Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 5 K 4439/11
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Beklagte bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplanes Nr. 7/11 am 20. Dezember 2012 verpflichtet war, den beantragten Vorbescheid für die Erweiterung der Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes an der S. Straße 50 in F. -L. (Gemarkung L. , Flur 5, Flurstück 112) auf 995 m² zu erteilen.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung seitens der jeweiligen Vollstreckungsgläubigerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheides zur Erweiterung der Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes an der S. Str. 50 in F. -L. (Gemarkung L. , Flur 5, Flurstück 112). Der Lebensmittelmarkt war nach mehrfachen Erweiterungen zuletzt mit Baugenehmigung der Beklagten vom 26. Oktober 2006 für eine Verkaufsfläche von 799,95 m² genehmigt worden.
3Das Vorhabengrundstück liegt in dem Gebiet der ehemaligen Zeche C. , für das bis dato kein Bebauungsplan aufgestellt war; am Rande des Gebiets befindet sich neben z. T. großflächigen Einzelhandelsbetrieben in geringfügigem Umfang auch Wohnbebauung.
4Mit Antrag vom 12. Juli 2011 beantragte die Klägerin die Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides für die Erweiterung der Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes auf 995 m² durch Anbau einer Backnische und Umbau der bestehenden Pfandrücknahme.
5Das Planungsamt nahm intern zu dem Vorhaben dahingehend Stellung, dass es im Widerspruch zu den Zielen des Masterplans Einzelhandel vom 12. Juli 2011 stehe; eine weitere Schädigung des Versorgungszentrums L. -Nord sei zu befürchten. Daher sei vorgesehen, für den Bereich einen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans mit dem Ziel der Steuerung des Einzelhandels zu fassen.
6In seiner Sitzung vom 15. September 2011 beschloss der Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung der Beklagten die Aufstellung des Bebauungsplans für den Bereich „S. Straße/C1.---------straße “, der begrenzt werde durch die C1.---------straße im Norden, die Bahnanlagen L. -Nord – H. -S1. im Osten und Süden und die S. Straße im Westen. In der Sitzungsvorlage für diesen Beschluss heißt es u. a., dass Einzelhandelsnutzungen zunehmend in Bereiche außerhalb der City und der Stadtteilzentren drängten. Diese Entwicklung bewirke in der Regel eine Schwächung des Einzelhandelsstandortes City und im besonderen Maße der Stadtteil- und Nahversorgungszentren. Der Masterplan Einzelhandel 2011 empfehle, dass die bestehenden dezentral geprägten Nahversorgungsstrukturen erhalten bleiben und verstärkt werden sollten. Neuansiedlungen oder Erweiterungen von Nahversorgungsbetrieben sollten nur dann stattfinden, wenn die Verlagerung oder Erweiterung der Stärkung der Zentren und/oder dem Erhalt bzw. der Verbesserung der räumlichen Nahversorgungssituation in den sonstigen Wohnsiedlungsbereichen der Stadtteile diene. Der Bereich „S. Straße/C1.---------straße “ liege außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche, der Standort sei als „nicht integrierte Lage“ zu bezeichnen, da er nicht im Zusammenhang mit einer umgebenden Wohnbebauung stehe. Der Beschluss wurde am 23. September 2011 im Amtsblatt der Stadt F. bekanntgemacht.
7Nach vorangegangener Anhörung stellte die Beklagte die Bauvoranfrage mit Bescheid vom 30. September 2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Dauer von 12 Monaten zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass Ziel der Bauleitplanung in dem Bereich, für den die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen wurde, der Schutz der bestehenden Zentrenstruktur vor negativen Auswirkungen sowie die Steuerung der Ansiedlung des Einzelhandels in diesem Bereich des Stadtgebiets sei. Die Durchführung der Planung werde bei der Verwirklichung des beabsichtigten Vorhabens wesentlich erschwert, evtl. sogar unmöglich gemacht.
8Hiergegen hat die Klägerin am 24. Oktober 2011 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass sich zwischen dem Vorhabenstandort und dem Zentrum L. mit der S-Bahnlinie eine natürliche Trennlinie befinde, die fußläufige Verbindung sei dadurch unterbrochen. Der Vorhabenstandort liege damit deutlich außerhalb des tatsächlichen Einzugsbereichs des Zentrums.
9Negative Auswirkungen gingen von der geplanten Erweiterung des bestehenden M. -Marktes nicht aus. In der unmittelbaren Umgebung des Vorhabens befinde sich mehrheitlich Wohnbebauung. Der erweiterte Markt decke den Bedarf an Nahversorgung für diesen Teil der Wohnbevölkerung ab. Die von der Beklagten verfolgten Planungsziele ständen deshalb dem Erweiterungsvorhaben nicht entgegen.
10Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung des Vorbescheides. Die Erweiterung in die Großflächigkeit sei planungsrechtlich zulässig. Das Baugebiet sei diffus geprägt und als Gemengelage einzustufen. Das Vorhaben füge sich dort ein; in unmittelbarer Nachbarschaft befinde sich mit dem großflächigen Autohaus F1. mindestens ein Vorbild für einen Einzelhandelsbetrieb mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 m².
11Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB gingen von dem Vorhaben nicht aus. In diese Prognose sei nur die Erweiterungsfläche von ca. 190 m² einzustellen. Daraus würden keine nennenswerten Umverteilungen oder andere Auswirkungen zu Lasten des Zentrums L. -Nord resultieren. Denn anders als bei einer Neuerrichtung könne bei einer moderaten Verkaufsflächenerweiterung eine Umorientierung der Kunden mit daraus resultierendem Kaufkraftabfluss ausgeschlossen werden.
12Mit Satzungsbeschluss vom 27. Juni 2012 beschloss der Rat der Beklagten für den Bereich S. Straße 50 eine Veränderungssperre, die am 31. August 2012 im Amtsblatt der Beklagten bekanntgemacht wurde.
13Mit Bescheid vom 25. September 2012 lehnte die Beklagte nach vorheriger Anhörung die Erteilung des beantragten Vorbescheides unter Hinweis auf die inzwischen beschlossene Veränderungssperre ab, da das Vorhaben mit den Zielen des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans nicht vereinbar sei. Die Veränderungssperre sei wirksam, sie sei zur Sicherung der künftigen Planung erforderlich gewesen und sei hinreichend bestimmt. Das Konkretisierungserfordernis dürfe nicht überspannt werden. Eine Festlegung zu Beginn des Aufstellungsverfahrens auf ein bestimmtes Planungsergebnis sei nicht erforderlich. Es sei gerade Sinn der Vorschriften über die Planaufstellung, dass der Bebauungsplan innerhalb des Planungsverfahrens, insbesondere unter Beachtung des Abwägungsgebots erst erarbeitet werde. Planerisches Ziel des Bebauungsplans „S. Str./C2. .“ sei die Steuerung des Einzelhandels und der Schutz der bestehenden Zentrenstruktur, insbesondere des Zentrums L. -Nord vor negativen Auswirkungen. Es entspreche einer legitimen städtebaulichen Zielsetzung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, wenn eine Gemeinde in einem Bebauungsplan Einzelhandelsbetriebe, insbesondere mit zentrenrelevanten Sortimenten reglementiere, um bestimmte von ihr näher festgelegte Versorgungsbereiche zu schützen. Diese Zielsetzung verfolge der angesprochene Bebauungsplan. Dabei sei ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB zu berücksichtigen, nämlich der Masterplan Einzelhandel 2011, dessen Ziel die Sicherung der flächendeckenden, wohnungsnahen, fußläufig erreichbaren Nahversorgung der Bevölkerung der Stadt F. sei. In dem in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan werde festgesetzt, dass der zentrenrelevante Einzelhandel im Plangebiet grundsätzlich ausgeschlossen wird; dies werde durch § 9 Abs. 2a BauGB ermöglicht. Damit seien die Mindestanforderungen an die zu sichernde Planung erfüllt.
14Diesen Ablehnungsbescheid macht die Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 zum Gegenstand des Klageverfahrens und trägt ergänzend vor: Die Veränderungssperre sei nicht wirksam. Der Beschluss des Ausschusses für Stadtentwicklung und Stadtplanung vom 15. September 2011 zur Aufstellung eines Bebauungsplans für den Bereich „S. Str./C2. .“ sei aufgrund eines Verstoßes gegen die Anforderungen der Bekanntmachungsverordnung nicht wirksam geworden. Der Oberbürgermeister habe die Übereinstimmung des Wortlauts der Bekanntmachung mit dem Beschluss des Ausschusses für Stadtentwicklung und Stadtplanung nicht bestätigt. Außerdem sei eine Bekanntmachungsanordnung, die den Anforderungen des § 2 Abs. 4 BekanntmVO NRW genüge, nicht ergangen.
15Das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans „S. Str./C2. .“ nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf: In seiner Sitzung vom 19. April 2012 beschloss der Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung die öffentliche Auslegung des Bebauungsplans mit Begründung, die in der Zeit vom 15. Mai bis 15. Juni 2012 erfolgte. Im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit und Träger öffentlicher Belange wies die Klägerin darauf hin, dass durch den Ausschluss zentrenrelevanter Sortimente in dem Bebauungsplan erheblich in ihre Eigentumsinteressen eingegriffen werde. Sie genieße zwar Bestandsschutz, der ermögliche aber keine Wiedererrichtung, Modernisierung oder Erweiterung. Sie rege deshalb an, den Bestandsschutz aktiv festzusetzen und angemessene Erweiterungen zuzulassen.
16In seiner Sitzung vom 28. November 2012 beschloss der Rat der Beklagten den Bebauungsplan Nr. 7/11 „S. Straße/C1.---------straße “, auf den insbesondere hinsichtlich seiner Begründung Bezug genommen wird, als Satzung. Er enthält folgende planungsrechtliche Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB): „Im gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans sind Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten unzulässig.“ Eine Liste der zentrenrelevanten Sortimente ist in der Planurkunde aufgeführt. Bei seiner Beschlussfassung bestätigte der Rat ausdrücklich den Vorschlag der Verwaltung, der Anregung der Klägerin hinsichtlich der Festsetzung von aktivem Bestandsschutz für ihren Einzelhandelsbetrieb nicht zu folgen. Der Bebauungsplan wurde aufgrund der Bekanntmachungsanordnung des Oberbürgermeisters der Beklagten am 20. Dezember 2012 im Amtsblatt der Beklagten öffentlich bekanntgemacht.
17Auch nach Inkrafttreten des Bebauungsplans hält die Klägerin an ihrem Klagebegehren fest.
18Sie habe Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheides. Die geplante Erweiterung des M. -Lebensmittelmarktes sei planungsrechtlich zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten liege der Standort in integrierter Lage. Die nähere Umgebung sei diffus geprägt und als Gemengelage einzuordnen. Auch stehe der Vorhabenstandort im Zusammenhang mit Wohnbebauung. Wohnnutzungen seien sowohl südlich als auch nördlich der C1.---------straße und westlich der S. Straße, zwischen S-Bahn-Trasse und der Straße L1. vorhanden. Es bestehe außerdem eine gute Anbindung an das ÖPNV-Netz.
19Die geplante maßvolle Erweiterung um 195 m² Verkaufsfläche stehe im Verhältnis zur Einwohnerzahl in den angrenzenden Wohngebieten. Auf S. 23 des Masterplans Einzelhandel 2011 werde insoweit ausgeführt, es müsse bei jeder Neuansiedlung bzw. Erweiterung generell die „Maßstäblichkeit“ beachtet werden. Weiter heiße es, dass die jeweilige kleinräumliche Nahversorgungssituation- und -struktur zu berücksichtigen sei. Es sei deshalb jeweils im konkreten Einzelfall zu bewerten. Auch schließe der Masterplan Einzelhandel 2011 Ansiedlungen und Erweiterungen von Einzelhandelsbetrieben der Nahversorgung außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche nicht generell aus.
20Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche gingen von dem Vorhaben nicht aus.
21Auch der Bebauungsplan sei unwirksam. Er leide an Abwägungsfehlern, die offensichtlich und auf das Ergebnis von Einfluss seien. Ausweislich der Planbegründung werde in der Abwägung zur Rechtfertigung des Einzelhandelsausschlusses pauschal auf den Masterplan Einzelhandel 2011 Bezug genommen, ohne zu berücksichtigen, dass dieser Ausnahmen für den Lebensmitteleinzelhandel vorsehe. Denn von dem Ausschluss von zentrenrelevantem Einzelhandel in sonstigen Lagen mache der Masterplan beim Lebensmittelhandel eine Ausnahme: Hier seien großflächige Lebensmittelbetriebe bei standortgerechter Dimensionierung zulässig. Dieser Grundsatz sei nicht in die Abwägung eingestellt worden.
22Ein weiterer Abwägungsfehler ergebe sich daraus, dass der Rat die Folgen der Planung für die Grundstückseigentümer im Plangebiet nicht hinreichend gewürdigt habe. Im gesamten Geltungsbereich seien nach Nr. I der textlichen Festsetzungen Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten unzulässig, vorhandene Einzelhandelsnutzungen würden lediglich auf passiven Bestandsschutz gesetzt. Das führe dazu, dass Nutzungsänderungen, Erweiterungen oder Wiedererrichtung nach Zerstörung unzulässig seien. Das werde dem privaten Eigentum nicht gerecht. Der Rat hätte abwägend zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Planung nur mit bestandsschützenden Festsetzungen für den im Plangebiet ansässigen Lebensmittelmarkt der Klägerin im Hinblick auf Art. 14 GG abwägungsgerecht sein könne.
23Das Vorhaben widerspreche auch nicht den Ansiedlungsregelungen des Masterplans Einzelhandel 2011. Dort werde auf S. 30 ausgeführt, dass großflächige Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe in sonstigen integrierten Lagen bei standortgerechter Dimensionierung zulässig seien. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt, da sich der Standort, wie bereits erwähnt, in einer integrierten Lage befinde. Auch sei der Markt mit einer geplanten Verkaufsfläche von 995 m² standortgerecht dimensioniert. Bei dem seit mehreren Jahren bestehenden Markt sei lediglich eine Erweiterung in moderatem Umfang von 195 m² geplant, die in erster Linie einer Modernisierung des Marktes und nicht einer Sortimentserweiterung diene. Deshalb sei auch nicht mit nennenswerten Umsatzumverteilungswirkungen zu Lasten des zentralen Versorgungsbereichs L. -Nord zu rechnen.
24Jedenfalls habe der Hilfsantrag Erfolg. Denn bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans habe die Klägerin einen Anspruch auf positive Bescheidung ihrer Bauvoranfrage gehabt. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich aus der Absicht der Klägerin, Amtshaftungs-, Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen.
25Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. September 2012 zu verpflichten, der Klägerin den beantragten Vorbescheid für die Erweiterung der Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes an der S. Str. 50 in F. -L. (Gemarkung L. , Flur 5, Flurstück 112) auf 995 m² zu erteilen,
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2. hilfsweisefestzustellen, dass die Beklagte bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans 7/11 am 20. Dezember 2012 verpflichtet war, den beantragten Vorbescheid für die Erweiterung der Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes an der S. Str. 50 in F. -L. (Gemarkung L. , Flur 5, Flurstück 112) auf 995 m² zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie ist der Auffassung, dass Voraussetzung für eine Zurückstellung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB ein ordnungsgemäß bekannt gemachter Aufstellungsbeschluss und eine konkretisierte planerische Vorstellung der Gemeinde seien. Die Planung müsse zu diesem Zeitpunkt hinreichend konkret aber noch nicht abgeschlossen sein. Der Aufstellungsbeschluss vom 15. September 2011 nenne als planerisches Ziel den Schutz der bestehenden Zentrenstruktur, insbesondere des Zentrums L. -Nord, vor negativen Auswirkungen. Zentrenrelevanter Einzelhandel solle daher außerhalb dieser Zentren ausgeschlossen werden. Das geplante Vorhaben stehe dieser Zielsetzung entgegen, wobei es nicht auf die konkreten Auswirkungen eines einzelnen Vorhabens ankomme.
32Auf die Frage, ob ein Vorhaben außerhalb des Einzugsbereichs des Zentrums liege, komme es nach der Neufassung des Masterplans Einzelhandel nicht mehr an. Die 500-m-Radien würden nicht mehr pauschal bei der Beurteilung eines Vorhabens herangezogen. Die neuen Ansiedlungsregeln des Masterplans Einzelhandel 2011 ließen eine Ansiedlung von Betrieben des Lebensmitteleinzelhandels außerhalb der eindeutig abgegrenzten Zentren zu, wenn
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1. sich der Standort in einer integrierten Lage befinde und
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2. das Vorhaben standortgerecht dimensioniert sei.
Zu 1.: Das Antragsgrundstück liege in einem Gewerbegebiet und damit nach der Definition des Masterplanes nicht in einer integrierten Lage. Damit sei eine Zulässigkeit des Vorhabens auf der Grundlage des Masterplans Einzelhandel bereits ausgeschlossen.
37Zu 2.: Selbst unter der Annahme, dass es sich um eine integrierte Lage handele, sei das Vorhaben nicht zulässig, da keine standortgerechte Dimensionierung vorliege. Die Wohnbevölkerung im Einzugsbereich des Vorhabens sei bereits mehr als ausreichend versorgt, eine Erweiterung des vorhandenen Geschäfts würde zusätzliche Kaufkraft zu Lasten der benachbarten Zentren, vor allem des Zentrums L. -Nord generieren. Ferner sei zu berücksichtigen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei einer Erweiterung eines Vorhabens das Gesamtvorhaben in seiner neuen Gestalt zugrunde zu legen sei. Dies bedeute, dass bei der Betrachtung der Auswirkungen des Vorhabens nicht nur die Auswirkungen der Erweiterung, sondern die Auswirkungen des gesamten Geschäfts einschließlich des Bestandes zu berücksichtigen seien.
38Bei dem Ausschluss von Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten habe der Rat der Stadt die Interessen der Grundstückseigentümer gewürdigt. Im Rahmen des Bestandsschutzes sei die Ausübung der genehmigten Nutzungen weiterhin möglich. Darüber hinausgehende Entwicklungsmöglichkeiten für den zentrenrelevanten Einzelhandel würden jedoch den Zielen und Grundsätzen des Masterplans Einzelhandel widersprechen. Die mit der Planaufstellung verfolgten öffentlichen Belange hätten objektiv das Gewicht, das private Interesse der Klägerin an einer ungehinderten Entwicklung des Lebensmittelmarktes zu überwiegen.
39Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
40Entscheidungsgründe:
41Die Klage hat lediglich mit ihrem Hilfsantrag Erfolg.
42I. Soweit die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des beantragten Vorbescheides gerichtet ist, ist sie unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des Vorbescheides, § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑.
43Der Bauvorbescheid kann nicht erteilt werden, weil dem zur Zulassung gestellten Bauvorhaben im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen (§§ 71 Abs. 1 und 2, 75 Abs. 1 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - BauO NRW ‑).
44Dem Vorhaben der Klägerin steht § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch - BauGB - entgegen, wonach ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes nur zulässig ist, wenn es den Festsetzungen des Plans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Das zur Prüfung gestellte Bauvorhaben der Klägerin widerspricht der für den Bereich des Antragsgrundstücks getroffenen Festsetzung des Bebauungsplanes Nr. 7/11 der Stadt F. , der für diesen Bereich die textliche Festsetzung „Im gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans sind Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten unzulässig“ enthält. Die maßgeblichen zentrenrelevanten Sortimente sind dabei in dem Bebauungsplan aufgeführt; Nahrungs- und Genussmittel, die in dem zur Genehmigung gestellten Lebensmittelmarkt angeboten werden sollen, gehören hierzu.
45Die vorgenannte Festsetzung zum Einzelhandelsausschluss mit zentrenrelevanten Sortimenten ist wirksam.
46Formelle Mängel des am 20. Dezember 2012 ortsüblich bekannt gemachten Bebauungsplans Nr. 7/11 bestehen nicht. Die Verletzung von Vorschriften der Bekanntmachungsverordnung NRW ‑ BekanntmVO ‑ bei der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses vom 15. September 2011 hat auf die Wirksamkeit des Satzungsbeschlusses betreffend den Bebauungsplan keinen Einfluss. Da ein förmlicher Aufstellungsbeschluss für die Wirksamkeit eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist, haben etwaige Mängel des Aufstellungsbeschlusses keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Plans.
47Vgl. Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Auflage 2010, S. 483 m.w.N.
48Auch in materieller Hinsicht sind keine zur Unwirksamkeit des Ausschlusses von Einzelhandel mit zentrenrelevantem Hauptsortiment im planfestgestellten Gewerbegebiet führenden Rechtsfehler erkennbar.
49Der in der textlichen Festsetzung geregelte Einzelhandelsausschluss mit zentrenrelevanten Sortimenten findet seine Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 5 i. V. m. Abs. 9 der Baunutzungsverordnung ‑ BauNVO ‑. Danach kann Einzelhandelsnutzung in einem Baugebiet ausgeschlossen werden, wo sie nach §§ 2 bis 9 BauNVO allgemein zulässig wäre und eine weitere Differenzierung nach Warensortimenten erfolgen. Ob es sich bei dem Gebiet des Bebauungsplans, dessen Gebietscharakter in dem einfachen Bebauungsplan Nr. 7/11 vorliegend nicht festgesetzt ist, um ein Mischgebiet oder um ein Gewerbegebiet handelt, kann dabei offen bleiben.
50Der dem Bebauungsplan mit dem Ausschluss für den Einzelhandel zentrenrelevanter Sortimente zu Grunde liegenden Planung als solcher fehlt nicht die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderliche städtebauliche Rechtfertigung. Nach dieser Vorschrift haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Die erforderliche Planrechtfertigung ist gegeben, wenn der Bebauungsplan nach seinem Inhalt auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung ausgerichtet und nach der planerischen Konzeption der zur Planung berufenen Gemeinde als Mittel hierfür erforderlich ist. Nicht erforderlich ist ein Bebauungsplan in aller Regel erst bei groben und einigermaßen offensichtlichen, von keiner nachvollziehbaren Konzeption getragenen planerischen Missgriffen oder wenn er auf unabsehbare Zeit vollzugsunfähig ist.
51Vgl. Bundesverwaltungsgericht ‑ BVerwG ‑, Urteil vom 27. März 2013 ‑ 4 C 13/11 ‑, juris-Dokument; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ OVG NRW ‑, Urteil vom 12. Dezember 2013 ‑ 10 A 332/08 ‑, nrwe.de.
52Mit dem Bebauungsplan hat der Rat ausweislich der Planbegründung insbesondere die Steuerung des Einzelhandels beabsichtigt. Der Standort des Vorhabens befinde sich außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs L. -Nord. Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten im Plangebiet widerspreche den Zielsetzungen des Masterplans Einzelhandel 2011. Durch die Ansiedlung von Einkaufszentren und großflächigen Einzelhandelsbetrieben „vor den Toren der Stadt“ werde die Gefahr einer „Ausblutung“ oder Verödung der Innenstädte und Nebenzentren hervorgerufen, was dem allgemein anerkannten städtebaulichen Ziel zuwider laufe, in den Städten und Gemeinden zentrale Versorgungsbereiche zu erhalten, um so die Innenentwicklung und Urbanität der Städte zu stärken und eine wohnortnahe Versorgung sicherzustellen. Ziel des Masterplans Einzelhandel 2011 sei es, zentrenrelevante Sortimente ausschließlich auf die zentralen Versorgungsbereiche zu konzentrieren. Bei den so beschriebenen Anliegen handelt es sich um städtebauliche Erwägungen im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, die die Aufstellung von Bebauungsplänen rechtfertigen können. Der Schutz der gemeindlichen Versorgungszentren ist grundsätzlich ein legitimes städtebauliches Ziel, das den Ausschluss von zentrenrelevantem Einzelhandel rechtfertigen kann.
53Vgl. BVerwG, Urteil ‑ 4 C 13/11 ‑, a.a.O.
54Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, die Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Hierzu gehört auch die Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie Teile des Gemeindegebietes zur Unterbringung von Einzelhandelsnutzungen zur Verfügung stellt.
55Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 2004 ‑ 4 BN 33/04 ‑, BRS 67 Nr. 18.
56Die Zielsetzung einer Erhaltung der Attraktivität und Einzelhandelsfunktion der städtischen Zentren ist dabei von § 1 Abs. 6 Nr. 8 Buchst. a) BauGB gedeckt. Mit der dort genannten „verbrauchernahen“ Versorgung sind Fragen der flächenmäßigen Zuordnung von Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungsangeboten zu Wohnstandorten, der Sicherung von Vielfalt von Warenangeboten und Dienstleistungen an bestimmten Standorten sowie der räumlich ausgewogenen Verteilung des Waren- und Dienstleistungsangebotes angesprochen. Letztlich geht es dabei um den Schutz und die Sicherung der Versorgung an integrierten, namentlich auch für die nicht motorisierte Bevölkerung möglichst gut erreichbaren Standorten.
57Die BauGB-Novelle 2007 hat den Planungsgrundsatz des § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB ergänzt und die „Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche“ ausdrücklich als Belang der Bauleitplanung benannt. Begründet wird dies mit der hohen städtebaulichen Bedeutung der Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in den Städten und Gemeinden, und zwar zur Stärkung der Innenentwicklung und der Urbanität der Städte sowie besonders auch zur Sicherung einer wohnortnahen Versorgung, die angesichts der demografischen Entwicklung besonderen Schutzes bedarf, namentlich auch wegen der geringeren Mobilität älterer Menschen.
58Gemessen hieran hat der Rat der Stadt F. sich bei dem Beschluss des Bebauungsplanes Nr. 7/11 von dem ebenfalls vom Rat beschlossenen „Masterplan Einzelhandel 2011“, der als informeller Plan eine sonstige städtebauliche Planung im Sinne von § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB darstellt, leiten lassen. Mit dem Masterplan Einzelhandel 2011 hat die Stadt F. eine klare Aussage zur räumlichen Steuerung von Einzelhandelsansiedlungen im gesamten Stadtgebiet getroffen. Ziel des Konzepts ist die nachhaltige Stärkung bestehender Zentren und die Sicherung einer wohnungsnahen Versorgung (S. 10ff, 20ff des Masterplans).
59Dieses gesamtstädtische Konzept zur Steuerung von Einzelhandel ist in sich schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Es ermittelt die im Stadtgebiet vorhandenen Verkaufsflächen, die Kaufkraft und die Bindungsquoten. Für die gesamte Stadt ergebe sich eine Bindungsquote von 116 %, was bedeute, dass der Stadt quantitativ betrachtet Kaufkraft zufließt. Zur räumlichen Verteilung des Einzelhandels in F. führt der Masterplan aus, dass die Umsätze aus zentrenrelevanten Sortimenten sich zu annähernd 90 % auf die zentralen Versorgungsbereiche und sonstigen integrierten Lagen konzentrieren, was auch auf die Steuerungswirkung des Masterplans zurückzuführen sei.
60In Umsetzung dieser Zielvorgabe und unter Verwertung der im ersten Schritt vorgefundenen gewachsenen Zentrenstrukturen legt der Masterplan in einem nächsten Schritt ein hierarchisch gestuftes räumliches Zentrenkonzept und eine Sortimentsliste fest. Dass in diese Liste insbesondere auch das Sortiment Nahrungs- und Genussmittel als zentrenrelevantes Sortiment Eingang gefunden hat, überzeugt angesichts des vorhandenen Bestandes an integrierten und nicht integrierten Standorten. Bei den als schützenswert festgelegten Zentren der unteren Stufen, insbesondere bei den D- und E-Zentren stellen sich die Einzelhandelsbetriebe mit dem Hauptsortiment Nahrungs- und Genussmittel häufig als zentrumsbildend dar. Ein Zentrenschutz ist damit nur durch die Aufnahme auch dieses Sortiments als zentrenrelevant praktikabel.
61Der streitige Bebauungsplan Nr. 7/11 setzt letztlich in einem Bereich außerhalb der im Masterplan festgelegten schützenswerten Zentren die Vorgaben des Masterplans Einzelhandel 2011 der Stadt F. um.
62Dabei kann offen bleiben, ob der vorliegende Bebauungsplan die Vorgaben des Masterplans vollständig umsetzt. Fest steht jedenfalls, dass die Festsetzung im Bebauungsplan geeignet ist, einen Beitrag zur Förderung des Planungskonzeptes im Masterplan zu leisten; das reicht unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Planung aus.
63Vgl. BVerwG, Urteil ‑ 4 C 13/11 ‑, a.a.O., OVG NRW, Urteil ‑ 10 A 332/08 ‑, a.a.O.
64Entgegen der Auffassung der Klägerin leidet der Bebauungsplan nicht unter einem Abwägungsfehler. Soweit die Klägerin insoweit bemängelt, dass der Plangeber nicht berücksichtigt habe, dass der Bebauungsplan auf S. 8 der Begründung in sonstigen Lagen Ausnahmen beim auch großflächigen Lebensmitteleinzelhandel zulasse, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die Klägerin zitiert hier den Wortlaut der Begründung des Bebauungsplans, der allerdings einen ‑ offensichtlichen ‑ Fehler aufweist. Die Begründung nimmt ersichtlich Bezug auf den Absatz „Grundsätze zur räumlichen Einzelhandelsentwicklung“ auf S. 30 des Masterplans Einzelhandel 2011. Bei der Wiedergabe des 4. Spiegelstrichs wird bei den Worten „In sonstigen integrierten Lagen“ das Wort „integrierten“ offenbar versehentlich – wie auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat – weggelassen; eine Abweichung von den Planungszielen des Masterplans ist indessen offenbar nicht gewollt. Wenn aber diese Ausnahmeregelung für großflächige Einzelhandelsbetriebe nur für integrierte Lagen gelten soll, dann kann sich die Klägerin hierauf nicht berufen, da es sich vorliegend nicht um eine sonstige integrierte Lage handelt.
65Als integrierte Lage versteht der Masterplan (S. 35) die städtebauliche Einbindung eines Standortes; wichtig für die Einstufung als integriert ist die umgebende Wohnbebauung. Bis auf die Häuser C2. . 234-260, die außerhalb des Bereichs des Bebauungsplans liegen, gibt es im Plangebiet aber keine Wohnbebauung. Es handelt sich um eine nicht integrierte Lage. So werden im Masterplan sämtliche Standorte bezeichnet, die nicht im Zusammenhang mit Wohnbebauung stehen (z. B. Einzelhandelsbetriebe in Gewerbegebieten oder sonstige autokundenorientierte Standorte ohne Zusammenhang mit Wohnbebauung). Das trifft auf das Plangebiet zu. Es erstreckt und beschränkt sich auf die Zechenbrache der ehemaligen Schachtanlage C. . Wohnbebauung war und ist in diesem Bereich bis auf die Häuser C2. . 234-260, die am Rande liegen, nicht anzutreffen. Damit fehlt dem Gebiet das gewachsene Nebeneinander von Wohnbebauung, Einzelhandel, Gewerbebetrieben und Dienstleistern, das die integrierte Lage typischerweise kennzeichnet. Dass auf der gegenüber liegenden Straßenseite und nördlich des Plangebiets Wohnbebauung in größerem Umfang anzutreffen ist, macht die Zechenbrache nicht zu einer integrierten Lage.
66Liegt das Vorhaben aber in einer nicht integrierten Lage, so ist die Ausnahmemöglichkeit, die der Bebauungsplan für großflächigen Lebensmitteleinzelhandel vorsieht, nicht eröffnet. Auf die weitere Frage, ob vorliegend noch eine standortgerechte Dimensionierung gegeben ist, kommt es deshalb nicht weiter an.
67Schließlich vermag die Kammer auch nicht zu erkennen, dass der Plangeber die Folgen der Planung für die Grundstückseigentümer nicht hinreichend gewürdigt hätte. Dass durch den Einzelhandelsausschluss im streitigen Bebauungsplan letztlich ein bestehender Betrieb überplant und ihm langfristig u. U. auch die Existenz genommen wird, ist Ergebnis der nicht zu beanstandenden Abwägung der gegenläufigen Interessen des Grundstückseigentümers an der optimalen Ausnutzung seines Eigentums und dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von zentrenrelevantem Einzelhandel an nicht-integrierten Standorten. In der Begründung zum Bebauungsplan wird auf S. 23 zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzungen dazu beitragen sollen, die zentralen Versorgungsbereiche, hier insbesondere das C-Zentrum L. -Nord, zu erhalten und/oder weiterzuentwickeln. Diesen öffentlichen Belangen wird der Vorrang eingeräumt gegenüber den privaten Belangen der Grundstückseigentümer im Hinblick auf die Nutzung der Grundstücke und der Entwicklungsmöglichkeiten bestehender Betriebe. Außerdem hat sich der Rat bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan ausdrücklich mit den schon im Bebauungsplanverfahren erhobenen Einwendungen der Klägerin befasst und den Wunsch, für den bestehenden M. -Markt zumindest einen erweiterten Bestandsschutz einzuräumen, abgelehnt.
68Dieses Abwägungsergebnis bestimmt damit gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes ‑ GG ‑ Inhalt und Schranken des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
69Vgl. Urteil der erkennenden Kammer vom 27. März 2008 ‑ 5 K 1106/06 ‑.
70Bestehen demnach gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans keine Bedenken, so stehen seine Festsetzungen dem mit dem Hauptantrag erhobenen Verpflichtungsbegehren entgegen.
71II. Der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag hat Erfolg.
72Er ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Das Begehren der Klägerin auf positive Bescheidung ihrer Bauvoranfrage hat sich hier durch das Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 7/11 am 20. Dezember 2012 erledigt. Für Verpflichtungsklagen ist § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechend anzuwenden.
73Die Klägerin kann auch ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an der Feststellung für sich in Anspruch nehmen, dass die Beklagte bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans verpflichtet war, ihre Bauvoranfrage positiv zu bescheiden. Das Verfahren dient der Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder sonstigen Entschädigungsprozesses vor dem zuständigen Zivilgericht, welches an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen ‑ angeblich schadensursächlichen ‑ Verwaltungsakts gebunden ist.
74Die Klägerin hat hinreichend substantiiert aufgezeigt, dass sie einen solchen zivilgerichtlichen Prozess anstrengen wird, wenn sie im vorliegenden gerichtlichen Verfahren mit ihrem Hilfsantrag Erfolg hat. Da ein zivilgerichtliches Verfahren auch nicht offensichtlich aussichtslos ist, ist das Feststellungsbegehren, gegen das auch sonst keine prozessualen Bedenken bestehen, zulässig.
75Das Hilfsbegehren der Klägerin ist auch begründet.
76Die Beklagte war bis zum 20. Dezember 2012 verpflichtet, die Bauvoranfrage der Klägerin vom 12. Juli 2011 positiv zu bescheiden. Mit diesem Vorbescheidsantrag hat die Klägerin eine auf die Prüfung der Vorschriften des Bauplanungsrechts beschränkte Bauvoranfrage für die Erweiterung eines bestehenden Lebensmittelmarktes auf 995 m² Verkaufsfläche gestellt. Diesem Vorhaben standen öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts bis zum 20. Dezember 2012 nicht entgegen. Es war gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil gelegen, in der näheren Umgebung waren ‑ neben am Rande vorhandener Wohnbebauung ‑ Gewerbebetriebe verschiedenster Art anzutreffen, u. a. ein benachbarter großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit Neu- und Gebrauchtwagen. Es besteht deshalb kein Zweifel, dass sich das Vorbescheidsvorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Hiervon geht auch die Beklagte aus (vgl. S. 6 der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 7/11).
77Auch ist die Kammer überzeugt davon, dass von dem Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB auf den zentralen Versorgungsbereich L. -Nord oder auf zentrale Versorgungsbereiche in anderen Gemeinden zu erwarten waren. Denn es ist bei realistischer Betrachtung nicht anzunehmen, dass lediglich die Erweiterung eines bestehenden Lebensmittelmarktes von 800 auf 995 m² Verkaufsfläche überhaupt nennenswerte schädliche Auswirkungen auf ein C-Zentrum, also bereits ein mittelgroßes Nahversorgungszentrum, hat, das in einer Entfernung von ca. 600 bis 900 m vom Vorhabenstandort liegt.
78Dem Anspruch auf einen positiven Bauvorbescheid standen darüber hinaus weder die Zurückstellung der Bauvoranfrage durch Bescheid vom 30. September 2011 noch die Veränderungssperre aufgrund der Satzung vom 27. Juni 2012 entgegen, und zwar unabhängig davon, dass die Wirkung der Zurückstellung am 6. Oktober 2012 auslief. Denn sowohl die Zurückstellung (§ 15 BauGB) als auch die Veränderungssperre (§ 14 BauGB) waren rechtswidrig bzw. unwirksam.
79Die Veränderungssperre setzt einen wirksamen Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans voraus, die Zurückstellung setzt voraus, dass die Voraussetzungen für eine Veränderungssperre gegeben sind. Für beide Maßnahmen ist deshalb ein wirksamer Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan Voraussetzung. Hier sind jedoch weder der Aufstellungsbeschluss vom 17. Mai 2001 zu dem Bebauungsplan „C3.---------ring / S. Straße“ noch der Aufstellungsbeschluss vom 15. September 2011 zu dem Bebauungsplan „S. Straße / C1.---------straße “ wirksam bekanntgemacht worden.
80Nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG NRW richtet sich die ortsübliche Bekanntmachung eines Aufstellungsbeschlusses in Nordrhein-Westfalen nach der BekanntmVO. Ein Aufstellungsbeschluss ist zwar keine ortsrechtliche Bestimmung, hinsichtlich des Bekanntmachungserfordernisses ist er aber aufgrund der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB einer solchen gleichgestellt. Deshalb gilt die BekanntmVO in gleicher Weise.
81Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Februar 2013 ‑ 10 B 1239/12 ‑ juris-Dokument; Beschluss der erkennenden Kammer vom 13. Februar 2012 ‑ 5 L 811/11 ‑, nrwe.de.
82Einzelheiten zum Verfahren, das der Bekanntmachung vorausgeht, enthält § 2 BekanntmVO. Nach dessen Absatz 3 bestätigt der Bürgermeister schriftlich, dass der Wortlaut der Bekanntmachung mit den Beschlüssen des Rates resp. eines Ausschusses übereinstimmt und dass gemäß den weiteren Vorgaben des § 2 Abs. 1 und 2 verfahren worden ist. Eine solche Bestätigung nach § 2 Abs. 3 BekanntmVO ist vorliegend in Bezug auf die genannten Aufstellungsbeschlüsse des Ausschusses für Stadtentwicklung und Stadtplanung nicht erfolgt. Lediglich die Bekanntmachungsanordnung wurde vom Oberbürgermeister bzw. dessen Vertreter unterzeichnet (Beiakten Hefte 10 und 11).
83Der Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1 bis 3 BekanntmVO führt zur Unwirksamkeit beider Aufstellungsbeschlüsse. Ohne wirksamen Aufstellungsbeschluss ist aber weder die Zurückstellung, die hier ausdrücklich angefochten war, rechtmäßig noch die Veränderungssperre wirksam, sie konnten daher der Bauvoranfrage nicht entgegengehalten werden.
84III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kammer hat den erfolgreichen Fortsetzungsfeststellungsantrag in dem Umfang der vorgenommenen Quotelung geringer bewertet als den Verpflichtungsantrag.
85Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
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- 10 B 1239/12 1x (nicht zugeordnet)
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- § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB 1x (nicht zugeordnet)