Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 6 K 1140/15
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2015 wird aufgehoben, soweit die festgesetzten Verwaltungskosten 65,00 Euro übersteigen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 13. Januar 2015, mit der die Auflage zur Führung von Fahrtenbüchern für ihren gesamten Fuhrpark angeordnet wurde.
3Die Klägerin ist Halterin von 34 Fahrzeugen mit folgenden amtlichen Kennzeichen: XX-XX 0000, XX-XX 000, XX-XX 0000, XX-XX 00, XX-XX 000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 00, XX-XX 00, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 00, XX-XX 0, XX-XX 0000, XX-XX 000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000, XX-XX 0000 und XX-XX 0000. Zudem ist sie auch Halterin eines Anhängers mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 000.
4Am 10. Juni 2014 um 15:14 Uhr wurde mit einem dieser Fahrzeuge (amtliches Kennzeichen XX-XX 0000) auf der Bundesautobahn 000 in C. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 22 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten. Mit Zeugenfragebogen der Stadt C. als zuständige Ordnungswidrigkeitenbehörde (im Folgenden: OWi-Behörde) vom 20. Juli 2014 wurde die Klägerin zu dem Verkehrsverstoß angehört (Bl. 14 Heft 1 der Beiakten). Eine Reaktion der Klägerin erfolgte hierauf nicht.
5Mit weiterem Schreiben der OWi-Behörde vom 21. August 2014 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie als Firma nicht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen könne. Für den Fall, dass sie der Bitte um Angabe der Personalien nicht entspreche, müsse sie damit rechnen, dass bei ihr und in ihrem Umfeld weitere polizeiliche Ermittlungen durchgeführt würden (Bl. 11 Heft 1 der Beiakten).
6Daraufhin teilte die Klägerin der OWi-Behörde mit, dass sie keine Auskunft darüber geben könne, wer das auf sie zugelassene Fahrzeug am besagten Tag zur angegebenen Zeit geführt habe (Bl. 10 Heft 1 der Beiakten).
7Unter dem 14. Oktober 2014 wurde der Klägerin Gelegenheit gegeben, zu der beabsichtigten Anordnung ein Flottenfahrtenbuch zu führen, Stellung zu nehmen (Bl. 24 Heft 1 der Beiakten).
8Mit Ordnungsverfügung vom 13. Januar 2015, welche der Klägerin am 16. Januar 2015 zugestellt wurde, verpflichtete die Beklagte die Klägerin zur Führung eines Fahrtenbuches für die oben genannten Kraftfahrzeuge für die Dauer von sechs Monaten ab Unanfechtbarkeit der Verfügung. Die Anordnung erstrecke sich auch auf Ersatzfahrzeuge für die vorstehend genannten Fahrzeuge. Zudem setzte sie Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 200,00 Euro fest. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass nicht zu erwarten sei, dass die Fahrerfeststellung bei zukünftigen Verkehrsverstößen mit anderen Fahrzeugen der Klägerin ohne Schwierigkeiten möglich sein werde. Da die in den Jahren 2010, 2012 und 2014 begangenen Verkehrsverstöße mit jeweils unterschiedlichen Fahrzeugen aus dem Fuhrpark der Klägerin begangen worden seien, reiche es nicht aus, einen bestimmten Fahrzeugtyp bzw. eine bestimmte Fahrzeugart mit einer Fahrtenbuchauflage zu belegen. Daher sei eine Fahrtenbuchauflage gemäß § 31a Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) für alle ihre Fahrzeuge, mit Ausnahme des Anhängers mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 000, anzuordnen. Die Klägerin sei in ihrem letzten Bescheid vom 9. Januar 2014 bereits darauf hingewiesen worden, dass bei einem weiteren Antrag auf Anordnung einer Fahrtenbuchauflage eine Auflage für den gesamten Fuhrpark geprüft werde.
9Die Klägerin hat am 13. Februar 2015 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor, dass bereits nicht ersichtlich werde, welche Ermittlungen die Beklagte tatsächlich vorgenommen habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei sie nicht verpflichtet, Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren. Auch die Tatsache, dass in der Vergangenheit mehrfach Ordnungswidrigkeiten nicht aufgeklärt worden seien, rechtfertige nicht die Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage für den gesamten Fuhrpark. Es sei nur zulässig, eine Fahrtenbuchauflage für diejenigen Fahrzeuge zu erteilen, mit denen bereits in der Vergangenheit Verkehrsverstöße begangen worden seien. Durch die Führung von Fahrtenbüchern für 34 Fahrzeuge werde die Produktivität der einzelnen Mitarbeiter in starkem Maße eingeschränkt. Insbesondere Monteure, die Reparaturfahrten unternähmen, absolvierten pro Tag durchschnittlich fünf Einzelfahrten. Die Erfüllung der Fahrtenbuchauflage führe damit zu erheblichen Zeitverlusten, die ihren Kunden selbstverständlich nicht in Rechnung gestellt werden könnten.
10Die Klägerin beantragt,
11die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 13. Januar 2015 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte ergänzt ihren bisherigen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren dahingehend, dass das Führen eines Fahrtenbuches lediglich eine mit einem geringen Zeitaufwand verbundene Lästigkeit darstelle, so dass sie eine Einschränkung der Produktivität der einzelnen Mitarbeiter nicht erkennen könne. Eine Fahrtenbuchauflage für die gesamte Fahrzeugflotte der Klägerin sei unabdingbar, da sie jeweils die Mitwirkung an der Fahrerermittlung verweigert habe und daher nicht davon ausgegangen werden könne, dass zukünftige Verkehrsdelikte aufgeklärt werden könnten. Zum einen obliege es der Geschäftsführung organisatorische Vorkehrungen zu treffen, damit zu jeder Zeit festgestellt werden könne, wer das Fahrzeug geführt habe. Zum anderen sei die Nennung des Fahrzeugführers trotz eines deutlichen Fotos des Fahrers verweigert worden. Der fehlende Mitwirkungswille der Klägerin werde auch dadurch belegt, dass die Angestellten der Firma gegenüber der Polizei keine Angaben zu den Fahrzeugführern hätten machen dürfen.
15Die Beteiligten sind mit gerichtlicher Verfügung vom 13. November 2015 zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört worden.
16Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Kammer kann nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Absatz 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Für dieses Verfahren gelten die Vorschriften über Urteile entsprechend, § 84 Absatz 1 Satz 3 VwGO.
19Die zulässige Klage ist nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet.
20Soweit sich die Klage gegen die Anordnung zur Führung einer Fahrtenbuchauflage für den gesamten Fuhrpark richtet, ist der Bescheid der Beklagten rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO (I.). Soweit sie sich gegen die Festsetzung der Verfahrenskosten richtet, ist der Bescheid teilweise rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten (II.).
21I. Rechtsgrundlage der Fahrtenbuchauflage ist § 31a Absatz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war (Satz 1). Dabei kann die Verwaltungsbehörde ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen (Satz 2).
22Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage ist formell rechtmäßig. Die Beklagte war gemäß § 68 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 StVZO für ihren Erlass zuständig, da die Klägerin ihren Sitz in ihrem Gebiet hat. Die gemäß § 28 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) erforderliche Anhörung ist mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 erfolgt.
23Die Fahrtenbuchauflage ist auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31a Absatz 1 Satz 1 StVZO sind erfüllt (1.). Die Beklagte hat das ihr bei Erlass der Fahrtenbuchauflage zustehende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (2.).
241. Die Klägerin ist Halterin der im Tatbestand näher bezeichneten Fahrzeuge. Mit dem Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 0000 ist die im Tatbestand näher bezeichnete Geschwindigkeitsüberschreitung begangen worden. Weder hat die Klägerin den Geschwindigkeitsverstoß angezweifelt, noch besteht angesichts des Messprotokolls „PoliScan Speed“ (Bl. 17 Heft 1 der Beiakten), des Eichscheins (Bl. 20) sowie des Ausdrucks aus der Verkehrsüberwachungsanlage (Bl. 16) aus Sicht der Kammer Veranlassung, an dem Geschwindigkeitsverstoß zu zweifeln.
25Die weitere Voraussetzung zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, dass der Fahrzeugführer, der die Zuwiderhandlung begangen hat, nicht ermittelt werden konnte, ist ebenfalls erfüllt.
26Die Feststellung des Fahrzeugführers war im Sinne des § 31a Absatz 1 Satz 1 StVZO dann nicht möglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen Maßnahmen ergriffen hat.
27Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Ermittlungsmaßnahmen gar keinen Hinweis auf die Identität des Fahrers ergeben haben. Die Feststellung des Fahrers ist auch dann unmöglich, wenn die Ermittlungen zwar auf einen bestimmten Täter hindeuten, die Behörde jedoch keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte. Abzustellen ist dabei auf das im Ordnungswidrigkeiten- bzw. Strafverfahren erforderliche Maß der Überzeugung.
28Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 15. Juli 2015 – 8 B 597/15 –, n.v. und vom 25. März 2008 – 8 A 586/08 –, NZV 2008, 536 = juris, Rn. 4, 13 ff.;
29Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich danach, ob die Bußgeldbehörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können.
30Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 13. Oktober 1978 – 7 C 77.74 –, DÖV 1979, 408 = juris, Rn. 16 und Beschluss vom 21. Oktober 1987 – 7 B 162.87 –, NJW 1988, 1104 = juris, Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 – 8 A 280/05 –, NWVBl. 2006, 193 = juris, Rn. 21.
31Zu den angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört in erster Linie, dass der Halter möglichst umgehend – im Regelfall innerhalb von zwei Wochen – von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1978 – VII C 77.74 –, juris, Rn. 18 und Beschluss vom 25. Juni 1987 – 7 B 139.87 –; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Dezember 2013 – 8 A 2113/13 –, vom 4. April 2013 – 8 B 173/13 –, juris, Rn. 3 f. und vom 7. April 2011 – 8 B 306/11 –, juris, Rn. 6 f.
33Die vom BVerwG in dem vorzitierten Urteil vom 13. Oktober 1978 entwickelte Zwei-Wochen-Frist für die Benachrichtigung des Fahrzeughalters gilt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber nur "regelmäßig"; sie ist daher kein formales Tatbestandskriterium des § 31a Absatz 1 StVZO und keine starre Grenze. Vielmehr beruht die Fristbestimmung auf dem Erfahrungssatz, dass eine Person Vorgänge des persönlichen Lebensbereichs aus den letzten vierzehn Tagen im Regelfall wird erinnern oder jedenfalls noch rekonstruieren können. Deshalb darf angenommen werden, dass ein konkreter Anstoß innerhalb dieser Frist ausreicht, um zu verhindern, dass die Erinnerung entscheidend verblasst oder wesentliche, den Vorgang betreffende Unterlagen vernichtet werden, sodass es dem Fahrzeughalter in den sich an den Verkehrsverstoß anschließenden Verfahren möglich bleibt, seine Verteidigung auf dieser Grundlage einzurichten. Die Zwei-Wochen-Frist gilt daher für jene vom Regelfall abweichenden Gestaltungen nicht, in denen – bei typisierender Betrachtung – auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Ihre Nichteinhaltung ist außerdem unschädlich, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist.
34Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. März 2015 – 8 A 2001/14 – und vom 9. Dezember 2013– 8 A 2113/13 –; Urteil vom 31. März 1995 – 25 A 2798/93 –, juris, Rn. 14 ff.
35Verzögerungen bei der Anhörung des Fahrzeughalters stehen der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage daher dann nicht entgegen, wenn feststeht, dass sie für die Erfolglosigkeit der Ermittlung des Fahrers nicht ursächlich geworden sind.
36Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Dezember 2013 – 8 A 2113/13 –, vom 9. Juni 2011– 8 B 520/11 –, juris, Rn. 8 ff., vom 7. April 2011 – 8 B 306/11 –, juris, Rn. 8 ff.und vom 15. November 2008 – 8 A 2169/08 –, juris, Rn. 10.
37Das gilt namentlich für Fälle, in denen erkennbar ist, dass auch eine frühere Unterrichtung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Halter ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken. Lehnt dieser die ihm mögliche und zumutbare Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.
38Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Dezember 1993 – 11 B 113.93 – und vom 21. Oktober 1987– 7 B 162.87 –; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Juni 2011 – 8 B 520/11 –, juris, Rn. 10 f. und vom 21. April 2008 – 8 B 482/08 –; Urteil vom 30. November 2005 – 8 A 280/05 –, juris, Rn. 27 f.
39Die Anhörung begründet deshalb für den Halter, auch wenn sie nicht sofort erfolgt, eine Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt. Ist ihm das nicht möglich, obliegt es ihm – ggf. über die im Anhörungsbogen explizit enthaltene Fragestellung hinaus – sämtliche sachdienliche Hinweise mitzuteilen. Hierzu zählt insbesondere, den möglichen Täterkreis einzugrenzen und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten zu fördern.
40Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Dezember 2013 – 8 A 2345/13 –, vom 19. Juli 2007 – 8 B 713/07 – und vom 18. Juni 2007 – 8 B 524/07 –; Urteil vom 30. November 2005 – 8 A 280/05 –, juris, Rn. 25 f.
41Die vom BVerwG entwickelte Zwei-Wochen-Frist findet zudem im Regelfall bei solchen Verkehrsverstößen keine Anwendung, die mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmanns im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind. Denn bei Firmenfahrzeugen fällt es in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat. Die Geschäftsleitung muss zumindest in der Lage sein, der Behörde die Firmenangehörigen zu nennen, denen das betreffende Fahrzeug zugerechnet werden kann. Denn es kann nicht Aufgabe der Behörde sein, innerbetriebliche Vorgänge aufzuklären, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht. Ihrer Verpflichtung als Fahrzeughalterin, bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Ordnungswidrigkeiten- bzw. Verwaltungsverfahren mitzuwirken, kann die Geschäftsleitung deshalb regelmäßig nicht mit der Behauptung genügen, es sei nicht möglich, den Fahrzeugführer ausfindig zu machen.
42Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juni 2015 – 8 B 1465/14 –, juris, Rn. 19 ff., vom 13. November 2013 – 8 A 632/13 –, juris, Rn. 9 f., vom 11. September 2013 – 8 B 1003/13 – und vom 13. Juli 2011– 8 B 676/11 –.
43Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war die Feststellung des Fahrers vorliegend nicht möglich im Sinne des § 31a Absatz 1 Satz 1 StVZO. Es liegt kein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit der Behörde vor.
44Der Zeugenfragebogen datiert auf den 20. Juni 2014, ist also innerhalb von zwei Wochen nach Begehung des Verkehrsverstoßes vom 10. Juni 2014 erstellt worden. Unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeit von ein bis zwei Werktagen dürfte der Zeugenfragebogen der Klägerin auch noch innerhalb von zwei Wochen zugegangen sein. Aber selbst wenn die vom BVerwG entwickelte Zwei-Wochen-Frist (geringfügig) überschritten worden wäre, stünde dies der Anordnung der Fahrtenbuchauflage nicht entgegen. Zum einen schon deshalb nicht, weil nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen an die Mitwirkungsobliegenheit der Klägerin als Kaufmann im Sinne der §§ 161 Absatz 1, 6 HGB besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Es entspricht sachgerechtem kaufmännischen Verhalten, Geschäftsfahrten zu dokumentieren, sodass die Klägerin auch nach längerer Zeit, insbesondere nach Erhalt des Anhörungsbogens, noch in der Lage hätte sein müssen, den Fahrer ihres Fahrzeugs, welcher die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat, zu benennen.
45Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 13. November 2013 – 8 A 632/13 –, juris, Rn. 17 und vom 9. Mai 2006 – 8 A 3429/04 –, juris Rn. 13; Urteil vom 31. März 1995 – 25 A 2798/93 –, juris, Rn. 17.
46Zum anderen wäre eine verzögerte Anhörung nicht ursächlich für die Erfolglosigkeit der Ermittlung des Fahrers gewesen. Diese beruhte vielmehr auf dem fehlenden Mitwirkungswillen der Klägerin an der Aufklärung. Die Klägerin hat auf den Anhörungsbogen vom 20. Juni 2014 nicht reagiert. Auf das Schreiben der OWi-Behörde vom 21. August 2014 hat die Klägerin lediglich dahingehend geantwortet, dass sie keine Auskunft darüber gegeben könne, wer das auf sie zugelassene Fahrzeug am Tattag geführt habe. Dieser völlig unsubstantiierte Vortrag lässt den Rückschluss zu, dass die Klägerin nicht zu einer Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes bereit war. Insbesondere kommt es insoweit auch nicht auf die Gründe an, aus denen sie keine Angaben zur Sache macht. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setzt vor allem nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheit schuldhaft nicht erfüllt oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat.
47Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Oktober 2013 – 8 A 562/13 –, juris, Rn. 12 ff., vom 11. November 2013 – 8 B 1129/13 –, juris, Rn. 12 ff., und vom 14. November 2013 – 8 A 1668/13 –, juris, Rn. 14.
48Der Eindruck, dass die Klägerin nicht gewillt war, an der Aufklärung mitzuwirken, wird zudem dadurch verstärkt, dass das dem Zeugenfragebogen beigefügte Lichtbild der Überwachungsanlage so deutlich ist, dass die Klägerin den Kreis der Fahrer zumindest hätte näher eingrenzen können. Außerdem hat sie auch bei den in der Vergangenheit mit ihren Fahrzeugen begangenen Verkehrsverstößen an der Ermittlung des Fahrers nicht mitgewirkt. Bei dreißig im Außendienst eingesetzten Mitarbeitern müsste eine Zuordnung des jeweiligen Mitarbeiters zu einem Fahrerzeug – selbst wenn die Klägerin entgegen der vorstehend aufgezeigten Grundsätze Geschäftsfahrten nicht dokumentiert – ohne Weiteres möglich sein. Hierzu fügt sich, dass laut Kurzmitteilung des Polizeipräsidiums L. vom 21. Oktober 2013 die Angestellten der Klägerin im Rahmen der Ermittlung des Fahrers, der am 15. September 2013 die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht unerheblich überschritten hatte, keinerlei Angaben zum Fahrzeugführer haben machen dürfen (Bl. 15 Heft 2 der Beiakten).
49Aufgrund der fehlenden Mitwirkung der Klägerin und des daraus resultierenden Fehlens weiterer Ermittlungsansätze konnte die OWi-Behörde von weiteren zeitaufwändigen und wenig erfolgversprechenden Ermittlungsmaßnahmen, die über die Versendung des Anhörungsbogens hinausgingen, absehen, zumal auch die in der Vergangenheit erfolgten Ermittlungsmaßnahmen erfolglos geblieben sind.
50BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 – 7 C 3.80 –, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 23. Mai 2014 – 8 B 396/14 –, n.v.
512. Die Beklagte hat das ihr bei Erlass der Fahrtenbuchauflage zustehende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Steht eine Entscheidung im Ermessen der Behörde, überprüft das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten worden sind und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
52Vor diesem Hintergrund sind keine Ermessensfehler erkennbar. Der angegriffene Bescheid der Beklagten lässt erkennen, dass sie das Entschließungsermessen aus § 31a StVZO, d.h. die Frage, ob sie überhaupt tätig wird, ausgeübt hat. Auch hinsichtlich des Auswahlermessens, also der Frage in welcher Form sie tätig wird, sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Es liegt insbesondere keine Ermessensüberschreitung in Form eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Namentlich bestehen hinsichtlich des Umfangs (a) und der Dauer (b) der Maßnahme keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
53a) Bereits nach dem eindeutigen Wortlaut von § 31a Absatz 1 Satz 1 StVZO kann die Führung eines Fahrtenbuchs auch für mehrere Fahrzeuge des Halters angeordnet werden, wenn nur mit einem Fahrzeug eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen worden ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es hierfür nicht darauf an, ob in der Vergangenheit mit allen von der Fahrtenbuchauflage betroffenen Fahrzeugen Verkehrsverstöße begangen worden sind. Vielmehr dürfen mehrere Fahrzeuge eines Halters im Rahmen der ordnungsgemäßen Ermessensausübung der Behörde mit in die Fahrtenbuchauflage einbezogen werden, wenn aufgrund der Nutzungsgepflogenheiten des Halters zu befürchten ist, dass auch bei künftigen Verkehrsverstößen mit seinen übrigen Fahrzeugen die Täter wahrscheinlich ebenfalls nicht zu ermitteln sein werden.
54BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 1970 – VII B 19.70 –; OVG NRW, Urteil vom 10. September 1997– 25 A 4812/96 –, juris, Rn. 3 m.w.N.; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 26. Januar 2015– 3 L 22/15.NW –, juris, Rn. 15; VGH BW, Beschluss vom 14. Januar 2014 – 10 S 2438/13 –, juris, Rn. 9, wonach auch schon eine erhebliche Verkehrsstraftat genügt, wenn aufgrund des Verhaltens des Halters und seiner Nutzungsgepflogenheiten auch mit anderen Fahrzeugen einschlägige Zuwiderhandlungen zu erwarten sind.
55Diese Voraussetzungen liegen vor. Es ist bereits in der Vergangenheit zu Verkehrsverstößen mit auf die Klägerin zugelassenen Kraftfahrzeugen gekommen, ohne dass sie an der Ermittlung des verantwortlichen Fahrers mitgewirkt hat. So wurde am 13. August 2009 um 14:35 Uhr in C. mit dem Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 000 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 49 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten, ohne dass anschließend der Fahrzeugführer ermittelt werden konnte, weswegen die Beklagte am 2. Februar 2010 für dieses Fahrzeug eine zwölfmonatige Fahrtenbuchauflage erließ. Eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von 40 km/h wurde am 2. August 2011 mit dem Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 0000 begangen. Auch für diesen Verkehrsverstoß ordnete die Beklagte eine Fahrtenbuchauflage an, da – trotz eines Beweisfotos von relativ guter Bildqualität – kein verantwortlicher Fahrer ermittelt werden konnte. Schließlich blieben auch die Verursacher der Geschwindigkeitsverstöße vom 15. September 2013 (XX-XX 0000) und vom 10. Juni 2014 (XX-XX 0000) um jeweils 22 km/h trotz eines in beiden Fällen qualitativ guten Beweisfotos für die Bußgeldstelle unbekannt.
56Auch ist mit Blick auf die in allen vier Fällen fehlende Mitwirkung der Klägerin an der Aufklärung der Verkehrsverstöße zu befürchten, dass bei künftigen Verkehrsverstößen mit den übrigen Fahrzeugen der Klägerin die Täter wahrscheinlich ebenfalls nicht zu ermitteln sein werden. Dass die Klägerin den für den jeweiligen Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrer des in Rede stehenden Fahrzeuges nicht benannte, lag – wenn nicht schon am von vornherein fehlenden Willen die jeweils verantwortlichen Fahrer zu benennen, wofür aus Sicht des Gerichts u.a. der Umstand spricht, dass die Angestellten der Klägerin keinerlei Angaben zum Fahrzeugführer machen dürfen (s.o.) – zumindest daran, dass sie nicht die zumutbaren und erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen hatte, um eine Übersicht über die Benutzung ihrer Firmenfahrzeuge zu gewährleisten. Bei einem Fuhrpark von Firmenfahrzeugen, die – wie hier – unterschiedlichen Personen überlassen werden, muss die Geschäftsleitung aber zumindest in der Lage sein, der Bußgeldbehörde die Firmenangehörigen zu nennen, denen das betreffende Fahrzeug zugerechnet werden kann. Dies war hier offensichtlich in den genannten Fällen nicht so. Selbst die dritte Fahrtenbuchauflage vom 9. Januar 2014, in der die Beklagte die Klägerin ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf den gesamten Fuhrpark hinwies, hatte die Klägerin nicht zum Anlass genommen, ein Fahrzeugmanagement aufzubauen, das sie in die Lage versetzt hätte, Fahrer nach begangenen Verkehrsverstößen der zuständigen Bußgeldbehörde zu benennen. Vielmehr gibt das bisherige Verhalten der Klägerin Anlass zu der Annahme, dass sie von der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage hinsichtlich eines Fahrzeuges unbeeindruckt bleibt und daher weiterhin keine Maßnahmen unternehmen wird, um auch bei zukünftigen Verkehrsverstößen an der Ermittlung des verantwortlichen Fahrers mitzuwirken.
57Die Beklagte hat auch Art und Umfang des Fahrzeugparks der Klägerin und damit die Tatsachen, die die Grundlage für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung einschließlich der Beurteilung der Erforderlichkeit und Angemessenheit der streitigen Anordnung bilden, hinreichend ermittelt.
58Vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. November 2005 – 12 ME 315/05 –, juris, Rn. 6; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 26. Januar 2015 – 3 L 22/15.NW –, juris, Rn. 17.
59Es lässt sich dem beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, und zwar der Aufstellung über den Fahrzeugbestand der Klägerin (Bl. 26 Heft 1 der Beiakten), entnehmen, aus wie vielen und welcher Art von Fahrzeugen der Fuhrpark der Klägerin besteht. Die Beklagte hat bei der Prüfung, auf welche Fahrzeuge aus dem Fahrzeugpark sich die Fahrtenbuchauflage beziehen soll, danach differenziert, ob sich unter den Fahrzeugen nur solche befinden, bei deren Nutzung zukünftig mit Verkehrsverstößen der hier in Rede stehenden Art gerechnet werden kann. Da die vorstehend genannten Verkehrsverstöße mit verschiedenen auf die Klägerin zugelassenen Fahrzeugen (Limousinen und Mehrzweckfahrzeugen) – und zumindest drei der vier Verstöße ausweislich der vorliegenden Lichtbilder (wohl) auch von unterschiedlichen Fahrern – begangen wurden, begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, die Fahrtenbuchauflage für alle in Betracht kommenden Fahrzeuge der Klägerin, mit Ausnahme des Anhängers mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 000, zu verhängen, um die Klägerin auf diese Weise zu einer spürbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur künftigen Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anzuhalten. Insbesondere ist weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass – abgesehen von dem vorstehend genannten Anhänger – hinsichtlich bestimmter Fahrzeuge nicht mit der Begehung von Verkehrsverstößen gerechnet werden kann.
60Nach alldem steht die mit der Führung des Flottenfahrtenbuches verbundene, geringfügige Belastung der Klägerin bzw. ihrer Mitarbeiter, die nicht über eine mit etwas – eher geringem – Zeitaufwand verbundene Lästigkeit hinausgeht, in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der Anordnung verfolgten Zweck, die Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr zu gewährleisten und sicherzustellen, dass zukünftige Verkehrsverstöße nicht ungeahndet bleiben.
61Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Mai 2014 – 8 B 396/14 –, n.v., vom 7. April 2011– 8 B 306/11 –, juris, Rn. 26, vom 5. November 2009 – 8 B 1456/09 – und vom 14. März 1995– 25 B 98/95 –, juris, Rn. 17.
62b) Schließlich ist auch die Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchauflage mit sechs Monaten verhältnismäßig. Ob die Dauer einer Fahrtenbuchauflage mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang steht, ist mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung im Fall eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden. Um dies effektiv zu erreichen, ist eine gewisse Mindestdauer der Führung des Fahrtenbuchs erforderlich. Kriterium für die Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage ist dabei vor allem das Gewicht des Verkehrsverstoßes, der den Anlass für diese bildet. Nur ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht rechtfertigt die Anordnung eines Fahrtenbuchs. Für die Beurteilung der Schwere eines Verkehrsverstoßes kann sich die Behörde in ermessensfehlerfreier Weise an dem zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung jeweils geltenden Punktesystem in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) orientieren. Dabei ist bereits ab einem Punkt von einem erheblichen Verstoß auszugehen.
63Vgl. zur bisherigen Rechtslage BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 – 11 C 12.94 –, juris, Rn. 9 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2013 – 8 A 2113/13 – und Urteil vom 30. November 2005– 8 A 280/05 –, juris, Rn. 32 f.
64Mit der Umstellung des 18-Punkte-Systems des Verkehrszentralregisters auf die Entziehung der Fahrerlaubnis bei acht in das Fahreignungsregister eingetragenen („neuen“) Punkten gemäß § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 3 StVG und der damit einhergehenden Änderung der Anlage 13 zur FeV ist die Bedeutung der (weiterhin) mit einem oder mehreren Punkten bewehrten Zuwiderhandlungen jedenfalls gleichgeblieben.
65OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2015 – 8 B 597/15 –, m.w.N.
66Vor diesem Hintergrund stellt die mit dem Fahrzeug der Klägerin begangene Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 22 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht dar. Nach Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zur FeV i.V.m. Nr. 11.3 der Anlage zu § 1 Absatz 1 der Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (Bußgeldkatalog-Verordnung – BKatV) i.V.m. Nr. 11.3.2 der Tabelle 1c) des Anhangs (zu Nummer 11 der Anlage) BKatV zieht die vom Verordnungsgeber als verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Ordnungswidrigkeit eingeordnete Tat auch nach der neuen Rechtslage ein Bußgeld von 70,00 Euro nach sich und ist mit einem Punkt im Fahreignungsregister einzutragen. Es handelt sich damit um einen erheblichen Verkehrsverstoß, an dessen (zukünftiger) Aufklärung auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht.
67Zu Recht hat die Beklagte bei der Bemessung der Dauer der angeordneten Fahrtenbuchauflage auch mitberücksichtigt, dass es sich bereits um den vierten Verkehrsverstoß mit einem Fahrzeug der Klägerin handelt, der abermals mangels ihrer Mitwirkung ungeahndet geblieben ist. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass vor diesem Hintergrund (wohl) auch eine längere Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs für den gesamten Fuhrpark der Klägerin verhältnismäßig gewesen wäre.
68Auf der Grundlage von § 31a Absatz 1 Satz 2 StVZO konnte die Beklagte die Fahrtenbuchauflage auch auf ein etwaiges Nachfolge- oder Ersatzfahrzeug der eingangs näher bezeichneten Fahrzeuge erstrecken.
69II. Das Gericht geht auf der Grundlage von § 6a Absatz 3 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 22 Absatz 1 Verwaltungskostengesetz (VwKostG) in der bis zum 14. August 2013 geltenden Fassung davon aus, dass sich die Klage gegen die Sachentscheidung auch auf die Kostenentscheidung erstreckt. Die Beklagte hat in ihrer Ordnungsverfügung Gebühren in Höhe von insgesamt 200,00 Euro festgesetzt, die sich aus einer Gebühr in Höhe von 67,00 Euro für die Bearbeitung der Fahrtenbuchauflage (1.) sowie einer Gebühr in Höhe von 177,00 Euro für die Kontrolle des Fahrtenbuches durch den Vollzugs- und Ermittlungsdienst (2.) zusammensetzen.
701. Die für die Bearbeitung der Fahrtenbuchauflage festgesetzte Gebühr von 67,00 Euro ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit sie 65,00 Euro übersteigt. Ihre Höhe, gegen welche die Klägerin keine Einwendungen erhoben hat, liegt zwar innerhalb des vorgesehenen Gebührenrahmens (§ 6a Absatz 2 und 3 StVG i.V.m. § 1 Absatz 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr – GebOSt – i.V.m. Gebührenziffer 252 der Anlage zu § 1 Absatz 1 Satz 2 GebOSt). Allerdings begegnet die Höhe des Stundensatzes von 67,00 Euro unter Berücksichtigung von Ziffer 1 der Richtwerte für die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes bei der Festlegung der nach dem Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen zu erhebenden Verwaltungsgebühren (RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales – 56-36.08.09 – vom 2. September 2014) rechtlichen Bedenken, soweit ein Stundensatz von mehr als 65,00 Euro zugrunde gelegt worden ist. Denn anders als noch im RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales in der Fassung vom 20. Mai 2014 beträgt der Stundensatz, der für die Berechnung des Verwaltungsaufwands im gehobenen Dienst empfohlen wird, nach der vorstehend genannten Fassung nicht mehr 67,00 Euro sondern 65,00 Euro.
712. Soweit die Beklagte darüber hinaus Verfahrenskosten für die Aufforderung zur Vorlage der Fahrtenbücher und deren Prüfung festgesetzt hat, hat die Klage vollumfänglich Erfolg. Insoweit ist der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
72Gemäß § 11 Absatz 1 VwKostG entsteht die Gebührenschuld erst mit Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung. Vor diesem Hintergrund durfte für die Kontrolle des Fahrtenbuchs durch den Ermittlungsdienst, die eine selbstständige gebührenpflichtige Verwaltungsmaßnahme darstellt, (noch) keine Gebühr festgesetzt werden. Eine entsprechende Gebührenschuld der Klägerin ist (noch) nicht entstanden. Denn bei der Kontrolle des Fahrtenbuches handelt es sich um eine (möglicherweise) in der Zukunft nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ordnungsverfügung vorzunehmende Verwaltungsmaßnahme und nicht um eine bereits beendete Amtshandlung. Es steht noch nicht mit der für eine Gebührenerhebung erforderlichen Sicherheit fest, dass diese Maßnahme auch tatsächlich durchgeführt werden wird. Die Kontrolle ist ein ungewisses zukünftiges Ereignis, das von verschiedenen Bedingungen abhängig ist, deren Eintritt nicht so sicher ist, dass es in die Gebührenberechnung einfließen kann. Vielmehr kann die Kontrolle erst eine Gebühr auslösen, wenn sie tatsächlich durchgeführt worden ist. Das bestätigt auch eine Kontrollüberlegung: wenn der Adressat die Gebührenfestsetzung bestandskräftig werden lässt, später aber – warum auch immer – keine Kontrolle stattfindet, stünde der bestandskräftige Kostenbescheid einem Rückforderungsverlangen des Pflichtigen entgegen.
73Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 15. Oktober 2015 – 6 K 4597/14 –, S. 9 des Urteilabdrucks.
74Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Absatz 1, 155 Absatz 1 Satz 3 VwGO. Der Klägerin waren die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da die Beklagte nur zu einem geringen Teil, nämlich lediglich im Hinblick auf festgesetzten Kosten in Höhe von 135,00 Euro, unterlegen ist.
75Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2 711 ZPO.
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