Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 24 K 17627/17
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund des urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der jeweils vollstreckbaren Kosten leistet.
1
Tatbestand:
2Die Kläger sind Eheleute kosovarischer Staatsangehörigkeit. Ihr im Bundesgebiet lebender Sohn ist deutscher Staatsangehöriger und verheiratet mit einer Frau, die 1990 aus dem Herkunftsland ins Bundesgebiet eingereist und im Sommer 1992 unter - ihrem Vortrag nach damals rechtlich notwendiger - Aufgabe der vormals kroatischen Staatsangehörigkeit eingebürgert worden ist.
3Die Kläger sind im Mai 2017 mit einem seinerzeit noch mehrere Monate gültigen Schengen-Visum eingereist, das in ungültig gestempelte (gelochte) Pässe älteren Datums eingeklebt war; in ihren jüngeren gültigen Nationalpässen finden sich keine Visa. Sie lebten zunächst mit Sohn und Schwiegertochter zusammen und wollen auf Dauer hier leben.
4Im Mai 2017 beantragten die Kläger unter Verweis auf die Freizügigkeit ihrer Schwiegertochter die Ausstellung von Aufenthaltskarten-EU nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU sowie die sofortige Ausstellung von diesbezüglichen Bescheinigungen nach Satz 2 der Norm.
5Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach trotz Fristverlängerung ertraglos gebliebener Anhörung mit der hier angefochtenen Ordnungsverfügung vom 29. September 2017 ab mit der Begründung, die Schwiegertochter sei wegen ihrer deutschen Staatsangehörigkeit nicht geeignet, die erstrebte Familienzusammenführung auf der Basis des FreizügG/EU zu bewerkstelligen, und die Voraussetzungen für ein nationales Aufenthaltsrecht seien mangels Darlegungen zu einer etwaigen außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG nicht erfüllt. Sie forderte die Kläger zur Ausreise binnen 14 Tagen ab Zustellung auf und drohte ihnen für den Fall fruchtlosen Ablaufs dieser Frist die Abschiebung nach Kosovo an, deren Wirkungen sie auf 1 Jahr ab Durchführung befristete.
6Mit der - nach der Ende Juli und mithin im zeitlichen Geltungsbereich der Visa erfolgten tatsächlichen Ausreise - am 30. Oktober 2017 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und machen geltend, mit Blick auf das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV dürfe den Klägern nicht vorgehalten werden, dass ihre Schwiegertochter inzwischen nur noch deutsche Staatsangehörige sei.
7Nachdem das Gericht diese Klage durch Gerichtsbescheid vom 13. August 2018 abgewiesen hatte, haben die Kläger am 23. August 2018 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und ergänzend Bezug genommen auf das Urteil des EuGH vom 8. Juni 2017 (C-541/17 - juris, insbes. Rdnr. 36):Die Kläger beantragen,
8die Beklagte unter Aufhebung ihrer Ordnungsverfügung vom 29. September 2017 zu verpflichten, den Antrag der Kläger auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte-EU und einer Bescheinigung gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
12Entscheidungsgründe:
13Die Klage hat keinen Erfolg
14I. Nachdem die Prozessbevollmächtigten trotz des diesbezüglichen Hinweises in dem Gerichtsbescheid nach wie vor eine ladungsfähige Anschrift der nach Auskunft der Beklagten bereits seit dem Frühjahr wieder (nur) im Ausland aufhältigen Kläger beigebracht haben, ist die Klage schon unzulässig. Auf die insoweit herangezogene Rechtsprechung des Obergerichts war im Gerichtsbescheid bereits verwiesen worden.
15II. Auch jenseits dessen wäre die Klage (weiterhin) unbegründet.Dass und warum die Ordnungsverfügung vom 29. September 2017 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, hat das Gericht bereits in seinem Gerichtsbescheid dargelegt:
16Es fehlt an den Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlagen (§ 5 FreizügG/EU, § 36 AufenthG), so dass der Beklagten auch kein Ermessen eingeräumt ist. Das Gericht folgt insoweit im Wesentlichen der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung, sieht deshalb gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und führt ergänzend aus:
17Die Kläger sind als Eltern des Ehegatten der Schwiegertochter Familienangehörige isd § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU.
18Jedoch ist die Schwiegertochter keine der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Unionsbürger im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. Sie genießt als deutsche Staatsangehörige im Bundesgebiet keine Freizügigkeit nach dem FreizügG/EU, weil dieses Gesetz in ordnungsgemäßer Umsetzung der sich aus Art 3 Abs. 1 der EG-Freizügigkeits-Richtlinie
19Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten - Abl. Nr. L 158 S. 77 (Unionsbürger-Richtlinie)
20ergebenden Verpflichtungen nach seinem § 1 Anwendung findet nur auf Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Sie vermag deshalb die Eigenschaft als Zusammenführende nicht zu entfalten.
21Die Schwiegertochter ist in die Bundesrepublik Deutschland eingereist als Drittstaatsangehörige auf der Basis des damals hier geltenden Ausländerrechts. Mit der Einbürgerung ist sie Unionsbürgerin geworden, hat von dem damit verbundenen Recht auf Freizügigkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht, weil sie seither nur im Bundesgebiet, also dem Staat ihrer Staatsangehörigkeit lebt. Die mit dem Status der Unionsbürgerschaft latent verbundenen europarechtlichen Rechte zu Einreise und Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat (vgl. Art 3 Unionsbürger-Richtlinie) hat sie nie aktiviert, weil sie zu keiner Zeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gelebt hat. Sie hat dieser ihr in ihrer Eigenschaft als deutsche Staatsangehörige zugewachsenen Rechte also nie bedurft und sie nie genutzt; mangels Binnenmigration ist sie auch keine Rückkehrerin. Bei Beitritt des Staates ihrer vormaligen Staatsangehörigkeit war sie bereits Deutsche und Unionsbürgerin.Als Kroatin ist sie zu keiner Zeit freizügigkeitsberechtigt gewesen und als Freizügigkeitsberechtigte nicht Kroatin. Als Unionsbürgerin deutscher Staatsangehörigkeit hat sie zu keiner Zeit eine Binnenmigration vollzogen.
22Insofern ist auch eine Schlechterstellung der Schwiegereltern einer Deutschen im Vergleich zu denen einer Kroatin für das Gericht nicht auszumachen, weil die Schwiegertochter Kroatin war nur zu einer Zeit, als dies die Schwiegereltern mangels Zugehörigkeit Kroatiens zur Europäischen Union freizügigkeitsrechtlich nicht hätte privilegieren können, und diese Fähigkeit durch die Annahme allein der deutschen Staatsangehörigkeit bereits verloren hatte, bevor mit dem Beitritt Kroatiens eine solche Privilegierung erstmals hätte eintreten können.
23Einer vertiefenden Würdigung der zum Beleg des vermeintlichen europarechtlichen Diskriminierungsverbotes seitens der Kläger angeführten Judikate des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften bedarf es nicht. Denn diese Entscheidungen betreffen Konstellationen, bei denen es um Menschen mit weiter bestehender doppelter Staatsangehörigkeiten in zwei Mitgliedstaaten geht, was bei der Schwiegertochter der Kläger nicht der Fall ist.
24Diese Auslegung führt auch zu keiner europarechtlich möglicherweise bedenklichen Behinderung der Schwiegertochter in der etwaigen Wahrnehmung ihres aus dem Status der Unionsbürgerschaft fließenden Freizügigkeitsrechtes, weil eine solche in ihrer Migration in einen anderen Mitgliedstaat bestünde, die - so gewünscht - durch die Versagung eines freizügigkeitsrechtlich fundierten Aufenthaltsrechtes für ihre kosovarischen Schwiegereltern nicht erkennbar beeinträchtigt wäre.
25Ob die Rechtslag unter Umständen anders zu beurteilen wäre, wenn die Schwiegertochter von der vorgetragenen Möglichkeit des Rück- und/oder Zu-Erwerbs der kroatischen Staatsangehörigkeit Gebrauch gemacht und wieder die Staatsangehörigkeiten zweier Mitgliedstaaten hätte, kann daher einstweilen auf sich beruhen.Freilich hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof
26in seinem Beschluss vom 19. Februar 2010 - 10 ZB 09.2584 - juris - LS und Rdnr. 9 ff,
27festgestellt, dass sich ein Drittstaatsangehöriger im Kontext der Familienzusammenführung nicht auf die Anwendung von Gemeinschaftsrecht berufen kann, wenn der deutsche Ehegatte zwar auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt, von seinem Freizügigkeitsrecht aber noch nie Gebrauch gemacht hat. Dort ist ferner erklärt, warum diese Auslegung auch mit der grundsätzlichen Verleihung der Unionsbürgerschaft in Art. 20 Abs. 1 AUEV vereinbar ist.
28Für die mithin allein nach dem AufenthG zu beurteilende Familienzusammenführung fehlt es in an Vortrag zu einer etwaigen außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG. Das gleiche gilt für ein etwaiges anhaltendes rechtliches Ausreisehindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG, selbst wenn man diese Bestimmung trotz systematischer Bedenken
29vgl. dazu etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,Urteil vom 3. Dezember 2009 – 18 A 323/09 -;u.V.a. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 4. September 2007 – 1 C 4.06 -,
30Gerichtsbescheide des Gerichtsvom 8. November 2017 – 24 K 15302/17 -;vom 7. August 2018 - 24 K 5049/18 -
31neben den tatbestandlich nicht gegebenen Vorschriften über die Familienzusammenführung in den §§ 27 ff AufenthG für anwendbar halten wollte.
32III. Der in der mündlichen Verhandlung und dem darauf gerichteten Antrag eingebrachte Vortrag gibt zu abweichender Beurteilung im Ergebnis keinen Anlass.Insbesondere ist nach Ansicht des Gerichts die nun angeführte Entscheidung des EuGH auch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil auch ihr ein in einem entscheidenden Umstand abweichender Sachverhalt zugrunde liegt, indem nämlich der dortige Kläger neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates ist, wohingegen die Schwiegertochter der Kläger dies zu keiner Zeit, sondern erst nur Kroatin und dann nur Deutsche war.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
34Rechtsmittelbelehrung:
35Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
36Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
37Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
38Die Berufung ist nur zuzulassen,
391. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
402. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
413. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
424. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
435. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
44Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
45Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
46Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).
47Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- § 25 Abs. 5 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 27 ff AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 36 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 18 A 323/09 1x (nicht zugeordnet)
- 24 K 5049/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VwGO § 117 1x
- VwGO § 167 1x
- § 36 Abs. 2 AufenthG 2x (nicht zugeordnet)
- 24 K 15302/17 1x (nicht zugeordnet)