Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - 1 K 3332/20

Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag der Klägerin auf einen Nachteilsausgleich für den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Herbst 2021 in Bezug auf die begehrte Ablegung der Prüfung in einem gesonderten Raum zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten.

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - vom 22.06.2021 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 7/8 und der Beklagte zu 1/8.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt zuletzt noch einen Nachteilsausgleich für den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung im Herbst 2021.
Die Klägerin hatte bereits mehrere Anträge wegen Prüfungsrücktritts und Nachteilsausgleich für verschiedene Termine der Ersten Ärztlichen Prüfung gestellt. Dabei legte sie folgende ärztliche Bescheinigungen vor:
In dem Attest eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vom 06.12.2019 wird ausgeführt, die Klägerin befinde sich unverändert wegen einer ADHS, einer rezidivierenden Depression und einer Essstörung in fortlaufender psychiatrisch medikamentöser und therapeutischer Behandlung. Aus medizinischer Indikation sei unverändert ein Nachteilsausgleich im Sinne einer Prüfungszeit-Verlängerung von 50% und einer Abnahme der Klausuren in einem möglichst reizarmen Raum gerechtfertigt.
In einem „Formular für die Bescheinigung der Prüfungsunfähigkeit“ diagnostiziert eine Fachärztin für Allgemeinmedizin der Klägerin unter dem 18.08.2020 einen fieberhaften Infekt und eine depressive Episode. In einem ärztlichen Attest derselben Ärztin vom 24.08.2020 wird ergänzend ausgeführt, die Klägerin habe sich mit einem fieberhaften Affekt in der Praxis vorgestellt. Die Untersuchung eines Abstrichs auf SARS-COV 2 habe am 22.08.2020 ein negatives Ergebnis erbracht. Da schon seit längerer Zeit eine Depression mit Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen und herabgesetzter Leistungsfähigkeit bestehe, sei sie auf absehbare Zeit nicht prüfungsfähig. In einem weiteren „Formular für die Bescheinigung der Prüfungsunfähigkeit“ wird der Klägerin wiederum von derselben Fachärztin für Allgemeinmedizin unter dem 31.08.2020 ein anhaltender fieberhafter Infekt mit erheblicher Beeinträchtigung des Allgemeinzustands bescheinigt.
Aus dem Arztbrief des Universitätsklinikums Freiburg - xxx - vom 13.07.2018 ergibt sich, dass sich die Klägerin dort vom 30.01.2018 bis zum 14.05.2018 in stationärer und vom 15.05.2018 in teilstationärer psychosomatisch-psychotherapeutischer Behandlung befunden hat. Als Diagnosen werden Anorexia nervosa (ICD 10: F 50.00), rezidivierende depressive Störung, aktuell schwere Episode (ICD 10: F 33.2), Dysthymia (ICD 10: F 34.1) und soziale Phobie (ICD 10: F 40.1) und als weitere Diagnosen ADS im Erwachsenenalter (ICD 10: F 90.0), DD: Aufmerksamkeitsstörung im Rahmen der Depression und/oder Anorexie sowie allergische Rhinokonjunktivis genannt.
Mit Schreiben vom 20.12.2019 und Mail vom 21.01.2020 beantragte die Klägerin Prüfungserleichterungen, insbesondere eine Schreibzeitverlängerung für den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2020. Diesen Antrag lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie - mit Bescheid vom 02.03.2020 ab. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben (1 K 1396/20). Dieses Verfahren wurde mit Beschluss vom 08.02.2021 eingestellt, nachdem es von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden war.
Die Klägerin absolvierte im Frühjahr 2020 den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung. In Nr. 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - vom 08.04.2020 wurde ihr mitgeteilt, dass die Prüfungsleistung mit der Note nicht ausreichend (5) bewertet worden und somit der schriftliche Teil nicht bestanden sei. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 16.04.2020 Widerspruch.
Am 19.06.2020 nahm die Klägerin am mündlich-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2020 teil. Mit Bescheid vom 01.07.2020 stellte das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - fest, dass dieser Teil der Prüfung ebenfalls nicht bestanden sei. Die Klägerin legte unter dem 21.07.2020 Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 16.09.2020 genehmigte das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - den Rücktritt vom schriftlichen und mündlichen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Herbst 2020.
10 
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2020 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie - den Widerspruch der Klägerin gegen die Nr. 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - vom 08.04.2020 (Nr. 1) und gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - vom 01.07.2020 (Nr. 2) zurück. Ferner lehnte es unter Nr. 3 den Antrag auf Nachteilsausgleich für den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2020 - beantragt seien eine Schreibzeitverlängerung und das Ablegen der Prüfung in einem separaten Raum - sowie unter Nr. 4 den Antrag auf Nachteilsausgleich für den mündlich-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2020 - beantragt seien eine Prüfungszeitverlängerung und das Ablegen der Prüfung in einem separaten Raum - vollumfänglich ab.
11 
Am 19.10.2020 hat die Klägerin ohne Einschränkung Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.09.2020 erhoben.
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Mit Schriftsatz vom 28.12.2020 hat sie im Hinblick auf den Bescheid vom 16.09.2020 den Rechtsstreit für erledigt erklärt, soweit sie gegen die Nummern 1 und 2 des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2020 gerichtet war, da sie infolge des genehmigten Prüfungsrücktritts die Möglichkeit habe, erneut an dem Ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2021 teilzunehmen. Der Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen, da sich der Bescheid vom 16.09.2020 nicht auf die streitgegenständliche Prüfung im Frühjahr 2020, sondern auf die Prüfung im Herbst 2020 beziehe.
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Mit Bescheid vom 22.06.2021 lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - unter Nr. 1 den Antrag der Klägerin auf Nachteilsausgleich für den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung - beantragt seien eine Schreibzeitverlängerung und das Ablegen der Prüfung in einem separaten Raum - und unter Nr. 2 den Antrag auf Nachteilsausgleich für den mündlich-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung - beantragt seien eine Prüfungszeitverlängerung und das Ablegen der Prüfung in einem separaten Raum - im „Frühjahr 2020“ [gemeint ist offenbar Herbst 2021] ab. Die Klägerin habe unter dem 28.05.2021 eine Nachteilsausgleich für den schriftlichen und mündlichen-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Herbst 2021 beantragt. Dieser Antrag sei vollumfänglich abzulehnen. Soweit dies organisatorisch möglich sei, werde es der Klägerin als Entgegenkommen und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ermöglicht, den schriftlichen Teil der Prüfung in einem separaten Raum zu absolvieren, soweit dies organisatorisch möglich sei.
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Die Klägerin hat im Gerichtsverfahren folgende aktuelle ärztliche Bescheinigungen vorgelegt:
15 
In dem Attest eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vom 26.07.2021 wird ausgeführt, die Klägerin befinde sich seit dem 24.06.2016 wegen einer Anorexia nervosa (F 50.0), ADHS (F 90.0), wiederkehrender Depression (F 33) und einer Prüfungsangst (F 40.2) mit Panikattacken und Dissoziationen in fortlaufender psychiatrischer Behandlung mit Vorstellungen im Abstand von ca. acht Wochen. Parallel habe sie sich wöchentlich in ambulanter und viele Wochen in stationärer Psychotherapie befunden und absolviere ein- bis zweimal wöchentlich Ergotherapie mit Neurofeedback. Menschen mit ADHS neigten in Prüfungssituationen rasch zu völliger Reizüberflutung und zu Panikattacken mit vollständigem Blackout. Sie könnten die im Gehirn abgespeicherten Informationen bei hoher psychomotorischer Anspannung nicht strukturiert und geordnet abrufen. Die Folge sei häufig, dass alle Lerninhalte den Prüfling wie ein Tsunami überfluteten und dieser in Schweigen versinke. Nach einer kurzen Prüfungspause seien oft sogar hervorragende Prüfungsleistungen möglich. Die Versagensangst erhöhe hingegen die Anspannung und der nächste Blackout werde wahrscheinlicher. Aus medizinischer Sicht seien als Nachteilsausgleich eine Prüfungszeit-Verlängerung von 50% sowie eine möglichst ruhige und reizarme Prüfungsatmosphäre angemessen, um dadurch die Reizüberflutung und Überstimulation zu reduzieren und dem Prüfling die Chance zu geben, sein erlerntes Wissen in Ruhe zu strukturieren und in geordnete Bahnen zu lenken. ADHS könne medizinisch zwar medikamentös gut behandelt werden. Die wichtigsten Nebenwirkungen der Stimulantien seien aber Gewichtsreduktion und Appetitverlust. Deshalb seien die medikamentösen Optionen bei der Klägerin wegen ihrer Anorexie limitiert. Durch Misserfolgserlebnisse und Versagensängste kämen noch die Symptome einer Depression hinzu. Zusätzlich leide die Klägerin an einer kortisonpflichtigen Sarkoidose mit wiederkehrenden Fieberschüben sowie Gelenk- und Muskelschmerzen.
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In einer Bescheinigung des Universitätsklinikums Freiburg - xxx - vom 15.04.2021 wird an aktuellen physischen bzw. körperlichen Erkrankungen in erster Linie eine Sarkoidose Stadium II nach Scadding bei Vorliegen eines des Löfgren-Syndroms, EM 8/2020, ED 12/2020 (D 86.9) diagnostiziert. Subjektiv gebe es gesteigerte Arthralgien seit der Einnahme von Decortin und seitens der Lunge keine Besserung. Beschwerden träten vor allem in den Oberschenkelgelenken beidseits und den Knien auf, aktuell gebe es keine Schwellungen. Die Klägerin habe immer mal wieder Palpilationen auch in Ruhe und Engegefühle auf der Brust, teils atemabhängig. Immer wieder gebe es durch die Anorexie bedingt Bauchschmerzen. Regelmäßig steige die Temperatur auf 37,5 °C an. Selten habe sie Nachtschweiß und teilweise Myalgie sowie 1 Minute Morgensteifigkeit.
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In dem Attest einer Fachärztin für Allgemeinmedizin vom 21.06.2021 werden diese Diagnosen bestätigt. Unter dem Reduktionsschema der Therapie mit Prednisonol zeige sich ein stabiler Verlauf, so dass eine weitere schrittweise Reduktion alle zwei Wochen besprochen worden sei. Bei stabilem Verlauf könne in drei Monaten eine Verlaufskontrolle erfolgen. Als Anamnese wird angegeben, der Klägerin gehe es etwas besser. Allerdings habe sie grenzwertige Körpertemperaturen von meist 37,5 °C. Die Gelenkschmerzen seien verbessert und erträglich.
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Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, ihre ADHS im Erwachsenenalter sei kein Dauerleiden. In medizinischer Hinsicht sei es nicht zutreffend, dass ADHS im Erwachsenenalter nicht heilbar sei. Die Symptome und die überwiegende Mehrheit der Begleitstörungen könne mithilfe der zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen verbessert werden. Bei der Klägerin lägen weitere psychische Erkrankungen vor. Gerade die Dauermedikation, die wegen der anderen Erkrankungen der Klägerin verabreicht werden müsse, beeinträchtige sie sehr. Die medikamentös verursachten vorübergehenden Beeinträchtigungen rechtfertigten einen Nachteilsausgleich. Die Klägerin habe bei ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit, etwa als Rettungssanitäterin, keinerlei Probleme gehabt, den komplexen Anforderungen auch bei Notfalleinsätzen gerecht zu werden. Durch zusätzliche, nicht auf die Bearbeitungszeit anzurechnende Pausen könnten die temporären Nachteile der Klägerin ausgeglichen werden, ohne dass andere Prüflinge dadurch unangemessen benachteiligt würden. Da der Beklagte in dem Bescheid vom 22.06.2021 die Durchführung der Prüfung in einem separaten Raum nur ohne Anerkennung einer Rechtspflicht angekündigt habe, bedürfe es einer umfänglichen Antragstellung.
19 
Die Klägerin beantragt zuletzt sinngemäß bei sachdienlicher Auslegung ihres Begehrens,
20 
festzustellen, dass sich die Klage insoweit erledigt hat, als sie gegen die Nr. 1 des Bescheids vom 08.04.2020 und den Bescheid vom 01.07.2020 sowie gegen die Nummern 1 und 2 des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2020 - jeweils des Regierungspräsidiums Stuttgart, Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - bezüglich der Prüfung Frühjahr 2020 gerichtet war und
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den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - vom 22.06.2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag auf einen Nachteilsausgleich für den schriftlichen und den mündlich-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Herbst 2021 erneut zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten.
22 
Der Beklagte beantragt,
23 
die Klage abzuweisen.
24 
Zur Begründung macht er geltend: Sei ein Prüfling aus psychischen oder persönlichkeitsbedingten Gründen nicht in der Lage, dem Zeitdruck in einer schriftlichen Prüfung standzuhalten, sei es mit der Chancengleichheit aller Prüflinge nicht zu vereinbaren, ihm dafür einen Ausgleich in Form einer Prüfungszeitverlängerung zu gewähren. Sei hingegen das Unvermögen, die gestellte Aufgabe unter regulären Prüfungsbedingungen zu bewältigen, auf körperliche Ursachen zurückzuführen und der Prüfling lediglich in der Darstellung oder technischen Umsetzungsfähigkeit seiner vorhandenen Befähigung eingeschränkt, habe der Prüfling grundsätzlich einen Anspruch auf Ausgleich dieses Nachteils. Dabei sei nicht von entscheidender Bedeutung, ob es sich um ein Dauerleiden handle. Entscheidend sei, ob ein Leiden als generelle Einschränkung der Leistungsfähigkeit das reguläre Leistungsbild des Prüflings bestimme. Der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit rechtfertige die Rücksichtnahme auf persönliche Belastungen des Prüflings nicht, wenn dieser auch beweisen solle, dass er mit solchen Schwierigkeiten fertig werde und mithin die Eignung für einen bestimmten Beruf besitze. Bei der Klägerin liege keine Beeinträchtigung in der technischen Umsetzung oder in der Darstellungsfähigkeit des Leistungsvermögens vor, sondern eine Beeinträchtigung der gedanklichen Umsetzung im Sinne einer persönlichkeitsbedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Bei der schriftlichen Prüfung des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung stelle die Fähigkeit, einen Sachverhalt aufzunehmen und zu verstehen sowie die Prüfungsfragen in angemessener Zeit zu lösen, die Leistung dar, die zu bewerten sei. Es sei gerade die Aufgabe des Prüflings, unter Zeitdruck vorgegebene Fragen und Fallstudien zu lösen. In der mündlichen Prüfung stelle die Fähigkeit, einen Sachverhalt aufzunehmen, zu verstehen und unter Zeitdruck innerhalb kurzer Zeit die richtige Antwort auf die mündlich gestellten Fragen zu geben, die Leistung dar, die bewertet werde.
25 
Ungeachtet dessen werde der Klägerin als Entgegenkommen und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht das Ablegen des schriftlichen Teils in einem separaten Raum ermöglicht, sofern dies organisatorisch möglich sei.
26 
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten im vorliegenden Verfahren, die ursprünglich im Verfahren 1 K 1396/20 vorgelegten Akten des Beklagten (3 Hefte) und die Gerichtsakten des Verfahrens 1 K 1396/20 verwiesen.

Entscheidungsgründe

27 
I. Der bei sachdienlicher Auslegung gestellte Antrag der Klägerin, festzustellen, dass sich die Klage insoweit erledigt hat, als sie gegen die Nr. 1 des Bescheids vom 08.04.2020 und den Bescheid vom 01.07.2020 sowie gegen die Nummern 1 und 2 des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2020 - jeweils des Regierungspräsidiums Stuttgart, Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - bezüglich der Prüfung Frühjahr 2020 gerichtet war, hat in der Sache keinen Erfolg.
28 
Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Klägerin bezüglich eines Teils des ursprünglichen Streitgegenstands ist als privilegierte Form der Klageänderung zu qualifizieren. Sie hat zur Folge, dass die Klage in Bezug auf diesen Teil des ursprünglich anhängig gemachten Begehrens nunmehr darauf gerichtet ist, die Erledigung in der Hauptsache festzustellen. Aufgrund der einseitigen Erledigungserklärung der Klägerin ist nur noch diese Frage Gegenstand des anhängigen Verwaltungsstreitverfahrens. Auch wenn im Einzelnen umstritten ist, wie weit der Prüfungsumfang des Gerichts in einem solchen Fall reicht, würde die Feststellung der Erledigung der Hauptsache im vorliegenden Fall jedenfalls voraussetzen, dass ein nach der Rechtshängigkeit eingetretenes außerprozessuales Ereignis dem Klagebegehren die Grundlage entzogen hat und die Klage deshalb für die Klägerin gegenstandslos geworden ist (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 161 Rn.22 ff. m.w. Nachw.).
29 
Hier fehlt es an einem nach der Klageerhebung eingetretenes außerprozessuales Ereignis, das dem Klagebegehren die Grundlage entzogen haben könnte. Die Klägerin hat den Bescheid des Beklagten vom 16.09.2020 als Anlass genommen, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, da sie infolge des nunmehr genehmigten Prüfungsrücktritts die Möglichkeit habe, erneut an dem Ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2021 teilzunehmen. Hierbei handelt es sich indes nicht um ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis, denn dieser Bescheid ist schon vor Klageerhebung ergangen. Er stammt vom 16.09.2020, während die vorliegende Klage erst am 19.10.2020 erhoben worden ist.
30 
II. Soweit die Klage auf einen Nachteilsausgleich für den Ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung im Herbst 2021 gerichtet ist, ist sie zwar insgesamt zulässig (1.), aber nur zum Teil begründet (2.).
31 
1. Soweit die Klägerin ihre Klage insoweit im Laufe des Verfahrens an die jeweils während des Prozesses eingetretenen Änderungen - neuer Prüfungstermin, Berücksichtigung von zwischenzeitliche ergangenen Bescheiden - angepasst hat, liegt eine Klageänderung im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO vor, auf die sich der Beklagte zum einen eingelassen hat und die zum anderen ohne Weiteres sachdienlich und damit zulässig ist.
32 
Dass der Antrag lediglich auf eine Neubescheidung gerichtet ist, obwohl es insoweit keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum der Behörde gibt und damit eine gebundene Entscheidung vorliegt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.08.1993 - 9 S 2023/93 - NVwZ 1994, 598), führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage, da es sich insoweit lediglich um ein „Weniger“ handelt. Diese Beschränkung hat allerdings zur Folge, dass das Gericht im Falle eine (Teil-) Erfolgs der Klage im Entscheidungstenor nicht über das ausdrücklich Beantragte hinausgehen kann.
33 
Ein Rechtsschutzinteresse ist der Klägerin auch insoweit nicht abzusprechen, als sie begehrt, die schriftliche Prüfung in einem gesonderten Raum absolvieren zu dürfen. Zwar hat die Behörde nunmehr mitgeteilt, dass der Klägerin als Entgegenkommen das Ablegen des schriftlichen Teils in einem separaten Raum ermöglicht werden solle. Diese Zusage ist jedoch ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und inhaltlich nur unter dem Vorbehalt erfolgt, dass dies organisatorisch möglich ist. Aufgrund dieser Einschränkungen besteht nach wie vor ein nachvollziehbares und schützenswertes rechtliches Interesse der Klägerin an einer Entscheidung des Gerichts über die Frage, ob sie einen entsprechenden Anspruch besitzt.
34 
2. In der Sache hat die Klage auf einen Nachteilsausgleich nur insoweit Erfolg, als sie darauf gerichtet ist, der Klägerin die schriftliche Prüfung in einem gesonderten Raum zu ermöglichen (a). Dieser Anspruch führt lediglich wegen der Beschränkung des Klageantrags auf eine Neubescheidung nur zu einer entsprechenden Tenorierung (vgl. § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO). Bezüglich der weiteren Prüfungserleichterungen, welche die Klägerin begehrt, ist die Klage hingegen unbegründet (b).
35 
a) Die Klägerin kann beanspruchen, dass der Beklagte über ihren Antrag, die schriftliche Prüfung in einem gesonderten Raum absolvieren zu dürfen, erneut entscheidet und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts beachtet.
36 
aa) In tatsächlicher Hinsicht hat das Gericht keinen Zweifel an der Richtigkeit der in den zuletzt vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen gestellten Diagnosen. Es geht also mit anderen Worten davon aus, dass die dort genannten Erkrankungen im Falle der Klägerin tatsächlich vorliegen.
37 
bb) Ärzte tragen allerdings lediglich zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts bei. Sie sind jedoch nicht zur Beantwortung der rechtlichen Frage berufen, ob bei dem festgestellten Sachverhalt die Tatbestandsvoraussetzungen einer bestimmten Rechtsnorm vorliegen (vgl. hierzu allg.: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.07.2021 - 1 S 2111/21 - juris). Die Entscheidung, welche Prüfungserleichterungen bei einem bestimmten Krankheitsbild rechtlich geboten sind, ist demzufolge allein Sache des Gerichts.
38 
In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass sich die Grundlage für die Gewährung eines Nachteilsausgleichs im vorliegenden Fall aus § 10 Abs. 7 Satz ÄApprO ergibt, wonach die besonderen Belange behinderter Prüflinge zur Wahrung ihrer Chancengleichheit bei der Durchführung der Prüfungen zu berücksichtigen sind. Auch ohne diese Regelung wäre letztlich aus allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen - insbesondere dem Grundsatz der Chancengleichheit - abzuleiten, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Nachteilsausgleich zu erfolgen hat.
39 
Das Gebot der Chancengleichheit soll sicherstellen, dass alle Prüflinge möglichst gleiche Chancen haben, die Leistungsanforderungen zu erfüllen. Zu diesem Zweck sollen die Bedingungen, unter denen die Prüfung abgelegt wird, für alle Prüflinge möglichst gleich sein. Es müssen grundsätzlich einheitliche Regeln für Form und Verlauf der Prüfungen gelten; die tatsächlichen Verhältnisse während der Prüfung müssen gleichartig sein. Allerdings sind einheitliche Prüfungsbedingungen geeignet, die Chancengleichheit derjenigen Prüflinge zu verletzen, deren Fähigkeit, ihr vorhandenes Leistungsvermögen darzustellen, erheblich beeinträchtigt ist. Daher steht diesen Prüflingen ein Anspruch auf Änderung der einheitlichen Prüfungsbedingungen im jeweiligen Einzelfall unmittelbar aufgrund des Gebots der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG zu. Den Schwierigkeiten des Prüflings, seine vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten unter Geltung der einheitlichen Bedingungen darzustellen, muss durch geeignete Ausgleichsmaßnahmen Rechnung getragen werden. Dieser Nachteilsausgleich ist erforderlich, um chancengleiche äußere Bedingungen für die Erfüllung der Leistungsanforderungen herzustellen. Aus diesem Grund muss die Ausgleichsmaßnahme im Einzelfall nach Art und Umfang so bemessen sein, dass der Nachteil nicht „überkompensiert“ wird.
40 
Dabei ist es - wie die Beteiligten richtig erkannt haben - für die Frage des Nachteilsausgleichs nicht von entscheidender Bedeutung, ob es sich bei der Beeinträchtigung der Fähigkeit, das vorhandene Leistungsvermögen darzustellen, um ein Dauerleiden handelt, also um eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustands, die die Einschränkung der Leistungsfähigkeit trotz ärztlicher Hilfe bzw. des Einsatzes medizinisch-technischer Hilfsmittel nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft bedingt. Anders als bei einem Rücktritt von der Prüfung wegen Prüfungsunfähigkeit sind auch wesentliche dauerhafte Behinderungen des Prüflings, die auf gesundheitlichen Störungen oder körperlichen Gebrechen beruhen, zu berücksichtigen (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 24.02.2021 - 6 C 1.20 - Rn. 24 juris). Allerdings rechtfertigt es das Vorliegen eines Dauerleidens nicht in jedem Fall, dem Prüfling einen Nachteilsausgleich zu gewähren. Vielmehr ist hierbei zu differenzieren: Bei einer dauerhaften Einschränkung des Leistungsvermögens gebietet und rechtfertigt der Grundsatz der Chancengleichheit die Rücksichtnahme auf persönliche Belastungen des Prüflings in Form eines Nachteilsausgleichs nicht, wenn der Prüfling auch erweisen soll, dass er solche Schwierigkeiten bewältigen kann und mithin die Grundvoraussetzungen der durch die Prüfung zu ermittelnden Eignung für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Ausbildung besitzt. Dementsprechend gehören Prüfungsstress und Examensängste, die zumeist in den spezifischen Belastungen der Prüfungen wurzeln und denen jeder Kandidat je nach Konstitution mehr oder weniger ausgesetzt ist, im Allgemeinen zum Risikobereich des Prüflings. Handelt es sich dagegen um Behinderungen, die nicht die aktuell geprüften Befähigungen betreffen, sondern nur den Nachweis der vorhandenen Befähigung erschweren und die in der Prüfung und auch in dem angestrebten Beruf durch Hilfsmittel ausgeglichen werden können, ist dies in der Prüfung in Form eines Nachteilsausgleichs angemessen zu berücksichtigen. Dabei sind die maßgeblichen Feststellungen nicht nach allgemeinen Krankheitsbildern, sondern stets individuell zu treffen und auf dieser Grundlage zu bewerten (VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 08.07.2021 - 1 S 2111/21 - juris, vom 09.03.2015 - 9 S 412/ 412/15 NJW 2015, 2906 juris; NdsOVG, Beschluss vom 24.06.2019 - 2 ME 570/19 - juris; Jeremias, Dauerleiden und Nachteilsausgleich im Prüfungsrecht, NVwZ 2019, 839, und in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, C. Rn. 258 ff.).
41 
bb) Bei der hiernach anzustellenden Betrachtung des konkreten Einzelfalls ist das Gericht davon überzeugt, dass die Absolvierung der schriftlichen Prüfung in einem gesonderten Raum geeignet ist, die krankheitsbedingten Einschränkungen der Klägerin angemessen auszugleichen. Insbesondere in dem aktuellen ärztlichen Attest eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vom 26.07.2021 wird im Einzelnen überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankungen - Anorexia nervosa (F 50.0), ADHS (F 90.0), wiederkehrende Depression (F 33) und einer Prüfungsangst (F 40.2) mit Panikattacken und Dissoziationen - in Prüfungssituationen rasch zu völliger Reizüberflutung und Panikattacken mit vollständigem Blackout neigt und durch eine möglichst ruhige und reizarme Prüfungsatmosphäre ausgeglichen werden kann. Insoweit hat auch der Beklagte keine Einwendungen erhoben.
42 
dd) Der Gewährung dieses Nachteilsausgleichs steht nicht etwa der Zweck der Prüfung entgegen. Die Störanfälligkeit durch äußere Einflüsse ist keine Einschränkung, die sich auf die mit der schriftlichen Prüfung festzustellende Leistungsfähigkeit auswirkt. Gegenstand des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung ist nach § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ÄApprO ersichtlich die Frage, ob der Prüfling die grundlegenden Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt, die für den Arztberuf erforderlich sind. Hierzu gehört sicher auch, dass ein Prüfling in der Lage ist, in einer vorgegebenen Zeit die gestellten Aufgaben zu lösen, nicht aber eine Überprüfung seiner Störanfälligkeit. Die Beeinträchtigung der Klägerin liegt demzufolge außerhalb der in dieser Prüfung zu ermittelnden wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Umgang mit Störungen stellt - anders als etwa die Einhaltung eines bestimmten Zeitbudgets - keine spezifische Fähigkeit dar, die in einer schriftlichen Prüfung festgestellt wird. Mit der Möglichkeit, die Aufsichtsarbeiten in einem separaten Raum zu schreiben, wird vielmehr hinsichtlich des Nachweises der Leistungsfähigkeit der Klägerin deren krankheitsbedingte extreme Störanfälligkeit angemessen kompensiert (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.07.2021 - 1 S 2111/21 - juris zur Ersten juristischen Staatsprüfung).
43 
b) Im Hinblick auf die weiteren Prüfungserleichterungen, welche die Klägerin begehrt, ist die Klage hingegen unbegründet. Sie kann weder eine Verlängerung der Bearbeitungszeit bei der schriftlichen Prüfung noch eine Prüfungszeitverlängerung und das Ablegen der Prüfung in einem separaten Raum bei der mündlich-praktischen Prüfung beanspruchen.
44 
aa) Wie bereits oben ausgeführt worden ist, sind die bei der Klägerin diagnostizierten psychischen Erkrankungen überzeugend dargelegt. Hierauf kann auch an dieser Stelle Bezug genommen werden. Das Gericht bezweifelt ferner nicht, dass die in den aktuellen ärztlichen Bescheinigungen vom 15.04.2021 und vom 21.06.2021 festgestellten physischen bzw. körperlichen Erkrankungen - in erster Linie eine Sarkoidose Stadium II nach Scadding bei Vorliegen eines des Löfgren-Syndroms, EM 8/2020, ED 12/2020 (D 86.9) - tatsächlich vorliegen.
45 
bb) Das Gericht kann indes in Bezug auf die geltend gemachten physischen bzw. körperlichen Beeinträchtigungen schon nicht erkennen, inwiefern sie hier die Prüfungsfähigkeit der Klägerin, die immer im Hinblick auf die jeweilige Prüfung zu beurteilen ist, konkret in einer Weise einschränken, die einen Nachteilsausgleich erforderlich machen könnte. Aus den vorgelegten Attesten ergibt sich dies nicht. Danach treten Beschwerden vor allem in den Oberschenkelgelenken beidseits und den Knien auf, aktuell gebe es aber keine Schwellungen; die Klägerin habe immer mal wieder Palpilationen auch in Ruhe und Engegefühle auf der Brust, teils atemabhängig; immer wieder gebe es durch die Anorexie bedingt Bauchschmerzen; regelmäßig steige die Temperatur auf 37,5 °C an; selten habe sie Nachtschweiß und teilweise Myalgie sowie 1 Minute Morgensteifigkeit. Dem Attest einer Fachärztin für Allgemeinmedizin vom 21.06.2021 zufolge gehe es der Klägerin etwas besser, allerdings habe sie grenzwertige Körpertemperaturen von meist 37,5 °C; die Gelenkschmerzen seien verbessert und erträglich.
46 
Daraus ergibt sich nicht, inwiefern die Fähigkeit der Klägerin, eine schriftliche und eine mündlich-praktische Prüfung zu absolvieren, in relevanter Weise durch die genannten teils eher unspezifischen Symptome eingeschränkt sein sollte. Erst recht ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, weshalb die auf den diagnostizierten physischen bzw. körperlichen Krankheiten beruhenden Beschwerden mit einer Verlängerung der Prüfungszeit und einer reizarmen Umgebung sinnvoll und angemessen kompensiert werden könnten. Dies wäre aber erforderlich. Denn ein Defizit in einem Bereich kann nicht sinnvoll durch eine Erleichterung in einem davon unabhängigen anderen Bereich ausgeglichen werden. Eine angemessene Kompensation setzt vielmehr voraus, dass diese grundsätzlich geeignet ist, gerade die konkret vorliegende Beeinträchtigung im Hinblick auf die Prüfung zu kompensieren. Der Grundsatz der Chancengleichheit gemäß Art. 3 GG gebietet es im Hinblick auf die anderen Studierenden, dass keine ungeeigneten Nachteilsausgleiche gewährt werden. Dabei entspricht es auch verfassungsrechtlichen Erwägungen, dass an zur Erreichung des Zweckes nicht geeigneten Maßnahmen kein schutzwürdiges Interesse besteht (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 16.03.2021 - 11 K 3023/20 - juris).
47 
Dabei liegt es dem Gericht fern, die multiplen Erkrankungen der Klägerin, die eine jahrelange Leidensgeschichte aufzuweisen hat, geringzuschätzen oder nicht ernst zu nehmen. Es ist aber nicht konkret dargetan, inwiefern die dargelegten physischen bzw. körperlichen Beschwerden im Falle der Klägerin überhaupt einer Kompensation durch einen prüfungsrechtlichen Nachteilsausgleich zugänglich sind und weshalb gerade die Verlängerung der Prüfungszeit bei beiden Teilen der Prüfung und die Absolvierung der mündlich-praktischen Prüfung in einem gesonderten Raum hierzu geeignet wären. Je nach aktuellem Ausprägungsgrad der Symptome dürften diese vielmehr ggf. die allgemeine Leistungs- und Prüfungsfähigkeit der Klägerin einschränken, sodass im Falle eines akuten Krankheitsschubs dem Grunde nach eher an einen Rücktritt von der Prüfung zu denken sein könnte. Dabei wären allerdings die dafür gegebenen Voraussetzungen (u.a. rechtzeitige und ausreichend begründete Antragstellung) zu beachten. Ferner müsste berücksichtigt werden, dass ein sog. Dauerleiden einem Prüfungsrücktritt in der Regel entgegensteht.
48 
cc) Der Verlängerung der Prüfungszeit für die schriftliche und die mündlich-praktische Prüfung steht entgegen, das die festgestellten psychischen Krankheiten die zu prüfenden Befähigungen betreffen. Nach § 1 Abs. 1 ÄApprO soll die Ausbildung zum Arzt auch die für das ärztliche Handeln erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Diagnostik und Therapie vermitteln. Dazu gehört ersichtlich auch das Bewältigen von Aufgaben innerhalb einer vorgegebenen Zeit und sogar unter Zeitdruck (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.07.2021 - 1 S 2111/21 - juris zur Ersten juristischen Staatsprüfung). Insoweit weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass bei der schriftlichen Prüfung des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung gerade die Fähigkeit nachzuweisen ist, einen Sachverhalt aufzunehmen und zu verstehen sowie die Prüfungsfragen in angemessener Zeit zu lösen, und in der mündlich-praktischen Prüfung die Fähigkeit, einen Sachverhalt aufzunehmen, zu verstehen und unter Zeitdruck innerhalb kurzer Zeit die richtige Antwort auf die mündlich gestellten Fragen zu geben.
49 
dd) Gleiches gilt im Ergebnis für die ferner begehrte Ablegung der mündlich-praktischen Prüfung in einer reizarmen Umgebung. Dabei kann offenbleiben, wie diese Prüfungserleichterung überhaupt organisatorisch und praktisch umgesetzt werden könnte. Nach § 1 Abs. 1 ÄApprO gehören die praktische Erfahrung im Umgang mit Patienten, die Fähigkeit, die Behandlung zu koordinieren, die ärztliche Gesprächsführung sowie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit anderen Ärzten und mit Angehörigen anderer Berufe des Gesundheitswesens zur Ausbildung und zum ärztlichen Berufsbild. Diese Anforderungen sprechen gegen die Durchführung einer mündlich-praktischen Prüfung in einer isolierten Umgebung. Ärzte müssen gerade auch in der Interaktion mit anderen Personen - seien es Patienten, deren Angehörige, andere Ärzte oder in der Krankenpflege tätige Beschäftigte - ein hohes Maß an sozialer Kompetenz aufweisen und auch unter erheblichem Druck zur schnellen Erfassung eines Sachverhalts und zu einer sinnvollen und zielgerichteten Kommunikation in der Lage sein, um im Notfall zeitnah eine sinnvolle Entscheidung treffen zu können. Dies lässt es nicht zu, in einer mündlich-praktischen Prüfung bei einzelnen Prüflingen eine besondere reizarme Umgebung zu schaffen, denn insoweit sind die Fähigkeiten betroffen, die - auch - Gegenstand der zu prüfenden Leistung sind. Der Prüfling soll gerade zeigen, dass er solche Schwierigkeiten bewältigen kann und mithin die Grundvoraussetzungen der durch die Prüfung zu ermittelnden Eignung für den Arztberuf besitzt.
50 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Der ursprünglich auch geltend gemachte Prüfungsrücktritt und das Begehren auf Nachteilsausgleich sind dabei gleich zu gewichten. Beim ersten Streitgegenstand ist die Klägerin voll unterlegen und beim zweiten Streitgegenstand zu 3/4. Daraus folgt insgesamt eine Kostenverteilung von 7/8 zu 1/8 zulasten der Klägerin.
51 
Die Berufung ist nicht zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO, § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gründe

27 
I. Der bei sachdienlicher Auslegung gestellte Antrag der Klägerin, festzustellen, dass sich die Klage insoweit erledigt hat, als sie gegen die Nr. 1 des Bescheids vom 08.04.2020 und den Bescheid vom 01.07.2020 sowie gegen die Nummern 1 und 2 des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2020 - jeweils des Regierungspräsidiums Stuttgart, Landesprüfungsamt Baden-Württemberg für Medizin und Pharmazie - bezüglich der Prüfung Frühjahr 2020 gerichtet war, hat in der Sache keinen Erfolg.
28 
Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Klägerin bezüglich eines Teils des ursprünglichen Streitgegenstands ist als privilegierte Form der Klageänderung zu qualifizieren. Sie hat zur Folge, dass die Klage in Bezug auf diesen Teil des ursprünglich anhängig gemachten Begehrens nunmehr darauf gerichtet ist, die Erledigung in der Hauptsache festzustellen. Aufgrund der einseitigen Erledigungserklärung der Klägerin ist nur noch diese Frage Gegenstand des anhängigen Verwaltungsstreitverfahrens. Auch wenn im Einzelnen umstritten ist, wie weit der Prüfungsumfang des Gerichts in einem solchen Fall reicht, würde die Feststellung der Erledigung der Hauptsache im vorliegenden Fall jedenfalls voraussetzen, dass ein nach der Rechtshängigkeit eingetretenes außerprozessuales Ereignis dem Klagebegehren die Grundlage entzogen hat und die Klage deshalb für die Klägerin gegenstandslos geworden ist (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 161 Rn.22 ff. m.w. Nachw.).
29 
Hier fehlt es an einem nach der Klageerhebung eingetretenes außerprozessuales Ereignis, das dem Klagebegehren die Grundlage entzogen haben könnte. Die Klägerin hat den Bescheid des Beklagten vom 16.09.2020 als Anlass genommen, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, da sie infolge des nunmehr genehmigten Prüfungsrücktritts die Möglichkeit habe, erneut an dem Ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2021 teilzunehmen. Hierbei handelt es sich indes nicht um ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis, denn dieser Bescheid ist schon vor Klageerhebung ergangen. Er stammt vom 16.09.2020, während die vorliegende Klage erst am 19.10.2020 erhoben worden ist.
30 
II. Soweit die Klage auf einen Nachteilsausgleich für den Ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung im Herbst 2021 gerichtet ist, ist sie zwar insgesamt zulässig (1.), aber nur zum Teil begründet (2.).
31 
1. Soweit die Klägerin ihre Klage insoweit im Laufe des Verfahrens an die jeweils während des Prozesses eingetretenen Änderungen - neuer Prüfungstermin, Berücksichtigung von zwischenzeitliche ergangenen Bescheiden - angepasst hat, liegt eine Klageänderung im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO vor, auf die sich der Beklagte zum einen eingelassen hat und die zum anderen ohne Weiteres sachdienlich und damit zulässig ist.
32 
Dass der Antrag lediglich auf eine Neubescheidung gerichtet ist, obwohl es insoweit keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum der Behörde gibt und damit eine gebundene Entscheidung vorliegt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.08.1993 - 9 S 2023/93 - NVwZ 1994, 598), führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage, da es sich insoweit lediglich um ein „Weniger“ handelt. Diese Beschränkung hat allerdings zur Folge, dass das Gericht im Falle eine (Teil-) Erfolgs der Klage im Entscheidungstenor nicht über das ausdrücklich Beantragte hinausgehen kann.
33 
Ein Rechtsschutzinteresse ist der Klägerin auch insoweit nicht abzusprechen, als sie begehrt, die schriftliche Prüfung in einem gesonderten Raum absolvieren zu dürfen. Zwar hat die Behörde nunmehr mitgeteilt, dass der Klägerin als Entgegenkommen das Ablegen des schriftlichen Teils in einem separaten Raum ermöglicht werden solle. Diese Zusage ist jedoch ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und inhaltlich nur unter dem Vorbehalt erfolgt, dass dies organisatorisch möglich ist. Aufgrund dieser Einschränkungen besteht nach wie vor ein nachvollziehbares und schützenswertes rechtliches Interesse der Klägerin an einer Entscheidung des Gerichts über die Frage, ob sie einen entsprechenden Anspruch besitzt.
34 
2. In der Sache hat die Klage auf einen Nachteilsausgleich nur insoweit Erfolg, als sie darauf gerichtet ist, der Klägerin die schriftliche Prüfung in einem gesonderten Raum zu ermöglichen (a). Dieser Anspruch führt lediglich wegen der Beschränkung des Klageantrags auf eine Neubescheidung nur zu einer entsprechenden Tenorierung (vgl. § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO). Bezüglich der weiteren Prüfungserleichterungen, welche die Klägerin begehrt, ist die Klage hingegen unbegründet (b).
35 
a) Die Klägerin kann beanspruchen, dass der Beklagte über ihren Antrag, die schriftliche Prüfung in einem gesonderten Raum absolvieren zu dürfen, erneut entscheidet und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts beachtet.
36 
aa) In tatsächlicher Hinsicht hat das Gericht keinen Zweifel an der Richtigkeit der in den zuletzt vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen gestellten Diagnosen. Es geht also mit anderen Worten davon aus, dass die dort genannten Erkrankungen im Falle der Klägerin tatsächlich vorliegen.
37 
bb) Ärzte tragen allerdings lediglich zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts bei. Sie sind jedoch nicht zur Beantwortung der rechtlichen Frage berufen, ob bei dem festgestellten Sachverhalt die Tatbestandsvoraussetzungen einer bestimmten Rechtsnorm vorliegen (vgl. hierzu allg.: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.07.2021 - 1 S 2111/21 - juris). Die Entscheidung, welche Prüfungserleichterungen bei einem bestimmten Krankheitsbild rechtlich geboten sind, ist demzufolge allein Sache des Gerichts.
38 
In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass sich die Grundlage für die Gewährung eines Nachteilsausgleichs im vorliegenden Fall aus § 10 Abs. 7 Satz ÄApprO ergibt, wonach die besonderen Belange behinderter Prüflinge zur Wahrung ihrer Chancengleichheit bei der Durchführung der Prüfungen zu berücksichtigen sind. Auch ohne diese Regelung wäre letztlich aus allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen - insbesondere dem Grundsatz der Chancengleichheit - abzuleiten, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Nachteilsausgleich zu erfolgen hat.
39 
Das Gebot der Chancengleichheit soll sicherstellen, dass alle Prüflinge möglichst gleiche Chancen haben, die Leistungsanforderungen zu erfüllen. Zu diesem Zweck sollen die Bedingungen, unter denen die Prüfung abgelegt wird, für alle Prüflinge möglichst gleich sein. Es müssen grundsätzlich einheitliche Regeln für Form und Verlauf der Prüfungen gelten; die tatsächlichen Verhältnisse während der Prüfung müssen gleichartig sein. Allerdings sind einheitliche Prüfungsbedingungen geeignet, die Chancengleichheit derjenigen Prüflinge zu verletzen, deren Fähigkeit, ihr vorhandenes Leistungsvermögen darzustellen, erheblich beeinträchtigt ist. Daher steht diesen Prüflingen ein Anspruch auf Änderung der einheitlichen Prüfungsbedingungen im jeweiligen Einzelfall unmittelbar aufgrund des Gebots der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG zu. Den Schwierigkeiten des Prüflings, seine vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten unter Geltung der einheitlichen Bedingungen darzustellen, muss durch geeignete Ausgleichsmaßnahmen Rechnung getragen werden. Dieser Nachteilsausgleich ist erforderlich, um chancengleiche äußere Bedingungen für die Erfüllung der Leistungsanforderungen herzustellen. Aus diesem Grund muss die Ausgleichsmaßnahme im Einzelfall nach Art und Umfang so bemessen sein, dass der Nachteil nicht „überkompensiert“ wird.
40 
Dabei ist es - wie die Beteiligten richtig erkannt haben - für die Frage des Nachteilsausgleichs nicht von entscheidender Bedeutung, ob es sich bei der Beeinträchtigung der Fähigkeit, das vorhandene Leistungsvermögen darzustellen, um ein Dauerleiden handelt, also um eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustands, die die Einschränkung der Leistungsfähigkeit trotz ärztlicher Hilfe bzw. des Einsatzes medizinisch-technischer Hilfsmittel nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft bedingt. Anders als bei einem Rücktritt von der Prüfung wegen Prüfungsunfähigkeit sind auch wesentliche dauerhafte Behinderungen des Prüflings, die auf gesundheitlichen Störungen oder körperlichen Gebrechen beruhen, zu berücksichtigen (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 24.02.2021 - 6 C 1.20 - Rn. 24 juris). Allerdings rechtfertigt es das Vorliegen eines Dauerleidens nicht in jedem Fall, dem Prüfling einen Nachteilsausgleich zu gewähren. Vielmehr ist hierbei zu differenzieren: Bei einer dauerhaften Einschränkung des Leistungsvermögens gebietet und rechtfertigt der Grundsatz der Chancengleichheit die Rücksichtnahme auf persönliche Belastungen des Prüflings in Form eines Nachteilsausgleichs nicht, wenn der Prüfling auch erweisen soll, dass er solche Schwierigkeiten bewältigen kann und mithin die Grundvoraussetzungen der durch die Prüfung zu ermittelnden Eignung für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Ausbildung besitzt. Dementsprechend gehören Prüfungsstress und Examensängste, die zumeist in den spezifischen Belastungen der Prüfungen wurzeln und denen jeder Kandidat je nach Konstitution mehr oder weniger ausgesetzt ist, im Allgemeinen zum Risikobereich des Prüflings. Handelt es sich dagegen um Behinderungen, die nicht die aktuell geprüften Befähigungen betreffen, sondern nur den Nachweis der vorhandenen Befähigung erschweren und die in der Prüfung und auch in dem angestrebten Beruf durch Hilfsmittel ausgeglichen werden können, ist dies in der Prüfung in Form eines Nachteilsausgleichs angemessen zu berücksichtigen. Dabei sind die maßgeblichen Feststellungen nicht nach allgemeinen Krankheitsbildern, sondern stets individuell zu treffen und auf dieser Grundlage zu bewerten (VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 08.07.2021 - 1 S 2111/21 - juris, vom 09.03.2015 - 9 S 412/ 412/15 NJW 2015, 2906 juris; NdsOVG, Beschluss vom 24.06.2019 - 2 ME 570/19 - juris; Jeremias, Dauerleiden und Nachteilsausgleich im Prüfungsrecht, NVwZ 2019, 839, und in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, C. Rn. 258 ff.).
41 
bb) Bei der hiernach anzustellenden Betrachtung des konkreten Einzelfalls ist das Gericht davon überzeugt, dass die Absolvierung der schriftlichen Prüfung in einem gesonderten Raum geeignet ist, die krankheitsbedingten Einschränkungen der Klägerin angemessen auszugleichen. Insbesondere in dem aktuellen ärztlichen Attest eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vom 26.07.2021 wird im Einzelnen überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankungen - Anorexia nervosa (F 50.0), ADHS (F 90.0), wiederkehrende Depression (F 33) und einer Prüfungsangst (F 40.2) mit Panikattacken und Dissoziationen - in Prüfungssituationen rasch zu völliger Reizüberflutung und Panikattacken mit vollständigem Blackout neigt und durch eine möglichst ruhige und reizarme Prüfungsatmosphäre ausgeglichen werden kann. Insoweit hat auch der Beklagte keine Einwendungen erhoben.
42 
dd) Der Gewährung dieses Nachteilsausgleichs steht nicht etwa der Zweck der Prüfung entgegen. Die Störanfälligkeit durch äußere Einflüsse ist keine Einschränkung, die sich auf die mit der schriftlichen Prüfung festzustellende Leistungsfähigkeit auswirkt. Gegenstand des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung ist nach § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ÄApprO ersichtlich die Frage, ob der Prüfling die grundlegenden Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt, die für den Arztberuf erforderlich sind. Hierzu gehört sicher auch, dass ein Prüfling in der Lage ist, in einer vorgegebenen Zeit die gestellten Aufgaben zu lösen, nicht aber eine Überprüfung seiner Störanfälligkeit. Die Beeinträchtigung der Klägerin liegt demzufolge außerhalb der in dieser Prüfung zu ermittelnden wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Umgang mit Störungen stellt - anders als etwa die Einhaltung eines bestimmten Zeitbudgets - keine spezifische Fähigkeit dar, die in einer schriftlichen Prüfung festgestellt wird. Mit der Möglichkeit, die Aufsichtsarbeiten in einem separaten Raum zu schreiben, wird vielmehr hinsichtlich des Nachweises der Leistungsfähigkeit der Klägerin deren krankheitsbedingte extreme Störanfälligkeit angemessen kompensiert (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.07.2021 - 1 S 2111/21 - juris zur Ersten juristischen Staatsprüfung).
43 
b) Im Hinblick auf die weiteren Prüfungserleichterungen, welche die Klägerin begehrt, ist die Klage hingegen unbegründet. Sie kann weder eine Verlängerung der Bearbeitungszeit bei der schriftlichen Prüfung noch eine Prüfungszeitverlängerung und das Ablegen der Prüfung in einem separaten Raum bei der mündlich-praktischen Prüfung beanspruchen.
44 
aa) Wie bereits oben ausgeführt worden ist, sind die bei der Klägerin diagnostizierten psychischen Erkrankungen überzeugend dargelegt. Hierauf kann auch an dieser Stelle Bezug genommen werden. Das Gericht bezweifelt ferner nicht, dass die in den aktuellen ärztlichen Bescheinigungen vom 15.04.2021 und vom 21.06.2021 festgestellten physischen bzw. körperlichen Erkrankungen - in erster Linie eine Sarkoidose Stadium II nach Scadding bei Vorliegen eines des Löfgren-Syndroms, EM 8/2020, ED 12/2020 (D 86.9) - tatsächlich vorliegen.
45 
bb) Das Gericht kann indes in Bezug auf die geltend gemachten physischen bzw. körperlichen Beeinträchtigungen schon nicht erkennen, inwiefern sie hier die Prüfungsfähigkeit der Klägerin, die immer im Hinblick auf die jeweilige Prüfung zu beurteilen ist, konkret in einer Weise einschränken, die einen Nachteilsausgleich erforderlich machen könnte. Aus den vorgelegten Attesten ergibt sich dies nicht. Danach treten Beschwerden vor allem in den Oberschenkelgelenken beidseits und den Knien auf, aktuell gebe es aber keine Schwellungen; die Klägerin habe immer mal wieder Palpilationen auch in Ruhe und Engegefühle auf der Brust, teils atemabhängig; immer wieder gebe es durch die Anorexie bedingt Bauchschmerzen; regelmäßig steige die Temperatur auf 37,5 °C an; selten habe sie Nachtschweiß und teilweise Myalgie sowie 1 Minute Morgensteifigkeit. Dem Attest einer Fachärztin für Allgemeinmedizin vom 21.06.2021 zufolge gehe es der Klägerin etwas besser, allerdings habe sie grenzwertige Körpertemperaturen von meist 37,5 °C; die Gelenkschmerzen seien verbessert und erträglich.
46 
Daraus ergibt sich nicht, inwiefern die Fähigkeit der Klägerin, eine schriftliche und eine mündlich-praktische Prüfung zu absolvieren, in relevanter Weise durch die genannten teils eher unspezifischen Symptome eingeschränkt sein sollte. Erst recht ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, weshalb die auf den diagnostizierten physischen bzw. körperlichen Krankheiten beruhenden Beschwerden mit einer Verlängerung der Prüfungszeit und einer reizarmen Umgebung sinnvoll und angemessen kompensiert werden könnten. Dies wäre aber erforderlich. Denn ein Defizit in einem Bereich kann nicht sinnvoll durch eine Erleichterung in einem davon unabhängigen anderen Bereich ausgeglichen werden. Eine angemessene Kompensation setzt vielmehr voraus, dass diese grundsätzlich geeignet ist, gerade die konkret vorliegende Beeinträchtigung im Hinblick auf die Prüfung zu kompensieren. Der Grundsatz der Chancengleichheit gemäß Art. 3 GG gebietet es im Hinblick auf die anderen Studierenden, dass keine ungeeigneten Nachteilsausgleiche gewährt werden. Dabei entspricht es auch verfassungsrechtlichen Erwägungen, dass an zur Erreichung des Zweckes nicht geeigneten Maßnahmen kein schutzwürdiges Interesse besteht (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 16.03.2021 - 11 K 3023/20 - juris).
47 
Dabei liegt es dem Gericht fern, die multiplen Erkrankungen der Klägerin, die eine jahrelange Leidensgeschichte aufzuweisen hat, geringzuschätzen oder nicht ernst zu nehmen. Es ist aber nicht konkret dargetan, inwiefern die dargelegten physischen bzw. körperlichen Beschwerden im Falle der Klägerin überhaupt einer Kompensation durch einen prüfungsrechtlichen Nachteilsausgleich zugänglich sind und weshalb gerade die Verlängerung der Prüfungszeit bei beiden Teilen der Prüfung und die Absolvierung der mündlich-praktischen Prüfung in einem gesonderten Raum hierzu geeignet wären. Je nach aktuellem Ausprägungsgrad der Symptome dürften diese vielmehr ggf. die allgemeine Leistungs- und Prüfungsfähigkeit der Klägerin einschränken, sodass im Falle eines akuten Krankheitsschubs dem Grunde nach eher an einen Rücktritt von der Prüfung zu denken sein könnte. Dabei wären allerdings die dafür gegebenen Voraussetzungen (u.a. rechtzeitige und ausreichend begründete Antragstellung) zu beachten. Ferner müsste berücksichtigt werden, dass ein sog. Dauerleiden einem Prüfungsrücktritt in der Regel entgegensteht.
48 
cc) Der Verlängerung der Prüfungszeit für die schriftliche und die mündlich-praktische Prüfung steht entgegen, das die festgestellten psychischen Krankheiten die zu prüfenden Befähigungen betreffen. Nach § 1 Abs. 1 ÄApprO soll die Ausbildung zum Arzt auch die für das ärztliche Handeln erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Diagnostik und Therapie vermitteln. Dazu gehört ersichtlich auch das Bewältigen von Aufgaben innerhalb einer vorgegebenen Zeit und sogar unter Zeitdruck (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.07.2021 - 1 S 2111/21 - juris zur Ersten juristischen Staatsprüfung). Insoweit weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass bei der schriftlichen Prüfung des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung gerade die Fähigkeit nachzuweisen ist, einen Sachverhalt aufzunehmen und zu verstehen sowie die Prüfungsfragen in angemessener Zeit zu lösen, und in der mündlich-praktischen Prüfung die Fähigkeit, einen Sachverhalt aufzunehmen, zu verstehen und unter Zeitdruck innerhalb kurzer Zeit die richtige Antwort auf die mündlich gestellten Fragen zu geben.
49 
dd) Gleiches gilt im Ergebnis für die ferner begehrte Ablegung der mündlich-praktischen Prüfung in einer reizarmen Umgebung. Dabei kann offenbleiben, wie diese Prüfungserleichterung überhaupt organisatorisch und praktisch umgesetzt werden könnte. Nach § 1 Abs. 1 ÄApprO gehören die praktische Erfahrung im Umgang mit Patienten, die Fähigkeit, die Behandlung zu koordinieren, die ärztliche Gesprächsführung sowie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit anderen Ärzten und mit Angehörigen anderer Berufe des Gesundheitswesens zur Ausbildung und zum ärztlichen Berufsbild. Diese Anforderungen sprechen gegen die Durchführung einer mündlich-praktischen Prüfung in einer isolierten Umgebung. Ärzte müssen gerade auch in der Interaktion mit anderen Personen - seien es Patienten, deren Angehörige, andere Ärzte oder in der Krankenpflege tätige Beschäftigte - ein hohes Maß an sozialer Kompetenz aufweisen und auch unter erheblichem Druck zur schnellen Erfassung eines Sachverhalts und zu einer sinnvollen und zielgerichteten Kommunikation in der Lage sein, um im Notfall zeitnah eine sinnvolle Entscheidung treffen zu können. Dies lässt es nicht zu, in einer mündlich-praktischen Prüfung bei einzelnen Prüflingen eine besondere reizarme Umgebung zu schaffen, denn insoweit sind die Fähigkeiten betroffen, die - auch - Gegenstand der zu prüfenden Leistung sind. Der Prüfling soll gerade zeigen, dass er solche Schwierigkeiten bewältigen kann und mithin die Grundvoraussetzungen der durch die Prüfung zu ermittelnden Eignung für den Arztberuf besitzt.
50 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Der ursprünglich auch geltend gemachte Prüfungsrücktritt und das Begehren auf Nachteilsausgleich sind dabei gleich zu gewichten. Beim ersten Streitgegenstand ist die Klägerin voll unterlegen und beim zweiten Streitgegenstand zu 3/4. Daraus folgt insgesamt eine Kostenverteilung von 7/8 zu 1/8 zulasten der Klägerin.
51 
Die Berufung ist nicht zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO, § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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