Beschluss vom Verwaltungsgericht Ansbach - AN 17 S 19.51066

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 31. Oktober 2019 erhobenen Klage gegen die Abschiebungsanordnung (Ziffer 3. des klagegegenständlichen Bescheids) mit dem Rückführungszielland Rumänien des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 18. Oktober 2019, der im Zuge eines Dublin-Verfahrens ergangen ist. Zugleich begehrt die Antragstellerin, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten zu gewähren.

Die am …1996 in …Irak geborene Antragstellerin ist irakische Staatsbürgerin, kurdischer Volks- und yesidischer Glaubenszugehörigkeit. Sie reiste eigenen Angaben zufolge auf dem Landweg am 29. Juli 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein, äußerte am selben Tag ein Asylgesuch und stellte am 13. August 2019 einen förmlichen Asylantrag. Die Antragstellerin ist im Besitz einer irakischen Staatsangehörigkeitsurkunde, einer unter dem … 2018 datierten Heiratsurkunde des Personenstandsgerichts … der Republik Irak (Datum der Registrierung der Ehe) und eines irakischen Personalausweises, die in einer ersten Dokumentenprüfung Auffälligkeiten ergaben.

Die Ermittlungen des Bundesamtes ergaben einen Treffer in der EURODAC-Datenbank (Kennnummer RO...00) mit Datum der Abgabe der Fingerabdrücke am 14. Juli 2019.

In ihrer Befragung vor dem Bundesamt am 5. September 2019 gab die Antragstellerin an, den Irak letztmals am 1. Juni 2019 verlassen zu haben. Sie sei zunächst mit dem Flugzeug in die Türkei und von dort auf dem Landweg weiter durch ihr unbekannte Länder gereist. In Deutschland lebten ihr Ehemann und ihre fünf Geschwister. Nach Rumänien habe sie keine persönlichen Beziehungen. Dass sie in Rumänien Fingerabdrücke abgegeben habe, stimme schon. Dies sei jedoch unter Zwang erfolgt. Einen Asylantrag habe sie in Rumänien dagegen nicht gestellt. Ihr sei in Rumänien ihr Ehering weggenommen und weggeworfen worden. Eine Putzfrau habe ihn ihr später wieder ausgehändigt. In Deutschland könne sie bei ihrem Ehemann leben, dagegen müsste sie in Rumänien von Sozialleistungen leben. Ihr Ehemann wohne in … Bezüglich der Aufgriffssituation in Rumänien gab die Antragstellerin gegenüber dem Bundesamt weiter an, sie sei in einem großen Wagen aufgegriffen und geschlagen worden. Sie habe ein Formular unterschreiben müssen. Der zur Seite gestellte Dolmetscher sei Yezide gewesen, habe aber (nur) Sorani-Kurdisch gesprochen. Sie spreche Arabisch und Kurdisch. Im Irak habe sie lediglich zwei Jahre lang die Grundschule besucht, könne weder lesen noch schreiben. Erkrankt sei sie nicht, jedoch habe sie noch Schmerzen in ihrer linken Hand. Sie sei deswegen nicht in ärztlicher Behandlung.

Das Bundesamt ersuchte am 4. Oktober 2019 die rumänischen Behörden um Übernahme der Antragstellerin. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2019 sagten die rumänischen Behörden die Übernahme unter Verweis auf Art. 18 Abs. 1 c) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) zu.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2019 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2.), ordnete die Abschiebung nach Rumänien an (Ziffer 3.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf neun Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.). Hinsichtlich der Einzelheiten der Entscheidung wird auf die Gründe dieses Bescheids verwiesen.

Ein Zustellversuch dieses Bescheids mit Postzustellungsurkunde an die Klägerin unter der ihr mittels Bescheid der Regierung … vom 25. September 2019 zugewiesenen Unterkunft in … (Bl. 124 f. d. Bundesamtsakte) scheiterte mit der Angabe: „Laut Aussage der Unterkunftsleitung Empf. unbek.“. Das Bundesamt vermerkte, dass ein Anruf bei der Zentralen Ausländerbehörde Mittelfranken ergeben habe, dass die Antragstellerin weiterhin Wohnpflicht in der zugewiesenen Unterkunft in … habe, sie sich wohl aber bei ihrem Ehemann in … aufhalte. Der klagegegenständliche Bescheid war der Bevollmächtigten der Antragstellerin zudem kenntnishalber übersandt worden.

Die Antragstellerin ließ über ihre Bevollmächtigte auf elektronischem Wege mittels besonderen elektronischen Anwaltspostfachs der Bevollmächtigten Klage und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO am 31. Oktober 2019 gegen den vorgenannten Bescheid des Bundesamtes erheben. Sie stellte zugleich einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihrer Bevollmächtigten. Die Bevollmächtigte trägt vor, die Antragstellerin sei nachweislich seit dem 2. September 2017 mit Herrn …, wohnhaft in …, verheiratet. Der Ehemann der Antragstellerin sei anerkannter Flüchtling und im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Es bestünden keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Eheschließung, die auch in der Bundesrepublik Deutschland Anerkennung finden müsse. Auch die Erstverteilung der Antragstellerin nach … im Dublin-Verfahren spreche für die Berücksichtigungsfähigkeit der Ehe. Bei der Rangfolge der Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO sei Art. 9 heranzuziehen. Jedenfalls sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK festzustellen. Schließlich werde eingewandt, dass das rumänische Asylsystem an schwerwiegenden systemischen Mängeln leide, insbesondere gegenüber verletzlichen Personen wie einer alleinstehenden Frau.

Die Antragstellerin lässt sinngemäß (§ 88 VwGO analog) beantragen,

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 31. Oktober 2019 gegen Ziffer 3. des klagegegenständlichen Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Oktober 2019 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin erwiderte mit Schriftsatz vom 6. November 2019 und beantragte,

Der Antrag wird abgelehnt.

Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte elektronische Behördenakte zum Aktenzeichen … verwiesen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung wurde form- und fristgerecht bei Gericht angebracht (§§ 55a Abs. 1 u. Abs. 4 Nr. 2, 80 Abs. 5 i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 74 Abs. 1 Halbs. 2, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG). Er ist als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO insbesondere statthaft, weil der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG). Ob der Bescheid wirksam am 28. Oktober 2019 zugestellt wurde oder eine Zustellfiktion eingreift, ist ohne Belang. Denn jedenfalls hat die Antragstellerin die gesetzlich vorgesehene Wochenfrist für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO eingehalten.

Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die Interessensabwägung des Gerichts ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin ergibt. Im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage eine maßgebliche Rolle. Die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage führt zu dem Ergebnis, dass die Hauptsacheklage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Die in Ziffer 3. des Bescheids getroffene Abschiebungsanordnung erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) nämlich als rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG.

Rumänien ist für die Behandlung des Asylgesuchs der Antragstellerin zuständig. Nach Art. 13 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 c) der Dublin III-VO ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin III-VO wieder aufzunehmen. Ob diese Voraussetzungen, auf die sich die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Aufnahmemitteilung der rumänischen Behörden vom 16. Oktober 2019 beruft, in jeder Hinsicht vorliegen, ist bei der Beurteilung des konkreten Sachverhaltes bei nur summarischer Prüfung ohne Belang. Der Vortrag der Antragstellerin spricht zunächst selbst dafür, dass diese illegal aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedsstaats des Dublin-Raums - hier Rumänien - überschritten hat, so dass die Zuständigkeit dieses ersten Einreisestaates aus Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet ist. Ob sich die Übernahmeverpflichtung Rumäniens bezüglich der Antragstellerin dann aber aus Art. 18 Abs. 1 b) oder c) Dublin III-VO ergibt, ist für die Rechtmäßigkeitsbeurteilung des klagegegenständlichen Bescheids im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht umfassend zu prüfen. Entscheidend ist hier lediglich, dass eine Pflicht Rumäniens auf Rücknahme der Antragstellerin überhaupt aus einem der Tatbestände des Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO möglich erscheint und die Übernahmebereitschaft auch insoweit durch den zuständigen Staat erklärt wurde. Das ist vorliegend in Bezug auf Rumänien der Fall. Dass die Antragstellerin zudem keinen Asylantrag in Rumänien gestellt haben will, ist ausweislich des Ergebnisses der Abfrage aus der EURODAC-Datenbank und der Erklärung Rumäniens fernliegend. Im Übrigen ist aufgrund der Aktenlage davon auszugehen, dass die die Antragstellerin in subjektiven Rechten schützenden Fristen hinsichtlich der Modalitäten der Art. 21 Abs. 1 UAbs. 2, 23 Abs. 2 und 24 Abs. 2 Dublin III-VO bezüglich eines (Wieder) Aufnahmegesuchs aufgrund der erfolgten Treffermeldung im EURODAC-System gewahrt worden, so dass es auch insoweit nicht darauf ankommt, ob sich die Rücknahmeverpflichtung Rumäniens nach den Maßgaben des Art. 21, 22 und 29 einerseits oder Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin III-VO andererseits richtet.

Die Antragstellerin kann sich nicht erfolgreich auf das vorrangige Zuständigkeitskriterium des Art. 9 Dublin III-VO hinsichtlich der von ihr vorgetragenen Ehe mit einem in Deutschland lebenden und durch die Antragsgegnerin anerkannten Schutzberechtigten berufen.

Zwar bestimmt Art. 9 Dublin III-VO, dass in Fällen, in denen der jeweilige Antragsteller einen Familienangehörigen hat, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedsstaat aufenthaltsberechtigt ist, dieser Mitgliedsstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun. Dies hat auch in Fällen zu gelten, in denen die Ehe im Herkunftsland noch nicht bestanden hat. Art. 2 Buchst. g Spiegelstrich 1 Dublin III-VO bestimmt weiter, dass Familienangehöriger auch der Ehegatte des Antragstellers oder sein nicht verheirateter Partner, der mit ihm eine dauerhafte Beziehung führt, ist. Im Weiteren ist zugrunde zu legen, dass eine Eheschließung im Ausland für den deutschen Rechtsbereich wirksam ist, wenn sie der Ortsform entspricht, d. h. unter Beachtung der am Ort der Eheschließung gültigen Vorschriften erfolgte. Nach Art. 11 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) gilt für Willenserklärungen das Recht des Staates, in dem sie vorgenommen werden. Die Regelung über die Zulässigkeit der Stellvertretung bei der Eheschließung ist eine solche Formvorschrift, die das irakische Personalstatut grundsätzlich zulässt (vgl. VG Augsburg, GB v. 7.11.2012 - Au 3 K 11.1417 - BeckRS 2012, 59584). Eine so im Ausland wirksam geschlossene Stellvertreter-Ehe verstößt zudem nicht gegen den deutschen „ordre public“ im Sinne des Art. 6 EGBGB. Der deutsche Gesetzgeber hat im Vorfeld der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs selbst erwogen, die Eheschließung durch Stellvertreter zuzulassen; während des Zweiten Weltkriegs waren Eheschließungen von Abwesenden durch sog. Ferntrauungen auch rechtens (BGH U.v. 19.12.1958 - IV ZR 87/56 - NJW 1959, 717). Etwas anderes wäre allenfalls bei einer „Vertretung im Willen“, etwa einer Zwangsverheiratung anzunehmen (vgl. z. B. OLG Zweibrücken, B.v. 8.12.2010 - 3 W 175/10 - NJW-RR 2011, 725; KG Berlin, B. v. 22.4.2004 - 1 W 173/03 - NJOZ 2004, 2138), für die im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte bestehen. Insoweit geht die Annahme der Antragsgegnerin in den Gründen ihres Bescheids fehl, die von der Antragstellerin behauptete Eheschließung in Form einer Stellvertreter-Ehe genösse im Dublin-Verfahren keinen Schutz im Sinne der Wahrung der Familieneinheit. Letztlich erkennt auch die Antragsgegnerin selbst, dass die im Ausland geschlossene Ehe im deutschen Rechtsbereich wirksam sein könnte, so dass sich dem Gericht durchaus Widersprüche im von der Antragsgegnerin vorgenommenen Prüfungsumfang und -ergebnis bezüglich einer vorrangigen Anwendbarkeit des Zuständigkeitskriteriums nach Art. 9 Dublin III-VO aufdrängen. Der erkennende Einzelrichter neigt eher der Rechtsprechung zu, die eine sog. „Handschuhehe“ bzw. Stellvertreter-Ehe, wie sie hier im Raume steht, als rechtlich beachtlich auch für die Anwendung der Regeln der Familienzusammenführung der Dublin III-VO ansieht (so bspw.: VG Düsseldorf, B.v. 22.10.2018 - 22 L 1774/18.A - unveröffentlicht, siehe jedoch: https://www.keienborg.de/2018/10/23/vg-duesseldorf-zu-dublin-auch-stellvertreter-ehe-ist-ehe/). Dass die Antragsgegnerin u.U. Zweifel hinsichtlich der Echtheit der vorgelegten Heiratsurkunde haben mag, wie aus der eingeleiteten Dokumentenprüfung (Bl. 109 d. Bundesamtsakte) entnommen werden kann - zumal die Dokumentenprüfung hinsichtlich der Staatsangehörigkeitsurkunde der Antragstellerin Auffälligkeiten ergab - wäre im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes insoweit für die Antragstellerin ebenfalls nicht nachteilig. Zum einen wäre die Antragsgegnerin nicht gehindert gewesen, auch die vorgelegte Heiratsurkunde bei ernstlichen Zweifeln an deren Echtheit einer weitergehenden Dokumentenprüfung zu unterziehen. Zum anderen zieht die Antragsgegnerin aber ihre möglichen Echtheitszweifel nicht zur Begründung des klagegegenständlichen Bescheids heran.

Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch bereits an einem beiderseits schriftlich dargetanen Wunsches im Sinne des Art. 9 Dublin III-VO jedenfalls vonseiten des Herrn …, der im Zeitpunkt der Antragstellung hätte vorliegen müssen, da die „Versteinerungsklausel“ des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO ihrem Wortlaut nach („Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels …“) Artikel 9 umfassend einbezieht. Zu diesem schriftlich kundgetanen Wunsch beider Familienangehöriger hat die Antragstellerin nichts vorgetragen und ergibt sich auch keine schriftliche Fixierung eines solchen Wunsches der Familienzusammenführung aus der Bundesamtsakte der Antragstellerin. Hierbei handelt es sich indes um ein konstitutives Merkmal der vorrangigen Anwendung des Art. 9 Dublin III-VO vor den weiteren, nachfolgenden Zuständigkeitskriterien. Der Auffassung, dass die entsprechende schriftliche Willensbekundung des Herrn … noch nachgereicht werden könnte, um die Wirkung des Art. 9 Dublin III-VO auszulösen (so wohl: VG Hannover, B. v. 19.04.2018 - 12 B 2392/18 - BeckRS 2018, 8424), schließt sich der erkennende Einzelrichter des VG Ansbach nicht an. Dem steht schon entgegen, dass das Dublin-Verfahren auf eine zügige, an objektivierbaren Kriterien orientierte Zuständigkeitsbestimmung im Zeitpunkt der Asylantragstellung ausgerichtet ist, so dass es nicht im Belieben Dritter stehen kann, auf die Verfahrensdauer verzögernd Einfluss zu nehmen. Dem Anliegen der Antragstellerin auf Familienzusammenführung könnte im Anwendungsbereich der Dublin III-VO danach nur noch über die Ausnahmeregelungen der Art. 16 und 17 Rechnung getragen werden. Der erkennende Einzelrichter ist zudem der Auffassung, dass es vonseiten der Antragsgegnerin keiner dezidierten Belehrung der Antragstellerin dazu bedurfte, welche Voraussetzungen im Einzelfall noch zum Wirksamwerden der Zuständigkeitsbestimmung nach Art. 9 Dublin III-VO herbeizuführen wären. Den gemäß Art. 4 Abs. 1 Dublin III-VO i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 1560/2013, zuletzt geändert durch die VO (EU) Nr. 118/2014 (Dublin-Durchführungsverordnung) von Amts wegen gegenüber der Antragstellerin bereitzuhaltenden Informationen hat die Antragsgegnerin aus Sicht des Gerichts hinreichend Genüge getan. Die in der Bundesamtsakte der Antragstellerin dokumentierten Belehrungen und Informationen zur Einleitung und Durchführung eines Dublin-Verfahrens erscheinen ausreichend. Nicht unberücksichtigt bleiben kann im vorliegenden Einzelfall überdies, dass die Antragstellerin bereits im Verwaltungsverfahren sachkundig durch ihre Bevollmächtigte vertreten war, die ausweislich der Bundesamtsakte (Bl. 15) für die Antragstellerin einen entsprechenden Asylantrag auch unter Hinweis auf die Familienzusammenführung mit Herrn … gestellt hat, ohne dabei eine schriftliche Willensbekundung des Herrn … vorzulegen oder eine solche Vorlage anzukündigen.

Zudem ist es unter Beachtung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-582/17 und C-583/17 (U. v. 2.4.2019 - BeckRS 2019, 4643) überhaupt fraglich, ob sich die Antragstellerin auf das Zuständigkeitskriterium des Art. 9 Dublin III-VO berufen kann. Zwar hat der EuGH insoweit ausgeführt, dass der ersuchende Mitgliedsstaat verpflichtet sein kann, unter dem Aspekt der loyalen Zusammenarbeit aller Dublin-Mitgliedsstaaten dann seine Zuständigkeit zu erklären, wenn sich bereits im Wiederaufnahmeverfahren dessen voraussichtliche Zuständigkeit aufgrund der Art. 8 ff. Dublin III-VO ergeben sollte (EuGH, a.a.O., Rn. 83). Ein ausnahmsweise in Betracht kommendes Berufen hierauf ist der Antragstellerin ausweislich der weiteren Ausführungen des EuGH jedoch nur dann gestattet, wenn sie den zuständigen Behörden des ersuchenden Staates - hier also dem Bundesamt - „Informationen vorgelegt hat, die eindeutig belegen, dass er gemäß diesem Zuständigkeitskriterium als der für die Prüfung des Antrags zuständige Mitgliedstaat anzusehen ist.“ (EuGH, a.a.O., Rn. 84). Gerade hieran fehlt es indes mit der erforderlichen Substantiiertheit. Insoweit liegt es - entsprechend den allgemeinen Darlegungserfordernissen im Asylverfahrensrecht - auch zuvorderst in der Sphäre der Antragstellerin, von sich aus die für eine Beurteilung der Kriterien nach Art. 9 Dublin III-VO notwendigen Unterlagen vollständig und zeitnah zu ihrer Antragstellung dem Bundesamt zur Prüfung vorzulegen. Da die Antragstellerin dies nicht getan hat, drängt sich eine entsprechende Zuständigkeitsannahme der Antragsgegnerin nicht auf, so dass diese nicht gehalten war, ihre Zuständigkeit zu erklären.

Im Ergebnis rechtfertigt die von der Antragstellerin vorgetragene Eheschließung vom 2. September 2017 im Irak auch noch keine Ermessensreduzierung zugunsten der Antragstellerin im Sinne der Ausübung eines Selbsteintrittsrechtes der Antragsgegnerin, worauf die Antragsgegnerin zu Recht hinweist. Dies gilt auch im Hinblick auf die grundgesetzliche Bestimmung aus Art. 6 Grundgesetz (GG) bzw. Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Allein der Umstand der Eheschließung stellt keinen humanitären Belang von solchem Gewicht dar, dass ein Selbsteintritt der Antragsgegnerin zwingend geboten wäre. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ist als enge Ausnahmevorschrift aufzufassen, die es den an sich unzuständigen Mitgliedsstaaten ermöglichen soll, humanitäre Härtefälle in die eigene Prüfungszuständigkeit hineinzuziehen (vgl. für eine solchen Ausnahmefall etwa: VG Karlsruhe, B. v. 18.01.2019 - A 9 K 134/19 - BeckRS 2019, 8127). Dazu hat die Antragstellerin bislang nichts Substantielles vorgetragen und ergibt sich ein solcher Ausnahmefall auch nicht aus den sonstigen Umständen, etwa der Intensität der familiären Beziehung zwischen der Antragstellerin und Herrn … oder der Involvierung minderjähriger Kinder der Antragstellerin in den Sachzusammenhang der Familieneinheit.

Es liegen auch keine Umstände vor, die hier ausnahmsweise die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO aufgrund der Lage in Rumänien begründen oder insoweit zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden.

Nach dem System der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 31.12.2011, C-411/10 und C-433/10 - NVwZ 2012, 417) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (ChGR) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsland systemische Mängel aufweisen, die zu der Gefahr für den Asylbewerber führen, bei Rückführung in den Mitgliedsstaat einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 4 ChGR bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.

Derartige systemische Mängel, mit dem der Asylbewerber der Überstellung alleine entgegen-treten kann (EuGH, U.v. 10.12.2013, C-394/12 - juris), sind für Rumänien nicht erkennbar und wurden von der Antragstellerin auch nicht substantiiert vorgetragen. An die Annahme des Ausnahmefalls des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO sind strenge Anforderungen zu stellen. Es müsste die ernsthafte Gefahr grundlegender Verfahrensmängel oder erheblich defizitäre Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem Mitgliedsland erkenn-bar und für den Rechtschutzsuchenden im zu entscheidenden Einzelfall zu befürchten sein (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014, 10 B 6/14 - juris). Die bloß abstrakte Befürchtung, noch dazu unter Hinweis auf einen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland niedrigeren allgemeinen Lebensstandard im zuständigen Mitgliedsstaat, genügt dafür ganz regelmäßig nicht.

Dies ist auch nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln, insbesondere den regelmäßigen Berichten der Kommission der EU zur Bewertung des Dublin-Systems und des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort sowie der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5. Dezember 2017 nicht der Fall und wird nach der zu Rumänien ergangenen Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht regelmäßig anschließt, überwiegend nicht angenommen (vgl. VG Lüneburg, U.v. 13.3.19 - 8 B 51/19 - juris Rn. 17 - 22; VG Aachen, B.v. 21.9.18 - 6 L 1144/18.A - juris Rn. 22 - 59; VG Bayreuth, B.v. 14.11.2017 - B 6 S 17.50926 - juris Rn. 33 - 37; VG Karlsruhe, B.v. 12.9.2017 - A 1 K 10625/17 - juris Rn. 5 - 11, BayVGH, B.v. 25.6.2018 - 20 ZB 18.50032 - juris Rn. 8, vorausgegangen VG Ansbach, U.v. 26.3.2018 - AN 17 K 18.50003 - juris Rn. 27). Gerade zur Frage der materiellen Versorgung von Dublin-Rückkehrern nach Rumänien einschließlich Unterbringungs- und Arbeitssituation hatte das Auswärtige Amt gegenüber dem Verwaltungsgericht Ansbach in seiner Auskunft vom 5. Dezember 2017 deutlich Stellung genommen. Hierbei führte das Auswärtige Amt aus, dass nach dortiger Lagekenntnis von einer konventionskonformen Behandlung Asylsuchender in Rumänien im Regelfall auszugehen ist, wobei Asylsuchende bzw. Schutzberechtigte und rumänische Staatsbürger im Wesentlichen die gleichen Rechte hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt, zur Krankenversorgung und zu Wohnraum haben. Die Lage für Asylsuchende und Dublin-Rückkehrer sei auch wesentlich davon bestimmt, inwieweit angebotene Integrationsleistungen zur Sprachförderung und Qualifizierung in Anspruch genommen würden. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Prinzip des gegenseitigen Vertrauens ist bei dieser Auskunftslage für das Gericht nicht erkennbar, dass der Antragstellerin unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen ein Absinken in einen Zustand unmenschlicher Behandlung im Falle ihrer Rücküberstellung nach Rumänien droht, wenngleich das Gericht nicht verkennt, dass es der Antragstellerin mit ihrem Bildungshintergrund schwerfallen wird, die aufgezeigten Integrationsleistungen zu erbringen. Die Antragstellerin hat auch keine auf Rumänien zutreffende gegenteiligen Anhaltspunkte, etwa durch aktuelle Berichte von Nichtregierungsorganisationen o.ä. aufgezeigt, die es nahelegen, die Auskunftslage aus Dezember 2017 zu überdenken und eine Aktualisierung durch das Auswärtige Amt einzuholen.

Nach Überzeugung des Gerichts gehört die Antragstellerin auch keiner vulnerablen Gruppe an, bei der eine abweichende Betrachtung der Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen in Rumänien geboten sein könnten.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, das der Abschiebungsanordnung entgegenstünde und zu einem Verpflichtungsausspruch in der Hauptsache führen würde, liegt ebenfalls nicht vor. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Hiervon kann vorliegend jedoch, insbesondere unter Zugrundelegung obiger Ausführungen, nicht ausgegangen werden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG hat.

Damit war der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung war unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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