Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10.07.2017 wird mit Ausnahme von Nr. 3 Satz 4 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
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| | Die Entscheidung erfolgt im Einverständnis der Beteiligten durch den Vorsitzenden als Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 VwGO) und nach deren Anhörung durch Gerichtsbescheid (§ 84 Abs. 1 VwGO). |
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| | I. Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2017 - 1 C 9.17 - NVwZ 2017, 1625). |
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| | II. Die Klage ist bereits mit ihrem Hauptantrag begründet, sodass über den hilfsweise gestellten Antrag, der auch die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots beinhaltet, nicht zu entscheiden ist. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist - soweit er angefochten ist - rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| | 1. Das Bundesamt durfte den Asylantrag des Klägers nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig ablehnen. Es gibt wesentliche Gründe für die Annahme, dass die Aufnahmebedingungen für anerkannte und vulnerable Antragsteller in Italien die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Dies hat zur Folge, dass keine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ergehen darf (vgl. EuGH, Beschluss vom 13.11.2019 - C-540 und 541/17 - Adel Hamid und Amar Omar, NVwZ 2020, 137). |
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| | a) Die Aufnahmebedingungen für anerkannte und vulnerable Antragsteller in Italien bringen die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich. Allerdings gilt nach dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten im Kontext des gemeinsamen europäischen Asylsystems die Vermutung, dass die Behandlung der Antragsteller in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 und der EMRK steht. |
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| | Der Europäische Gerichtshof (hierzu und zum Folgenden: Urteil vom 19.03.2019 - C-163/17 - Jawo - Rn. 87 f.; Urteil vom 19.03.2019 - C-297/17 u. a. - Ibrahim - Rn. 86 f.) hat mittlerweile geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nach der Dublin III-Verordnung zulässig ist. Danach darf das nationale Gericht die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta und Art. 3 EMRK nur annehmen, wenn es auf einer entsprechenden Tatsachengrundlage feststellt, dass dieses Risiko für diesen Antragsteller gegeben ist, weil er sich im Fall der Überstellung unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände. Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist dagegen selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind. Die Feststellung des Fehlens von Formen familiärer Solidarität oder von Mängeln bei der Durchführung von Programmen zur Integration von Schutzberechtigten vermögen keinen ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Grund für die Annahme darstellen, dass im Fall der Überstellung die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta bestünde (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2019 - A 4 S 1329/19 - juris). |
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| | b) Selbst nach diesen strengen Maßgaben droht dem Kläger mit seiner Familie im Fall der Überstellung nach Italien die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtcharta. |
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| | aa) Auszugehen ist im Rahmen der Rückkehrprognose davon, dass der Kläger gemeinsam mit seiner Familie nach Italien zurückkehren würde. |
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| | Auch bei einer familiären Lebensgemeinschaft ist zwar für jedes Familienmitglied gesondert zu prüfen, ob ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Für die Prognose der bei einer Rückkehr drohenden Gefahren ist aber bei realitätsnaher Betrachtung der Rückkehrsituation im Regelfall davon auszugehen, dass eine im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft lebende Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) im Familienverband in ihr Herkunftsland zurückkehrt. Dies gilt selbst dann, wenn einzelnen Familienmitgliedern bereits bestandskräftig ein Schutzstatus zuerkannt oder für sie ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt worden ist (BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45/18 - juris). Für die Praxis kann sich dies dergestalt auswirken, dass bereits das Bundesamt bei der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbots und nicht erst die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über eine Duldung in den Blick zu nehmen hat, ob bei einer im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft lebenden Kernfamilie dem Schutz der „Familieneinheit“ durch Art. 6 GG/Art. 8 EMRK/Art. 7 EGrC Rechnung zu tragen ist. Ist im Ergebnis dieser Prüfung für die Rückkehrprognose auf die der gesamten Kernfamilie drohenden Gefahren abzustellen, kann dies in extremen Mangelsituationen zur Feststellung eines nationales Abschiebungsverbotes für alle Mitglieder der Kernfamilie führen (Berlit, jurisPR-BVerwG 24/2019 Anm. 5). Diese Betrachtungsweise muss gleichermaßen dann gelten, wenn es nicht unmittelbar um ein nationales Abschiebungsverbot, sondern wie hier um die Frage geht, ob ein Verstoß gegen Art. 4 der EU-Grundrechtecharta und Art. 3 EMRK droht. |
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| | bb) Der Kläger führt eine familiäre Lebensgemeinschaft in diesem Sinne, die unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG steht. |
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| | Eine schützenswerte familiäre Gemeinschaft ist nicht etwa deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil der Kläger und seine Lebensgefährtin lediglich nach islamischem Ritus verheiratet sind und die so in Deutschland geschlossene Ehe nach deutschem Recht nicht wirksam sein kann. Denn eine schützenswerte familiäre Beziehung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK liegt auch schon dann vor, wenn ein Mann und eine Frau mit einem oder mehreren gemeinsamen Kindern eine familiäre Lebensgemeinschaft bilden. Eine wirksame Eheschließung zwischen Mann und Frau ist hierfür nicht erforderlich (vgl. VG Schwerin, Urteil vom 07.07.2017 - 15 A 1567/16 As SN - juris). |
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| | Ebenso wenig kann eine dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallende familiäre Lebensgemeinschaft von vornherein verneint werden, weil der Kläger möglicherweise lediglich der biologische, nicht aber der rechtliche Vater der beiden gemeinsamen Kinder ist. |
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| | Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts können grundsätzlich nur Personen sein, die in einem durch Abstammung oder durch gesetzliche Zuordnung begründeten Elternverhältnis zum Kind stehen (Badura in Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 99). Vor allem im Interesse des Kindeswohls kann sich demzufolge neben dem rechtlichen auch der biologische Vater grundsätzlich auf das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG berufen (Eichenhofer in Huber u.a., Aufenthaltsrecht 2017, Rn. 704). Er ist in seinem Interesse geschützt, die rechtliche Stellung als Vater des Kindes einzunehmen, soweit dies nicht dem Interesse der familiären Beziehungen zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern zuwiderläuft (Badura, aaO Rn. 100). Erst recht unterfällt der biologische Vater dem Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG (Eichenhofer, ebd.). Besteht zwischen dem biologischen Vater und seinem Kind eine sozial-familiäre Beziehung, bildet er daher mit dem Kind eine im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie (Badura, aaO Rn. 100). |
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| | Angesichts dessen kommt es letztlich nicht darauf an, ob die in Kenia geschlossene Ehe der Kindsmutter mit einem anderen somalischen Staatsangehörigen wirksam geschieden worden ist. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte und der (Noch-) Ehemann der Lebensgefährtin des Klägers in rechtlicher Hinsicht der Vater der gemeinsamen Kinder des Klägers und seiner Lebensgefährtin sein sollte, genügt es für die Einbeziehung in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG, dass der Kläger als biologischer Vater eine sozial-familiäre Beziehung mit seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen (sowie weiteren) Kindern führt. Dies gilt umso mehr, als der - mögliche - rechtliche Vater der beiden gemeinsamen Kinder in Kenia lebt, zu ihm kein Kontakt besteht und er keinerlei Beziehung zur Lebensgefährtin des Klägers und den beiden gemeinsamen Kindern hat. |
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| | An der biologischen Vaterschaft des Klägers an den gemeinsamen Kindern besteht nach der Überzeugung des Gerichts kein Zweifel. Es liegen nicht nur Sorgerechtserklärungen und Vaterschaftsanerkennungen vor. Vielmehr hat der Kläger auch Abstammungsgutachten vorgelegt, die seine Vaterschaft nach der Überzeugung des Gerichts hinreichend klar belegen. |
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| | In tatsächlicher Hinsicht ist das Gericht ferner davon überzeugt, dass die Familie des Klägers eine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft führt. Insoweit hat er - auch im Verfahren wegen Umverteilung (A 1 K 4247/19) - substantiiert vorgetragen, seit der Geburt des ersten Kindes habe er dieses zusammen mit seiner Frau versorgt und betreut, also auch gewickelt und gefüttert. Es habe von Anfang an eine enge Vater-Kind-Beziehung bestanden. Bis zur Corona-Krise habe er immer, wenn es seine Arbeitszeiten zugelassen hätten, die beiden Kindergartenkinder mit der Straßenbahn in den Kindergarten gebracht und wieder abgeholt. Er helfe dem zehnjährigen Kind bei den Hausaufgaben. Zusammen mit seiner Frau kümmere er sich um die Belange aller vier Kinder. Er betreue alle Kinder, wenn seine Frau allein in die Stadt oder zum Einkaufen gehen und spiele mit ihnen, gehe mit ihnen spazieren und besuche den Spielplatz. Seitdem Schule und Kindergarten geschlossen seien, kümmere er sich zu Hause um die Kinder, wenn er nicht arbeite. |
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| | Damit sind die Anforderungen an eine schützenswerte sozial-familiäre Lebensgemeinschaft ersichtlich erfüllt. Das Gericht hat keinen Anlass, den in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Vortrag des Klägers zu bezweifeln. Auch die Beklagte hat ihn nicht infrage gestellt. |
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| | cc) Die Aufnahmebedingungen für vulnerable Asylbewerber und anerkannte Schutzberechtigte in Italien führen voraussichtlich zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Die Familie des Klägers gehört zum Kreis der vulnerablen Personen in diesem Sinne. |
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| | In der aktuellen erstinstanzlichen Rechtsprechung wird mittlerweile häufig die Auffassung vertreten, dass seit Beginn und infolge der Corona-Krise sogar nicht vulnerablen anerkannten Schutzberechtigten eine Rückkehr nach Italien nicht zumutbar ist (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 23.06.2020 - 6 A 1241/18 MD - unter Berufung auf VG Braunschweig, Urteil vom 21.04.2020 - 3 A 112/19 -; VG Hannover, Urteil vom 10.08.2020 - 3 A 3184/15 -; VG Berlin, Urteil vom 16.07.2020 - 28 K 21.18 A -; VG Gelsenkirchen, Gerichtsbescheid vom 25.05.2020 - 1a K 9184/17.A -). Jedenfalls aber besteht -soweit ersichtlich - Einigkeit darüber, dass vulnerablen Schutzberechtigten in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (VG Freiburg, Urteil vom 24.08.2020 - A 1 K 514/18 -; VG Augsburg, Urteil vom 09.07.2020 - Au 9 K 20.30303 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 27.05.2020 - 22 K 5035/18.A -; VG Würzburg, Urteil vom 03.04.2020 - W 10 K 19.30677 -). Insoweit macht sich das Gericht zunächst die nachfolgenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Augsburg (ebd.) zu eigen: |
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| „Anerkannt Schutzberechtigte sind in Italien den dort lebenden Einheimischen gleichgestellt. Sie können mit ihrer Aufenthaltsbewilligung ein- und ausreisen und sich in Italien ohne Einschränkungen bewegen. Das italienische System beruht auf der Annahme, dass Inhaber eines internationalen Schutzstatus für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen müssen, da sie als solche auch berechtigt sind zu arbeiten (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 33, 35; SFH, Reception conditions in Italy, Januar 2020, S. 45 f. […] |
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| | Bezüglich der Unterbringungssituation ist für anerkannt Schutzberechtigte in Italien folgendes feststellbar: Anerkannte Flüchtlinge haben im Rahmen der bestehenden Kapazitäten und sofern die maximale Aufenthaltsdauer von sechs Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen (bei Gesundheitsproblemen oder im Hinblick auf bestimmte Integrationsziele) um weitere sechs Monate verlängert werden kann, noch nicht ausgeschöpft ist, Zugang zum Zweitaufnahmesystem SIPROIMI. |
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| | Bei den SIPROIMI handelt es sich um dezentrale, auf lokaler Ebene organisierte (Zweit-)Unterbringungssysteme, die aus einem Netzwerk von Unterkünften und überwiegend aus Wohnungen bestehen, auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGOs basieren und die Teilhabe am kommunalen Leben fördern sollen. Die Unterbringung wird von Unterstützungs- und Integrationsmaßnahmen (Rechtsberatung, Sprachkurse, psychosoziale Unterstützung, Jobtrainings, Praktika, Unterstützung bei der Suche einer Stelle auf dem Arbeitsmarkt) begleitet (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 35 f. und 53; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, Seiten 1 und 2). |
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| | Diese Einrichtungen, bei denen es sich um die umbenannten früheren SPRAR-Einrichtungen handelt, stehen infolge des sog. Salvini-Dekrets seit Herbst 2018 nur noch anerkannten Schutzberechtigten sowie unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden offen, vgl. borderline europe (b-e), Italien: Salvinis Dekret der Asylrechtsverschärfungen, 25. September 2018; Danish Refugee council (DRC)/SFH, Mutual trust is still not enough - The Situation of Persons with Special Reception Needs Transferred to Italy under the Dublin III Regulation, 12. Dezember 2018, S. 12 f.; BFA, Länderinformationsblatt Italien, Stand: 26. Februar 2019, S. 9; SFH; Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, 8. Mai 2019, S. 5, wodurch die Zahlen von Berechtigten sinken. Auch mit Blick auf die sinkenden Flüchtlingszahlen drängt sich nicht auf, dass die SIPROIMI-Einrichtungen generell überlaufen sind. |
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| | Das Recht auf Unterkunft wird zum derzeitigen Zeitpunkt in Italien jedoch erheblich dadurch eingeschränkt, dass Personen, die bereits einmal in einer staatlichen Unterkunft für Asylsuchende oder anerkannte Schutzberechtigte untergebracht waren oder einen ihnen dort zugewiesenen Unterkunftsplatz nicht angenommen haben, regelmäßig keinen Anspruch darauf haben, dort erneut aufgenommen zu werden. Die einschlägige gesetzliche Regelung, Art. 23 Abs. 3 des Decreto Legislativo 18 agosto 2015, n. 142 (Dekret 142/2015), sieht vor, dass der Präfekt der Region, in welcher die Unterbringungseinrichtung liegt, im Einzelfall über den Entzug des Rechts auf Unterbringung entscheidet, wenn die untergebrachte Person die Einrichtung ohne Benachrichtigung der Präfektur verlassen hat oder dort, obwohl sie einer solchen Einrichtung zugewiesen wurde, gar nicht erst einzieht. Diese Regelung findet sowohl auf Erst- als auch auf Zweitaufnahmeeinrichtungen und damit auch auf die SIPROIMI-Einrichtungen Anwendung (vgl. aida, Country Report: Italy, Update 2018, von April 2019, S. 86 f.; SFH, Reception conditions in Italy, Januar 2020, S. 51). |
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| | Aus den vorgenannten Umständen ergibt sich jedenfalls für die Gruppe der vulnerablen Schutzberechtigten ein Verstoß gegen Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK bezüglich der Auflagebedingungen für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte. |
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| | Die Klägerin zu 1 hat im Rahmen der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, in Italien bereits im staatlichen Unterkunftssystem untergebracht gewesen zu sein. Vor der Ausreise habe sie dieses jedoch verlassen müssen. Mit Blick auf die glaubhaften vorstehenden Ausführungen ist beachtlich wahrscheinlich, dass die Kläger nach einer Rückkehr nach Italien tatsächlich von jeglicher staatlichen Versorgung ausgeschlossen sein werden, da sie ihr Recht auf Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung aufgrund des Abschlusses des Asylverfahrens bereits verloren haben. Insoweit droht den Klägern bei einer Rückkehr nach Italien erneut die Obdachlosigkeit für einen nicht näher zu bestimmenden Zeitraum. Bei der Zugehörigkeit zu einer vulnerablen Personengruppe müssen jedoch auch erhebliche zeitliche Verzögerungen, die zu einer vorübergehenden Unterbringung von Familien oder alleinstehenden Personen mit minderjährigen Kindern in nichtkind- und familiengerechten Unterkünften oder auch eine nur vorübergehende Obdachlosigkeit ausgeschlossen sein (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 23, 25; VGH BW, U.v. 29.7.2019 – A 4 S 749/19; juris Rn. 40, 118). Neuere aktuelle Erkenntnisse zur Unterbringungssituation vulnerabler Personen bei einer Rückkehr nach Italien wurden von der Beklagten im Verfahren nicht beigebracht. |
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| | Eine individuelle Zusicherung der Gewährleistung der Rechte insbesondere von Familien bzw. alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern aus Art. 4 GR-Charta ist aber auch nicht aufgrund der Rundschreiben der italienischen Behörden („circular letters“) entbehrlich (vgl. OVG Nds, B.v. 19.12.2019 – 10 LA 64/19 – juris Rn. 26; VG Gelsenkirchen, U.v. 26.2.2020 – 1a K 887/18.A – juris Rn. 152). |
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| | Zwar haben die italienischen Behörden mit mehreren Rundschreiben seit dem Jahr 2015, sog. circular letters, ihren europäischen Dublin-Partnerstaaten versichert, dass sie Familien mit minderjährigen Kindern nicht trennen werden und sie in Einrichtungen unterbringen werden, die an das Alter der Kinder angepasst sind. |
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| | Nach den vorstehenden Ausführungen zur aktuellen Situation anerkannt Schutzberechtigter in Italien gibt es jedoch belastbare Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Maßnahmen der italienischen Behörden der von ihnen - formal anerkannten - besonderen Verpflichtung hinsichtlich der Unterbringung von Familien mit kleinen Kindern tatsächlich nicht gerecht werden. |
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| | Überdies beziehen sich die Rundschreiben der italienischen Behörden seit dem Jahr 2015 bereits nach ihrem Wortlaut allein auf Familien mit Kindern, die unter die Regelungen der Dublin III-VO fallen, damit auch solche, die – anders als im vorliegenden Fall – in Italien (noch) nicht als schutzberechtigt anerkannt worden sind. |
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| | Danach sind die allgemeinen Garantieerklärungen Italiens unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen in Italien jedenfalls für die Personengruppe vulnerabler Personen, zu der die Kläger gehören, nicht ausreichend. Die Annahme, Italien werde seinen Verpflichtungen zur Unterbringung von Familien bzw. alleinerziehenden Frauen mit Kleinstkindern grundsätzlich gerecht werden, ist aufgrund der aktuellen Erkenntnislage nicht gerechtfertigt.“ |
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| | Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass alles darauf hindeutet, dass der Kläger - wie die Klägerin in dem vom Verwaltungsgericht Augsburg entschiedenen Fall - bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bereits einmal im staatlichen Unterkunftssystem untergebracht worden war. Denn entgegen seiner Angaben hat er dort bereits im April 2014 einen Asylantrag gestellt; die Einreise nach Deutschland ist erst im März 2015 erfolgt. Aufgrund der fast einjährigen Aufenthaltszeit in Italien ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass er damals als Asylbewerber untergebracht worden war. Darauf deuten auch verschiedene Bescheinigungen hin, die bei seiner damaligen - ebenfalls nur religiös angetrauten - Ehefrau H. A.M. gefunden worden waren. Danach erfolgte deren Einreise nach Italien bereits im August 2013 (BAS. 117). Im Jahre 2014 war sie in einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche untergebracht (BAS. 126). Auch wenn der Kläger wohl erst später nach Italien eingereist ist, ist er dort jedenfalls nach eigenen Angaben wieder mit ihr zusammengekommen, sodass jedenfalls ab April 2014 von einer gemeinsamen Unterbringung des Klägers mit seiner damaligen religiös angetrauten Ehefrau H. A.M. auszugehen ist. Aufgrund dieser früheren Unterbringung ist zu erwarten, dass er erhebliche Probleme bekommen würde, wenn er nunmehr mit seiner Familie nach Italien zurückkehren würde und dort erneut untergebracht werden wollte. |
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| | Auch die Sicherung des Lebensunterhalts wäre mit existenziellen Schwierigkeiten verbunden. Für Inhaber eines internationalen Schutzstatus gibt es - jedenfalls nach Ende der auf höchstens 18 Monate begrenzten Aufnahme in den SIPROIMI-Zentren - faktisch keine öffentlichen Sozialleistungen; das 2019 eingeführte Bürgergeld setzt einen zehnjährigen Aufenthalt in Italien voraus (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, Januar 2020, S. 62 ff.). Deshalb wäre der Kläger mit seiner Familie zur Sicherung des Lebensunterhalts vollständig auf Erwerbsarbeit verwiesen. |
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| | Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Kläger auch angesichts der Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie in Italien in der Lage wäre, für sich allein durch Erwerbstätigkeit eine Existenzgrundlage zu sichern. Dies wäre sicher nicht der Fall, wenn er zugleich für vier Kinder - darunter zwei Kleinkinder - sorgen müsste. Durch die Verpflichtung zur Fürsorge für diese Kinder wären der Kläger und seine Lebensgefährtin massiv in der Möglichkeit beschränkt, sich notfalls unter widrigsten Umständen auf der Straße „durchzuschlagen“ und dabei das unerlässliche Minimum an Einkommen für den Unterhalt der Familie zu erzielen (vgl. zur Berücksichtigung familiärer Unterhaltsverpflichtungen bei der Gefahrenprognose nach Art. 3 EMRK: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.05.2020 - A 11 S 2277/19 - Rn. 11 ff., juris und Berlit, NVwZ-Extra 8/2020, 1, 30; VG Freiburg, Urteil vom 24.08.2020 - A 1 K 514/18 -). Sie gehören damit zu der Gruppe von Personen, die nahezu vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängig sein würden (vgl. hierzu auch VG Freiburg, Urteil vom 31.01.2020 - A 1 K 2755/19 -; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 19.12.2019 - 10 LA 64/19 -, Rn. 21 f. und Beschluss vom 20.12.2019 - 10 LA 192/19 - Rn. 21 f; VG Minden, Urteil vom 13.11.2019 - 10 K 2275/19.A -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22.02.2019 - 1a K 4879/18.A -, jeweils juris). |
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| | dd) Die hiernach erforderliche individuelle Zusicherung Italiens, dass die Familie in Italien eine gesicherte Unterkunft für alle Familienmitglieder erhalten werde, liegt nicht vor. |
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| | Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundesamt jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren nach Italien angesichts der hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie des bei der Durchführung von Überstellungen vorrangig zu beachtenden Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie dort eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren für die in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 - juris). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verlangt, dass eine konkrete und individuelle Zusicherung der italienischen Behörden eingeholt wird, wonach die Familie in Italien eine gesicherte Unterkunft für alle Familienmitglieder erhalten werde (EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12 - Tarakhel - juris). |
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| | Eine individuelle Zusicherung Italiens, dass Vorkehrungen zum Schutz des besonders schutzbedürftigen Klägers und seiner Familienangehörigen, insbesondere der minderjährigen Kinder - darunter ein zwei- und ein noch nicht einmal einjähriges Kleinkind - (vgl. Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 - Aufnahmerichtlinie -) durch besondere Betreuung bzw. Unterbringung und ggf. medizinische Versorgung getroffen werden, wie sie hier im Fall der vulnerablen Familie des Klägers erforderlich wäre (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12 - Tarakhel - juris; BVerfG, Beschluss vom 10.10.2019 - 2 BvR 1380/19 - juris; BVerfG, Beschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 1795/14 - juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.12.2019 - 10 LA 192/19 - juris), liegt nicht vor. Es kann daher offenbleiben, ob angesichts der Erkenntnisse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und Danish Refugee Council eine solche Zusicherung überhaupt ausreichend wäre (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 24.01.2020 - A 8 K 2126/19 -). |
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| | 2. Da das Bundesamt den Asylantrag des Klägers nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig ablehnen durfte, fehlt es auch an einer Grundlage für die ferner verfügte Abschiebungsandrohung, die Verneinung von Abschiebungsverboten und das nach der damals geltenden Fassung des § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG (hierzu: BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 - juris, insbes. Rn. 25) angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot. Die in Ziff. 3 Satz 4 getroffene Feststellung, wonach die Abschiebung des Klägers nach Somalia unzulässig ist, ist nicht Gegenstand der Klage und unterliegt schon deshalb nicht der Aufhebung. Über den lediglich hilfsweise gestellten Antrag auf die Verpflichtung des Bundesamts zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots ist nicht zu entscheiden. |
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| | Die Entscheidung erfolgt im Einverständnis der Beteiligten durch den Vorsitzenden als Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 VwGO) und nach deren Anhörung durch Gerichtsbescheid (§ 84 Abs. 1 VwGO). |
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| | I. Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2017 - 1 C 9.17 - NVwZ 2017, 1625). |
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| | II. Die Klage ist bereits mit ihrem Hauptantrag begründet, sodass über den hilfsweise gestellten Antrag, der auch die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots beinhaltet, nicht zu entscheiden ist. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist - soweit er angefochten ist - rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| | 1. Das Bundesamt durfte den Asylantrag des Klägers nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig ablehnen. Es gibt wesentliche Gründe für die Annahme, dass die Aufnahmebedingungen für anerkannte und vulnerable Antragsteller in Italien die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Dies hat zur Folge, dass keine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ergehen darf (vgl. EuGH, Beschluss vom 13.11.2019 - C-540 und 541/17 - Adel Hamid und Amar Omar, NVwZ 2020, 137). |
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| | a) Die Aufnahmebedingungen für anerkannte und vulnerable Antragsteller in Italien bringen die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich. Allerdings gilt nach dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten im Kontext des gemeinsamen europäischen Asylsystems die Vermutung, dass die Behandlung der Antragsteller in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 und der EMRK steht. |
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| | Der Europäische Gerichtshof (hierzu und zum Folgenden: Urteil vom 19.03.2019 - C-163/17 - Jawo - Rn. 87 f.; Urteil vom 19.03.2019 - C-297/17 u. a. - Ibrahim - Rn. 86 f.) hat mittlerweile geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nach der Dublin III-Verordnung zulässig ist. Danach darf das nationale Gericht die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta und Art. 3 EMRK nur annehmen, wenn es auf einer entsprechenden Tatsachengrundlage feststellt, dass dieses Risiko für diesen Antragsteller gegeben ist, weil er sich im Fall der Überstellung unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände. Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist dagegen selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind. Die Feststellung des Fehlens von Formen familiärer Solidarität oder von Mängeln bei der Durchführung von Programmen zur Integration von Schutzberechtigten vermögen keinen ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Grund für die Annahme darstellen, dass im Fall der Überstellung die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta bestünde (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2019 - A 4 S 1329/19 - juris). |
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| | b) Selbst nach diesen strengen Maßgaben droht dem Kläger mit seiner Familie im Fall der Überstellung nach Italien die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtcharta. |
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| | aa) Auszugehen ist im Rahmen der Rückkehrprognose davon, dass der Kläger gemeinsam mit seiner Familie nach Italien zurückkehren würde. |
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| | Auch bei einer familiären Lebensgemeinschaft ist zwar für jedes Familienmitglied gesondert zu prüfen, ob ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Für die Prognose der bei einer Rückkehr drohenden Gefahren ist aber bei realitätsnaher Betrachtung der Rückkehrsituation im Regelfall davon auszugehen, dass eine im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft lebende Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) im Familienverband in ihr Herkunftsland zurückkehrt. Dies gilt selbst dann, wenn einzelnen Familienmitgliedern bereits bestandskräftig ein Schutzstatus zuerkannt oder für sie ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt worden ist (BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45/18 - juris). Für die Praxis kann sich dies dergestalt auswirken, dass bereits das Bundesamt bei der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbots und nicht erst die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über eine Duldung in den Blick zu nehmen hat, ob bei einer im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft lebenden Kernfamilie dem Schutz der „Familieneinheit“ durch Art. 6 GG/Art. 8 EMRK/Art. 7 EGrC Rechnung zu tragen ist. Ist im Ergebnis dieser Prüfung für die Rückkehrprognose auf die der gesamten Kernfamilie drohenden Gefahren abzustellen, kann dies in extremen Mangelsituationen zur Feststellung eines nationales Abschiebungsverbotes für alle Mitglieder der Kernfamilie führen (Berlit, jurisPR-BVerwG 24/2019 Anm. 5). Diese Betrachtungsweise muss gleichermaßen dann gelten, wenn es nicht unmittelbar um ein nationales Abschiebungsverbot, sondern wie hier um die Frage geht, ob ein Verstoß gegen Art. 4 der EU-Grundrechtecharta und Art. 3 EMRK droht. |
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| | bb) Der Kläger führt eine familiäre Lebensgemeinschaft in diesem Sinne, die unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG steht. |
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| | Eine schützenswerte familiäre Gemeinschaft ist nicht etwa deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil der Kläger und seine Lebensgefährtin lediglich nach islamischem Ritus verheiratet sind und die so in Deutschland geschlossene Ehe nach deutschem Recht nicht wirksam sein kann. Denn eine schützenswerte familiäre Beziehung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK liegt auch schon dann vor, wenn ein Mann und eine Frau mit einem oder mehreren gemeinsamen Kindern eine familiäre Lebensgemeinschaft bilden. Eine wirksame Eheschließung zwischen Mann und Frau ist hierfür nicht erforderlich (vgl. VG Schwerin, Urteil vom 07.07.2017 - 15 A 1567/16 As SN - juris). |
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| | Ebenso wenig kann eine dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallende familiäre Lebensgemeinschaft von vornherein verneint werden, weil der Kläger möglicherweise lediglich der biologische, nicht aber der rechtliche Vater der beiden gemeinsamen Kinder ist. |
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| | Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts können grundsätzlich nur Personen sein, die in einem durch Abstammung oder durch gesetzliche Zuordnung begründeten Elternverhältnis zum Kind stehen (Badura in Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 99). Vor allem im Interesse des Kindeswohls kann sich demzufolge neben dem rechtlichen auch der biologische Vater grundsätzlich auf das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG berufen (Eichenhofer in Huber u.a., Aufenthaltsrecht 2017, Rn. 704). Er ist in seinem Interesse geschützt, die rechtliche Stellung als Vater des Kindes einzunehmen, soweit dies nicht dem Interesse der familiären Beziehungen zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern zuwiderläuft (Badura, aaO Rn. 100). Erst recht unterfällt der biologische Vater dem Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG (Eichenhofer, ebd.). Besteht zwischen dem biologischen Vater und seinem Kind eine sozial-familiäre Beziehung, bildet er daher mit dem Kind eine im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie (Badura, aaO Rn. 100). |
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| | Angesichts dessen kommt es letztlich nicht darauf an, ob die in Kenia geschlossene Ehe der Kindsmutter mit einem anderen somalischen Staatsangehörigen wirksam geschieden worden ist. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte und der (Noch-) Ehemann der Lebensgefährtin des Klägers in rechtlicher Hinsicht der Vater der gemeinsamen Kinder des Klägers und seiner Lebensgefährtin sein sollte, genügt es für die Einbeziehung in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG, dass der Kläger als biologischer Vater eine sozial-familiäre Beziehung mit seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen (sowie weiteren) Kindern führt. Dies gilt umso mehr, als der - mögliche - rechtliche Vater der beiden gemeinsamen Kinder in Kenia lebt, zu ihm kein Kontakt besteht und er keinerlei Beziehung zur Lebensgefährtin des Klägers und den beiden gemeinsamen Kindern hat. |
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| | An der biologischen Vaterschaft des Klägers an den gemeinsamen Kindern besteht nach der Überzeugung des Gerichts kein Zweifel. Es liegen nicht nur Sorgerechtserklärungen und Vaterschaftsanerkennungen vor. Vielmehr hat der Kläger auch Abstammungsgutachten vorgelegt, die seine Vaterschaft nach der Überzeugung des Gerichts hinreichend klar belegen. |
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| | In tatsächlicher Hinsicht ist das Gericht ferner davon überzeugt, dass die Familie des Klägers eine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft führt. Insoweit hat er - auch im Verfahren wegen Umverteilung (A 1 K 4247/19) - substantiiert vorgetragen, seit der Geburt des ersten Kindes habe er dieses zusammen mit seiner Frau versorgt und betreut, also auch gewickelt und gefüttert. Es habe von Anfang an eine enge Vater-Kind-Beziehung bestanden. Bis zur Corona-Krise habe er immer, wenn es seine Arbeitszeiten zugelassen hätten, die beiden Kindergartenkinder mit der Straßenbahn in den Kindergarten gebracht und wieder abgeholt. Er helfe dem zehnjährigen Kind bei den Hausaufgaben. Zusammen mit seiner Frau kümmere er sich um die Belange aller vier Kinder. Er betreue alle Kinder, wenn seine Frau allein in die Stadt oder zum Einkaufen gehen und spiele mit ihnen, gehe mit ihnen spazieren und besuche den Spielplatz. Seitdem Schule und Kindergarten geschlossen seien, kümmere er sich zu Hause um die Kinder, wenn er nicht arbeite. |
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| | Damit sind die Anforderungen an eine schützenswerte sozial-familiäre Lebensgemeinschaft ersichtlich erfüllt. Das Gericht hat keinen Anlass, den in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Vortrag des Klägers zu bezweifeln. Auch die Beklagte hat ihn nicht infrage gestellt. |
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| | cc) Die Aufnahmebedingungen für vulnerable Asylbewerber und anerkannte Schutzberechtigte in Italien führen voraussichtlich zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Die Familie des Klägers gehört zum Kreis der vulnerablen Personen in diesem Sinne. |
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| | In der aktuellen erstinstanzlichen Rechtsprechung wird mittlerweile häufig die Auffassung vertreten, dass seit Beginn und infolge der Corona-Krise sogar nicht vulnerablen anerkannten Schutzberechtigten eine Rückkehr nach Italien nicht zumutbar ist (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 23.06.2020 - 6 A 1241/18 MD - unter Berufung auf VG Braunschweig, Urteil vom 21.04.2020 - 3 A 112/19 -; VG Hannover, Urteil vom 10.08.2020 - 3 A 3184/15 -; VG Berlin, Urteil vom 16.07.2020 - 28 K 21.18 A -; VG Gelsenkirchen, Gerichtsbescheid vom 25.05.2020 - 1a K 9184/17.A -). Jedenfalls aber besteht -soweit ersichtlich - Einigkeit darüber, dass vulnerablen Schutzberechtigten in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (VG Freiburg, Urteil vom 24.08.2020 - A 1 K 514/18 -; VG Augsburg, Urteil vom 09.07.2020 - Au 9 K 20.30303 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 27.05.2020 - 22 K 5035/18.A -; VG Würzburg, Urteil vom 03.04.2020 - W 10 K 19.30677 -). Insoweit macht sich das Gericht zunächst die nachfolgenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Augsburg (ebd.) zu eigen: |
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| „Anerkannt Schutzberechtigte sind in Italien den dort lebenden Einheimischen gleichgestellt. Sie können mit ihrer Aufenthaltsbewilligung ein- und ausreisen und sich in Italien ohne Einschränkungen bewegen. Das italienische System beruht auf der Annahme, dass Inhaber eines internationalen Schutzstatus für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen müssen, da sie als solche auch berechtigt sind zu arbeiten (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 33, 35; SFH, Reception conditions in Italy, Januar 2020, S. 45 f. […] |
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| | Bezüglich der Unterbringungssituation ist für anerkannt Schutzberechtigte in Italien folgendes feststellbar: Anerkannte Flüchtlinge haben im Rahmen der bestehenden Kapazitäten und sofern die maximale Aufenthaltsdauer von sechs Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen (bei Gesundheitsproblemen oder im Hinblick auf bestimmte Integrationsziele) um weitere sechs Monate verlängert werden kann, noch nicht ausgeschöpft ist, Zugang zum Zweitaufnahmesystem SIPROIMI. |
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| | Bei den SIPROIMI handelt es sich um dezentrale, auf lokaler Ebene organisierte (Zweit-)Unterbringungssysteme, die aus einem Netzwerk von Unterkünften und überwiegend aus Wohnungen bestehen, auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGOs basieren und die Teilhabe am kommunalen Leben fördern sollen. Die Unterbringung wird von Unterstützungs- und Integrationsmaßnahmen (Rechtsberatung, Sprachkurse, psychosoziale Unterstützung, Jobtrainings, Praktika, Unterstützung bei der Suche einer Stelle auf dem Arbeitsmarkt) begleitet (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 35 f. und 53; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, Seiten 1 und 2). |
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| | Diese Einrichtungen, bei denen es sich um die umbenannten früheren SPRAR-Einrichtungen handelt, stehen infolge des sog. Salvini-Dekrets seit Herbst 2018 nur noch anerkannten Schutzberechtigten sowie unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden offen, vgl. borderline europe (b-e), Italien: Salvinis Dekret der Asylrechtsverschärfungen, 25. September 2018; Danish Refugee council (DRC)/SFH, Mutual trust is still not enough - The Situation of Persons with Special Reception Needs Transferred to Italy under the Dublin III Regulation, 12. Dezember 2018, S. 12 f.; BFA, Länderinformationsblatt Italien, Stand: 26. Februar 2019, S. 9; SFH; Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, 8. Mai 2019, S. 5, wodurch die Zahlen von Berechtigten sinken. Auch mit Blick auf die sinkenden Flüchtlingszahlen drängt sich nicht auf, dass die SIPROIMI-Einrichtungen generell überlaufen sind. |
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| | Das Recht auf Unterkunft wird zum derzeitigen Zeitpunkt in Italien jedoch erheblich dadurch eingeschränkt, dass Personen, die bereits einmal in einer staatlichen Unterkunft für Asylsuchende oder anerkannte Schutzberechtigte untergebracht waren oder einen ihnen dort zugewiesenen Unterkunftsplatz nicht angenommen haben, regelmäßig keinen Anspruch darauf haben, dort erneut aufgenommen zu werden. Die einschlägige gesetzliche Regelung, Art. 23 Abs. 3 des Decreto Legislativo 18 agosto 2015, n. 142 (Dekret 142/2015), sieht vor, dass der Präfekt der Region, in welcher die Unterbringungseinrichtung liegt, im Einzelfall über den Entzug des Rechts auf Unterbringung entscheidet, wenn die untergebrachte Person die Einrichtung ohne Benachrichtigung der Präfektur verlassen hat oder dort, obwohl sie einer solchen Einrichtung zugewiesen wurde, gar nicht erst einzieht. Diese Regelung findet sowohl auf Erst- als auch auf Zweitaufnahmeeinrichtungen und damit auch auf die SIPROIMI-Einrichtungen Anwendung (vgl. aida, Country Report: Italy, Update 2018, von April 2019, S. 86 f.; SFH, Reception conditions in Italy, Januar 2020, S. 51). |
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| | Aus den vorgenannten Umständen ergibt sich jedenfalls für die Gruppe der vulnerablen Schutzberechtigten ein Verstoß gegen Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK bezüglich der Auflagebedingungen für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte. |
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| | Die Klägerin zu 1 hat im Rahmen der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, in Italien bereits im staatlichen Unterkunftssystem untergebracht gewesen zu sein. Vor der Ausreise habe sie dieses jedoch verlassen müssen. Mit Blick auf die glaubhaften vorstehenden Ausführungen ist beachtlich wahrscheinlich, dass die Kläger nach einer Rückkehr nach Italien tatsächlich von jeglicher staatlichen Versorgung ausgeschlossen sein werden, da sie ihr Recht auf Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung aufgrund des Abschlusses des Asylverfahrens bereits verloren haben. Insoweit droht den Klägern bei einer Rückkehr nach Italien erneut die Obdachlosigkeit für einen nicht näher zu bestimmenden Zeitraum. Bei der Zugehörigkeit zu einer vulnerablen Personengruppe müssen jedoch auch erhebliche zeitliche Verzögerungen, die zu einer vorübergehenden Unterbringung von Familien oder alleinstehenden Personen mit minderjährigen Kindern in nichtkind- und familiengerechten Unterkünften oder auch eine nur vorübergehende Obdachlosigkeit ausgeschlossen sein (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 23, 25; VGH BW, U.v. 29.7.2019 – A 4 S 749/19; juris Rn. 40, 118). Neuere aktuelle Erkenntnisse zur Unterbringungssituation vulnerabler Personen bei einer Rückkehr nach Italien wurden von der Beklagten im Verfahren nicht beigebracht. |
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| | Eine individuelle Zusicherung der Gewährleistung der Rechte insbesondere von Familien bzw. alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern aus Art. 4 GR-Charta ist aber auch nicht aufgrund der Rundschreiben der italienischen Behörden („circular letters“) entbehrlich (vgl. OVG Nds, B.v. 19.12.2019 – 10 LA 64/19 – juris Rn. 26; VG Gelsenkirchen, U.v. 26.2.2020 – 1a K 887/18.A – juris Rn. 152). |
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| | Zwar haben die italienischen Behörden mit mehreren Rundschreiben seit dem Jahr 2015, sog. circular letters, ihren europäischen Dublin-Partnerstaaten versichert, dass sie Familien mit minderjährigen Kindern nicht trennen werden und sie in Einrichtungen unterbringen werden, die an das Alter der Kinder angepasst sind. |
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| | Nach den vorstehenden Ausführungen zur aktuellen Situation anerkannt Schutzberechtigter in Italien gibt es jedoch belastbare Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Maßnahmen der italienischen Behörden der von ihnen - formal anerkannten - besonderen Verpflichtung hinsichtlich der Unterbringung von Familien mit kleinen Kindern tatsächlich nicht gerecht werden. |
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| | Überdies beziehen sich die Rundschreiben der italienischen Behörden seit dem Jahr 2015 bereits nach ihrem Wortlaut allein auf Familien mit Kindern, die unter die Regelungen der Dublin III-VO fallen, damit auch solche, die – anders als im vorliegenden Fall – in Italien (noch) nicht als schutzberechtigt anerkannt worden sind. |
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| | Danach sind die allgemeinen Garantieerklärungen Italiens unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen in Italien jedenfalls für die Personengruppe vulnerabler Personen, zu der die Kläger gehören, nicht ausreichend. Die Annahme, Italien werde seinen Verpflichtungen zur Unterbringung von Familien bzw. alleinerziehenden Frauen mit Kleinstkindern grundsätzlich gerecht werden, ist aufgrund der aktuellen Erkenntnislage nicht gerechtfertigt.“ |
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| | Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass alles darauf hindeutet, dass der Kläger - wie die Klägerin in dem vom Verwaltungsgericht Augsburg entschiedenen Fall - bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bereits einmal im staatlichen Unterkunftssystem untergebracht worden war. Denn entgegen seiner Angaben hat er dort bereits im April 2014 einen Asylantrag gestellt; die Einreise nach Deutschland ist erst im März 2015 erfolgt. Aufgrund der fast einjährigen Aufenthaltszeit in Italien ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass er damals als Asylbewerber untergebracht worden war. Darauf deuten auch verschiedene Bescheinigungen hin, die bei seiner damaligen - ebenfalls nur religiös angetrauten - Ehefrau H. A.M. gefunden worden waren. Danach erfolgte deren Einreise nach Italien bereits im August 2013 (BAS. 117). Im Jahre 2014 war sie in einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche untergebracht (BAS. 126). Auch wenn der Kläger wohl erst später nach Italien eingereist ist, ist er dort jedenfalls nach eigenen Angaben wieder mit ihr zusammengekommen, sodass jedenfalls ab April 2014 von einer gemeinsamen Unterbringung des Klägers mit seiner damaligen religiös angetrauten Ehefrau H. A.M. auszugehen ist. Aufgrund dieser früheren Unterbringung ist zu erwarten, dass er erhebliche Probleme bekommen würde, wenn er nunmehr mit seiner Familie nach Italien zurückkehren würde und dort erneut untergebracht werden wollte. |
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| | Auch die Sicherung des Lebensunterhalts wäre mit existenziellen Schwierigkeiten verbunden. Für Inhaber eines internationalen Schutzstatus gibt es - jedenfalls nach Ende der auf höchstens 18 Monate begrenzten Aufnahme in den SIPROIMI-Zentren - faktisch keine öffentlichen Sozialleistungen; das 2019 eingeführte Bürgergeld setzt einen zehnjährigen Aufenthalt in Italien voraus (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, Januar 2020, S. 62 ff.). Deshalb wäre der Kläger mit seiner Familie zur Sicherung des Lebensunterhalts vollständig auf Erwerbsarbeit verwiesen. |
|
| | Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Kläger auch angesichts der Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie in Italien in der Lage wäre, für sich allein durch Erwerbstätigkeit eine Existenzgrundlage zu sichern. Dies wäre sicher nicht der Fall, wenn er zugleich für vier Kinder - darunter zwei Kleinkinder - sorgen müsste. Durch die Verpflichtung zur Fürsorge für diese Kinder wären der Kläger und seine Lebensgefährtin massiv in der Möglichkeit beschränkt, sich notfalls unter widrigsten Umständen auf der Straße „durchzuschlagen“ und dabei das unerlässliche Minimum an Einkommen für den Unterhalt der Familie zu erzielen (vgl. zur Berücksichtigung familiärer Unterhaltsverpflichtungen bei der Gefahrenprognose nach Art. 3 EMRK: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.05.2020 - A 11 S 2277/19 - Rn. 11 ff., juris und Berlit, NVwZ-Extra 8/2020, 1, 30; VG Freiburg, Urteil vom 24.08.2020 - A 1 K 514/18 -). Sie gehören damit zu der Gruppe von Personen, die nahezu vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängig sein würden (vgl. hierzu auch VG Freiburg, Urteil vom 31.01.2020 - A 1 K 2755/19 -; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 19.12.2019 - 10 LA 64/19 -, Rn. 21 f. und Beschluss vom 20.12.2019 - 10 LA 192/19 - Rn. 21 f; VG Minden, Urteil vom 13.11.2019 - 10 K 2275/19.A -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22.02.2019 - 1a K 4879/18.A -, jeweils juris). |
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| | dd) Die hiernach erforderliche individuelle Zusicherung Italiens, dass die Familie in Italien eine gesicherte Unterkunft für alle Familienmitglieder erhalten werde, liegt nicht vor. |
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| | Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundesamt jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren nach Italien angesichts der hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie des bei der Durchführung von Überstellungen vorrangig zu beachtenden Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie dort eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren für die in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 - juris). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verlangt, dass eine konkrete und individuelle Zusicherung der italienischen Behörden eingeholt wird, wonach die Familie in Italien eine gesicherte Unterkunft für alle Familienmitglieder erhalten werde (EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12 - Tarakhel - juris). |
|
| | Eine individuelle Zusicherung Italiens, dass Vorkehrungen zum Schutz des besonders schutzbedürftigen Klägers und seiner Familienangehörigen, insbesondere der minderjährigen Kinder - darunter ein zwei- und ein noch nicht einmal einjähriges Kleinkind - (vgl. Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 - Aufnahmerichtlinie -) durch besondere Betreuung bzw. Unterbringung und ggf. medizinische Versorgung getroffen werden, wie sie hier im Fall der vulnerablen Familie des Klägers erforderlich wäre (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12 - Tarakhel - juris; BVerfG, Beschluss vom 10.10.2019 - 2 BvR 1380/19 - juris; BVerfG, Beschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 1795/14 - juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.12.2019 - 10 LA 192/19 - juris), liegt nicht vor. Es kann daher offenbleiben, ob angesichts der Erkenntnisse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und Danish Refugee Council eine solche Zusicherung überhaupt ausreichend wäre (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 24.01.2020 - A 8 K 2126/19 -). |
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| | 2. Da das Bundesamt den Asylantrag des Klägers nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig ablehnen durfte, fehlt es auch an einer Grundlage für die ferner verfügte Abschiebungsandrohung, die Verneinung von Abschiebungsverboten und das nach der damals geltenden Fassung des § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG (hierzu: BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 - juris, insbes. Rn. 25) angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot. Die in Ziff. 3 Satz 4 getroffene Feststellung, wonach die Abschiebung des Klägers nach Somalia unzulässig ist, ist nicht Gegenstand der Klage und unterliegt schon deshalb nicht der Aufhebung. Über den lediglich hilfsweise gestellten Antrag auf die Verpflichtung des Bundesamts zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots ist nicht zu entscheiden. |
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