Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 6 K 8870/19
Tenor
Die verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten vom 18. Juni 2019 zur Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h auf der S.----straße in N. zwischen der O. Straße und dem Ortsausgang N. durch 16 Zeichen 274 der StVO wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die S.----straße in N. verläuft von einer Kreuzung mit der O. Straße, an der sie der E. Straße entspringt, bis zu einer Autobahnbrücke der A 00. Vor der Autobahnbrücke befindet sich ein Ortsausgangsschild von „N. “, dahinter ein Ortseingangsschild von „O1. “, hinter dem die Straße zur C.------straße wird. Die S.----straße ist jeweils in beide Fahrtrichtungen mit einer Fahrspur befahrbar.
3Von der O. Straße kommend gehen von der S.----straße die Straßen Von-C1. -Straße, Am L. , T.-----weg , der auch wieder in die S.----straße einmündet, Am L1. , Am G. und Am X.---pfad ab, bevor die S.----straße den M. Weg kreuzt. Zwischen der – in alle Richtungen beampelten – Kreuzung mit dem M. Weg und der Autobahnbrücke geht von der S.----straße der I.-----weg ab.
4Im ersten Abschnitt der S.----straße (O. Straße bis M. Weg) befinden sich im Wesentlichen Wohnbebauung und kleinere Geschäfte/Dienstleistungsunternehmen. Im Bereich der Von-C1. -Straße befindet sich eine Fußgängerampel sowie die Bushaltestelle Von C1. -Straße. Zwischen den Straßen Am G. und Am X.---pfad befindet sich eine Biegung. Dahinter liegt in der Fahrtrichtung O. Straße die Bushaltestelle Am X.---pfad . Etwa zwischen der Biegung und der Einmündung des Sonnenwegs in die S.----straße besteht in dieser Fahrtrichtung zudem die Möglichkeit, auf der Fahrspur der S.----straße zu parken. Im zweiten Abschnitt der S.----straße (M. Weg bis zur Autobahnbrücke) sind neben der Bushaltestelle Am X.---pfad ebenfalls vorrangig Wohnbebauung sowie zum Ende der Straße hin Supermärkte gelegen.
5Mit Beschlussvorlage vom 15. Mai 2019 (XX0/0000/0000), auf deren Inhalt Bezug genommen wird, wurde dem Bau- und Umweltausschuss der Stadt N. vorgeschlagen, für die S.----straße zwischen E. Straße und Stadtgrenze ein LKW-Verbot mit Lieferverkehr frei zu beschließen und die Verwaltung damit zu beauftragen, die Beschilderung in Abstimmung mit der Stadt O1. auszuführen. In der Beschlussvorlage wurde – übereinstimmend mit den Angaben in einer im Verwaltungsvorgang befindlichen E-Mail zwischen Mitarbeitern der Stadt N. vom 8. Mai 2019, auf die verwiesen wird – unter anderem ausgeführt, dass im Rahmen von auf der S.----straße durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen die „85 %-Geschwindigkeit“ (V85) in der Höhe der Straße Am L1. im Wohnbereich bei etwa 33 bis 45 km/h und in der Höhe der Autobahnbrücke bei etwa 53 bis 60 km/h gelegen habe. Die S.----straße sei kein Unfallschwerpunkt, der eine eventuelle Reduzierung auf 30 km/h rechtfertigen könnte. Auch seien keine besonders sensiblen Einrichtungen, wie zum Beispiel Kindergärten, Altenheime und so weiter an der S.----straße .
6In der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am 4. Juni 2019 berichtete ausweislich der Niederschrift, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, der Technische Beigeordnete B. nach dem Beschluss über diesen Antrag, dass ein Bürgerantrag vorliege, in dem Tempo 30 auf der S.----straße gefordert werde. Ausweislich der Niederschrift wurde diese Forderung von den Ausschussmitgliedern begrüßt, die einen entsprechenden gemeinsamen Antrag formulierten. Sodann beschloss der Bau- und Umweltausschuss in dieser Sitzung einstimmig, auf der S.----straße bis zur Stadtgrenze Tempo 30 anzuordnen. Weitere Erwägungen dazu finden sich im Verwaltungsvorgang nicht.
7Unter dem 18. Juni 2019 wurde von der Beklagten entsprechend dem Beschluss des Bau- und Umweltausschusses angeordnet, gemäß dem beiliegenden Plan, auf dessen Inhalt verwiesen wird, die VZ 274-30 der StVO auf der S.----straße aufzustellen und die Beschilderung gegebenenfalls vor Ort anzupassen.
8Mit Schreiben vom 21. September 2019 wandte der Kläger sich an die Beklagte und beantragte die Aufhebung der verkehrsrechtlichen Anordnung betreffend die VZ 274 der StVO auf der S.----straße zwischen der O. Straße und der Stadtgrenze O1. . Er wohne in N. -C2. und befahre täglich auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle in E1. die S.----straße . Vor zwei Monaten habe er feststellen müssen, dass die Höchstgeschwindigkeit dort auf 30 km/h abgesenkt worden sei. Als Rechtsgrundlage kämen ausschließlich § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 StVO in Betracht, deren Voraussetzungen nicht vorlägen.
9Unter dem 11. November 2019 lehnte die Beklagte den Antrag unter Verweis auf den Beschluss des Bau- und Umweltausschusses vom 4. Juni 2019 ab.
10Der Kläger hat am 18. Dezember 2019 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, ein sachlicher Grund für eine Geschwindigkeitsreduzierung auf der gesamten S.----straße sei nicht gegeben. Im Übrigen habe der Bau- und Umweltausschuss in seiner Sitzung am 4. Juni 2019 kein Ermessen ausgeübt, sondern ohne jegliche Auseinandersetzung den Bürgerantrag auf Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit angenommen.
11Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
12die verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten, wonach auf der S.----straße zwischen der O. Straße und dem Ortsausgang N. durch Zeichen 274 der StVO im Juli 2019 eine Geschwindigkeitsbeschränkung vom 30 km/h angeordnet wurde, aufzuheben.
13Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
14die Klage abzuweisen.
15Der Berichterstatter hat am 6. Mai 2021 einen Orts- und Erörterungstermin durchgeführt, auf dessen Protokoll Bezug genommen wird. Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 10. Mai 2021 und vom 21. Mai 2021 erklärt, mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu sein. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Der Einzelrichter ist zur Entscheidung berufen, nachdem ihm die Kammer mit Beschluss vom 26. Mai 2021 nach § 6 Abs. 1 VwGO den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat. Das Urteil kann nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.
18Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig (I.) und begründet (II.).
19I. Die Klage ist zulässig. Sie ist als Anfechtungsklage gegen die eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h anordnenden Verkehrszeichen statthaft, die Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG NRW darstellen,
20vgl. BVerwG, Urteile vom 23. September 2010 – 3 C 37/09 –, juris, Rn. 15, und vom 6. April 2016 – 3 C 10/15 –, juris, Rn. 16.
21Der Kläger ist auch klagebefugt, weil die angegriffenen Verkehrszeichen ihn in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG beschränken, und zwar hier in Gestalt des straßenverkehrsrechtlichen Rechts, eine innerörtliche Straße im Grundsatz unter Einhaltung einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h befahren zu dürfen, vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Kläger mit einer gewissen Regelmäßigkeit oder Nachhaltigkeit von dem Verkehrszeichen betroffen ist,
22vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 – 3 C 15/03 –, juris, Rn. 18 f.
23Die Klage ist schließlich fristgemäß erhoben worden. Gegen Verkehrszeichen beginnt die Klagefrist nicht mit deren Aufstellung, sondern für jeden Verkehrsteilnehmer gesondert erst dann, wenn er dem Verkehrszeichen erstmals gegenübertritt. Da Verkehrszeichen keine Rechtsbehelfsbelehrungen beigegeben sind, beträgt die Klagefrist nicht gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO einen Monat, sondern nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37/09 –, juris, Rn. 14 ff., OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. August 2019 – 8 A 2923/18 –, juris, Rn. 7.
25Diese Frist wurde hier offenkundig gewahrt, da der Kläger im Jahr des Aufstellens der Verkehrszeichen Klage erhoben hat.
26II. Die Klage ist auch begründet. Die in der Entscheidungsformel näher bezeichnete Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf der S.----straße auf 30 km/h ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
27Die vorliegend angegriffene Geschwindigkeitsbeschränkung findet ihre Grundlage nicht in § 45 Abs. 1 und 9 StVO.
28Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO in der derzeit geltenden Fassung können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO dürfen insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Der Anwendung von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO steht dabei vorliegend die Regelung des § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO nicht entgegen. Danach gilt Satz 3 nicht für die Anordnung von innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h (Zeichen 274) nach Absatz 1 Satz 1 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Diese Norm greift vorliegend schon deshalb nicht, weil derartige Einrichtungen an der S.----straße nicht gelegen sind. Dies ergibt sich sowohl aus der Beschlussvorlage vom 15. Mai 2019 als auch aus dem Eindruck, den sich das Gericht vor Ort verschafft hat.
29§ 45 Abs. 1 StVO in Verbindung mit § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO setzt für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine qualifizierte konkrete Gefahrenlage voraus. Diese muss – erstens – auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen sein und – zweitens – das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigen. Die für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs erforderliche Gefahrenlage kann aus einer Gemengelage verschiedener Faktoren bestehen,
30BVerwG, Beschluss vom 23. April 2013 – 3 B 59/12 –, juris, Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 29. Januar 2019 – 8 A 10/17 –, juris, Rn. 27, und vom 6. Juni 2019 – 8 B 821/18 –, juris, Rn. 8.
31Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO können insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen, der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts wird von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nicht gefordert. Die Vorschrift setzt nur – aber immerhin – eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht. Die Beantwortung der Frage, ob eine solche qualifizierte Gefahrenlage besteht, bedarf einer Prognose, für deren Tatsachenbasis der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor der letzten Tatsacheninstanz maßgeblich ist.
32Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 29. Januar 2019 – 8 A 10/17 –, juris, Rn. 27, und vom 6. Juni 2019 – 8 B 821/18 –, juris, Rn. 6 ff.
33Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 9 StVO stehen im Ermessen der zuständigen Behörde (vgl. § 45 Abs. 9 Satz 3 in Verbindung mit § 45 Abs. 1 StVO). Die Auswahl der Mittel, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Bei der Frage, welche von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen den bestmöglichen Erfolg verspricht, steht der Straßenverkehrsbehörde aufgrund ihres Sachverstandes und ihres Erfahrungswissens eine Einschätzungsprärogative zu.
34Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2019 – 8 A 10/17 –, juris, Rn. 29.
35Das Gericht kann die entsprechende behördliche Ermessensentscheidung gemäß § 114 Satz 1 VwGO dabei nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen erkannt, von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat. Der Betroffene kann im Rahmen der behördlichen Ermessensausübung verlangen, dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Einführung der Verkehrsbeschränkung sprechen, abgewogen werden,
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 – 11 C 35/92 –, juris, Rn. 14.
37Nach dieser Maßgabe erweist sich die Geschwindigkeitsbeschränkung auf der S.----straße , die eine Beschränkung des Straßenverkehrs im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO darstellt,
38vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 6 K 4191/18 –, juris, Rn. 46,
39als rechtswidrig. Denn es fehlt vorliegend gänzlich an der Ermessensausübung (Ermessensausfall).
40Der Niederschrift der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses der Stadt N. vom 4. Juni 2019 lassen sich keinerlei Ausführungen zur Ausübung des Ermessens nach den obigen Grundsätzen entnehmen. Weder finden sich dort Angaben zu einer Erörterung der Gründe für eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der S.----straße noch ergibt sich aus der Niederschrift, dass eine Auseinandersetzung mit den in der Beschlussvorlage benannten Aspekten stattgefunden hätte, die gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung sprechen. Vielmehr ist aus der Niederschrift nur ersichtlich, dass die Ausschussmitglieder den vom Technischen Beigeordneten angesprochenen Bürgerantrag zu Tempo 30 auf der S.----straße begrüßt und einen gemeinsamen Antrag formuliert hätten, ohne dass ihr eine ansatzweise inhaltliche Auseinandersetzung mit den für und gegen die Anordnung sprechenden Gründen entnommen werden kann. Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass seitens der Beklagten ein Ermessen ausgeübt worden wäre. Nach dem Beschluss des Bau- und Umweltausschusses wurde dieser ohne Weiteres mit Anordnung vom 18. Juni 2019 umgesetzt.
41Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Ermessen der Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Anordnung auf null reduziert gewesen wäre.
42Dem steht weitgehend bereits – bezogen auf die Gesamtheit der Tempo-30-Strecke – entgegen, dass nach dem Eindruck des Gerichts im Ortstermin auf der S.----straße schon die qualifizierte konkrete Gefahrenlage, die § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO fordert, nicht gegeben ist. Die Straße ist in beide Fahrtrichtungen insgesamt gut einsehbar. So kann von der O. Straße kommend ungehindert der gesamte Abschnitt bis zu der hinter der Straße Am G. liegenden Biegung eingesehen werden. Ist diese Biegung passiert, besteht eine ungestörte Sicht bis zur Autobahnbrücke am Ende der S.----straße . Das Gleiche gilt jeweils auch in der Gegenfahrtrichtung. Erhöhter Querungsbedarf ist keine Gefahrenquelle, da nahezu keine Querungen der S.----straße durch Passanten zu beobachten waren und im Übrigen hierfür Fußgängerampeln zur Verfügung stehen. Weder der Ausbauzustand noch die eher im unteren bis mittleren Bereich liegende Verkehrsbelastung führen zu einer besonderen Gefahrenlage. Auch liegen keine besonders sensiblen Einrichtungen an der S.----straße . Schließlich lässt sich bereits der Beschlussvorlage vom 15. Mai 2019 entnehmen, dass die S.----straße zum damaligen Zeitpunkt, zu dem 50 km/h als gesetzliche Höchstgeschwindigkeit galt (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO), kein Unfallschwerpunkt war. Es ist nicht erkennbar, dass sich daran bis heute etwas geändert hat.
43Nicht ausgeschlossen werden kann eine Gefahrenlage nur in dem Teilstück etwa zwischen der Biegung und der Einmündung des Sonnenwegs, in dem die Möglichkeit besteht, in Richtung O. Straße Fahrzeuge auf der Fahrspur zu parken. Auch diesbezüglich ist aber nicht ersichtlich, dass – selbst wenn eine Gefahrenlage angenommen wird – das Ermessen der Beklagten dahingehend reduziert wäre, dieser spezifisch mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung zu begegnen, zumal insoweit mehrere Handlungsmöglichkeiten in Betracht kämen, zwischen denen im Rahmen einer Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 40 VwVfG NRW eine Auswahl zu treffen wäre.
44Der Kläger wird durch den rechtswidrigen Verwaltungsakt auch in seinen Rechten, namentlich in dem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, verletzt.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
46Rechtsmittelbelehrung:
47Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
48Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
49Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
50Die Berufung ist nur zuzulassen,
511. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
522. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
533. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
544. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
555. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
56Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
57Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
58Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
59Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
60Beschluss:
61Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
62Gründe:
63Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.
64Rechtsmittelbelehrung:
65Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
66Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
67Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
68Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
69Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
70War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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