber bis zur Ausreise zusammen mit ihrem Ehemann im Haus ihrer Schwiegereltern in S. gelebt. Sie seien wegen des Krieges aus S. geflohen. Es habe weder Strom noch Wasser noch Brot gegeben. S. sei bombardiert worden, viele Menschen seien gestorben. Das Haus ihrer Schwiegereltern sei getroffen worden, sie hätten es aber wieder bezogen. Sie selbst habe keine Probleme mit den Sicherheitskräften gehabt, aber ihr Mann. Er habe sich dem Wehrdienst entzogen. Sie habe Angst um ihren Mann, weil sie befürchte, dass das Regime, die FSA oder die PKK ihn umbringen würden.
12Am 4. Dezember 2020 wurde der vom Bundesamt übersetzte Wehrpass des Klägers zu 1. im Rahmen der durchgeführten Urkundenvorprüfung nicht beanstandet.
13Unter dem 29. Januar 2021 wandten sich die Kläger persönlich an das Bundesamt und baten schriftlich unter Hinweis auf die durchgeführte Anhörung um Bescheidung ihres Asylantrags bis zum 8. Februar 2021.
14In einem Bearbeitungsvermerk vom 1. April 2021 hielt das Bundesamt fest, dass Griechenland den Antragstellern am 25. Februar 2019 internationalen Schutz gewährt habe und die Entscheidung deshalb im nationalen Verfahren im Wege eines Drittstaatenbescheides ergehe.
15Unter dem 10. Juni 2021 mahnte der Prozessbevollmächtigte der Kläger zur Vermeidung einer Untätigkeitsklage eine unverzügliche Entscheidung im nationalen Verfahren unter Fristsetzung bis zum 24. Juni 2021 an.
16Die Kläger haben am 20. August 2021 Untätigkeitsklage erhoben. Sie tragen vor: Aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts Aachen vom 27. Juli 2020 (Az. 10 K 867/20.A) sei die Beklagte verpflichtet über den Asylantrag im nationalen Verfahren zu entscheiden. Seit über einem Jahr bleibe die Beklagte untätig ohne einen zureichenden Grund im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO zu benennen. Eine Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens sei völlig unzumutbar. Es sei nicht im Ansatz ein zureichender Grund für die Verzögerung dargelegt. Vielmehr habe die Beklagte mit Rundschreiben vom 11.08.2021 intern alle damit befassten Entscheidungsträger angewiesen, selbst im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung im Rahmen einer Untätigkeitsklage immer noch nicht zu entscheiden. Erst, wenn ein Antrag gem. § 172 VwGO auf Androhung eines Zwangsgeldes gegen das Bundesamt gestellt werde und diese dem Bundesamt auch zugestellt worden sei, sollten Angelegenheiten im Rahmen von Drittstaatenbescheiden mit Bezug Griechenland entschieden werden. Die Beklagte höhle das grundrechtlich geschützte Recht auf effektiven Rechtschutz (Artikel 19 Abs. 4 GG) aus, indem sie gerichtliche Entscheidungen über weit mehr als ein Jahr hinaus aus politischen Erwägungen heraus nicht umsetze.
17Die Kläger beantragen sinngemäß (Bl. 104 der Gerichtsakte),
18die Beklagte zu verpflichten, ihre Asylanträge zu bescheiden.
19Die Beklagte beantragt,
20das Verfahren auszusetzen und eine angemessene Frist für die Entscheidung festzusetzen.
21Die Beklagte hat zunächst erklärt: Einer Entscheidung über den Asylantrag stehe aktuell noch die weitere Sachaufklärung entgegen. Die Tatsache, dass die Europäische Kommission bislang kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland eingeleitet habe, lasse den Schluss zu, dass die Situation vor Ort als angemessen zu beurteilen sei und Griechenland stattdessen weiterhin in der Bewältigung der Herausforderungen in den Bereichen Asyl und Migration in Form vielfältiger Maßnahmen unterstützt werde. Angesichts der Dynamik von Versorgungssituation und Arbeitsmarktlage auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie und der dargestellten zwischenstaatlichen Vermutung sei das Bundesamt auf eine stets aktualisierte Erkenntnislage angewiesen, damit diese Grundlage der Entscheidung werden könne. Die Aktualisierung der Erkenntnislage habe auch in diesem Einzelfall Auswirkungen auf die Entscheidungspraxis und begründe sich in der Sache auf im Unionsrecht angelegten Verfahrensabläufen. Zudem sei eine Mehrfachgewährung internationalen Schutzes unionsrechtlich nicht vorgesehen. Besondere Schwierigkeiten der Sachaufklärung, die sich aus der notwendigen Mitwirkung eines anderen Staates ergeben würden, stellten allerdings einen "zureichenden Grund" nach § 75 Satz 1 VwGO mit der Folge einer Verfahrensaussetzung durch das Gericht dar. Auch im Fall einer gerichtlichen Entscheidung sei das Treffen einer erneuten Unzulässigkeitsentscheidung nicht ausgeschlossen. Die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen nach § 121 VwGO beziehe sich nur auf Rechtsansprüche zum Zeitpunkt der Urteilsfindung. Eine spätere Sachlagenänderung habe Auswirkungen auf den Streitgegenstand, was insbesondere der Fall sei, wenn die griechischen Behörden die Unterbringung und Versorgung des Klägers entsprechend den in Art. 3 EMRK normierten Vorgaben sicherstellen würden.
22Die Kammer hat unter dem 30. August 2021 das Bundesamt mit Blick auf die beantragte Aussetzung des Verfahrens gebeten, Unterlagen vorzulegen, aus denen sich ergebe, wie weit die für erforderlich gehaltene Sachaufklärung im konkreten Fall bislang erfolgt sei, welche Nachfragen an Griechenland gestellt worden seien und wie Griechenland - gegebenenfalls - reagiert habe bzw. wann das Bundesamt mit einem Abschluss der für erforderlich gehaltenen Sachaufklärung rechne.
23Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2021 erklärt die Beklagte nun: Zu den Bemühungen der Bundesrepublik zähle neben auf höchster politischer Ebene geführten Gesprächen (siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/07/kooperation-grc.html) auch die Gewinnung eigener Erkenntnisse vor Ort. Hierzu sei der bundesamtseigene Verbindungsbeamte in Griechenland gebeten worden, weitere Recherchen vorzunehmen. Es liege ein umfassender Fragenkatalog vor, der bspw. Fragen zur Unterkunftssituation (u.a. Kälteisolation in Unterkünften, Situation von Obdachlosen), zum Zugang zu Sozialhilfeleistungen und zu medizinischer Versorgung, zu Integrationsangeboten (aktuelle Entwicklungen im HELIOS II-Programm) und der Situation unter Corona enthalte. Nach Beantwortung dieser Fragen werde ein Bericht erstellt, der auch an Verwaltungsgerichte übersandt werde. Diese umfangreiche Recherche benötige jedoch einige Zeit, da viele verschiedene Akteure involviert seien. Ein Rücklauf sei bislang noch nicht zu verzeichnen.
24Die Kammer hat mit Beschluss vom 10. November 2021 das Verfahren auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
25Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (E1).
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
27Die Einzelrichterin kann gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
28Das allein auf die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung der Asylanträge beschränkte, in Gestalt der Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) verfolgte Klagebegehren hat Erfolg. Die Kläger haben einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung ihrer Asylanträge.
29Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz, mithin das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 9. Juli 2021 (BGBl. I S. 2467) und die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4650).
301. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der (Bescheidungs)Untätigkeitsklage zulässig (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO i.V.m. § 75 VwGO).
31a) Die Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO ist abgelaufen. Nach § 75 Satz 1 VwGO ist eine Verpflichtungsklage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Nach Satz 2 der Vorschrift kann die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Die Einhaltung der Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO ist als besondere Prozessvoraussetzung im Sinne einer Sachurteilsvoraussetzung zu verstehen, die im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen muss. Unerheblich ist, ob sich die Verzögerung der Verwaltungsentscheidung im Zeitpunkt der Klageerhebung als unzureichend begründet erweist oder nicht.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1973 - 4 C 2/71 -, juris Rn 25f; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 7. Auflage 2018, § 75 Rn 3 m.w.N.
33Eine Entscheidung über die Asylanträge der Kläger liegt nicht vor. Die Klage ist auch nicht verfrüht erhoben worden. Die Kläger stellten am 6. Februar 2020 den förmlichen Asylantrag und haben am 20. August 2021, also eineinhalb Jahre später Klage erhoben. Bereits zu diesem Zeitpunkt war die Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO längst verstrichen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind seit der Antragstellung mittlerweile 22 Monate verstrichen. Damit sind auch die Sechsmonatsfrist für den Auskunftsanspruch gemäß § 24 Abs. 4 AsylG, die grundsätzliche Bearbeitungsfrist des Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Asylverfahrensrichtlinie, im Folgenden: RL 2013/32/EU), wonach das Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht werden muss sowie die Höchstfrist des Art. 31 Abs. 5 RL 2013/32/EU von maximal 21 Monaten für die Entscheidung über ein Schutzbegehren abgelaufen, so dass die Frage, ob die Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO durch Art. 31 RL 2013/32/EU bzw. § 24 Abs. 4 AsylG modifiziert wird, offen bleiben kann.
34Vgl. hierzu VG Hannover, Urteil vom 29. Juni 2021 - 12 A 3583/21 -, juris Rn 17 ff m.w.N.
35Im Ergebnis wäre die Frage wohl zu verneinen, weil weder unionsrechtliche noch nationale Fristen für das behördliche Verwaltungsverfahren nationale prozessrechtliche Fristen modifizieren.
36Vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 19/2018 Anm. 6, juris.
37b) Die Kläger haben auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Bescheidung beschränkte Untätigkeitsklage, was nicht bedeutet, dass diese Beschränkung zwingend geboten ist. Ob letzteres der Fall ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
38Wird über einen Antrag auf Vornahme eines - wie hier - rechtlich gebundenen, begünstigenden Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund nicht innerhalb angemessener Frist entschieden, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis im Regelfall nur für die auf Vornahme gerichtete Untätigkeitsklage (sog. Vornahmeuntätigkeitsklage). Denn im Bereich gebundener begünstigender Verwaltungsakte - wie hier der Gewährung von internationalem Schutz nach §§ 3 ff AsylG - folgt aus § 113 Abs. 5 VwGO in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO, dass bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist mit der Konsequenz, dass das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung beschränken darf, die im Ergebnis eine Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde zur Folge hat. Die Beschränkung auf die Bescheidungsuntätigkeitsklage ist nur dann zulässig, wenn hierfür - neben der allgemeinen, vorliegend unstreitigen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO - ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis besteht.
39Anerkannt hat das Bundesverwaltungsgericht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für die Bescheidungsuntätigkeitsklage in der Fallkonstellation, die kennzeichnet, dass ein Kläger nach Stellung seines Asylantrages nicht zu seinen Asylgründen angehört worden ist und das Bundesamt auch sonst keine aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen erkennbaren Schritte unternommen hat, um das Verfahren in irgendeiner Weise zu fördern. In einem solchen Fall rechtfertige es die besondere Ausgestaltung des Asylverfahrens mit der hervorgehobenen Stellung des behördlichen Verfahrens und den daran anknüpfenden Verfahrensgarantien in einer Gesamtschau, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche (reine) Bescheidungsklage anzunehmen.
40Vgl. grundsätzlich bereits BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris Rn 14f; vgl. ausführlich zu den Besonderheiten des behördlichen Asylverfahrens und seinen spezifischen Verfahrensgarantien: BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2018 - 1 C 18/17 -, juris.
41Das Gericht geht auch in der vorliegenden Konstellation, die kennzeichnet, dass das verwaltungsverfahrensrechtliche Asylverfahren vom Bundesamt vollständig durchgeführt wurde und insbesondere die Kläger zu ihren Asylgründen gehört wurden, von einem besonderen Rechtsschutzbedürfnis für die auf Bescheidung beschränkte Untätigkeitsklage aus. Denn auch in dieser Konstellation besteht ein berechtigtes und schützenswertes Interesse der Kläger zunächst eine (Verwaltungs-)Entscheidung des Bundesamtes zu erhalten und diese dann - gegebenenfalls - einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen.
42Art. 46 RL 2013/32/EU setzt erkennbar voraus, dass eine behördliche Erstentscheidung ergangen ist. Entsprechend betont der Europäische Gerichtshof, dass "die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz durch eine Verwaltungsstelle oder eine gerichtsähnliche Behörde, die mit besonderen Mitteln und Fachpersonal ausgestattet ist, eine wesentliche Phase der mit dieser Richtlinie eingeführten gemeinsamen Verfahren ist."
43Vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 -, juris Rn 116.
44Art. 12 Abs. 1 f) RL 2013/32/EU garantiert Antragstellern darüber hinaus, dass sie über die behördliche Erstentscheidung in einer Sprache unterrichtet werden, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, sofern sie nicht von einem Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsberater unterstützt oder vertreten werden.
45Ferner haben die Mitgliedstaaten nach Art. 46 Abs. 2 (1) sicherzustellen, dass von der Asylbehörde als Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz anerkannte Personen ihr Recht wahrnehmen können, gegen eine Entscheidung, einen Antrag als unbegründet in Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft zu betrachten, einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.
46Dem zuletzt genannten Gesichtspunkt kommt vorliegend besondere Bedeutung zu, denn bei den Klägern handelt es sich um syrische Staatsangehörige, denen nach aktueller Entscheidungspraxis der Beklagten - vorbehaltlich des Vorliegens von Ausschlussgründen - ausnahmslos jedenfalls subsidiärer Schutz gewährt wird. Durch die - rechtsgrundlos (siehe hierzu unten) - verweigerte Sachentscheidung der Beklagten wird den Klägern das Recht genommen, als subsidiär Schutzberechtigte, d.h. mit einem entsprechend gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status, gegebenenfalls eine Aufstockungsklage zu erheben.
472. Die zulässige Klage ist begründet. Die Nichtbescheidung der Asylbegehren ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Sie haben einen Anspruch auf Bescheidung ihrer Asylanträge (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
48Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung liegt kein zureichender Grund für die Nichtbescheidung der Asylbegehren vor. Es ist deshalb auch nicht geboten, das Verfahren gemäß § 75 Satz 3 VwGO auszusetzen und der Beklagten eine Frist zur Sachentscheidung zu setzen.
49Ob ein "zureichender Grund" für die Verzögerung vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein "zureichender Grund" vorliegt, sind neben den vielfältigen Umständen, die eine verzögerte behördliche Entscheidung dem Grunde nach zu rechtfertigen geeignet sind, auch eine etwaige besondere Dringlichkeit einer Angelegenheit für den Kläger zu berücksichtigen. Zureichende Gründe sind dabei nur solche, die mit der Rechtsordnung in Einklang stehen.
50Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1991 - 3 C 56/90 -, juris .
51Als mögliche zureichende Gründe für eine Verzögerung sind u.a. anerkannt worden ein besonderer Umfang und besondere Schwierigkeiten der Sachaufklärung oder die außergewöhnliche Belastung einer Behörde, auf die durch organisatorische Maßnahmen nicht kurzfristig reagiert werden kann.
52Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend kein zureichender Grund dafür, die Asylanträge der Kläger nicht zu bescheiden, zumal im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung seit Antragstellung 22 Monate vergangen sind und somit auch die Höchstfrist des Art. 31 Abs. 5 RL 2013/32/EU für die Entscheidung über ein Schutzbegehren abgelaufen ist. Diese Frist ist als absolute Grenze für die behördliche Untätigkeit zu sehen.
53Vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 19/2018 Anm. 6, juris.
54Insbesondere rechtfertigen die von der Beklagten vorgebrachten Gründe keine Nichtbescheidung des Asylbegehrens der Kläger; sie stehen nicht mit der Rechtsordnung in Einklang.
55Es ist die Aufgabe des Bundesamtes in Verfahren, in denen die Asylantragsteller bereits über einen Schutzstatus in einem anderen Mitgliedstaat verfügen, die Lage der Rückkehrer in diesem Mitgliedstaat und eine mögliche Verletzung garantierter Rechtsgüter sorgfältig und nach aktueller Erkenntnislage zu prüfen. Allerdings muss dies innerhalb angemessener Fristen erfolgen. Insoweit ist jedenfalls das Fristenregime des Art. 31 Abs. 3 bis 6 RL 2013/32/EU zu beachten, wonach die Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht werden sollen, diese Frist ausnahmsweise in begründeten Fällen um weitere neun Monate verlängert werden darf und die Verfahren in jedem Fall innerhalb von 21 Monaten abgeschlossen sein müssen. Da vorliegend alle Fristen verstrichen sind, kann das Gericht offen lassen, ob die verlängerten Fristen überhaupt gelten, wenn die Lage in einem Mitgliedstaat - mit im Regelfall einfacheren Möglichkeiten der Sachaufklärung (vgl. Art. 49 (2) RL 2013/32/EU) - und nicht im Herkunftsstaat (vgl. Art. 31 Abs. 4 RL 2013/32/EU, der ausdrücklich eine vorübergehende ungewisse Lage im Herkunftsstaat für den Aufschub der abschließenden Prüfung voraussetzt) aufzuklären ist.
56Das Gericht teilt bereits die grundsätzliche Einschätzung des Bundesamtes nicht, dass sich die allgemeinen Lebensumstände für Personen, die - wie die Kläger - in Griechenland internationalen Schutz erhalten haben und dorthin zurückkehren, auf der Grundlage der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht ausreichend beurteilen ließen. Es sei insoweit nur beispielhaft auf die zwölf Seiten umfassende Erkenntnismittelliste Griechenland des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Stand vom 29. September 2021 verwiesen (abrufbar unter:https://verwaltungsgerichtshof-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/site/jum2/get/documents/jum1/JuM/VGH/EML/2021/Q%204/Griechenland_Q4_2021.pdf). Soweit die Beklagte einwendet, es fehle an aktuellen Erkenntnissen und es bestünden "besondere Schwierigkeiten der Sachaufklärung, die sich aus der notwendigen Mitwirkung eines anderen Staates ergeben würden", hat sie dies in keiner Weise belegt. Insbesondere hat die Beklagte den mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2021 angekündigten Recherchebericht bislang nicht vorgelegt. Die Beklagte hatte insoweit auf die Gewinnung eigener Erkenntnisse vor Ort verwiesen. Der bundesamtseigene Verbindungsbeamte in Griechenland sei gebeten worden, weitere Recherchen vorzunehmen. Der vorbereitete Fragenkatalog umfasse Fragen zur Unterkunftssituation (u.a. Kälteisolation in Unterkünften, Situation von Obdachlosen), zum Zugang zu Sozialhilfeleistungen und zu medizinischer Versorgung, zu Integrationsangeboten (aktuelle Entwicklungen im HELIOS II-Programm) und der Situation unter Corona. Weiter hat die Beklagte auf Bemühungen der Bundesrepublik auf höchster politischer Ebene verwiesen und insoweit auf die Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 22. Juli 2021 sowie die Gemeinsame Absichtserklärung zu Bemühungen um die Integration von Personen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland (abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/07/kooperation-grc.html). Diese beziehen sich jedoch ausschließlich auf Personen mit internationalem Schutzstatus, die sich derzeit in Griechenland aufhalten und nicht auf die Rückführung von Schutzberechtigten aus Deutschland. Einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 20. Oktober 2021 zufolge wurde ausweislich eines Berichts des Bundesinnenministeriums in den ersten neun Monaten dieses Jahres lediglich ein Asylbewerber aus Deutschland in den zuständigen EU-Mitgliedstaat Griechenland überstellt bei über 7.100 Übernahme-Ersuchen (abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/politik/migration-seehofer-sieht-draengende-fragen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-211020-99-660366). Dies spricht nicht für einen absehbaren Erfolg der Bemühungen auf diplomatischer Ebene.
57Aus dem der Kammer in diesem Verfahren vorgelegten Rundschreiben der Beklagten Az. 61A-7406/393-21 vom 11. Mai 2021 ergibt sich schließlich, dass für "Verfahren in der Griechenland-Ablage" eine Wiederaufnahme der Entscheidungstätigkeit seitens der Beklagten kumulativ an folgende Voraussetzungen geknüpft wird:
58"Folgende Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, damit eine Entscheidung getroffen werden kann:
591. Es handelt sich um
60a. einen Ausländer, dem bereits internationaler Schutz in Griechenland
61zuerkannt wurde oder
62b. das nachgereiste/nachgeborene Kind eines Ausländers, dem bereits
63internationaler Schutz in Griechenland zuerkannt wurde. Ein Dublin-
64Verfahren für das Kind konnte nicht erfolgreich durchgeführt bzw.
65abgeschlossen werden.
662. Im Verfahren wurde eine Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht erhoben.
673. Das Bundesamt wurde durch das Verwaltungsgericht unanfechtbar
68verpflichtet, über den Asylantrag zu entscheiden.
694. Die vom Gericht regelmäßig gesetzte Frist für den Vollzug des Urteils ist
70abgelaufen.
715. Der/Die Antragstellende hat beim Verwaltungsgericht einen Antrag gem. § 172 VwGO auf Androhung eines Zwangsgeldes gegen das Bundesamt gestellt, der dem Bundesamt vom Verwaltungsgericht zugestellt wurde.
72….
73Für alle anderen Fallkonstellationen, in denen kein Antrag nach § 172 VwGO eingegangen ist, gilt weiterhin, dass keine Entscheidungen über die Asylanträge getroffen werden."
74Diese behördeninterne Anweisung verletzt offensichtlich das für das Asylverfahren geltende Beschleunigungsgebot. Nach Art. 31 Abs. 2 RL 2013/32/EU haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass das Prüfverfahren unbeschadet einer angemessenen vollständigen Prüfung so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird und dabei das jedenfalls auch im Interesse der Antragsteller normierte Fristenregime des Art. 31 Abs. 3 bis 6 RL 2013/32/EU zu beachten.
75Mit Blick auf den Vortrag des Bundesamtes, die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen beziehe sich nur auf Rechtsansprüche zum Zeitpunkt der Urteilsfindung und den im vorliegenden Verfahren unter dem 1. April 2021 abgefassten Bearbeitungsvermerk, wonach wegen der Schutzgewährung in Griechenland über die Asylanträge der Kläger im nationalen Verfahren im Wege eines Drittstaatenbescheides zu entscheiden sei, weist das Gericht auf Folgendes hin:
76Auf die Anfechtungsklage der Kläger im Verfahren 10 K 867/20.A hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen bereits mit Urteil vom 27. Juli 2020 die Ziffern 1., 2. und 3. Sätze 1-3 des Bescheids vom 26. März 2020 aufgehoben. Die Kammer führte im Wesentlichen aus: Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sei aus unionsrechtlichen Gründen ausgeschlossen, weil die Lebensverhältnisse, die die Kläger als anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland erwarteten, sie der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta (GRC) zu erfahren. Dieses Urteil ist seit 1. September 2020 rechtskräftig.
77Im Falle einer - wie hier - erfolgreichen Anfechtungsklage wirkt sich ein rechtskräftiges Urteil in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen nicht nur auf den seinerzeit angefochtenen, sondern auch auf nachfolgende Verwaltungsakte aus. Der im Vorprozess unterlegenen Behörde - hier dem Bundesamt - ist es verwehrt, bei unveränderter Sach- und Rechtslage gegen denselben Betroffenen einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen. Diese Wirkung der Rechtskraft zugunsten des obsiegenden Klägers auf nachfolgende Verfügungen derselben Behörde gegenüber seiner Person rechtfertigt sich aus dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils tritt nur dann nicht ein, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat.
78Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1992 - 1 C 12/92 -, juris, Rn 11ff.
79Eine solche Fallkonstellation ist hier vom Bundesamt nicht ansatzweise dargetan. Soweit die Beklagte ausführt, eine spätere maßgebliche Sachlagenänderung trete insbesondere ein, wenn die griechischen Behörden die Unterbringung und Versorgung der Kläger entsprechend den in Art. 3 EMRK normierten Vorgaben sicherstellen würden, bleibt festzuhalten, dass das Bundesamt nicht einmal eine entsprechende Anfrage bei den griechischen Behörden gestellt hat, vermutlich weil bekannt ist, dass eine solche Anfrage nicht positiv beantwortet werden würde.
80Nach allem ist die Beklagte zu verpflichten, das Schutzbegehren der Kläger zu bescheiden.
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Referenzen
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- VwGO § 42 2x
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- VwGO § 113 2x
- VwGO § 75 10x
- VwGO § 121 2x
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