Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 13 K 3343/15
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2015 verpflichtet, an den Kläger eine anteilige Übergangsbeihilfe in Höhe von 4.199,78 Euro brutto zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Zulassungsscheins des Kreiswehrersatzamtes L. vom 9. Mai 1989. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Beklagten zur Zahlung der aufgrund der Erteilung eines Zulassungsscheins einbehaltenen hälftigen Übergangsbeihilfe Zug um Zug gegen dessen Rückgabe.
3Der Kläger war Soldat auf Zeit mit einer Verpflichtungszeit von zwölf Jahren. Seine Dienstzeit endete am 30. Juni 1989. Antragsgemäß erteilte ihm das Kreiswehrersatzamt am 9. Mai 1989 einen Zulassungsschein gemäß § 9 SVG (in der Fassung vom 5. März 1987). Mit Hilfe des Zulassungsscheins konnte sich der Kläger auf die den Inhabern eines solchen Scheins vorbehaltenen Stellen im öffentlichen Dienst bewerben. Er erhielt zudem eine hälftige Übergangsbeihilfe. Nach § 12 Absatz 1, 2 und 3 Satz 1 SVG (in der Fassung vom 24. Juni 1985) behielt die Beklagte die zweite Hälfte der Übergangsbeihilfe zunächst aufgrund des erteilten Zulassungsscheins ein. Gemäß § 12 Absatz 5 Satz 1 SVG in der Fassung vom 24. Juni 1985 konnten Inhaber des Zulassungsscheins unter Rückgabe des Zulassungsscheins die Auszahlung der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe wählen, es sei denn, dass sie mit Hilfe des Zulassungsscheins bereits als Beamte oder dienstordnungsmäßig Angestellte angestellt oder als Angestellte in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit übernommen worden waren.
4Der Kläger bewarb sich zu keinem Zeitpunkt nach Beendigung seiner Dienstzeit auf eine Stelle im öffentlichen Dienst.
5Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der soldatenversorgungsrechtlichen Berufsförderung (Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz – BfFEntwG) vom 4. Mai 2005, verkündet am 12. Mai 2005, BGBl I, Nr. 27, S. 1234, in Kraft getreten am 1. Juni 2005, wurden sowohl § 9 SVG als auch § 12 SVG geändert. In § 9 Absatz 6 Satz 1 SVG wurde unter anderem die Regelung eingeführt, dass das Recht aus dem Zulassungsschein für seinen Inhaber nach Ablauf von acht Jahren nach dessen Erteilung erlischt. Gemäß § 12 Absatz 5 Satz 1 SVG in geänderter Fassung können Inhaber des Zulassungsscheins innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren nach Erteilung des Zulassungsscheins unter dessen Rückgabe die zweite Hälfte der Übergangsbeihilfe wählen, es sei denn, dass das Recht aus dem Zulassungsschein im Sinne des § 9 Absatz 6 erloschen ist.
6Noch vor der Gesetzesänderung vernichtete die Beklagte sämtliche Akten des Klägers aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen. Die Gesetzesänderung teilte sie dem Kläger nicht mit.
7Circa 26 Jahre nach dem Ende seiner Dienstzeit beantragte der Kläger die Auszahlung des ursprünglich einbehaltenen Anteils der Übergangsbeihilfe mit am 2. Januar 2015 beim Karrierecenter der Bundeswehr E. , Berufsförderungsdienst N. (im Folgenden: C. ) eingegangenen Schreiben. Er begründete den Antrag damit, dass er nicht über die Gesetzesänderung informiert worden sei und weiterhin davon ausgehe, dass die Rückgabe des Zulassungsscheins gegen Auszahlung der restlichen Übergangsbeihilfe unbefristet möglich sei. Der C. lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. Januar 2015 ab mit der Begründung, dass aufgrund des am 1. Juni 2005 in Kraft getretenen Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes das Recht aus dem Zulassungsschein einer zeitlichen Begrenzung unterliege. Nach § 9 Absatz 6 SVG i.V.m. § 12 Absatz 5 SVG sei nach Ablauf von acht Jahren keine Auszahlung der einbehaltenen Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins mehr möglich. Auch für die vor Inkrafttreten des Gesetzes ausgehändigten Zulassungsscheine sei daher die Rückgabefrist mit Ablauf des 31. Mai 2013 beendet. Die Übergangsvorschrift des § 98 SVG könne nicht auf den Kläger angewendet werden, da hierunter nach dem Wortlaut nur Versorgungsempfänger fielen, d.h. Personen, die zum gesetzlichen Stichtag tatsächlich Versorgungsleistungen bezogen hätten.
8Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 1. Februar 2015 Widerspruch ein und führte aus, dass es einen Bestandsschutz für „alte Verträge“ gebe und der „Gesetzgeber“ verpflichtet gewesen sei, ihm die Änderung mitzuteilen, damit er hätte entsprechend reagieren können. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: BAPersBw) wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2015 als unbegründet zurück. Das BAPersBw ergänzte die rechtlichen Ausführungen des Ausgangsbescheides und führte aus, dass auch die im Jahr 2005 bestehende Möglichkeit der Auszahlung der restlichen Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins den Kläger nicht zu einem Versorgungsempfänger im Sinne der Übergangsvorschrift des § 98 SVG gemacht habe. Aus der nachwirkenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn ergebe sich zudem keine allgemeine Informationspflicht den ehemaligen Bediensteten gegenüber, zumal die Gesetzesänderung zu einem Zeitpunkt stattgefunden habe, in dem der Kläger keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen mehr gehabt habe. Ein erworbenes Recht könne des Weiteren nachträglich durch eine Gesetzesänderung im Wege der zulässigen unechten Rückwirkung obsolet werden.
9Der Kläger hat am 30. April 2015 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, dass er im Zeitpunkt seines Dienstendes ein unbefristetes Recht auf Auszahlung des hälftigen Anteils der Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins erworben habe. Ihm habe daher eine „gesicherte Anwartschaft“ zugestanden. Die Erteilung des Zulassungsscheins sei ein ihn begünstigender Verwaltungsakt, der nur unter den vorliegend nicht gegebenen Voraussetzungen des § 49 VwVfG hätte widerrufen werden können. Sein Vertrauensschutz überwiege die Interessen der Beklagten. Für ihn habe sich erst im Jahr 2014 – aus Anlass eines Arbeitgeberwechsels – die Frage der Inanspruchnahme des Zulassungsscheins gestellt. Die Beklagte habe ihm zudem gemäß § 49 Absatz 6 VwVfG den ihm durch den Widerruf entstehenden Vermögensnachteil zu entschädigen. Als juristischem Laien könne ihm nicht vorgeworfen werden, dass ihm die Gesetzesänderung vom 1. Juni 2005 nicht bekannt gewesen sei. Vielmehr habe ihn die Beklagte aufgrund ihrer nachwirkenden Fürsorgepflicht als Inhaber eines Zulassungsscheins über die Rechtsänderung informieren müssen. Der rückwirkende Eingriff des Gesetzgebers in eine bestehende Forderung verletzte zudem sein Grundrecht aus Art. 14 GG, da seine Anwartschaft als Eigentumsrecht zu werten sei.
10Der Kläger hat zunächst die Zahlung einer Übergangsbeihilfe in Höhe von 3.834,69 Euro beantragt, hat nunmehr den Betrag aufgrund der Angaben der Beklagten erhöht und beantragt sinngemäß,
11die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2015 zu verpflichten, an den Kläger eine anteilige Übergangsbeihilfe in Höhe von 4.199,78 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Zulassungsscheins des Kreiswehrersatzamtes L. vom 9. Mai 1989,
12hilfsweise,
13festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger dem Grunde nach die hälftige Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des vorbezeichneten Zulassungsscheines zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, dass durch die Aushändigung des Zulassungsscheins keine „Anwartschaft“ auf die Auszahlung der hälftigen Übergangsbeihilfe entstanden sei, da dieser kein Teil der Versorgungsansprüche sei. Der Zulassungsschein habe die von der Versorgung mit finanziellen Leistungen abzugrenzende Funktion, die Eingliederung der Soldaten auf Zeit in das zivile Erwerbsleben zu erleichtern. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung der Achtjahresfrist im Jahr 2005 in einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen und die Rechtsposition des Klägers nachträglich entwertet. Es gebe jedoch keinen generellen Vertrauensschutz auf den Fortbestand von Gesetzen. Die Regelung unterliege nicht den Voraussetzungen des § 49 VwVfG. Zudem habe der Kläger mit gesetzlichen Änderungen rechnen müssen. Die Frist von acht Jahren ab Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung sei ausreichend für die Ausübung des Wahlrechts. Diese unechte Rückwirkung verstoße auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip. Die vom Kläger geltend gemachte nachwirkende Fürsorgepflicht des Dienstherrn könne zudem nicht unbegrenzt lange bestehen. Nach seinem Ausscheiden im Jahr 1989 hätten dem Kläger noch drei Jahre Übergangsgebührnisse zugestanden. Die Möglichkeit zur Nutzung von anderen Berufsförderungsansprüchen habe fünf Jahre nach seinem Ausscheiden geendet. Da vor der Gesetzesänderung bereits die Akten des Klägers aufgrund des Ablaufs der Aktenaufbewahrungsfristen vernichtet worden seien, habe die Beklagte vor diesem Hintergrund weder die Veranlassung noch die Möglichkeit gehabt, den Kläger zu informieren.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag als Verpflichtungsklage zulässig und im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
19Die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 1. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Absatz 5 VwGO. Der Kläger hat Anspruch auf Auszahlung der anteiligen Übergangsbeihilfe gemäß § 12 Absatz 5 Satz 1 SVG in der Fassung vom 24. Juni 1985 in Höhe von 4.199,78 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des Zulassungsscheins.
20Dem Anspruch des Klägers steht nicht die Fristenregelung des § 12 Absatz 5 Satz 1 SVG in der derzeit gültigen Fassung vom 21. Juli 2012 entgegen, wonach Inhaber eines Zulassungsscheins innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren nach Erteilung des Zulassungsscheins unter dessen Rückgabe die Übergangsbeihilfe nach Absatz 2 wählen können. Zwar ist diese Frist sowohl bei Fristbeginn ab Erteilung des Zulassungsscheins als auch bei Fristbeginn ab der Gesetzesänderung im Jahr 2005, wie es die Beklagte praktiziert, abgelaufen. Der Anspruch des Klägers richtet sich jedoch gemäß der Übergangsregelung des § 98 Absatz 1 Satz 1 SVG nach § 12 SVG in der Fassung vom 24. Juni 1985. Diese Fassung sah in ihrem Absatz 5 keine Befristung des Rückgaberechts vor. Die Übergangsregelung des § 98 Absatz 1 Satz 1 SVG wurde – wie auch die Befristung des Zulassungsscheins nach § 9 Absatz 6 SVG und der Rückgabemöglichkeit nach § 12 Absatz 5 SVG – mit dem Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz in das SVG aufgenommen und bestimmt, dass sich die Rechtsverhältnisse der bei Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes vorhandenen Versorgungsempfänger nach bisherigem Recht regeln, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger ist.
21Der Kläger ist als Versorgungsempfänger im vorstehenden Sinne anzusehen, da er aufgrund des bedingten Anspruchs auf hälftige Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins zum Stichtag des Inkrafttretens der Gesetzesänderung am 1. Juni 2005 Inhaber eines Versorgungsanspruchs war. Dieser Anspruch auf Zahlung war zwar bedingt, hing jedoch allein von der Geltendmachung durch den Kläger und der Voraussetzung ab, dass der Kläger nicht bereits mit Hilfe des Zulassungsscheins eine Stelle im öffentlichen Dienst angetreten hatte. Unter dem Begriff Versorgungsempfänger ist nicht nur derjenige zu verstehen, der im Zeitpunkt der Gesetzesänderung regelmäßige Leistungen erhielt. Vielmehr umfasst der Begriff des Versorgungsempfängers im SVG alle Arten der hierin vorgesehenen Versorgung. Darunter fällt gemäß § 3 Absatz 4 Nr. 3 SVG auch die Übergangsbeihilfe, die trotz ihrer Rechtsnatur als einmalige Auszahlung ausdrücklich der Versorgung zugeordnet ist. Es ist nicht ersichtlich, dass von der Übergangsvorschrift des § 98 Absatz 1 Satz 1 SVG einzelne Versorgungsleistungen ausgeschlossen sein sollten. Vielmehr spricht in systematischer Hinsicht die Regelung des § 98 Absatz 1 Satz 1, 2. Halbsatz SVG für eine extensive Auslegung des Begriffs des Versorgungsempfängers. Danach gilt § 98 Absatz 1 Satz 1, 1. Halbsatz SVG für die erweiterten Förderungszeiträume nur, soweit dies mit dem Dienstzeitende der Versorgungsempfänger vereinbar ist. Die erweiterten Förderungszeiträume sind solche des § 5 Absatz 4 SVG, der nach § 3 Absatz 2 Nr. 4 SVG der Berufsförderung und nicht der Versorgung im eigentlichen Sinne zuzurechnen ist. Der Gesetzgeber ging demnach davon aus, dass grundsätzlich auch Vorschriften über die Berufsförderung unter die Übergangsvorschrift des § 98 Absatz 1 Satz 1 SVG fallen, da ansonsten die Ausnahmeregelung im zweiten Halbsatz nicht notwendig gewesen wäre. Ob aufgrund dieser extensiven Verwendung des Versorgungsbegriffs im Soldatenversorgungsgesetz bereits die Inhaberschaft eines Zulassungsscheins den Kläger zu einem Versorgungsempfänger im Sinne der Übergangsvorschrift macht, kann dahinstehen, da zumindest der bedingte Anspruch auf die hälftige Übergangsbeihilfe einen Anspruch auf Versorgungsleistung darstellt.
22Ähnlich VG N. , Urteil vom 4. September 2014 – 5 K 1329/12 – juris; a.A. VG Koblenz, Urteil vom 4. März 2015 – 2 K 443/14.KO –; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. September 2015 ‑ 10 A 10387/15.OVG –.
23Für diese Auslegung spricht auch der Sinn und Zweck der Übergangsregelung, den im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Berufsförderungsentwicklungsgesetzes vorhandenen Besitzstand der Versorgungsempfänger zu wahren. Hierunter fällt auch das Recht des Klägers, den Zulassungsschein gegen Auszahlung der hälftigen Übergangsbeihilfe zurückzugeben. Auch die Beklagte ist offensichtlich davon ausgegangen, dass die Achtjahresfrist nicht ohne Weiteres für Inhaber eines vor der Gesetzesänderung erteilten Zulassungsscheines gelten sollte, sondern vielmehr eine Übergangsregelung notwendig sei. Dieser Einschätzung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass für Inhaber des Zulassungsscheins – nach ihrer Auslegung – die achtjährige Rückgabefrist erst mit der Gesetzesänderung im Jahr 2005 begann. Die Regelung des § 12 Absatz 5 Satz 1 SVG sieht dies ihrem Wortlaut nach nicht vor. Vielmehr regelt die Übergangsvorschrift des § 98 Absatz 1 Satz 1 SVG diesen Fall, indem sie die Anwendung des alten Rechts bestimmt und in § 98 Absatz 1 Satz 1, 2. Halbsatz und Sätze 3 bis 4 SVG Ausnahmen von der umfänglichen Geltung der geänderten Vorschriften anordnet.
24Das bisherige Recht ist aufgrund der unbefristeten Rückgabemöglichkeit des Zulassungsscheins gegen Auszahlung der hälftigen Übergangsbeihilfe für den Kläger günstiger und damit gemäß § 98 Absatz 1 Satz 1, 1. Halbsatz SVG auf ihn anzuwenden.
25Der Regelung des § 12 Absatz 5 SVG ist auch nicht aufgrund der Auslegung des Begriffs der Übergangsbeihilfe als temporäre Hilfestellung eine immanente Frist zu entnehmen. Dagegen spricht schon die Gesetzessystematik, da andere Übergangshilfen wie die Zahlung von Übergangsgebührnissen gemäß § 11 Absatz 2 SVG bereits in der Fassung vom 5. März 1987 konkret befristet waren. Auch die gesetzliche Regelung der Übergangsbeihilfe unterlag noch 1969 – vor der Änderung durch das Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz – einer ausdrücklichen zeitlichen Begrenzung durch eine befristete Geltung des Rechts auf Rückgabe des Zulassungsscheins. Aus der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Eingliederungsgesetzes für Soldaten auf Zeit (EinglG) aus dem Jahr 1969 ergibt sich, dass zu diesem Zeitpunkt die Rückgabe des Zulassungsscheins nur während einer Frist von drei Jahren – der Dauer des Bezugs von Übergangsgebührnissen – möglich war. Wie bereits dargestellt, führte der Gesetzgeber im Jahr 2005 erneut eine Befristung der Rückgabemöglichkeit auf nunmehr acht Jahre ein. Demnach ging der Gesetzgeber davon aus, dass der Umtausch des Zulassungsscheins gegen die hälftige Übergangsbeihilfe vorher mangels ausdrücklicher Regelung ohne zeitliche Begrenzung möglich war.
26Der Geltendmachung des Anspruchs steht auch nicht die von Amts wegen zu prüfende Verwirkung entgegen. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde.
27Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1982 – 6 C 92.78 – juris; OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 1993 – 12 A 333/91 – juris.
28Für die Annahme einer Verwirkung sind demnach sowohl ein Zeit- als auch ein Umstandsmoment erforderlich. Zwar hat der Kläger den Auszahlungsanspruch gegen Rückgabe des Zulassungsscheins erst fast 26 Jahre nach der Beendigung seiner 12-jährigen Dienstzeit geltend gemacht. Jedoch liegen daneben nicht die eine Verwirkung rechtfertigenden besonderen Umstände vor. Die Beklagte hätte dem Kläger bis zur Mitte des Jahres 2013 – mithin bis zu 24 Jahre nach Ablauf seiner Dienstzeit – die hälftige Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins ohne Weiteres gewährt. Es fehlt zudem an einem Verhalten des Klägers, das die Beklagte dazu veranlasst hätte, darauf zu vertrauen, dass der Kläger seinen Anspruch nicht mehr geltend machen würde. Die bloße Aufnahme einer privatrechtlichen beruflichen Tätigkeit steht der Geltendmachung der Übergangsbeihilfe nicht entgegen, da das Gesetz daran – anders als an die Aufnahme einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst mithilfe des Zulassungsscheins gemäß § 12 Absatz 5 Satz 1 SVG – keine Folgen für die Übergangsbeihilfe knüpft.
29Dem Kläger steht kein Anspruch auf Prozesszinsen entsprechend §§ 291, 288 BGB zu, da die Zahlung gemäß § 12 Absatz 5 Satz 1 SVG von der Rückgabe des Zulassungsscheins und damit von einer Gegenleistung abhängig ist. Nach §§ 291, 288 BGB sind allerdings nur fällige und durchsetzbare Ansprüche verzinslich. Auch beseitigt ein potentieller Annahmeverzug der Beklagten entsprechend §§ 293 ff. BGB nicht ihr Zurückbehaltungs-recht.
30Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Juli 2003 – 23 U 78/02, I-23 U 78/02 – juris.
31Aufgrund des Erfolgs des Hauptantrages in Bezug auf die geltend gemachte Hauptforderung war über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Absatz 1 Satz 3 VwGO. Der abgelehnten Zinsforderung kommt im Verhältnis zu der geltend gemachten Hauptforderung nur geringes Gewicht zu. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Absatz 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
33Beschluss:
34Der Streitwert wird auf 4.199,78 Euro festgesetzt.
35Gründe:
36Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Absatz 3 Satz 1 GKG erfolgt.
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Referenzen
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- 5 K 1329/12 1x (nicht zugeordnet)
- 12 A 333/91 1x (nicht zugeordnet)
- SVG § 9 5x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- VwGO § 155 1x
- SVG § 12 13x
- VwVfG § 49 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes 3x
- SVG § 5 1x
- §§ 293 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- SVG § 98 9x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- 23 U 78/02 2x (nicht zugeordnet)
- SVG § 11 1x
- VwGO § 113 1x
- 2 K 443/14 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 2x
- BGB § 291 Prozesszinsen 2x