Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 2 L 1521/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 9.000,- Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
3den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig in den Vorbereitungsdienst für den Laufbahnabschnitt II des gehobenen Polizeivollzugsdiensts des Landes O. – X. im Jahr 2021 einzustellen,
4hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
5Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) das Bestehen eines Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
6Dabei strebt die Antragstellerin vorliegend eine Vorwegnahme der Hauptsache an. Denn eine einstweilige Anordnung, mit der der Antragsgegner verpflichtet würde, die Antragstellerin zum Vorbereitungsdienst für den gehobenen Polizeivollzugsdienst im Jahr 2021 zuzulassen, würde ihr, zumindest zeitlich begrenzt bis zur Entscheidung in der Hauptsache, bereits die Rechtsposition vermitteln, die sie in der Hauptsache erreichen könnte. Geht der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung derart mit einer Vorwegnahme der Hauptsache einher, so sind an das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch hohe Anforderungen zu stellen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kommt im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn sich ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren als überwiegend wahrscheinlich erweist und glaubhaft gemacht ist, dass das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller schwere, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte.
7Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. April 2019 - 5 B 543/19 -, juris, Rn. 3 m.w.N. und vom 20. September 2019 - 5 B 603/19 -, juris, Rn. 8.
8Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
9Zwar ist wirksamer Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren für die Antragstellerin im Hinblick auf den bevorstehenden Einstellungstermin am 1. September 2021 nicht zu erreichen. Auch drohen ihr bei einem Verweis auf das Klageverfahren unzumutbare Nachteile. Denn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens können ‒ auch unter Berücksichtigung eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens ‒ unter Umständen mehrere Jahre vergehen. Die Antragstellerin würde dann nicht nur den diesjährigen Einstellungstermin, sondern gegebenenfalls auch weitere Einstellungstermine in nachfolgenden Jahren nicht wahrnehmen können. Dieser Zeitverlust ist irreversibel, da eine rückwirkende Einstellung zum ursprünglich begehrten Einstellungstermin nicht möglich ist. Ein Abwarten des rechtskräftigen Abschlusses eines Klageverfahrens ist der Antragstellerin vor diesem Hintergrund nicht zuzumuten, zumal es hier um die erstmalige Einstellung als Kommissaranwärterin nach Abschluss der Schulausbildung und damit um den Zugang zum angestrebten Berufsziel einer Polizeivollzugsbeamtin unter Wahrung der Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 12 GG geht.
10Vgl. Beschlüsse der Kammer vom 12. September 2019 - 2 L 2283/19 -, juris, Rn. 10 und vom 18. September 2018 - 2 L 2619/18 -, juris, Rn. 7.
11Es mangelt aber an der erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches durch die Antragstellerin, da sich ihr Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht als überwiegend wahrscheinlich erweist.
12Denn der Antragsgegner darf der Antragstellerin, wie betreffend die hier begehrte Einstellung zum 00. T. 2021 im Anhörungsschreiben vom 00. K. 2021 angekündigt und zuvor bereits betreffend die Einstellung zum 00. T. 2020 in dem Ablehnungsbescheid vom 00. K. 2020 geschehen, den Mangel ihrer charakterlichen Eignung für eine Einstellung entgegenhalten. Eine ‒ noch ausstehende ‒ Entscheidung des Antragsgegners, die Einstellung der Antragsgegnerin zum 00. T. 2021 aufgrund dessen abzulehnen, ist rechtlich voraussichtlich nicht zu beanstanden.
13Dabei weist die Kammer in formeller Hinsicht darauf hin, dass die Anhörung der Antragstellerin mit dem Schreiben vom 00. K. 2021 bereits erfolgt ist und der Personalrat von Rechts wegen nicht zu beteiligen sein wird (vgl. schon § 83 Abs. 2 LPVG NRW, der § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW bei Einstellungen von Kommissaranwärtern für unanwendbar erklärt). Allerdings wird die nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LGG NRW und § 18 Abs. 1 und 2 LGG NRW vorgesehene vorherige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten ‒ wie bei der vorherigen Ablehnung geschehen ‒ vom Antragsgegner zu beachten sein.
14In materieller Hinsicht ist gegen eine Entscheidung des Antragsgegners, die Einstellung der Antragstellerin unter Hinweis auf den Mangel ihrer charakterlichen Eignung abzulehnen, voraussichtlich nichts zu erinnern.
15Die Einstellung eines Bewerbers unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf unterliegt als Ernennung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG den in § 9 BeamtStG genannten Kriterien. Zwingende Voraussetzung ist danach die Eignung, wozu auch die charakterliche Eignung zählt. Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Die Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers in den ‒ im Beamtenverhältnis auf Widerruf abzuleistenden ‒ Vorbereitungsdienst für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Die im Rahmen der Ermessensausübung vom Dienstherrn vorzunehmende Beurteilung der für den Polizeivollzugsdienst erforderlichen persönlichen Eignung des Bewerbers ist ein Akt wertender Erkenntnis, der vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen ist, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
16St. Rspr., vgl. nur OVG NRW, Beschlüsse vom 13. September 2018 - 6 B 1176/18 -, juris, Rn. 10 und vom 7. September 2017 - 6 B 1072/17 -, juris, Rn. 8, jew. m.w.N.; Beschlüsse der Kammer vom 12. September 2019 - 2 L 2283/19 -, juris, Rn. 16 und vom 18. September 2018 - 2 L 2619/18 -, juris, Rn. 13.
17Dabei kommt die Ablehnung der Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes nicht nur oder erst dann in Betracht, wenn der Dienstherr festgestellt hat, dass der Bewerber die erforderliche charakterliche Eignung nicht besitzt, sondern bereits, wenn der Dienstherr berechtigte Zweifel hegt.
18Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2. Dezember 2020 - 1 B 121/20 -, juris, Rn. 28 m.w.N. und vom 7. September 2017 - 6 B 1072/17 -, juris, Rn. 6 ff.; vgl. auch OVG Sachsen, Beschluss vom 25. Januar 2021 - 2 B 444/20 -, juris, Rn. 13; Hessischer VGH, Beschluss vom 28. November 2019 - 1 B 372/19 -, juris, Rn. 24; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. März 2018 - OVG 4 S 19.18 -, juris, Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. März 2017 - 4 S 124/17 -, juris, Rn. 6; Beschlüsse der Kammer vom 12. September 2019 - 2 L 2283/19 -, juris, Rn. 16 und vom 18. September 2018 - 2 L 2619/18 -, juris, Rn. 13.
19Da es zu den Kernaufgaben des Polizeivollzugsdienstes gehört, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu verhindern und zu verfolgen, sind Verstöße in diesem Bereich grundsätzlich geeignet, Zweifel an der charakterlichen Eignung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst zu begründen. Dabei ist nicht erforderlich, dass es zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen ist. Vielmehr sind grundsätzlich auch Verstöße umfasst, bei denen das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, jedenfalls dann, wenn dies wegen geringer Schuld oder gegen Auflagen erfolgt ist.
20Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2. Dezember 2020 - 1 B 121/20 -, juris, Rn. 26, und vom 18. Dezember 2018 - 6 A 2903/18 -, juris, Rn. 6; OVG Sachsen, Beschluss vom 25. Januar 2021 - 2 B 444/20 -, juris, Rn. 12; Hessischer VGH, Beschluss vom 28. November 2019 - 1 B 372/19 -, juris, Rn. 25; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. März 2018 - OVG 4 S 19.18 -, juris, Rn. 6; VG Kassel, Beschluss vom 19. April 2021 - 1 L 2415/20.KS -, juris, Rn. 43; Beschluss der Kammer vom 12. September 2019 - 2 L 2283/19 -, juris, Rn. 18, 21.
21Gemessen daran überschreitet der Antragsgegner seinen Beurteilungsspielraum nicht, indem er seine Zweifel an der charakterlichen Eignung auf die gegen die Antragstellerin geführten, jeweils gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft E. ,000 Xx 0000/00 und 000 Xx 000/00, stützt. Der Antragsgegner verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass die Antragstellerin als Polizeibeamtin zu einem Verhalten verpflichtet wäre, das der Achtung und dem Vertrauen gerecht werde, welches der Beruf erfordere, und hierzu insbesondere die Beachtung von Rechtsnormen gehöre.
22Dabei geht der Antragsgegner betreffend das Ermittlungsverfahren 000 Xx 0000/00 wegen des Verdachts des Betruges zunächst von einem zutreffenden Sachverhalt aus. Diesem Verfahren lag unstreitig ein strafrechtlich relevantes Verhaltens der Antragstellerin zugrunde. So hat die Antragstellerin den Vorwurf, am 00. K1. 0000 ohne ein gültiges Ticket mit der S-Bahn gefahren und dem Kontrolleur ein auf ihrem Smartphone befindliches Bild des Semestertickets einer Freundin vorgezeigt zu haben, eingeräumt und vorgebracht, es habe sich um eine Kurzschlussreaktion gehandelt. Soweit sie geltend macht, ihr Fehlverhalten zu bedauern, war dies ausweislich der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 3. Dezember 2018 einer der Gründe für die Einstellung des Verfahrens (Bl. 41 der Ermittlungsakte), ändert jedoch nichts daran, dass die Verfehlung Eignungszweifel des Antragsgegners begründen kann. Dies gilt auch ‒ ohne dass es im Rahmen der Eignungsprüfung darauf ankommt, ob die Tat deshalb nur auf Antrag hätte verfolgt werden können, wie die Antragstellerin vorbringt ‒ mit Blick auf die Geringwertigkeit des Schadens in Höhe des Ticketpreises von 2,80 Euro. Die unter Berücksichtigung dieser Umstände getroffene bzw. zu treffende Entscheidung des Antragsgegners, die Verfehlung der Antragstellerin dennoch heranzuziehen, erweist sich als beurteilungsfehlerfrei. Dabei stellt der Antragsgegner zu Recht unter anderem darauf ab, dass die Antragstellerin durch die Tatbegehung ein gegenüber dem bloßen Fahren ohne Fahrschein erhöhtes Maß an krimineller Energie gezeigt habe. Überdies habe sie die Straftat und den dem öffentlichen Personenverkehr durch sog. Schwarzfahrten insgesamt entstehenden großen Vermögensschaden verharmlost. Diese Erwägung ist mit Blick auf darauf, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin ‒ dieser zurechenbar ‒ ihr Vergehen als „Lappalie“ (Bl. 9 des Verwaltungsvorgangs, Beiakte Heft 2) bzw. „Nichtigkeit“ (Bl. 18 des Verwaltungsvorgangs, Beiakte Heft 2) bezeichnet hat, nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner stellt insoweit beurteilungsfehlerfrei darauf ab, dass die Antragstellerin als Polizeibeamtin entsprechende Straftaten zu verfolgen hätte und deren Verharmlosung dagegen spreche, dass bei der Antragstellerin ein ausreichendes Bewusstsein, dass Polizeibeamte kraft ihres Amtes Recht und Gesetz zu dienen haben und damit nicht in Konflikt geraten dürfen, vorhanden sei. Dabei wäre ein normgetreues Verhalten der Antragstellerin, wie der Antragsgegner weiter zutreffend vorbringt, umso mehr zu erwarten gewesen, da sie sich bereits vor dem Tatzeitpunkt für die Einstellung als Polizeivollzugsbeamtin beworben hatte.
23Auch soweit der Antragsgegner seine Zweifel an der charakterlichen Eignung der Antragstellerin mit dem gegen diese geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Waffengesetz, 000 Xx 000/00, begründet, ist zunächst davon auszugehen, dass der Antragsgegner einen zutreffenden Sachverhalt zugrunde legt. Der Antragstellerin wurde im Rahmen dieses Verfahrens zur Last gelegt, bei der Einlasskontrolle des Amtsgerichts N. b. e. S. am 00. September 0000 einen Schlagring für zwei Finger mitgeführt zu haben. Dass sich in der von ihr getragenen Handtasche ein Gegenstand befunden hat, der ihr an der Schleuse des Amtsgerichts aufgrund des Vorwurfs, dass es sich dabei um einen Schlagring handele, abgenommen wurde, ist dabei unstreitig. Soweit die Antragstellerin vorbringt, dass es sich bei dem Gegenstand lediglich um ein als Verschluss einer Handtasche gedachtes, modisches Accessoire und nicht um einen Schlagring im Sinne des Waffengesetzes gehandelt habe, steht dem entgegen, dass es sich sowohl nach den Angaben des Justizwachtmeisters des Amtsgerichts (Bl. 1 der Ermittlungsakte) als auch nach der Einordnung der Kriminalpolizei (Bl. 7 der Ermittlungsakte), die von der Staatsanwaltschaft um entsprechende waffentechnische Beurteilung gebeten worden ist, um einen Schlagring handelte. Dass der Gegenstand nach den Angaben der Antragstellerin ein mit einer Öse versehenes, dekoratives Accessoire gewesen sein soll, steht dabei der Einordnung als Schlagring nicht entgegen, da ein solcher auch getarnt werden kann, etwa als Schlüsselanhänger oder sonstiges Accessoire (vgl. Bl. 10 der Ermittlungsakte). Nach der Aktenlage darf der Antragsgegner mithin davon ausgehen, dass es sich bei dem sichergestellten Gegenstand um einen Schlagring handelte. Da dieser ‒ mit Einverständnis der Antragstellerin (Bl. 1 und 24 der Ermittlungsakte) ‒ vernichtet (Bl. 27 der Ermittlungsakte) und ein Lichtbild nicht gefertigt worden ist, erscheint die Möglichkeit einer Widerlegung der kriminalpolizeilichen Beurteilung als Schlagring im Übrigen unwahrscheinlich.
24Der Vortrag der Antragstellerin, nichts von dem in der Tasche befindlichen Gegenstand gewusst zu haben, da sie sich die Tasche nur von ihrer Schwester geliehen habe, hat die berechtigten Zweifel des Antragsgegners nicht entfallen lassen. Zunächst ist insbesondere mit Blick darauf, dass die Antragstellerin das Vorbringen nicht hinreichend substantiiert bzw. ‒ etwa durch eine Aussage oder eidesstattliche Versicherung ihrer Schwester ‒ untermauert hat, davon auszugehen, dass der Antragsgegner dieses berechtigterweise als Schutzbehauptung wertet. Ungeachtet dessen stellt der Antragsgegner weiter darauf ab, dass die Antragstellerin die Handtasche jedenfalls vor Betreten des Amtsgerichts auf deren Inhalt hin hätte durchsehen müssen, was ebenfalls eine nicht zu beanstandende Erwägung darstellt. Dabei kann von einer Polizeibewerberin schon unabhängig von der strafrechtlichen Würdigung erwartet werden, dass sie sich nicht mit einer geliehenen Tasche ihr unbekannten Inhalts in die Öffentlichkeit, erst recht in ein Gerichtsgebäude, begibt; im Falle der Antragstellerin insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie sich bereits mehrfach um die Einstellung beworben hatte und im Vorjahr wegen des anderen, laufenden Strafverfahrens abgelehnt worden war. Überdies ist bereits der fahrlässige Besitz bzw. das fahrlässige Führen von Waffen wie einem Schlagring strafbar (vgl. § 52 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 WaffG, Nr. 1.3.2. der Anlage 2 zum WaffG). So ist auch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens ‒ in Kenntnis der Einlassung der Antragstellerin ‒ nicht deshalb erfolgt, weil der Tatverdacht gegen die Antragstellerin entfallen wäre. Im Gegenteil setzt die Einstellung nach § 153 StPO das Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Straftat gerade voraus,
25vgl. Peters in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2016, § 153 Rn. 17,
26und ist hier ausweislich der staatsanwaltschaftlichen Verfügung vom 6. Januar 2020 (Bl. 27 der Ermittlungsakte) deshalb erfolgt, weil die Antragstellerin bisher strafrechtlich nicht einschlägig in Erscheinung getreten sei und erwartet werde, dass sie durch das bisherige Ermittlungsverfahren hinreichend beeindruckt und gewarnt sei.
27Dass die beiden gegen die Antragstellerin gerichteten Ermittlungsverfahren nicht zu einer Verurteilung geführt haben, sondern gemäß § 153 StPO eingestellt worden sind, steht nach den oben genannten Grundsätzen der daran anknüpfenden Ablehnung der Einstellung der Antragstellerin nicht entgegen. Die Berufung der Antragstellerin auf die strafrechtliche Unschuldsvermutung geht insoweit fehl. Die Berücksichtigung der Ermittlungsverfahren bzw. der diesen zugrunde liegenden Sachverhalte stellt keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung dar. Diese gewährleistet, dass niemand ohne den Nachweis der Straftat in einem ordnungsgemäßen Verfahren mit einem Schuldspruch oder repressiven Sanktionen belegt werden kann; eine solche Rechtsfolge geht mit der Ablehnung der Einstellung in den Polizeivollzugsdienst aufgrund mangelnder charakterlichen Eignung jedoch nicht einher,
28vgl. zu der Entlassung eines Probebeamten: BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 2 B 75/16 -, juris, Rn. 12 ff.
29Auch steht der im Strafverfahren geltenden Unschuldsvermutung keine „Eignungsvermutung“ im Rahmen der Beurteilung der charakterlichen Eignung eines Bewerbers für ein Beamtenverhältnis gegenüber,
30vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. März 2017 - 4 S 124/17 -, juris, Rn. 9; VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 8. Januar 2020 - 12 B 63/19 -, juris, Rn. 16; ausführlich: VG Frankfurt, Beschluss vom 31. Januar 2019 - 9 L 4544/18.F -, juris, Rn. 20.
31Denn nach dem oben Gesagten bildet eine solche Vermutung nicht den Beurteilungsmaßstab der Eignungsprüfung; insoweit ist nicht die Nichteignung festzustellen, sondern genügen Zweifel des Dienstherrn an der Eignung.
32Vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 25. Januar 2021 - 2 B 444/20 -, juris, Rn. 16.
33Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kommt es bei der Beurteilung, ob aufgrund von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Bewerbers bestehen, nicht darauf an, ob die Taten im Bundeszentralregister oder Führungszeugnis vermerkt sind; vielmehr kann der Dienstherr unabhängig davon Schlüsse aus den ihm bekannten Umständen ziehen.
34Vgl. etwa Beschluss der Kammer vom 18. September 2018 - 2 L 2619/18 -, juris, Rn. 19.
35Auch die Einschätzung des Antragsgegners, die den Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalte, die sich am 00. K1. 0000 und 00. T. 0000 zugetragen haben, wiesen noch einen hinreichenden Bezug zur Gegenwart auf, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist der Zeitraum, in dem die Antragstellerin strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, mit weniger als zwei Jahren nicht so lang, als dass Rückschlüsse auf eine derzeitige charakterliche (Nicht-)Eignung nicht mehr möglich wären. Für eine mögliche Heranziehung der Ermittlungsverfahren spricht in diesem Zusammenhang ‒ ungeachtet dessen, dass auch jugendliches bzw. jugendtypisches Verhalten taugliche Grundlage für Eignungszweifel sein kann ‒,
36vgl. dazu etwa Hessischer VGH, Beschluss vom 28. November 2019 - 1 B 372/19 -, Rn. 33,
37zudem, dass die Antragstellerin zu den Tatzeitpunkten mit 21 bzw. 22 Jahren bereits volljährig war, wie der Antragsgegner zu Recht ausführt.
38Nachdem schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Antragsgegner sachfremde Erwägungen berücksichtigen würde, überschreitet der Antragsgegner mit der Bewertung, die Antragstellerin sei für den Polizeivollzugsdienst charakterlich ungeeignet, den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht.
39Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
40Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG. Danach ist in Verfahren, die die Begründung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses betreffen, der Streitwert auf die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge festzusetzen (6 Monate x 1.355,68 Euro [Anwärterbezüge A 9] = 8.134,08 Euro). Mit Blick darauf, dass das Antragsbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, hat die Kammer davon Abstand genommen, diesen Streitwert für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (vgl. auch Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
41Rechtsmittelbelehrung:
42(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
43Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
44Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
45Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
46Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
47Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
48(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
49Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
50Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
51Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
52Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
53War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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