Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 8 K 2283/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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2Die Klage wird abgewiesen.
3Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
4Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5Tatbestand:
6Die Eltern der Klägerin reisten im Jahre 1985 mit drei Kindern als angeblich ungeklärte Staatsangehörige aus dem Libanon in das Bundesgebiet ein. Sie stellten unter verschiedenen Alias-Personalien mehrere Asylanträge. Am 26. Februar 1986 wurde die Klägerin in I. geboren. Auch für sie wurde ein Asylantrag gestellt. Nach Ablehnung der Asylanträge und Ablehnung von Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln wurde die Klägerin mit einem Großteil ihrer Familie am 21. Oktober 1994 in den Libanon abgeschoben.
7Am 9. November 1997 reiste die Klägerin zusammen mit mehreren Geschwistern wieder in das Bundesgebiet ein. Ihre Mutter folgte ihr im Januar 1998 nach. Mit Schreiben vom 15. Januar 1998 beantragte der für die Klägerin und ihre Geschwister bestellte Amtsvormund für sie Asyl. Der Antrag der Klägerin wurde später aus dem Erstverfahren herausgenommen und zu dem Folgeverfahren der Mutter gezogen. Zusammen mit dem Asylbegehren der Mutter wurde der Antrag mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge am 30. März 1998 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Seither erhält die Klägerin mangels Identitätspapieren Duldungen.
8Die Klägerin ist zwischenzeitlich mit einem deutschen Staatsangehörigen, der in F. wohnt, nach islamischem Recht verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit, die am 28. August 2007 bzw. 26. April 2010 geboren wurden. Aus Anlass der Geburt des ersten Kindes zog die Klägerin am 28. August 2007 in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten.
9Nach Ermittlungen des Landkreises D. handelt es sich bei den Großeltern der Klägerin mütterlicherseits um türkische Staatsangehörige, was mit Registerauszügen belegt wurde. Der Vater der Klägerin, Herr F1. , ist im Wege eines Vergleichsvorschlags vor dem Verwaltungsgericht P. am 11. Mai 2011 die Verpflichtung eingegangen, sich um eine Korrektur seines Geburtsdatums im türkischen Register zu bemühen. Ihm wurde zwischenzeitlich ein türkischer O. ausgestellt.
10Mit Schreiben vom 4. Januar 2013 beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten u.a. die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer. Zur Begründung trug sie vor, sie könne keinen türkischen Pass erhalten. Der türkische Staat verlange derzeit von ihrem Vater, dass er zunächst sein offensichtlich falsches Geburtsdatum im türkischen Register berichtige, bevor er einen Pass erhalte und seine Kinder registriert werden könnten. Dies dauere aber längere Zeit, zumal von ihrem Vater verlangt werde, dass er vor der Registrierung noch seinen Militärdienst ableiste oder sich hiervon mit ca. 7.000,- Euro freikaufe, wozu ihr Vater jedoch nicht bereit sei. Rechtliche Mittel ihren Vater zu zwingen habe sie nicht.
11Mit Schreiben vom 22. April 2013 verwies die Beklage darauf, dass nach ihrer Ansicht die vorgetragenen Gründe für die Erteilung eines Reiseausweises nicht ausreichend und weitere Bemühungen seitens der Klägerin erforderlich seien. Es sei bisher auch nicht nachgewiesen, dass die türkischen Behörden sich tatsächlich weigerten, eine Registrierung des Vaters vorzunehmen, bevor dieser nicht seinen Militärdienst abgeleistet habe. Zudem besitze die Klägerin auch über ihre Mutter die türkische Staatsangehörigkeit, da die Großeltern mütterlicherseits die türkische Staatsangehörigkeit besessen hätten. Entsprechend sei ihr auch über ihre Großeltern eine Eintragung in das türkische Register möglich. Die Beklagte verwies zuletzt darauf, dass, sofern die Klägerin den Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides wünsche, sie das Schreiben als Anhörung werten solle.
12Die Klägerin hat am 2. Mai 2013 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe ohne zureichenden Grund bis heute nicht über ihr Begehren entschieden. Sie könne ihre Passpflicht aus Gründen, die sie selbst nicht zu vertreten habe, nicht erfüllen. Ihr Vater habe sich u.a. durch eine Reise in die Türkei und durch Vorsprache beim türkischen Generalkonsulat Hannover bemüht, sein Geburtsdatum und andere fehlerhafte Einträge im türkischen Personenstandsregister berichtigen zu lassen. Man habe ihrem Vater jedoch erklärt, er müsse mit einem von ihm zu zahlenden Gutachten eines türkischen Amtsarztes sein biologisches Alter beweisen. Zudem müsse er sich vom Wehrdienst freikaufen. Weiterhin habe man ihrem Vater gesagt, ohne Änderung des Geburtsdatums würden seine Kinder keine Pässe erhalten. Sie selbst habe im April 2013 beim türkischen Generalkonsulat Essen vorgesprochen, um einen Pass zu beantragen, jedoch hätten sich die Konsulatsmitarbeiter geweigert, mit ihr Deutsch zu sprechen, obwohl sie der türkischen Sprache nicht mächtig sei. Die Beklagte habe ihr außer dem Hinweis, sie solle zum Konsulat gehen, keine weiteren Hilfen zur Passerlangung gewährt. Schließlich hätten ihre Geschwister von der Stadt E. sämtlich Ausweisersatze erhalten, obwohl sie ebenfalls über keinen türkischen Pass verfügten. Zum Beweis der letztgenannten Tatsache beantragt die Klägerin die Einholung von Datenauskünften aus dem Ausländerzentralregister. Sie habe ein Recht auf Gleichbehandlung mit ihren Geschwistern.
13Die Klägerin beantragt,
14die Beklagte zu verpflichten, ihr einen Reiseausweis für Ausländer, hilfsweise einen Ausweisersatz, ab dem 4. Januar 2013 zu erteilen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie ist der Ansicht, dass bereits kein Rechtschutzbedürfnis für die Klage bestehe, da der Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides nicht abgewartet worden sei.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.
21Der Zulässigkeit der am 2. Mai 2013 erhobenen Klage steht nicht – wie die Beklagte meint – ein fehlendes Rechtschutzbedürfnis entgegen. Jedenfalls zum Termin der mündlichen Verhandlung am 20. März 2014 ist die Untätigkeitsklage zulässig, da die Beklagte bis zu diesem Tag keinen rechtsmittelfähigen Bescheid erlassen hat, obwohl ihr der Antrag auf Erteilung eines Reiseausweises bereits am 8. Januar 2013 zugegangen ist (vgl. Beiakte Heft 4, Bl. 969).
22Die Klage ist allerdings unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises bzw. hilfsweise eines Ausweisersatzes (§ 113 Abs. 5 VwGO).
23Nach § 5 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung – AufenthV – kann einem Ausländer ein Reiseausweis u.a. dann ausgestellt werden, sofern er einen Pass oder Passersatz nachweislich nicht auf zumutbare Weise erlangen kann. Die Hürden für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals sind deshalb nicht zu niedrig anzusetzen, weil mit der Ausstellung eines Reiseausweises in die Personalhoheit eines anderen Staates eingegriffen wird.
24Vorliegend hat die Klägerin eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung nicht in ausreichender Weise dargetan. Dabei kann ihr Vortrag, ihr Vater habe sich bereits vollumfänglich um eine Änderung der fehlerhaften Daten im türkischen Register bemüht und die türkischen Behörden hätten ihm erklärt, ohne eine Korrektur seines Geburtsdatums bekämen seine Kinder keine Aufenthaltserlaubnis, als wahr unterstellt werden, ohne dass sich hieraus gleichzeitig eine Unzumutbarkeit eigenständiger Bemühungen der Klägerin ergeben würden. Eine eigene Betätigung der Klägern ist nicht als von vornherein zum Scheitern verurteilt anzusehen, da nicht zwingend angenommen werden kann, dass die Gründe, welche die türkischen Behörden nach dem Vortrag der Klägerin zur Verweigerung der Korrektur des unrichtigen Geburtsdatums ihres Vaters und der Eintragung seiner Kinder anführen, auch gegenüber ihr selbst geltend gemacht werden. Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie bereits einmal bei dem türkischen Generalkonsulat in Essen persönlich vorstellig geworden sei, die dortigen Konsulatsmitarbeiter sich jedoch geweigert hätten, mit ihr auf deutsch zu sprechen, kann auch dies als wahr unterstellt werden, ohne dass die Klägerin hiermit bereits alle ihr zumutbaren Anstrengungen unternommen hat. Gleiches gilt für ihren Vortrag, dass die Beklagte abgesehen von dem Hinweis, sie solle zum Konsulat gehen, keine weiteren konkreten Hinweise für die Passerlangung gegeben habe. Denn nochmals wird die Klägerin nicht davon befreit, in Eigeninitiative gegenüber den türkischen Behörden tätig zu werden, da die Passbeschaffung eine zuvorderst sie treffende Obliegenheit darstellt. Die hierbei von einem Ausländer zu erwartenden Bemühungen sind weit zu fassen und reichen von der Mitnahme eines Dolmetschers zum Gespräch bei dem türkischen Konsulat bis zur Einschaltung eines Rechtsanwaltes, um die für eine Eintragung in das türkische Familienregister erforderlichen Dokumente und Auskünfte notfalls im Herkunftsstaat zu erfragen und umzusetzen.
25Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 18.7.2011 – 17 A 175/11 – m.w.N.
26Hierbei ist es an dem betroffenen Ausländer, die diesbezüglich entfalteten Bemühungen der Ausländerbehörde in nachprüfbarer Form darzulegen (vgl. § 82 Abs. 1 AufenthG).
27Soweit die Klägerin schließlich beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass ihren Geschwistern von der Stadt E. trotz fehlender Passpapiere Ausweisersatze gewährt worden seien, Datenauskünfte aus dem Ausländerzentralregister einzuholen, muss das Gericht dem nicht nachgehen. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, würde auch aus dieser Tatsache kein Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Reiseausweises folgen. Für den in diesem Zusammenhang von ihr geltend gemachten Anspruch auf Gleichbehandlung ist zunächst darauf zu verweisen, dass sich aus der beantragten Einholung der Datenauskünfte aus dem Ausländerzentralregister nicht ergeben würde, welche konkreten Anstrengungen ihre Geschwister zur Erlangung eines Passes entfaltet haben, so dass mit der beantragten Beweiserhebung bereits kein hinreichend vergleichbarer Sachverhalt dargetan wäre. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung nur gegenüber demselben Hoheitsträger, nicht hingegen zwischen unterschiedlichen Hoheitsträgern gilt. Handlungen anderer, gleichrangiger Ausländerbehörden können der Beklagten nicht zugerechnet werden und sind daher für die Frage ihrer Selbstbindung unerheblich.
28Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Erteilung eines Ausweisersatzes zu. Insofern bestimmt die einschlägige Regelung des § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthV, dass ein solcher nur dann ausgestellt wird, wenn der Ausländer einen anerkannten gültigen Pass oder Passersatz nicht in zumutbarer Weise erlangen kann. Für die Frage der Zumutbarkeit gelten jedoch die vorgehenden Erwägungen entsprechend.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 der Zivilprozessordnung.
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Beschluss:
32Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
33Gründe:
34Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes.
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Referenzen
- § 82 Abs. 1 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- AufenthV § 55 Ausweisersatz 1x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 167 1x
- 17 A 175/11 1x (nicht zugeordnet)