Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 4 K 1705/22

Tenor

Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h sowie die Markierung mit Radpiktogrammketten mit Pfeilen („Sharrows“) in der Engesserstraße in 79108 Freiburg.
Die Engesserstraße liegt im Industrie- und Gewerbegebiet Nord der Antragsgegnerin. Es handelt sich um eine ca. 900 m lange, vielbefahrene Hauptverkehrsstraße (ca. 10.000 Kraftfahrzeuge/24 Std.) mit einem Schwerlastverkehrsanteil von ca. 10 %. Sie ist ca. 7,50 m breit, verfügt über eine Fahrbahn in jede Richtung, an die sich jeweils ein zumeist ca. 2 m breiten Gehweg anschließt. Mangels Radweg, Radfahrstreifen oder Schutzstreifen für Radfahrende haben Radfahrende im Mischverkehr auf der Fahrbahn zu fahren. Bis zur verfahrensgegenständlichen Anordnung betrug die zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h. Dem Portal FreiGIS lässt sich folgendes Luftbild entnehmen (abgerufen am 26.07.2022):
Die Vollzugspolizei übermittelte für die Engesserstraße folgendes Unfallgeschehen:
2014 zwei Unfälle mit Beteiligung von Radfahrenden
2015 zwei Unfälle mit Beteiligung von Radfahrenden, davon ein Unfall bei dem ein Radfahrender auf dem Gehweg von einem Kraftfahrzeug angefahren wurde, das aus einer Grundstückszufahrt fuhr
2016 ein Unfall mit Beteiligung von Radfahrenden
2017 kein Unfall mit Beteiligung von Radfahrenden
2018 drei Unfälle mit Beteiligung von Radfahrenden, davon ein Unfall bei dem ein Radfahrender auf dem Gehweg von einem Kraftfahrzeug angefahren wurde, das aus einer Grundstückszufahrt fuhr, und ein Unfall bei dem ein Radfahrender auf dem Gehweg mit einer Fußgängerin zusammenstieß
2019 zwei Unfälle mit Beteiligung von Radfahrenden, bei denen ein Radfahrender auf dem Gehweg von einem Kraftfahrzeug angefahren wurde, das aus einer Grundstückszufahrt fuhr bzw. in eine solche einfuhr
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2020 zwei Unfälle mit Beteiligung von Radfahrenden, davon ein Unfall bei dem ein Radfahrender auf dem Gehweg von einem Kraftfahrzeug angefahren wurde, das aus einer Grundstückszufahrt fuhr
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Am 04.10.2021 ordnete das Garten- und Tiefbauamt der Antragsgegnerin für die Engesserstraße unter anderem eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h sowie die Markierung der Fahrbahn mit Radpiktogrammketten mit Pfeilen („Sharrows“) an. Auf den Anordnungsplan wird verwiesen. Der Vollzug der Anordnung erfolgte am 18.05.2022. Zur Veranschaulichung der Ausführung der Markierung in der Engesserstraße dient folgendes Lichtbild, das einer Pressemitteilung der Beklagten entnommen werden kann (https://www.freiburg.de/pb/1899509.html, abgerufen am 26.07.2022):
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Die Antragsgegnerin begründete die Anordnung damit, die Engesserstraße weise als wichtige Erschließungsstraße im Industriegebiet Nord eine bedeutende Lücke im städtischen Radverkehrsnetz auf, denn Radfahrende müssten angesichts der geringen Straßenbreite im Mischverkehr auf der Fahrbahn fahren. Die Unfallberichte der Polizei belegten, dass es auf dem Gehweg häufig zu Unfällen mit Radfahrenden komme, weil die aus den Grundstückszufahrten ausfahrenden Kraftfahrzeuge nicht mit Radfahrenden auf dem Gehweg rechneten. Im Mischverkehr fühlten sich Radfahrende hingegen nicht sicher, was verschiedene Beschwerden belegten. Auch zu Fuß Gehende beschwerten sich, dass ein Queren der Fahrbahn auf Grund der hohen Geschwindigkeiten und des hohen Verkehrsaufkommens nicht gefahrlos möglich sei. Für die Einrichtung von Fußgängerüberwegen lägen jedoch die Voraussetzungen nicht vor.
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Zur Verbesserung der Verkehrssituation für Radfahrende solle der Mischverkehr auf der Fahrbahn durch Sharrows verdeutlicht werden. Diese Markierung fuße auf einer Studie der bergischen Universität Wuppertal und der technischen Universität Dresden, die im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur durchgeführt worden sei. Laut den Studienergebnissen sei die objektive und subjektive Verkehrssicherheit im Mischverkehr deutlich erhöht worden. Gleichzeitig habe die regelwidrige Nutzung der Gehwege durch Radfahrende abgenommen.
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Die Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h werde aus Gründen der Verkehrssicherheit nach § 45 Abs. 9 StVO angeordnet. Sie trage maßgeblich dazu bei, dass Radfahrende auf der Fahrbahn im Mischverkehr mit ca. 10 % Schwerlastverkehrsanteil sicherer fahren könnten und nicht auf den Gehweg auswichen. Für zu Fuß Gehende werde das sichere Queren der Straße durch Tempo 30 maßgeblich erleichtert. Tempo 50 verleite außerdem dazu, Radfahrende zu überholen, was entsprechenden Beschwerden zufolge nicht immer mit dem erforderlichen Sicherheitsabstand von 1,50 m geschehe, insbesondere bei Gegenverkehr.
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Hiergegen hat der Antragsteller zunächst am 27.06.2022 Klage erhoben und einen Eilantrag gestellt. Am 01.07.2022 hat er bei der Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.
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Er trägt vor, er befahre die Engesserstraße regelmäßig und habe die Geschwindigkeitsbegrenzung und die Fahrbahnmarkierungen erstmals am 05.06.2022 bemerkt. An diesem Tag habe er beobachtet, wie die Sharrows die Verkehrssicherheit verringerten. Denn zwei Radfahrende hätten sie augenscheinlich als Aufforderung zum Fahren nahe der Straßenmitte interpretiert. Die mögliche Interpretation durch Verkehrsteilnehmer der Zeichen als Fahrradstraße in Verbindung mit Unkenntnis des regelkonformen Verhaltens in einer Fahrradstraße erscheine plausibel. Durch die auf 30 km/h reduzierte Höchstgeschwindigkeit dauere der Überholvorgang außerdem deutlich länger als sachlich und aus Gründen der Verkehrssicherheit notwendig. Die in der Straßenverkehrsordnung vorgesehenen Voraussetzungen für eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Engesserstraße lägen nicht vor. Es sei für die Engesserstraße keine erhöhte Unfallzahl unter Beteiligung von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern öffentlich dokumentiert. Insbesondere handele es sich nicht um eine Unfallhäufungsstelle. Für die Fahrbahnmarkierung mit den Sharrows lasse sich der Straßenverkehrsordnung keine Grundlage entnehmen. Es handele sich um erfundene Verkehrszeichen mit der Gefahr einer Fehlinterpretation als Anordnung einer Fahrradstraße. Zum Erreichen des Ziels, Radfahrende daran zu erinnern, dass eine Pflicht zur Nutzung der Straße bestehe, wären andere Maßnahmen denkbar, zum Beispiel das Anbringen von Schildern auf dem Gehweg mit Text wie „Radfahren auf dem Gehweg verboten – Fahrbahn benutzen“. Insgesamt habe die Antragsgegnerin gegen das Übermaßverbot verstoßen, da es weniger einschneidende Maßnahmen gäbe, etwa ein Verbot des Überholens von einspurigen Fahrzeugen für mehrspurige Kraftfahrzeuge oder eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 40 km/h.
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Der Antragsteller beantragt,
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die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die in der Engesserstraße in 79108 Freiburg angebrachten Zeichen zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h sowie die auf der Fahrbahn angebrachten Markierungen von Fahrradsymbolen mit Doppelpfeil zu beseitigen oder durch geeignete Maßnahmen als zurzeit nicht geltend zu kennzeichnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:
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Auf der Engesserstraße bestehe insbesondere für Radfahrende im Mischverkehr eine enge Verkehrssituation bei einem gerade zu den beruflichen Stoßzeiten hohen Verkehrsaufkommen mit einem nicht unerheblichen Anteil an Schwerlastverkehr, auch im Begegnungsverkehr. Radfahrende seien daher in den letzten Jahren immer wieder verbotswidrig auf den Gehweg ausgewichen, wo es sodann zu Unfällen mit ein- oder ausfahrenden Fahrzeugen oder Fußgängern gekommen sei. Diese Beobachtungen würden durch zahlreiche Beschwerden aus der Bürgerschaft gestützt.
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Den Sharrows komme kein Regelungsgehalt zu, sodass es dem Antragsteller jedenfalls an der Antragsbefugnis fehle. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb es ihr verwehrt sein solle, die allgemein geltende verkehrsrechtliche Situation durch das Anbringen des StVO-konformen Sinnbilds „Radverkehr“ in Verbindung mit zwei Pfeilen auf der Straße zu verdeutlichen.
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Die besonderen örtlichen Verhältnisse erforderten eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h. Die Engesserstraße als wichtige Erschließungsstraße im Industriegebiet Nord weise erhebliche Mängel hinsichtlich einer sicheren Radführung auf. Es handele sich bei ihr jedoch um die wichtigste Verbindungsstraße zwischen Tulla- und Hermann-Mitsch-Straße, an der neben vielen Betrieben auch die besucherintensive Messe und der Flugplatz lägen. Die nächste Verbindungsstraße in nördlicher Richtung sei die Lembergallee in ca. 1,3 km Entfernung und in südlicher Richtung die Verbindung Siemensstraße/Liebigstraße. Diese sei zwar nur 150 m (Seite Tullastraße) bzw. 250 m (Seite Hermann-Mitsch-Straße) weit entfernt, biete für Radfahrende aufgrund der dort angrenzenden müllverarbeitenden Betriebe und des Wertstoffhofs St. Gabriel mit dem verbundenen Schwerlastverkehr sowie ebenfalls ohne Radwege, Radfahrstreifen und Schutzstreifen aber keine verkehrssichere Alternative.
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Innerhalb ihres damit gegebenen Ermessens bezüglich der Gefahrbekämpfung sei keine weniger einschneidenden Maßnahmen als die Einrichtung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h ersichtlich. Insbesondere benötige der Bus- und Schwerlastverkehr nach den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) eine Fahrbahnbreite von 6,50 m, um sich sicher begegnen zu können, sodass für Radverkehrsanlagen, die nach den Ziffern 18 und 19 der Verwaltungsvorschrift zu § 2 StVO mindestens 1,50 m auf jeder Seite benötigten, kein ausreichender Platz zur Verfügung stehe. Auch eine Verlagerung des Radverkehrs auf den Gehweg sei nicht möglich, da die Mindestbreite für einen gemeinsamen Geh- und Radweg innerorts 2,50 m betrage, an der Engesserstraße hingegen zumeist nur 2 m zur Verfügung stünden. Auch würde eine Verlagerung des Radverkehrs auf den Gehweg, wie die bisherigen Unfälle zeigten, aufgrund der sehr uneinsichtigen Situation mit vielen Ein- und Ausfahrten voraussichtlich nicht zu einer verringerten Gefahrenlage führen. Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h sei vor diesem Hintergrund eine erforderliche, geeignete und angemessene Lösung, um der Gefahrensituation für Radfahrende zu begegnen. Der Radverkehr fahre aufgrund der gemäßigteren Geschwindigkeiten sicherer auf der Straße, wodurch ein regelwidriges Ausweichen auf den Gehweg verhindert werde. Hierdurch stehe auch der Gehweg uneingeschränkt den zu Fuß Gehenden zur Verfügung. Tempo 50 verleite außerdem dazu, Radfahrende auch dann zu überholen, wenn - wie regelmäßig auf der Engesserstraße mit häufigem Gegenverkehr, Schwerlastverkehr und einem hohen Verkehrsaufkommen zu Stoßzeiten - der erforderliche Sicherheitsabstand von 1,50 m nicht eingehalten werden könne. Solche Überholmanöver würden durch die tendenziell angeglichenen Geschwindigkeiten von Kraftfahrzeugen und Radfahrenden mit einer Anordnung von Tempo 30 reduziert. Zusätzlich ergebe sich eine sicherere Querungsmöglichkeit für zu Fuß Gehende und der Verkehrsfluss werde auch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (1 Band) verwiesen.
II.
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Die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h (hierzu unter 1.) sowie die auf der Fahrbahn angebrachten Markierungen von Radpiktogrammketten mit Doppelpfeil („Sharrows“, hierzu unter 2.) haben keinen Erfolg.
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1. Der von dem Antragsteller formulierte Antrag, die angebrachten Zeichen zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu beseitigen oder durch geeignete Maßnahmen als zurzeit nicht geltend zu kennzeichnen, bedarf zunächst der Auslegung. Dabei ist das Gericht nicht an seine formale Fassung gebunden (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) und insbesondere bei juristischen Laien gehalten, diese sachdienlich und nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel auszulegen. Dem Antragsteller dürfte es im Hinblick auf die angegriffene Geschwindigkeitsbegrenzung um die Aufhebung ihrer Vollziehung gehen. Da es sich bei Verkehrszeichen um Verwaltungsakte in Gestalt von Allgemeinverfügungen handelt, die in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.08.2003 - 3 C 15.03 -, juris Rn. 19 m.w.N.), müsste dazu zunächst die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung angeordnet werden. Insoweit ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 entsprechend VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die angegriffenen Verkehrszeichen zur Geschwindigkeitsbegrenzung die statthafte Rechtsschutzform. Für den Fall, dass ein Verwaltungsakt schon vollzogen ist, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO mit einem Antrag auf Vollzugsfolgenbeseitigung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO verbunden werden (vgl. zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO auf Verkehrszeichen Hessischer VGH, Beschluss vom 12.11.1992 - 2 TG 1527/92 -, juris Rn. 4, 5).
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Der so verstandene Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 und Satz 3 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller als Adressat der Verkehrszeichen, der nach nicht zweifelhaften eigenen Angaben von diesen bereits betroffen war und weiterhin regelmäßig ist, auch antragsbefugt entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. zur Klagebefugnis bei Verkehrszeichen BVerwG, Urteil vom 21.08.2003 - 3 C 15.03 -, juris). Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung in Fällen der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 VwGO ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen. Maßgeblich ist, ob das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung ist in erster Linie auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen. Ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Antragstellers ist in der Regel anzunehmen, soweit die im Eilverfahren gebotene summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass ein angefochtener Verwaltungsakt voraussichtlich rechtswidrig ist. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung oder Wiederherstellung seiner aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt. Dabei ist in den Fällen eines - wie hier - gesetzlich vorgesehen Sofortvollzugs zu beachten, dass - anders als bei der behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, die gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gesondert zu begründen ist - der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollzugsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Bei Verkehrszeichen kommt hinzu, dass sich Verkehrsteilnehmer üblicherweise inzwischen auf die neue Regelung eingerichtet haben (vgl. hierzu und zu Folgendem VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.10.1980 - 5 S 1486/80 -, juris). Mit den Belangen der Verkehrssicherheit ist es in einem solchen Fall schwer zu vereinbaren, wenn innerhalb eines kürzeren Zeitraums in Bezug auf dieselbe Straße durch Aufstellen, Entfernen und möglicherweise erneute gleiche Beschilderung immer wieder neue Verkehrsregelungen getroffen werden.
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Dies zugrunde gelegt, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h unbegründet. Es spricht sogar viel dafür, dass die Antragsgegnerin die Geschwindigkeitsbegrenzung anordnen durfte. Die Frage erscheint aber jedenfalls offen.
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Rechtsgrundlage für die angefochtene Allgemeinverfügung ist § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 und 3 StVO. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Verkehrszeichen sind gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO dürfen insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Diese Vorschrift konkretisiert und verdrängt als in Bezug auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs speziellere Regelung die allgemeine Regelung in § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urteile vom 21.08.2003 - 3 C 15.03 -, juris Rn. 19 und vom 23.09.2010 - 3 C 37.09 -, juris Rn. 25, jeweils m.w.N.). Sie setzt für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine qualifizierte konkrete Gefahrenlage voraus. Diese muss - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen sein und - zweitens - das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter (hier insbesondere: Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum) erheblich übersteigen. Diese für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs erforderliche Gefahrenlage kann aus einer Gemengelage verschiedener Faktoren entstehen. Besondere örtliche Verhältnisse können unter anderem begründet sein durch die Breite und den Ausbauzustand der für den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr zur Verfügung stehenden Fläche, Ausweichmöglichkeiten, die Übersichtlichkeit der Streckenführung und die Verkehrsbelastung wie der durchschnittliche Tagesverkehr oder ein überproportional hoher Anteil des Schwerlastverkehrs (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 03.01.2018 - 3 B 58.16 -, juris Rn. 21 und vom 23.04.2013 - 3 B 59.12 -, juris Rn. 9 sowie Urteil vom 23.09.2010 - 3 C 37.09 -, juris Rn. 26).
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Solche besonderen örtlichen Verhältnisse sind in der Engesserstraße voraussichtlich gegeben. Entscheidend ist dabei insbesondere die erhebliche Verkehrsbelastung der Straße in beide Fahrtrichtungen durch Kraftfahrzeuge, dabei mit einem hohen Schwerlastverkehrsanteil von ca. 10 %, die Lage der Straße als zentrale Verbindungsstraße innerhalb des Industriegebiets Nord sowie Zufahrtstraße aus den nördlichen Stadtteilen Freiburg zu Messe, Stadion, Flugplatz und Technischer Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Campus Flugplatz), der Ausbauzustand ohne Radweg, Radfahrstreifen oder Radschutzstreifen sowie die für Mischverkehr von Kraftfahrzeugen, einschließlich Linienbussen sowie zahlreichen Lkw und Fahrrädern verhältnismäßig geringe Fahrbahnbreite von 7,50 m. Maßgeblich hinzu kommt die große Zahl von Grundstücksein- und -ausfahrten auf gewerblich genutzte Grundstücke, von denen die Straße beidseitig gesäumt ist. Diese werden sowohl von Privat-Pkw und Dienstwagen von Mitarbeitenden oder Geschäftskundinnen und -kunden als auch von Schwerlastverkehr zum Verladen auf den zahlreichen Höfen, an den Hallen und Rampen der an der Engesserstraße ansässigen Gewerbebetriebe genutzt.
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Ob auf diesen besonderen örtlichen Verhältnissen auch eine Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO fußt, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutsbeeinträchtigung erheblich übersteigt, erscheint jedenfalls offen. Eine entsprechende Gefahrenlage setzt nicht voraus, dass alsbald mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit vermehrten Schadensfällen zu rechnen ist (vgl. hierzu und zu Folgendem BVerwG, Urteil vom 23.09.2010 - 3 C 37.09 -, juris Rn. 27). Dies wird sich in der konkreten Situation kaum je dartun lassen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es bei Verkehrsbeschränkungen und -verboten im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO regelmäßig um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben und bedeutende Sachwerte geht. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts ist jedoch, wenn derart hochrangige Rechtsgüter betroffen sind, ein behördliches Einschreiten bereits bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zulässig und geboten. Die Vorschrift des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO setzt damit nur eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht. Die Beantwortung der Frage, ob eine solche qualifizierte Gefahrenlage besteht, erfolgt durch eine Prognose. Für diese bedarf es zwar einer sorgfältigen Prüfung der Verkehrssituation, jedoch nicht zwingend der Berechnung eines Unfallhäufigkeits-Prozentsatzes, der Heranziehung von Unfalltypensteckkarten zur Bestimmung von Unfallhäufungsstellen oder vertieften Ermittlungen zu der Frage, wie hoch der Anteil an feststellbaren bzw. zu erwartenden Unfällen konkret ist, die ausschließlich oder überwiegend auf die Ursache zurückzuführen ist, der durch die ergriffene Beschränkung entgegengewirkt werden soll (vgl. BVerwG, Urteile vom 23.09.2010 - 3 C 37.09 -, juris Rn. 31 und vom 05.04.2001 - 3 C 23.00 -, juris Rn. 28).
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Dies zugrunde gelegt spricht nach der im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung viel dafür, dass die auch von der Antragsgegnerin herangezogenen polizeilichen Unfalldaten aus den Jahren 2016 bis 2020 zur Engesserstraße (VAS 1-68) ausreichen, um vor dem Hintergrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine qualifizierte besondere Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO anzunehmen. Jedenfalls erscheint die Frage nach einer - prognostisch - das allgemeine Risiko deutlich übersteigenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zumindest offen. Denn die Auswertung der vorliegenden Daten ergibt auf der lediglich 900 m langen Engesserstraße im Zeitraum von 2014 bis 2020 elf polizeilich aufgenommene Unfälle mit Beteiligung von Radfahrenden, davon fünf Zusammenstöße mit in eine Grundstückseinfahrt einfahrenden oder aus einer solchen ausfahrenden Kraftfahrzeugen sowie ein Zusammenstoß mit einem oder einer zu Fuß Gehenden auf dem Gehweg. Diesen Daten, die im Übrigen Beinaheunfälle sowie Unfälle ohne Schadensfolgen, bei denen von der Einschaltung der Polizei abgesehen wird, nicht wiedergeben, lässt sich eine Häufung von Zusammenstößen auf den Gehwegen unter Beteiligung von Radfahrenden entnehmen, wie sie nach den Angaben der Antragsgegnerin in anderen Straßen nicht festzustellen ist. Ergänzend dürften die zahlreichen, den Akten der Antragsgegnerin zu entnehmenden Beschwerden betreffend die hohe Geschwindigkeit der Kraftfahrzeuge und engen Überholmanöver heranzuziehen sein, aus denen unter anderem hervorgeht, dass Personen soweit möglich auf die Nutzung des Kraftfahrzeugs ausweichen, weil sie das Radfahren auf der Engesserstraße als zu gefährlich empfinden (vgl. exemplarisch die Beschwerde eines Bürgers mit dortiger Arbeitsstelle vom 13.07.2020, VAS 72, 73).
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Mit seinem Einwand einer höheren Unfallwahrscheinlichkeit auf der angrenzenden Herrmann-Mitsch-Straße dringt der Antragsteller schon deshalb nicht durch, weil für die Prüfung einer qualifizierten konkreten Gefahrenlage allein entscheidend ist, ob gerade bezogen auf den Streckenabschnitt, für den die angegriffenen Verkehrsbeschränkungen gelten, eine entsprechende konkrete Gefahr besteht (vgl. hierzu und zu Folgendem BVerwG, Beschluss vom 04.070.2007 - 3 B 79.06 -, juris Rn. 7). Darauf, ob auf vergleichbaren Strecken ähnliche oder höhere Unfallzahlen auszumachen sind, kommt es nicht an.
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Ermessensfehler der Antragsgegnerin sind nicht ersichtlich. Auch Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 9 StVO stehen im Ermessen der zuständigen Behörden (vgl. hierzu und zu Folgendem BVerwG, Urteil vom 23.09.2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 35 m.w.N.). Soweit es um die Auswahl der Mittel geht, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Dabei ist es der Straßenverkehrsbehörde aufgrund ihres Sachverstandes und ihres Erfahrungswissens vorbehalten festzulegen, welche von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen den bestmöglichen Erfolg verspricht.
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Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzung damit begründet, dass Radfahrende bei Tempo 30 auf der Fahrbahn im Mischverkehr sicherer fahren könnten und in der Folge nicht auf den Gehweg auswichen. Die in der Vergangenheit auf den Gehwegen aufgetretenen Unfälle könnten dadurch weitestgehend ausgeschlossen werden. Auch das sichere Queren der Straße werde durch die Geschwindigkeitsbegrenzung maßgeblich erleichtert. Außerdem seien Kraftfahrzeuge bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h nicht mehr wie bei Tempo 50 dazu verleitet, Radfahrende zu überholen, was entsprechenden Beschwerden zufolge insbesondere bei Gegenverkehr nicht immer mit dem erforderlichen Sicherheitsabstand von 1,50 m geschehe. Diese Begründung ist nachvollziehbar rechtlich nicht zu beanstanden.
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Mit seinen Einwänden, die Antragsgegnerin habe das Übermaßverbot missachtet, dringt der Antragsteller nicht durch. Das von ihm mit dem Zeichen 277.1 in Bezug genommene Verbot des Überholens von einspurigen Fahrzeugen für mehrspurige Kraftfahrzeuge ist im Vergleich zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h kein gleich geeignetes, milderes Mittel. Es ist auch weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass das von dem Antragsteller bevorzugte Anbringen von Verkehrsspiegeln, farbigen Warnmarkierungen auf den Gehwegen vor den Einfahrten, das Anbringen von Warnschildern vor den Grundstücksausfahrten, verstärkte Verkehrskontrollen und Bußgelder an Radfahrende auf dem Gehweg oder eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 40 km/h zur Erleichterung des Mischverkehrs gleich geeignet, aber weniger einschränkend wäre. Wenn der Antragsteller meint, es hätte eine zeitliche Einschränkung der Geschwindigkeitsbegrenzung etwa auf die Zeiten von 6 bis 9 Uhr und von 15 bis 18 Uhr von Montag bis Freitag erwogen werden müssen, bleibt er eine Erklärung dafür schuldig, warum sich die Gefahrenlage im Hinblick insbesondere auf den Schwerlastverkehr zwischen 9 und 15 Uhr anders darstellen sollte. Möglichen Schichtbetrieb, Wochenendarbeit und Wochenend- und Abendverkehr zu und von Messe, Flugplatz und Stadion lässt der Antragsteller dabei unberücksichtigt.
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Ist nach alledem der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers abzulehnen, ist auch der gleichzeitig gestellte Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO abzulehnen, mit dem der Antragsteller die Beseitigung der Zeichen zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h oder ihre Unkenntlichmachung begehrt.
41 
2. Keinen Erfolg hat auch der gegen die Fahrbahnmarkierungen mit Radpiktogrammketten mit Pfeilen („Sharrows“) gerichtete Antrag des Antragstellers.
42 
Anders als bei dem Verkehrszeichen zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h ist insoweit ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 und Satz 3 VwGO nicht statthaft. Denn bei den Sharrows handelt es sich nicht um Verwaltungsakte in Gestalt von Allgemeinverfügungen nach § 35 Satz 2 VwVfG, da ihnen als reine Hinweise auf die geltende Rechtslage - nämlich die Pflicht der Radfahrenden, nicht den Gehweg, sondern im Mischverkehr die Fahrbahn zu nutzen - kein Regelungsgehalt zukommt. Sharrows sind insbesondere keine Verkehrszeichen im Sinne der StVO nach den §§ 36 bis 43 StVO i.V.m. Anlagen 1 bis 4 und dem Verkehrszeichenkatalog, der nach § 39 Abs. 9 Satz 2 StVO vom Bundesverkehrsministerium im Verkehrsblatt veröffentlicht wird. Die Annahme des Antragstellers, jegliche weiße Fahrbahnmarkierung stelle gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 StVO ein Verkehrszeichen dar, geht fehl. Vielmehr sind die Regelungen der Straßenverkehrsordnung über die zulässigen Verkehrszeichen einschließlich der im amtlichen Verkehrszeichenkatalog dargestellten Varianten grundsätzlich abschließend (vgl. ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.11.2019 - OVG 1 B 16.17 -, juris Rn. 22-26).
43 
Die Sharrows stellen aller Voraussicht nach auch keinen formellen oder Schein-Verwaltungsakt dar, bei dem eine Behörde den Rechtsschein eines entsprechenden Verwaltungsakts setzt, der ungeachtet der fehlenden materiellen Verwaltungsaktsqualität statthafterweise im vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beanstandet werden könnte (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.07.2017 - 9 S 1253/17 -, juris Rn. 12). Um zu bestimmen, ob ein solcher Rechtsschein gesetzt wird, könnte die Verbotsnorm des § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO herangezogen werden. Nach dieser dürfen Einrichtungen, die Zeichen oder Verkehrseinrichtungen gleichen oder mit ihnen verwechselt werden können, dort nicht angebracht oder sonst verwendet werden, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können. Ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, beurteilt sich nach dem Gesamtbild des Verkehrszeichens, wie es sich einem flüchtigen Betrachter darstellt, wobei sich die Verwechslungsgefahr auf ein konkretes Verkehrszeichen beziehen muss (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 06.03.2019 - 8 CS 18.1890 -, juris Rn. 18 m.w.N.). Zwar entspricht das bei den Sharrows verwendete Radpiktogramm dem Sinnbild für Radverkehr nach § 39 Abs. 7 StVO. Eine Fahrbahnmarkierung mit dem Radverkehrs-Sinnbild und Pfeilen in dieselbe Richtung lässt sich hingegen weder den §§ 36 bis 43 StVO i.V.m. Anlagen 1 bis 4 noch dem Verkehrszeichenkatalog entnehmen. Allein aus der Verwendung des Sinnbilds lässt sich jedoch eine Verwechslungsgefahr nicht herleiten, denn Verkehrszeichen mit dem Radverkehrs-Sinnbild kommen je nach ihrer weiteren Ausgestaltung zahlreiche unterschiedliche Bedeutungen zu. So steht ein Radverkehrs-Sinnbild beispielsweise in einem blau ausgefüllten Kreis für einen Radweg (Zeichen 237, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO), in einem blau ausgefüllten Kreis auf weißem eckigem Hintergrund mit entsprechender eindeutiger Beschriftung für eine Fahrradstraße (Zeichen 244.1, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) bzw. Fahrradzone (Zeichen 244.3, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) oder in einem roten Kreis (Zeichen 254, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) ganz im Gegenteil für ein Verbot von Radverkehr.
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Im Einklang hiermit hat auch der Antragsteller selbst nicht angegeben, die Sharrows mit einem konkreten Verkehrszeichen verwechselt zu haben, sondern vielmehr gerügt, die Antragstellerin habe hiermit ein neues Verkehrszeichen erfunden. Seine Annahme, zwei Radfahrer seien am 05.06.2022 vor ihm in der Straßenmitte gefahren, weil sie die Fahrbahnmarkierung fälschlicherweise als Zeichen für eine Fahrradstraße interpretiert hätten, zumal auch auf Fahrradstraßen gemäß § 3 Abs. 2 StVO das Rechtsfahrgebot gilt, erscheint der Kammer als nicht verallgemeinerungsfähig.
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Statthafte Rechtsschutzform ist damit ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
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Im subjektivrechtlich ausgestalteten Rechtsschutzsystem der VwGO ist auch ein solcher Eilantrag allerdings nur zulässig, wenn der Antragsteller antragsbefugt ist (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Februar 2022, § 123 VwGO Rn. 107). Um einen Popularrechtsbehelf auszuschließen, muss es daher nach dem Vorbringen des Antragstellers zumindest möglich erscheinen, dass dieser in eigenen Rechten verletzt ist oder ihm eine solche Verletzung droht (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 69 m.w.N.). In welchem subjektiven Recht die auf die Straße aufgebrachten Sharrows den Antragsteller verletzten könnten, bleibt offen. Insbesondere ist § 45 StVO, der sich auf die Regelung und Lenkung des Verkehrs durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen bezieht, grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung der Interessen Einzelner gerichtet (vgl. hierzu und zu Folgendem BVerwG, Urteil vom 04.06.1986 - 7 C 76.84 -, juris Rn. 10 m.w.N.). Anderes kann nur gelten, wenn Betroffene vor Einwirkungen des Straßenverkehrs zu schützen sind, die nach allgemeiner Anschauung das zumutbare Maß übersteigen. Dies ist für den Antragsteller nicht ersichtlich. Er hat nicht dargelegt, dass die Fahrbahnmarkierung ohne Regelungsgehalt ihn gefährden oder für sich genommen überhaupt sein eigenes Fahrverhalten beeinflussen könnte. Allein aus der Mutmaßung des Antragstellers, dass andere Verkehrsteilnehmer die Sharrows missverstehen könnten, kann die Möglichkeit der Verletzung des Antragstellers in eigenen Rechten nicht gefolgert werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 39 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 46.15 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abrufbar unter www.bverwg.de/rechtsprechung/streitwertkatalog). Nach Ziffer 46.15 ist bei verkehrsregelnden Anordnungen der Auffangwert anzusetzen. Im Hinblick auf die zwei angegriffenen Maßnahmen der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h und die Fahrbahnmarkierung mit Sharrows, für die die Ziffer 46.15 entsprechend angewendet wird, wurde der - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbierte (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit) - Auffangwert zweifach angesetzt.

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